Protokoll der Sitzung vom 20.06.2013

So gibt es gute, im Wesen der Hochschule liegende Gründe für die Zeitrahmen sechs plus sechs bzw. sechs plus neun, die Sie auch genannt haben. Und das muss auch so sein. Die Hochschulen sind dafür da, Menschen auszubilden, und nicht dafür, ihnen einen Arbeitsplatz geben.

Ich kenne noch die Zeit der Akademischen Oberräte, die es eben nicht zur Promotion geschafft hatten, die aber auf Lebenszeit da waren. Das

waren im Prinzip arme Menschen, da sie selber frustriert waren, von den Studenten nicht recht ernst genommen und von den Professoren gar nicht wahrgenommen zu werden. Das kann nicht die Lösung sein. Das mag im Einzelfall sozial bitter sein, aber die Hochschulen sind nun einmal nicht dafür da, in diesem Rahmen Arbeitsplätze zu schaffen.

Die Dauer befristeter Arbeitsverhältnisse ist im Wissenschaftsbereich übrigens nicht kürzer als anderswo. Im Gegenteil: Betrachtet man alle befristeten Arbeitsverhältnisse, also auch die in der Wirtschaft oder die in der Verwaltung, dann beträgt die Befristung bei fast zwei Dritteln aller Beschäftigungsverhältnisse ein Jahr oder weniger. Befristet Beschäftigte mit akademischer Ausbildung hatten in 42 % der Fälle Verträge mit einer Laufzeit von unter einem Jahr, in ca. 29 % der Fälle Verträge mit Laufzeiten zwischen einem und zwei Jahren. Zusammengenommen sind das 71 %. Bei Wissenschaftlern an Hochschulen waren es mit Stichtag 31. Dezember 2011 - das sind die letzten Daten, die wir kennen - 53 %, also deutlich weniger.

Wir müssen uns auch klarmachen, dass es kurzzeitige Arbeitsverhältnisse gibt, die durchaus im Sinne der Beschäftigten sind. Wenn zum Beispiel ein Absolvent als Wissenschaftlicher Mitarbeiter vorgesehen ist, die Stelle aber erst in einem Vierteljahr oder in einem halben Jahr frei wird, dann wird er sehr froh sein, wenn er bis dahin zumindest als wissenschaftliche Hilfskraft übergehend zeitweise beschäftigt werden kann. Weitere Beispiele sind Überbrückungsbefristungen zwischen zwei Projekten oder auch eine kurzfristige Anschlussbefristung, um das begonnene Projekt und die jeweiligen Forschungsergebnisse erfolgreich zu Ende zu führen.

Sie sprachen gerade die Drittmittel an. Wenn es dem Professor, der Professorin gelungen ist, Drittmittel zu erhalten, das Projekt ausläuft und die nächsten Drittmittel erst in drei oder sechs Monaten zur Verfügung stehen, dann ist es auch eine soziale Tat dem- oder derjenigen einen Vertrag für sechs Monate zu geben. Wenn wir das verbieten, dann geht der- oder diejenige sechs Monate lang zum Arbeitsamt und kommt dann wieder zum Professor. Das kann auch nicht sinnvoll sein. Deshalb müssen wir aufpassen, dass wir bei allem sozialpolitischen Engagement nicht plötzlich Regelungen schaffen, die kontraproduktiv sind.

Damit keine Missverständnisse entstehen: Ich behaupte nicht, dass es im Befristungsgeschehen nur Zufriedene gibt. Aber ganz offensichtlich haben wir es mit einer vielschichtigen Materie zu tun, die nicht dafür spricht, Mindestbefristungszeiten pauschal festzulegen. Das ist auch vom BMBF und vom HIS-Institut untersucht worden. Der Bericht, der im März 2011, also vor zwei Jahren, veröffentlicht worden ist, hat dem Gesetz eigentlich einen

auskömmlichen zeitlichen Befristungsrahmen garantiert, und davon sollten wir nach zwei Jahren nicht schon wieder abweichen. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU und von Herrn Miesterfeldt, SPD)

Vielen Dank, Herr Minister Möllring. - Es spricht nun für die Fraktion der SPD Frau Abgeordnete Dr. Pähle.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz, das seit April 2007 die vormals geltenden Regelungen des Hochschulrahmengesetzes ersetzt und weiterentwickelt hat, sorgt seit seinem Inkrafttreten für Diskussionen und unterschiedliche Bewertungen. Und wie es im Leben immer ist: Es kommt auf die Perspektive an.

