Protokoll der Sitzung vom 26.04.2013

Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir haben ein gutes rechtliches Fundament für die Umsetzung der Sicherungsverwahrung gelegt. Die Voraussetzungen, die das Gesetz vorschreibt, haben wir in Burg praktisch schon geschaffen. Wir haben umgebaut. Unser privater Partner, PJB, hat zusätzliches Personal, Therapeuten und Sozialarbeiter, eingestellt. Das Team ist bereits seit dem 1. Februar aktiv, um das Behandlungskonzept für die Sicherungsverwahrung zu entwickeln.

Ich denke, wir sind auf einem guten Weg. Ich bitte um Zustimmung zu der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht, Verfassung und Gleichstellung. Ich denke, wir werden auch in Zukunft über den einen oder anderen Punkt dieses Themas diskutieren. Ich habe in der Diskussion eines gelernt: dass es allen Beteiligten sehr am Herzen liegt. - Ganz herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Danke schön, Frau Ministerin. - Wir treten in eine Debatte mit einer Redezeit von fünf Minuten je Fraktion ein. Als erste Debattenrednerin spricht Frau von Angern für die Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Der Grundtenor des Gesetzesvorhabens bzw. der Auftrag, den uns der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte gegeben hat, lässt sich kurz zusammenfassen: Therapie statt Strafe. Das ist in sich logisch und konsequent, weil eben keine Straftaten begangen wurden. Unter dieser alleinigen Maßgabe muss und musste die Reform der Sicherungsverwahrung vollzogen werden.

Auch wir als sachsen-anhaltisches Parlament standen in der Pflicht, auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2011 zu reagieren. Bis spätestens zum 31. Mai 2013 muss es nach der Vorgabe der Verfassungsrichter eine Neuregelung geben.

Die Landesregierung hat den entsprechenden Gesetzentwurf am 12. Dezember 2012 auf den parlamentarischen Weg gebracht. Wir haben schnell festgestellt, dass alles andere als ausreichend Zeit bestand, um eine solche Gesetzesberatung intensiv, ausgewogen und unter angemessener Hinzu

ziehung von externem Sachverstand einschließlich des GBD vornehmen zu können. Das war ein unhaltbarer Zustand. Ich denke, es sollte einmalig bleiben, dass die mitberatenden Ausschüsse bei der Beratung über den Gesetzentwurf keine Synopse haben.

(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Die Karlsruher Richter haben beanstandet, dass sich die bisherige langfristige Unterbringung von gefährlichen Straftätern zu wenig von der normalen Gefängnishaft unterscheidet. Deshalb müssen Gewalt- und Sexualstraftäter, die zum Schutz der Bevölkerung auch nach Ablauf ihrer Haftstrafe nicht freikommen, künftig intensiver betreut werden. Es muss auch bei ihnen darauf hingearbeitet werden, dass sie eines Tages ein straffreies Leben in Freiheit realisieren können.

Der BGH hat schon vor Jahren klargestellt: Niemand darf bis zum Ende seines Lebens als hoffnungsloser Fall abgeschrieben werden, auch niemand mit lebenslanger Haftstrafe, und erst recht niemand, der sich nach dem Haftende, ohne eine Straftat begangen zu haben, weiter hinter Gittern befindet.

Der Vollzug der Sicherungsverwahrung muss freiheitsorientiert und therapiegerichtet ausgestaltet werden. Ich denke, nur so kann die Allgemeinheit auf Dauer geschützt werden.

Der vorliegende zu beschließende Gesetzentwurf wird grundsätzlich Rechtssicherheit schaffen und damit Sicherheit unter rechtsstaatlichen Vorzeichen garantieren. Aus der Sicht meiner Fraktion wird das Gesetz den Maßgaben des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 gerecht. Damit aber kein Irrtum besteht, meine Damen und Herrn: Die LINKE lehnt das Sanktions- bzw. Freiheitsentzugsinstrument der Sicherungsverwahrung nach wie vor ab. Dennoch haben wir als Land eine andere Verantwortung als der Bund wahrzunehmen. Wir mussten handeln.

