Protokoll der Sitzung vom 11.07.2013

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der LINKEN)

Insbesondere gilt das für die Krankheitsbilder, die künftig auf uns zukommen, wie Demenzerkrankungen und gerontopsychiatrische Erkrankungen im hohen Alter. Das erfordert, dass wir das Berufsbild der Altenpflege mindestens in den Bereich Krankenpflege einordnen.

Über das Thema „Einführung der Berufsordnung“ werden wir heute Nachmittag debattieren bzw. mein Kollege Norbert Born wird das übernehmen. Wir sind der Auffassung, wenn wir den Bereich Berufsordnung neu gestalten, dann brauchen wir keine Kammer, die das regelt. Wir würden das bundesweit einheitlich machen können. Damit entsteht nicht so ein Kuddelmuddel auf Länderebene, sondern es wird im Prinzip ein Berufsausbildungsbild erarbeitet.

Das Pflegemonitoring - das wollte ich noch einmal ganz kurz ansprechen - lehnen wir nicht ab, weil wir das nicht als notwendig erachten. Ich würde gern vorschlagen, dass wir im Ausschuss für Arbeit und Soziales darüber diskutieren, ob das Pflegemonitoring vom Pflegebeirat gestaltet werden kann. Ansonsten hat der Minister zu Recht gesagt, ein Pflegemonitoring kostet viel Geld. Wir müssen schauen, ob wir das irgendwo in der Haushaltsplanung einfügen können. Deswegen sind wir jetzt noch nicht so weit, dass wir sagen können, wir stimmen dem zu.

Vielleicht können wir den Punkt überweisen, wenn das möglich ist, Herr Präsident. Dann haben wir diesen noch einmal als Arbeitsaufgabe im Ausschuss.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Frau Grimm-Benne. - Dann schließen wir die Aussprache zu dem Tagesordnungspunkt ab und treten in das Abstimmungsverfahren ein. Hierzu möchte ich folgenden Vorschlag unterbreiten: Ich würde aufgrund der Äußerungen in der Debatte zunächst über den Antrag der Fraktionen DIE LINKE abstimmen lassen und danach zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN kommen.

Da hierzu von den Koalitionsfraktionen avisiert wird, die Nrn. 1 und 3 zu übernehmen, jedoch nicht Nr. 2 und die antragstellende Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sagt, sie möchte aber die Nr. 2, lasse ich über die drei Punkte getrennt abstimmen.

(Zurufe von Frau Lüddemann, GRÜNE, und von Frau Prof. Dr. Dalbert, GRÜNE)

- Wir können aber nicht aus einem Antrag zwei Punkten zustimmen und sagen, den dritten überweisen wir in den Ausschuss. Dann ist dieser erledigt. Das hindert Sie aber nicht daran, den Inhalt der Nr. 2 zu beraten, da das Thema im Ausschuss beraten wird.

Dann sehe ich keinen Widerspruch. Lassen Sie uns so verfahren. Ich lasse nunmehr über den Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE in der Drs. 6/2279 abstimmen. Wer dem Änderungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das ist die antragstellende Fraktion. Wer stimmt dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer enthält sich der Stimme? - Das ist die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Damit hat der Änderungsantrag nicht die erforderliche Mehrheit bekommen.

Ich lasse nunmehr abstimmen über den Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der Drs. 6/2270. Ich lasse zunächst über die Nr. 1 abstimmen. Wer der Nr. 1 zustimmen möchte, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind alle Fraktionen. Stimmt jemand dagegen? - Nicht. Stimmenthaltungen? - Auch nicht. Dann ist Nr. 1 einstimmig beschlossen worden und verändert somit den Ursprungsantrag der Koalitionsfraktionen.

Ich lasse über die Nr. 2 abstimmen. Sie beginnt mit den Worten: „Es wird eine neue Ziffer 5 ergänzt …“ Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Oppositionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer möchte sich der Stimme enthalten? - Niemand. Dann ist die Zustimmung zu Nr. 2 verweigert worden.

