Protokoll der Sitzung vom 21.06.2013

Bei der Analyse geht die Kommission von den drei Kernzielen des jetzigen Rahmens aus. Diese drei Kernziele sind die Senkung der Treibhausgasemissionen um 20 %, die Erhöhung des Energieverbrauchs aus erneuerbaren Energien auf 20 % und die Energieeinsparung um 20 %.

Ich möchte Ihnen die Einschätzung der Kommission dazu nicht im Einzelnen vortragen. Ich möchte beispielhaft einige Schwerpunkte nennen, die die Kommission in Bezug auf den Verbrauch von erneuerbaren Energien sieht. Hierbei werden deutliche Fortschritte für Europa gesehen, allerdings sehr differenziert nach Bereichen, also nach Regionen und auch nach Lebensbereichen.

Die Kommission sieht noch Probleme bei der Integration der erneuerbaren Energien in die Netze und bei den Kosten im Zusammenhang mit den erneuerbaren Energien. Sie sorgt sich um den hohen Investitionsbedarf bei Netzen und Speichern. Sie fragt auch nach den Konsequenzen aus den unterschiedlichen Förderregelungen für die erneuerbaren Energien in den einzelnen Ländern Europas.

An diese Einschätzung schließt sich dann der Fragenteil für die Konsultation an. Das sind in diesem Fall 22 Fragen. Diese möchte ich Ihnen nicht alle vortragen, aber ich möchte damit noch einmal auf das Anliegen des Antrages zu sprechen kommen.

Wir möchten, dass das Land diese Fragen beantwortet und sich damit an der Konsultation beteiligt. Es müssen nicht alle 22 Fragen sein, aber es ist eine Reihe von Fragen darunter, bei denen Sachsen-Anhalt deutlich machen kann, dass es als Land der erneuerbaren Energien, wie es sich immer darstellt, bereits spezifische Erfahrungen gemacht hat.

(Zustimmung von Frau Frederking, GRÜNE)

Unter dem zweiten Punkt haben wir einige Aspekte formuliert, die wir in dieser Stellungnahme wiederfinden möchten.

Damit komme ich zu einigen Fragen der Kommission, zu denen das Land, wie ich meine, einiges beizutragen hat. Das ist zum Beispiel die Frage, welche Erfahrungen aus dem energie- und klimapolitischen Rahmen bis 2020 und aus dem derzeitigen Stand des Energiesystems der EU für die Gestaltung des Politikrahmens bis 2030 am wichtigsten sind. Was wäre das für unser Land? - Ich denke, das kann man aufschreiben: Weiterentwicklung der erneuerbaren Energien, Stärkung der regionalen Erzeugung und Verbrauch erneuerbarer Energien - alles Dinge, die wir mit angegeben haben.

Eine andere Frage: Mit welchen Zielvorgaben für den Zeitraum bis 2030 könnten die klima- und energiepolitischen Ziele der EU am wirkungsvollsten unterstützt werden? Sind Zielvorgaben für Teilsektoren wie Verkehr, Landwirtschaft und Industrie sinnvoll, und wenn ja, für welche?

Sind Änderungen anderer politischer Instrumente erforderlich? Welche Wechselwirkungen bestehen zwischen den Instrumenten?

Wie können Forschungs- und Innovationspolitik der EU die Umsetzung des Rahmens für den Zeitraum bis 2030 am wirksamsten unterstützen?

Welche spezifischen Faktoren sind für die beobachtete Entwicklung der Energiekosten verantwortlich und inwieweit kann die EU darauf Einfluss nehmen? Oder sind neue Finanzierungsinstrumente oder Vereinbarungen zur Unterstützung des Politikrahmens bis 2030 erforderlich?

Ich denke, das Land wäre in der Lage, zu all diesen Fragen - sicherlich auch zu einigen mehr - eine Stellungnahme abzugeben. Ich würde an dieser Stelle anregen, dass sich auch die Landesenergieagentur an der Erarbeitung dieser Stellungnahme beteiligt. Ich könnte mir vorstellen, dass dann auch die Akzeptanz bei einigen Parlamentariern wachsen würde.