Im Interesse der Erfüllung des Vollzugsziels hätte sich die Fraktion DIE LINKE an manchen Stellen aber noch weitaus konkretere, also dem Bestimmtheitsgrad entsprechende, umfassendere und vor allem qualitativ größere Schritte auf dem Weg zu einer wirklich modernen Sicherungsverwahrung oder, wie wir es besser nennen würden, Sicherungsunterbringung gewünscht.

Eine Reihe der Änderungsanträge, die wir in den Ausschuss eingebracht haben, ist in den vorliegenden Gesetzentwurf eingeflossen. Das begrüßen wir ausdrücklich.

Manche Anregung aus der Anhörung, die wir in Änderungsanträgen aufgenommen hatten, fand bei den Kolleginnen und Kollegen aus der Koalition aber leider kein Gehör. Ich möchte Ihnen dafür

einige Beispiele geben. Darin liegt es auch begründet, dass wir uns bei der Abstimmung über den Gesetzentwurf der Stimme enthalten werden.

Sie lehnten es ab, dass langjährig Untergebrachten insbesondere nach einem erneuten gescheiterten Behandlungsversuch auf Antrag zeitlich begrenzt eine sogenannte Ruhestufe ohne Therapiebehandlung eingeräumt werden kann. Sie hatten aber auch keinen wirklichen Vorschlag, wie man mit den sogenannten hoffnungslos Verwahrten umgehen sollte. Das Problem wird also bestehen bleiben.

Sie stimmten gegen den Zugang zum Internet für die Untergebrachten, natürlich unter gewissen Beschränkungen, im Sinne des Urteils des Bundesgerichtshofes. Es wird spannend sein zu sehen, wie eine entsprechende Klage nach dem Instanzenzug schlussendlich ausgeurteilt werden wird.

Sie lehnen eine Regelung ab, wonach die Untergebrachten an den Kosten des Vollzugs ihrer Unterbringung in der Sicherungsverwahrung grundsätzlich nicht zu beteiligen sind. Dazu sei nur noch einmal gesagt, dass der Freiheitsentzug im Interesse des Schutzes der Allgemeinheit erfolgt, aber nicht weil eine Straftat begangen wurde.

Sie lehnten ebenfalls unseren Antrag zum Recht auf Arbeit für die Untergebrachten ab. Unser Vorschlag war, dass den Untergebrachten Arbeit sowie arbeitstherapeutische Maßnahmen anzubieten sind. Wer den Mangel an Arbeitsplätzen gerade in der JVA Burg kennt, der weiß um die Risiken der jetzigen Formulierung „soll Arbeit angeboten werden“. Wir begrüßen aber durchaus, dass Sie damit ein Stück weiter als die Landesregierung gehen.

Abschließend bleibt zu sagen, dass das vorliegende Gesetz den grundsätzlichen Anforderungen an eine verfassungsgemäße, einen deutlichen Abstand zum Strafvollzug herstellende und am Vollzugsziel ausgerichtete Unterbringung in der Sicherungsverwahrung durchaus Rechnung trägt. Personalpolitisch muss jedoch kritisch gesagt werden, dass das momentan vor allem zulasten des allgemeinen Vollzuges geschieht.

Die Praxis wird zeigen, wie dieses Gesetz den Untergebrachten selbst bei langer Unterbringungsdauer ein Leben in Würde und weitgehender Selbstbestimmung ermöglicht.

Die Sensibilität bzw. der Umgang der Gesellschaft mit Sicherungsuntergebrachten wird wahrscheinlich erst in vielen Jahren mit den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bzw. des Bundesverfassungsgerichts harmonieren. Die Leserbriefe anlässlich der Eröffnung der Sicherungsverwahrung in Burg-Madel haben das deutlich gezeigt. Das ist traurig. Wir müssen alle gemeinsam für einen anderen Umgang werben. Ich denke, das tun wir, und das tun wir zum Glück

auch fraktionsübergreifend. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke sehr, Frau von Angern. - Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Dr. Brachmann.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für wen machen wir dieses Gesetz? - Sicherlich nicht für Waisenknaben, aber auch nicht für Häftlinge und Gefangene. Wir unterhalten uns bei der Beratung über diesen Gesetzentwurf über einen Personenkreis, der seine Strafe verbüßt hat, sich aber dennoch nicht in Freiheit bewegen darf, weil von ihm eine Gefahr für die Begehung erheblicher Straftaten ausgeht.