Aus der Sicht des BMBF und der Arbeitgeber, also der Hochschulen und der außeruniversitären Forschungseinrichtungen, hat sich das Gesetz bewährt, schafft es doch Flexibilität bei der Beschäftigung gerade in der Qualifikationsphase. Erreicht wurde dies durch das Sonderbefristungsrecht für die Wissenschaft, das nunmehr eine sachgrundlose Befristung von bis zu sechs Jahren vor der Promotion und von sechs bzw. neun Jahren in der Medizin nach der Promotion ermöglicht.

Ebenfalls wurde durch die Einführung eines wissenschaftsspezifischen Befristungstatbestandes - das sind die Drittmittelbefristungen -, der sowohl für wissenschaftliche wie für nichtwissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gilt, eine weitere Regelung getroffen, die wissenschaftsadäquat ist. Wenn ich für eine bestimmte Laufzeit Mittel zur Verfügung habe, kann ich für diese Laufzeit Menschen beschäftigen. Es wird von niemandem bestritten, dass gerade Drittmittelprojekte besondere Beschäftigungsmodelle erfordern. Diese Möglichkeit wird durch das Wissenschaftszeitvertragsgesetz geschaffen. Kurz zusammengefasst also: alles gut.

Meine Damen und Herren! Nein, es ist nicht alles gut, und den zu beobachtenden Fehlentwicklungen, die sich mittlerweile abzeichnen, muss etwas entgegengesetzt werden. Der Gesetzgeber ist hier gefragt, und manchmal hilft ein wenig Unterstützung von den Bundesländern.

Die Gesetzesänderung, die mit der Bundesratsinitiative der Länder Nordrhein-Westfalen, Hamburg und Baden-Württemberg eingebracht wurde, greift genau jene Punkte auf, die als wesentliche Fehlentwicklungen des geltenden Gesetzes gesehen werden können. Ich möchte niemandem die Schuld für diese Fehlentwicklungen zuschieben.

Hat man das so gewollt, hat man es nicht gewollt? Das ist eigentlich irrelevant.

Fest steht, dass wir momentan Laufzeiten von Arbeitsverträgen zu verzeichnen haben, die im Wissenschaftsbereich großenteils weniger als ein Jahr betragen. Wir beobachten, dass es hauptsächlich Frauen sind, die kurzfristige Vertretungen wahrnehmen. Wir müssen konstatieren, dass die geltende Familienregelung, die die Verlängerung der Qualifikationsphase oder der Befristung ermöglicht, hauptsächlich von Männern genutzt wird, weniger von Frauen, die im Wissenschaftssystem tätig sind.

Natürlich stellt sich die Frage, wie wir mit diesen Fehlentwicklungen umgehen. Nehmen wir sie hin und sagen, es ist alles in Butter, oder versuchen wir zumindest an diesen Punkten eine Gegensteuerung vorzunehmen?

Es ist auch zu beobachten, dass gerade das Qualifikationsinteresse an den Hochschulen dadurch konterkariert wird, dass das Wissenschaftszeitvertragsgesetz auch für die Lehrbeauftragten in Anspruch genommen wird. Wenn diese jedoch zum Teil zwölf Semesterwochenstunden ableisten müssen, dann bleibt in dieser Zeit kein Raum für die eigene Qualifikation. Nach sechs, spätestens nach acht Jahren, wenn man die Familienkomponente noch nutzen kann, ist aber Schluss mit der Qualifikation.

Das heißt, auch an dieser Stelle haben wir ein großes Frustrationspotenzial für den wissenschaftlichen Nachwuchs, der gar nicht weiß, wie seine Karriere verlaufen wird, wie sie planbar ist, wie Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen sind und wie dies alles in seine Lebensplanung insgesamt hineinpasst. Ich denke, an diesen Stellen ist schon eine Neuregelung, eine Nachjustierung sinnvoll.