(Zustimmung von Herrn Dr. Thiel, DIE LIN- KE)

Ich möchte noch einen ganz speziellen Punkt erwähnen. Die Kommission hat in dem Grünbuch einen engen Zusammenhang zu einer konsultativen Mitteilung zur CO2-Abscheidung und -speicherung, die sie ebenfalls herausgegeben hat, hergestellt. Ich gehe davon aus, dass sich die Landesregierung auch an dieser Konsultation beteiligt und die Ablehnung der CO2-Verpressung durch das Land formuliert.

Da der Konsultationszeitraum für die Mitteilung und das Grünbuch am 2. Juli 2013 endet, lohnt es sich nicht, den Antrag in die betreffenden Ausschüsse zu überweisen. Ich bitte deshalb um Direktabstimmung.

Ich möchte mich zu den beiden anderen Anträgen äußern, zunächst zu dem Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Dieser unterscheidet sich von unserem Antrag lediglich dadurch, dass unter Punkt 2 Buchstabe b der Zusatz „statt des länderübergreifenden intensiven Netzausbaus“ gestrichen wurde. Ich möchte dieser Streichung nicht zustimmen.

Mir ist klar, dass wir einen Netzausbau brauchen werden, aber ich möchte nicht diesen intensiven, wirklich großen Netzausbau. Denn - wir haben darüber beim letzten Mal diskutiert - damit wird befördert, dass die fossilen Kraftwerke ungehindert nach wie vor im Netz tätig werden. Damit bekom

men wir ein Problem damit, unsere Treibhausgasemissionsziele tatsächlich zu erreichen. Das ist für mich ein wesentlicher Grund.

Wir legen den Schwerpunkt eindeutig auf regionale, bürgernahe Strukturen. Diese zu entwickeln ist uns dabei am wichtigsten. Es geht uns um die Demokratisierung der Energieversorgung. Wir sollten auch gegenüber der EU deutlich machen, dass wir nicht nur den großen europäischen Markt sehen.

Zu dem Alternativantrag der Koalitionsfraktionen. Dieser steht unserer Intention total entgegen; er trägt seinen Namen in diesem Fall zu Recht. Uns geht es um eine aktive Einflussnahme. Wir wollen, dass das Land aktiv wird und sagt, was es aufgrund seiner Erfahrungen selbst in diesen Prozess, in den neuen Rahmen für die Klima- und Energiepolitik, einbringen kann. Sie möchten - ich formuliere es einmal absichtlich böse - eine Vorlesestunde im Ausschuss.

(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN - Zuruf von Herrn Krause, Salz- wedel, DIE LINKE)

Dazu muss ich sagen: Die Stellungnahme der Bundesregierung, die Sie erläutert und ausgewertet haben möchten, existiert meines Wissens noch nicht. Allerdings gibt es einen Beschluss des Bundesrates - ich nehme an, daran hat sich auch das Land Sachsen-Anhalt beteiligt -, mit dem die Bundesregierung gebeten wird, sich unter anderem für eine zeitnahe Reform des Emissionshandelssystems auszusprechen.

Wenn ich daran denke, dass es im Wesentlichen auch der deutschen Einflussnahme geschuldet ist, dass wir auf der Bundesebene mit der zeitweiligen Rücknahme von Zertifikaten vom Markt nicht zu Stuhle gekommen sind, dann kann ich mir gut vorstellen, dass diese Empfehlung von der Bundesregierung eben nicht aufgenommen wird. Das macht es noch wichtiger, dass sich ein Land selbst positioniert und selbst aktiv wird. - Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke schön, Frau Kollegin Hunger. - Wir treten in die Debatte zu diesem Tagesordnungspunkt ein. Es ist eine Fünfminutendebatte vereinbart worden. Als Erster spricht für die Landesregierung Herr Minister Aeikens.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die EU-Kommission hat am 27. März 2013 ihr Grünbuch mit dem Titel „Ein Rahmen für die Klima- und Energiepolitik bis 2030“ vorgelegt. Ziel des Grünbuches ist es, die Interessenträger zu

konsultieren, um daraus Erkenntnisse zu erhalten und Ansichten einzuholen, die bei der endgültigen Ausarbeitung des Rahmens bis 2030 hilfreich sind.