Das Bundesverfassungsgericht hat den Rechtspolitikern und Justizpraktikern sehr nachdrücklich ins Hausaufgabenheft geschrieben, was mit diesem Personenkreis künftig zu geschehen hat. Frau von Angern hat das eben ausgeführt.

Das Abstandsgebot ist das zentrale Stichwort. Wenn man es unterlegen will, dann heißt das: Auch hinter Gefängnismauern müssen Bedingungen geschaffen werden, die den allgemeinen Lebensbedingungen entsprechen.

Das Bundesverfassungsgericht hat ausgeführt, dass diejenigen ein Sonderopfer bringen, weil sie nicht in Freiheit leben dürfen. Sie haben aber, soweit es irgendwie geht, die gleichen Rechte wie alle anderen auch. Mit diesem Gesetz soll der Versuch unternommen werden, diesem Abstandsgebot gesetzgeberisch Rechnung zu tragen.

Wir haben eine umfängliche Anhörung durchgeführt, in der eine ganze Reihe von Hinweisen gegeben wurde, welche die Regierungskoalition aufgegriffen hat. Hilfreich war auch die Stellungnahme des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes, in der wertvolle Hinweise gegeben wurden, wie uns dieser Balanceakt, den die Frau Ministerin bereits beschrieben hat, gelingen kann. Nicht alles, aber wesentliche Teile dessen, was in der Anhörung und vom Gesetzgebungs- und Beratungsdienst vorgetragen worden ist, wurden übernommen. Frau von Angern hat das schon aufgeführt.

Ich möchte noch mal auf drei Dinge eingehen, die in der Debatte zum Teil schon eine Rolle gespielt haben. Das Erste hat die Frau Ministerin schon angesprochen, die Internetnutzung. Stellen Sie sich vor, es würde hier kein Internet geben. Der BGH hat unlängst noch einmal deutlich gemacht, dass das Bestandteil eines normalen Lebens ist. Im Vollzug stellt sich die Situation aber natürlich noch einmal anders dar.

Wir haben eine Regelung, in der es heißt: „andere Formen der Telekommunikation“. Das ist eine SollVorschrift mit Ausschlussgrund. Der Ausschlussgrund bezieht sich auf die Sicherheit und Ordnung der Einrichtung. Der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst hat völlig zu Recht darauf hingewiesen, wenn es technisch möglich ist - und es sollte möglich sein -, dann gibt es keinen verfassungsrechtlich tragfähigen Grund, diese Form der Telekommunikation nicht zuzulassen.

Das Zweite sind Pakete. In dem Gesetzentwurf der Landesregierung war dafür zunächst ein Erlaubnisvorbehalt vorgesehen. Derjenige, der ein Paket haben wollte, sollte erst einmal um Erlaubnis bitten. Wir haben mit einem Änderungsantrag dafür gesorgt, dass es ausreicht, dies anzuzeigen.

Wenn ich mir irgendetwas bestelle, dann kann ich das vorher angeben, aber dass ich von der Oma ein Geburtstagspaket bekomme, das muss ich vorher nicht unbedingt wissen. Die sogenannten Spontanpakete müssen also möglich sein. Was den Inhalt der Pakete anbelangt, gibt es entsprechende Regelungen zu beachten.

Das Dritte, was ich ansprechen möchte, ist die Nutzung eigener Radio- und Fernsehgeräte. Der Gesetzentwurf sah die Regelung vor, den Untergebrachten Mietgeräte zu überlassen und sie zu verpflichten, diese zu nutzen. Das hat mit dem bestehenden PPP-Vertrag zu tun. Wir haben aber gesagt, nein, das wollen wir nicht. Wir haben eine Regelung getroffen, die Klarheit schafft, dass dieses Mietfernsehen vom Tisch ist.