Unser Anspruch als SPD ist es, für den Bereich der Wissenschaft Rahmenbedingungen zu schaffen, die ein gutes Arbeiten ermöglichen. Dazu gehört, dass im Wissenschaftszeitvertragesgesetz Mindestlaufzeiten für sachgrundlose Befristungen gefasst werden. An dem Ergebnis der Evaluation kann man sehen, dass das notwendig ist.

Nur um einem Irrtum vorzubeugen: Die kurzfristige Vertretung in der Elternzeit oder weil das Projekt noch Mittel hat, wird auch weiterhin mit kurzfristigen Befristungen möglich sein. Es geht um sachgrundlose Befristungen. Das ist ein besonderer Tatbestand, und in diesem besonderen Tatbestand kann man, denke ich, auch längere Zeiten verabreden, gerade wenn man den Qualifikationsaspekt so in den Vordergrund stellt.

Ich hoffe sehr, dass der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hier im Haus dafür sorgt, dass man sich mit dem Thema noch einmal

adäquat auseinandersetzt und darüber diskutiert. Denn ich denke, dass es an dieser Stelle noch sehr viele Fragen gibt. Es gibt Missverständnisse und vielleicht an der einen oder anderen Stelle auch Unkenntnis.

Deshalb votiere ich dafür, den Antrag in den Ausschuss für Wissenschaft und Wirtschaft zu überweisen und ihn in der nächsten Woche auf die Tagesordnung dieses Ausschusses zu setzen, sodass wir dort eine adäquate und lösungsorientierte Entscheidung treffen und uns zu dem Antrag verhalten können. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Danke schön. - Als Nächster spricht für die Fraktion DIE LINKE Herr Abgeordneter Lange.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Den Analysen von Frau Dalbert und von Frau Pähle kann ich mich absolut anschließen. Hier ist längst nicht alles in Butter; das haben die Debatte und teilweise auch die Antworten auf unsere Große Anfrage gezeigt.

Wir haben daraufhin einen entsprechenden Antrag zu der Frage gestellt, wie man im Land SachsenAnhalt zukünftig mit diesen ausufernden Befristungen umgehen sollte. Wir haben dazu eine Debatte im Ausschuss geführt, und auf der Informationsvorlage des Ministeriums fußt auch der jetzt gestellte Antrag.

Allerdings muss man sagen, dass die Debatte im Ausschuss eher frustrierend gewesen ist. Denn selbst wenn ein Koalitionspartner eine Analyse teilt, die sehr kritisch mit der jetzigen Situation umgeht, interessiert das das Ministerium im Moment anscheinend gar nicht, muss man feststellen. Denn im Prinzip hat der Minister Ähnliches gesagt wie in der Ausschusssitzung und in der Debatte zur Großen Anfrage.

Herr Minister, beim letzten Mal waren Sie noch neu, damals konnte man Ihnen das noch irgendwie verzeihen. Jetzt ist es schon notwendig, noch einmal genauer hinzuschauen, wie die Situation ist. Ich kann Ihnen nur empfehlen: Gehen Sie doch einmal zu der Promovierenden-Initiative in Halle und sprechen Sie mit den Leuten darüber, wie ihre Situation ist.

Sprechen Sie einmal mit den Leuten, die davon betroffen sind und nicht wissen, ob ihr Vertrag in einem Monat verlängert wird oder nicht. Oftmals liegt das auch in der Organisation der Hochschule selber und in der Organisation des Professors begründet. Es liegt aber auch darin begründet, dass man es nach dem Gesetz machen darf. Dass man

es nach dem Gesetz machen darf, sollte eingeschränkt werden. Mit dieser Initiative beschäftigt sich derzeit der Bundesrat und dieser Initiative schließen wir uns an.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Übrigens wird sich sicherlich auch das Land Brandenburg diesem Anliegen anschließen. Daher ist DIE LINKE an dieser Stelle auch im Bundesrat mit im Boot.

Herr Minister, sehen Sie sich das einfach einmal an. Legen Sie nicht nur die Erfahrungen, die Sie in der Hochschule mit Akademischen Räten gemacht haben, zugrunde. Schauen Sie sich einmal an, wie in den 90er-Jahren hier mit dem wissenschaftlichen Mittelbau umgegangen wurde. Frau Dalbert und ich führen hierzu des Öfteren einen Disput.