Ich sage eingangs gleich: Eine länderspezifische Beantwortung der Fragen ist nicht sinnvoll; sie muss vielmehr im Kontext gesamtstaatlicher Strategien erfolgen, und dafür gibt es definierte Verfahren. Ich möchte aber gern auf die in den Anträgen sowohl der LINKEN als auch der GRÜNEN genannten Aspekte kurz eingehen.

Erstens. Die Ablehnung der Kernenergie ist in Deutschland weitgehender Konsens. Es ist aber eindeutig das Recht der Staaten der EU, über ihre Energieversorgung wie über ihre Klimaschutzmaßnahmen selbst zu bestimmen. Das Selbstbestimmungsrecht der Staaten ist ein Grundsatz der EUVerfassung. Den sollten wir auch hier beachten.

Ich lehne es auch deutlich ab, Forschung im Bereich der Kernenergie verbieten zu wollen. Warum soll unsere Forschung hierzu nicht Beiträge leisten? Die Position der Antragsteller ist meines Erachtens eindeutig wissenschaftsfeindlich. Das ist nicht die Auffassung der Landesregierung von der Freiheit der Wissenschaft.

(Zustimmung bei der CDU)

Zweitens: regionale Energieversorgung und Energieverbrauch statt Netzausbau. Frau Hunger, Sie haben die Kurve gerade noch gekriegt; Sie haben gesagt, Sie seien auch für Netzausbau. Die Grundposition, die in dem Antrag definiert worden ist, erstaunt allerdings schon. Denn alle, die sich mit der Energiewende befassen, sind sich darin einig, dass der Netzausbau notwendig und sinnvoll ist und eine hohe Priorität hat.

Netzausbau ist nämlich ökonomisch, weil großräumige Ausgleichseffekte genutzt werden können. Netzausbau ist eine Voraussetzung für den europäischen Strombinnenmarkt und er ist insbesondere eine Voraussetzung für den weiteren Ausbau der regenerativen Energien.

Sachsen-Anhalt ist zum Beispiel seit Jahren ein Stromexportland. Es muss in zunehmendem Maße Überschussstrom aus EEG-Anlagen über die Netze abtransportieren. Ich empfehle den LINKEN und den GRÜNEN, sich einmal bei Envia über die Auswirkungen der fehlenden Trasse durch den Thüringer Wald auf die Netzsituation im Süden unseres Landes informieren zu lassen. Das ist außerordentlich aufschlussreich.

(Zurufe von der LINKEN)

Wenn man den Ausbau der Übertragungsnetze ablehnt, dann müsste man vernünftigerweise den Ausbau der erneuerbaren Energien in SachsenAnhalt auf Eis legen. Das kann aber nicht gewollt sein und das wollen wir auch nicht. Insofern ist das ein Widerspruch zu den Zielen, die Sie, meine sehr

verehrten Damen und Herren von den GRÜNEN und der LINKEN, sonst verfolgen.

Das dritte Thema. Das nächste Verbotsthema der LINKEN - so möchte ich es einmal nennen - ist das Fracking. Wir haben Ende Mai gerade die Stellungnahme des Sachverständigenrates für Umweltfragen zu dem Thema erhalten. Es gibt viele offene Fragen, um die Risiken mit hinreichender Sicherheit beurteilen zu können. Nehmen Sie mir bitte ab, dass ich als Minister, der für Trinkwasser zuständig ist, diese Einschätzung teile.