Zu dem PPP-Projekt als solchem kommen wir gleich noch. Frau Ministerin hat bereits ausgeführt, dass auch die Sicherheitsunterbringung unter den gegenwärtigen Bedingungen, also im Rahmen des PPP-Projektes realisiert werden soll. Ich halte das für einen durchaus gangbaren Weg, das im Rahmen der Möglichkeiten, die Burg bietet, zu vollziehen. Wie weit das PPP-Projekt gestaltet wird, das werden wir unter dem nächsten Tagesordnungspunkt besprechen.

Einen letzten Gedanken: Wir haben, wie gesagt, versucht, mit diesem Gesetzentwurf die Grundlage für die Umsetzung des Abstandsgebots zu legen. Ob es eher ein Strafvollzugsgesetz light wird und ob uns dieser Balanceakt gelungen ist, das wird die Praxis zeigen müssen. Ich gehe davon aus, dass das eine oder andere vor den Gerichten überprüft werden wird. Wenn der Gesetzgeber doch zu engherzig gewesen sein sollte, dann wird es später zu korrigieren sein.

Ich bitte um Zustimmung zu der Beschlussempfehlung und zu dem Änderungsantrag, der lediglich das Inkrafttreten regelt und eine technische Berichtigung beinhaltet, weil an einer Stelle etwas vergessen worden ist. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD)

Danke sehr, Herr Kollege Brachmann. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht der Abgeordnete Herr Herbst.

Frau Präsidentin! Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Herr Leimbach, CDU: Morgen!)

Die Sicherungsverwahrung ist ein schwieriges Konstrukt. Ich glaube, uns hat bei den Ausschussberatungen die ganze Zeit ein Grundgedanke begleitet, und das ist der wichtige Grundsatz in der deutschen Rechtsprechung, keine Haft ohne Strafe. Dieser Grundsatz ist von dem Gesetzentwurf berührt. Deswegen ist es ein sensibles Feld, auf dem wir uns bewegen.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte und zuletzt auch das OLG Naumburg haben uns die Leitlinien an die Hand gegeben, wie wir die Sicherungsverwahrung auszugestalten haben. Ich glaube, wir haben sehr konstruktiv versucht, uns in den Ausschussberatungen daran zu orientieren.

Ich will mit dem wichtigen Beispiel des Namens beginnen. Mir ist es sehr wichtig, dass wir das Ganze weiterhin „Sicherungsverwahrung“ nennen und uns nicht auf den ursprünglichen Vorschlag „Sicherungsunterbringung“ festlegen. Ich finde es wichtig, dass wir uns an qualitativen Kriterien orientieren, um das Abstandsgebot umzusetzen, und nicht einfach nur das Etikett verändern und etwas anderes darauf schreiben. An dieser Stelle sollten wir ehrlich sein und bei dem alten Begriff bleiben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Die zentrale Frage war, wie das Abstandsgebot in der Sicherungsverwahrung gegenüber dem regulären Strafvollzug gesetzlich festzuschreiben ist und mit Leben erfüllt werden kann. Ein freiheitsorientierter und auf Therapie ausgerichteter Vollzug steht hierbei im Vordergrund, dessen Ziel die Minderung der Gefährlichkeit der Betroffenen sein muss, der eine erfolgreiche Resozialisierung ermöglichen muss und als oberstes Ziel immer die frühzeitige Entlassung aus der Sicherungsverwahrung im Blick haben muss.

Aus unserer Sicht ist dabei eine qualifizierte Täterarbeit die beste Voraussetzung dafür, dass die Bürgerinnen und Bürger künftig nicht mehr Opfer dieser Personengruppe werden können.

Insbesondere im Ergebnis der sehr interessanten Expertenanhörung und dank der Hinweise des GBD hat sich eine Vielzahl von Änderungsvorschlägen ergeben, über die sehr intensiv diskutiert wurde und von denen einige auch umgesetzt wurden.