Es ist schon so, dass dies hochanerkannte Wissenschaftler sind, die auch eigenständig Lehre betrieben haben, die eigenständig geforscht haben und die auch Input in die Arbeitsgruppen gebracht haben. Es ist nicht so, dass der wissenschaftliche Mittelbau nur frustrierte Akademische Räte sind und dass diese Stellen nur Dauerparkstellen für Leute gewesen sind, die ansonsten keinen Job bekommen hätten. Das trifft zumindest für den Osten und, so glaube ich, auch für viele Leute in den westlichen Bundesländern nicht zu.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung von Frau Späthe, SPD)

Es muss an dieser Stelle einiges geschehen. Das Befristungsunwesen ist mehrfach angesprochen worden, auch die Abhängigkeit vom Wohl und Wehe des Professors. Die Professoren möchte ich an dieser Stelle nicht aus der Verantwortung entlassen. Sie nutzen ihre Möglichkeiten auch aus, um gezielt Leute einzustellen oder zu entlassen, je nachdem, was sie gerade davon halten. Es gibt keine Sicherheit für diejenigen, die Promotionsstellen innehaben.

Es gibt einen hohen Grad an Selbstausbeutung. Das darf man nicht unterschätzen. Diese Angst vor dem Prinzip „hire and fire“ sorgt dafür, dass gerade bei jungen Wissenschaftlern ein hoher Grad an Selbstausbeutung besteht. Das kann man wollen. Wir als LINKE sagen allerdings, wir wollen Sicherheit bei den Arbeitsplätzen und wir möchten nicht, dass das, was nicht bezahlt wird, trotzdem geleistet werden muss.

Deswegen stimmen wir der Bundesratsinitiative zu. Sie ist richtig und wichtig. Meine Damen und Herren von der CDU, das kann nicht Ihnen nicht ersparen - Herr Harms hat beim letzten Mal gesagt, Sie seien auch große Freunde der Gewerkschaften -: Tarifautonomie nehmen Sie beim Thema Mindestlohn immer als Argument gegen den Min

destlohn. Sie möchten an dieser Stelle die Tarifautonomie gern stärken; das ist stets das Argument ihrerseits gegen den Mindestlohn.

(Frau Take, CDU: Quatsch! Was erzählen Sie da für einen Unsinn?)

Allerdings gibt es bei der Tarifsperre im Wissenschaftszeitvertragsgesetz Ihrerseits keine Bewegung. Man hat den Eindruck, dass immer dann, wenn es um das Wohl von Arbeitnehmerinnen geht, die eine oder andere Argumentation gewählt wird, um keinen Forstschritt im Sinne der Arbeitnehmerinnen zu erreichen. Das halte ich Ihnen vor.

(Beifall bei der LINKEN - Zurufe von Frau Take, CDU, und von Herrn Leimbach, CDU)

Meine Damen und Herren! Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz war eine gute Idee. Man wollte auch dafür sorgen, dass nicht unendlich lange befristet wird. Allerdings muss man auch dafür sorgen, dass es entsprechende Karrierewege und Dauerstellen in der Wissenschaft gibt; Frau Dalbert ist darauf bereits eingegangen. Das wird die Arbeit sein, die wir als Land zu leisten haben. Dazu kann ich Ihnen eines sagen: Kürzungen an den Hochschulen um jeden Preis sind dabei der falsche Weg.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke schön, Herr Kollege. - Als Nächster spricht für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Herr Harms.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Professor Dalbert, ich gebe Ihnen Recht: Wissenschaft braucht besondere Bedingungen; Zeitverträge sind nichts per se Schlechtes.

Frau Dr. Pähle, auch Sie haben natürlich Recht: Es kommt auf die Perspektive an. Aus der Sicht der Ministerien und der Hochschulen hat sich das Wissenschaftszeitgesetz bewährt.

Herr Lange, auch Ihnen kann ich mich anschließen. Sie haben gesagt, den Ausführungen der beiden Damen könnten Sie sich absolut anschließen. Ja, in diesen beiden Punkten stimme ich Ihnen zu. Herr Lange, ich gebe Ihnen Recht: Vieles liegt in der Organisation und in der Eigenverantwortung der Hochschulen und der Universitäten selbst. Ich glaube, dieses Wort haben Sie in diesem Zusammenhang verwendet.