Protokoll der Sitzung vom 20.06.2013

rem Bericht im Jahr 2011 geschrieben - ich zitiere -:

„Auch auf längere Sicht ziehen die Forscher mehrheitlich eine positive Bilanz. Knapp fünf Jahre nach der Gründung sind immer noch 55 % bis 70 % der vormals Geförderten in Vollzeit oder Teilzeit selbständig tätig.“

Es ist schade, dass das jetzt so nicht mehr zur Verfügung steht. Die Zahlen sprechen für sich.

(Zuruf von Herrn Dr. Thiel, DIE LINKE)

Im Januar 2011 waren mehr als 13 200 Menschen in Förderung über Gründungszuschüsse. Im Januar 2012 waren es nur noch 5 200 - also praktisch nicht mehr relevant mit einem Rückgang von über 60 %.

Zweitens - das ist schon angesprochen worden; die Zeit wird es jetzt nicht hergeben, das ausreichend zu debattieren -: die Vermittlungspause.

Gerade für die kreativen Berufe ist es sehr, sehr wichtig, dass zwischen einzelnen Arbeitsverhältnissen eine Zeitspanne ist, in der man das nächste Projekt vorbereiten kann und in der es aus meiner Sicht und aus der Sicht meiner Fraktion rausgeschmissenes Geld ist, wenn diese Menschen damit drangsaliert werden, dass sie in drei Wochen 20 Bewerbungen schreiben müssen, dass sie zum x-ten Bewerbungstraining gehen müssen oder dergleichen. Das ist mit der Vermittlungspause gemeint. Ich glaube, da ist sie auch gut und richtig.

(Frau Dirlich, DIE LINKE: Ach! Was soll denn das?)

Die Fälle, die von Ihnen, Kollegin Dirlich, angesprochen werden, müssen natürlich anders behandelt werden.

(Frau Dirlich, DIE LINKE: Ach!)

Aber das ist ja so der grundsätzliche Ansatz, dass wir sagen: Wir müssen unterschiedliche Instrumente schaffen. Eines davon ist die Vermittlungspause. Aber dann muss individuell geguckt werden. Denn wir haben nur dann wirklich eine nachhaltige Arbeitsmarktpolitik und eine nachhaltige Arbeitsmarktförderung, wenn wir uns den einzelnen Menschen angucken und sagen: Der braucht wirklich vom ersten Tag an Unterstützung; bei dem hingegen ist es sinnvoll, ihn kurzzeitig in Ruhe zu lassen, damit er sein Projekt - ich habe eben das Beispiel genannt - ausarbeiten kann. Denn gerade beispielsweise Kulturschaffende oder Akademikerinnen sind sehr wohl in der Lage, sich selbständig um ihre Teilhabe am Arbeitsmarkt zu kümmern.

Als Drittes ist für uns wichtig, dass Selbständige auch wieder in die Arbeitslosenversicherung - die ja jetzt noch so heißt - einzahlen können. Hierbei hat die Anhebung des Beitragssatzes Ost von rund 15 € auf 68 € wesentlich dazu beigetragen, dass

gerade Soloselbständige, Einzelselbständige oder Selbständige in Firmen, die noch keine Gewinne abwerfen, sich diese Versicherung im wahrsten Sinne des Wortes sparen. ich glaube, das ist eine Entwicklung, die nicht sinnvoll ist. Hier müssen wir gegensteuern.

Ich würde Ihnen jetzt gern noch sehr viel mehr zu unseren Projekten und zu unserem Antrag erzählen. Die Redezeit ist aber leider überschritten. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke schön, Frau Lüddemann. - Für die Fraktion der SPD spricht nun der Abgeordnete Herr Steppuhn.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr verehrte Kollegin Dirlich, Sie haben jetzt von verschiedenen Seiten gehört, dass Ihr Antrag so ganz verkehrt nicht ist. Auch wir als SPD-Landtagsfraktion können dem Ansinnen folgen. Es hat diesbezüglich auch schon eine Reihe von Aktivitäten gegeben.

Worin ich Ihnen nicht folgen kann, ist - aber das ist bei vielen Anträgen so -, dass Sie immer auch Fehlentwicklungen auf dem Arbeitsmarkt mit der Agenda 2010 und Hartz IV in Verbindung bringen und diese damit begründen.

Ich denke, damals, als die Agenda 2010 und Hartz IV beschlossen worden sind, hat man solche Fehlentwicklungen noch nicht sehen können. Wir haben schon des Öfteren bei diesen Debatten deutlich gemacht, dass auch das eine Fehlentwicklung ist und dass wir zu veränderten Rahmenfristen kommen müssen.

Warum das so ist - ich möchte gar nicht die Zahlen und die Details wiederholen, die Herr Minister Bischoff schon genannt hat -, möchte ich an einem praktischen Beispiel deutlich machen, gerade weil es Sommer ist und jetzt die Schwimmbäder geöffnet haben.

Im vergangenen Jahr war ein knapp 50-jähriger Mann bei mir in der Bürgersprechstunde, der mir berichtete, dass er seit fünf Jahren Jobs hat, die kein halbes Jahr dauern. Dann habe ich natürlich nachgefragt, um welche Tätigkeit es sich hierbei handelt. In seinem ursprünglichen Beruf hatte er keine Anstellung mehr bekommen. Dann hat man bei der Arge, so glaube ich, festgestellt, dass der Mann einen Rettungsschwimmerschein hat. Jetzt wird er in den Sommermonaten, also immer in der Saison, in Schwimmbädern eingesetzt.