Der Sachverständigenrat hat aber auch gesagt, dass man Erprobungen unter strengen Sicherheitsauflagen ermöglichen soll. Man sollte auch in Sachsen-Anhalt akzeptieren, dass möglicherweise Fracking für andere Staaten der EU einen anderen Stellenwert hat als in Deutschland.

Viertens. Bei dem System des Europäischen Emissionshandels besteht Nachbesserungsbedarf. Das ist ohne Frage richtig. Die Preise für Emissionsrechte sind gegenwärtig sehr niedrig. Sie betragen nur etwa ein Zehntel des langfristig erwarteten Preises. Die niedrigen Preise resultieren auch - das muss man sehen - aus der Entlastung des Marktes durch die vermiedenen Treibhausgasemissionen aufgrund des Einsatzes der erneuerbaren Energien, nicht zuletzt aus Sachsen-Anhalt.

Wir alle wissen, dass der Klimaschutz ein globales Problem ist. Der Anteil Deutschlands an den Treibhausgasemissionen beträgt 2,1 %. Der Anteil Sachsen-Anhalts beträgt weniger als 0,1 %. Aber Klimaschutz funktioniert nur global. Wir wollen gern Vorreiter sein; das müssen wir als Industrienation auch sein, aber bitte nicht unter der Bedingung, dass wir uns deindustrialisieren und andere hemmungslos und ohne Rücksicht auf die Umwelt emittieren.

Ich bin kein Freund von staatlichen Planvorgaben, weil die Gefahr, Ineffizienzen anzureizen, latent ist. Deswegen steht für mich weniger eine Zahl wie die 40 % als die Herausforderung im Vordergrund, Klimaschutz effizient zu gestalten. Dazu brauchen wir auch eine Reform des Emissionshandels. Ich glaube, diesbezüglich besteht bei allen Beteiligten Konsens.

Meine Damen und Herren! Ich verweise darauf, dass Deutschland für die Beteiligung der Länder im Rahmen der Europäischen Rechtsetzung klare und bewährte Spielregeln hat. Auch in diesem Fall haben die Länder ihre Haltung im Bundesrat artikuliert. Es liegt bereits seit dem 7. Juni 2013 ein Beschluss des Bundesrates zu diesem Grünbuch vor.

Insofern empfehle ich aufgrund der eingangs geäußerten grundsätzlichen Bedenken und der fachlichen Bewertung für die Landesregierung, den Antrag der Fraktion DIE LINKE und den Antrag der

Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abzulehnen und dem Alternativantrag zuzustimmen.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. Es gibt eine Frage des Abgeordneten Herrn Weihrich und eine Frage der Abgeordneten Frau Hunger. Möchten Sie diese beantworten?

Ja.

Sehr geehrter Herr Dr. Aeikens, ich würde gern zu dem Punkt Emissionshandel zurückkommen. Sie haben behauptet, dass die Erzeugung erneuerbarer Energien die Zertifikate so billigt macht. Das widerspricht aus meiner Sicht jeglichem Verständnis; denn die Zertifikate sind dem Marktgeschehen unterworfen, das von Angebot und Nachfrage bestimmt wird.

Es ist eigentlich herrschende Meinung, dass die Zertifikate deshalb so günstig sind, weil schlicht das Angebot so groß und die Nachfrage entsprechend gering ist. Deswegen ist auch zu erkennen - dass wissen Sie wahrscheinlich genauso gut wie ich -, dass die alten, abgeschriebenen Kohlekraftwerke gegenwärtig so ökonomisch betrieben werden können, weil sie sich eben aus den billigen Zertifikaten bedienen können. Obwohl die Kohlekraftwerke im Moment auf Hochlast laufen und effiziente andere Kraftwerke heruntergefahren werden, bleibt der Preis der Zertifikate so niedrig. Ich bitte Sie, diesen Zusammenhang einmal näher zu erläutern.