Schwimmbäder bzw. Freibäder haben in der Regel keine sechs Monate im Jahr geöffnet, sodass die

ser Mann in einem Jahr immer knapp sechs Monate Arbeitszeit zusammenbekommt. In 24 Monaten, der derzeit gültigen Rahmenfrist, erreicht er also das Jahr an Arbeitszeit nicht. Er muss dann immer wieder zurück in das System Hartz IV.

Wenn wir die Rahmenfrist auf 36 Monate erhöhen würden - das ist politisch gewollt -, wäre dieses Problem gelöst. Dabei geht es nicht nur um das Arbeitslosengeld I, sondern er hätte auch Perspektiven im Bereich der Umschulung, der Weiterbildung und Qualifizierung bis hin zum Anspruch auf Vermittlungsgutscheine, um auch in anderen Bereichen tätig zu werden. Aber so hängt er in diesem System fest, was sich letztlich auch auf die Rente auswirkt.

Ich habe Ihnen dieses Beispiel genannt, weil es ein plastisches Beispiel dafür ist, dass an dieser Stelle etwas geändert werden muss. Der gute Mann macht das mittlerweile seit fünf Jahren. Ich denke, es ist einfach nicht gerecht, dass wir solche Regelungen zulassen. Deshalb muss an dieser Rahmenfrist etwas verändert werden.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

Frau Dirlich, Ihr Antrag kommt zu einem etwas ungünstigen Zeitpunkt.

(Oh! bei der Linken - Zuruf von der LINKEN: Bundestagswahl!)

- Nicht nur, aber auch weil wir die Bundestagswahl haben. - Der eine Grund ist genannt worden: Es ist völlig unrealistisch, bis September/Oktober noch eine Bundesratsinitiative hinzubekommen, die dann auch Erfolg hat. Ebenso richtig ist - damit nehme ich die Kolleginnen und Kollegen von der Union ein wenig in Schutz -, dass sie mit solchen Anträgen oder Bundesratsinitiativen kurz vor der Wahl die Kanzlerin nicht mehr ärgern wollen.

(Frau Weiß, CDU: Nee, das machen wir nicht!)

Aber ich denke, das wird im September/Oktober ganz anders aussehen. Dann wird auch die CDU zustimmen können, wenn in Berlin Rot-Grün regiert.

(Lachen bei der CDU - Frau Weiß, CDU: 22 %! - Weitere Zurufe von der CDU)

Deshalb habe ich die Hoffnung, dass wir dieses Problem im Sinne der betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und derjenigen, die darüber hinaus betroffen sind, dann auch lösen können.

(Lachen bei der LINKEN - Zurufe von der CDU und von der LINKEN)

In diesem Sinne wollen wir uns mit dem Thema im Ausschuss beschäftigen, sowohl mit dem Ursprungsantrag als auch mit dem Antrag der Frak

tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD - Herr Borgwardt, CDU: Dann müssen die Grünen auf 33 % kom- men! Das wird schwierig!)

Danke schön, Herr Abgeordneter Steppuhn. - Zum Schluss der Debatte spricht noch einmal Frau Abgeordnete Dirlich.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Angesichts der Debatte und der Ankündigung, dass wir im Ausschuss weiterdiskutieren können, hatte ich mir fest vorgenommen, nicht noch einmal in die Bütt zu steigen. Aber das geht nach dem Redebeitrag von Herrn Steppuhn leider nicht mehr.

(Frau Niestädt, SPD: Der war doch sehr gut!)

Herr Steppuhn, noch einmal von vorn.

(Frau Weiß, CDU: Nein!)

Wir konnten die Auswirkungen der Hartz-Gesetze damals nicht erkennen. - Bitte? Ich weiß nicht, wie oft diese Legende noch wiederholt werden soll. Sie ist nicht wahr.

(Beifall bei der LINKEN)

Das bringt mich allmählich wirklich auf die Palme, dass das jetzt - okay, wir haben Wahlkampf - ständig wiederholt wird.

(Frau Dr. Klein, DIE LINKE: Wir haben im- mer Wahlkampf!)

- Ja, leider. - Ich kriege das noch irgendwann fertig; wenn ich gar nicht mehr weiß, was ich machen soll, dann zeige ich Ihnen die Anträge von damals und die Reden, die wir alle gehalten haben, in denen wir uns schon damals über das Thema gestritten haben. Die meisten Auswirkungen waren erstens bekannt und zweitens gewollt.

Der Zeitpunkt ist natürlich witzig. Vor Wahlen geht angeblich gar nichts mehr - und dann geht vor Wahlen wiederum sehr viel, weil die CDU plötzlich ihre Arbeitnehmerfreundlichkeit entdeckt. Meine Begeisterung kann ich kaum bändigen. Natürlich haben wir diesen Zeitpunkt ganz bewusst gewählt, und zwar weil demnächst Wahlen sind.

(Beifall bei der LINKEN - Herr Borgwardt, CDU: Das wissen wir doch!)

Danke schön, Frau Abgeordnete Dirlich. - Damit schließen wir die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt ab und treten in das Abstimmungsverfahren ein.

Die Redner sowohl der Fraktion DIE LINKE als auch der Fraktion der CDU haben eine Überweisung beider Anträge, sowohl des Ursprungsantrags der Fraktion DIE LINKE in der Drs. 6/2003 als auch des Änderungsantrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der Drs. 6/2180, in den Ausschuss für Arbeit und Soziales beantragt. Darüber lasse ich zunächst abstimmen. Wer dafür ist, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Zustimmung aus allen Fraktionen. Stimmt jemand dagegen? - Das ist nicht der Fall. Gibt es Stimmenthaltungen? - Auch nicht. Dann sind beide Anträge in den Ausschuss für Arbeit und Soziales überwiesen worden und der Tagesordnungspunkt 7 ist erledigt.