Jetzt stimmen wir mit einer Änderung über Nr. 3 ab. Da Nr. 2 keine Mehrheit gefunden hat, würden wir Nr. 3 wie folgt ändern: „Es wird eine neue Zif

fer 5 ergänzt...“ - Aus Ziffer 6 muss Ziffer 5 werden. Gleiches gilt für den nächsten Satz: „5. Die Landesregierung wird gebeten …“. - Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind alle Fraktionen. Stimmt jemand dagegen? - Möchte sich jemand der Stimme enthalten? - Nein. Einstimmig beschlossen.

Wir stimmen nun abschließend über den so geänderten Ursprungsantrag ab. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Gegenstimmen? - Keine. Stimmenthaltungen? - Auch nicht. Damit ist der veränderte Antrag einstimmig beschlossen worden und der Tagesordnungspunkt ist abgeschlossen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf den Tagesordnungspunkt 9 aufrufen.

Erste Beratung

a) Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Rechte von Kindern und Jugendlichen

Gesetzentwurf Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 6/2216

b) Kinder und Jugendliche als Bürgerinnen und Bürger ernst nehmen - Beteiligung stärken

Antrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 6/2211

Einbringerin zu beiden Punkten ist Frau Lüddemann. Sie haben das Wort. - Während sie nach vorn kommt, darf ich schon anmerken, dass Sie sich geeinigt haben, zu beiden Punkten eine Zehnminutendebatte durchzuführen. Bitte schön, Frau Lüddemann, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Kinderrechte sind geltendes Recht in Deutschland, wie alle UN-Konventionen, die Deutschland ratifiziert hat. Wie es auch mit anderen UN-Konventionen so ist, die Umsetzung hängt immer am Detail und darin liegt das Problem.

Es gibt einige Kinderrechte, die gesetzlich gut ausgestaltet sind, wie zum Beispiel das Recht auf gewaltfreie Erziehung. Die Umsetzung, die praktische Wirkung ist dann noch einmal eine andere. Dazu komme ich später noch.

Wovon ich zutiefst überzeugt und worüber ich erschüttert bin, ist die Tatsache, dass das Recht auf Mitbestimmung und Beteiligung gerade in Deutschland sehr, sehr unterentwickelt ist. Ich

glaube, das hängt damit zusammen, dass es von einem bestimmten Lebensbild, einer bestimmten Lebensauffassung abhängt, wie viel man Kindern und Jugendlichen zutraut.

Für uns GRÜNE ist es klar: Für uns sind alle Menschen von Anfang an Bürger mit Rechten und Pflichten.

(Herr Borgwardt, CDU: Außer im Strafrecht!)

Es ist Aufgabe der Gesellschaft - genau, Herr Borgwardt -, Menschen zu schützen, zum Beispiel kleine Menschen im Strafrecht zu schützen und die Strafmündigkeit erst ab 14 Jahren zuzugestehen. Das sind gute Schutzrechte, die die Gesellschaft, finde ich, zu Recht eingerichtet hat.

Aber beim Recht auf Beteiligung ist es so, dass wir nicht nur den Kindern damit Schlechtes tun, sondern uns selber, der gesamten Gesellschaft damit einen großen Nutzen vorenthalten. Das ist etwas, was wir mit unserem Gesetz für Sachsen-Anhalt ändern wollen.

Denn Kinder - und das zeigen viele, viele gute Beispiele, auch aus Sachsen-Anhalt, leider Gottes im Wesentlichen aus anderen Bundesländern - können sich beteiligen, können sich einbringen, wenn man den Rahmen entsprechend gestaltet, wenn man die Methoden so wählt, dass sie dem jeweiligen Alter entsprechen.

Deswegen schlagen wir zu Beginn unseres Gesetzentwurfes vor, grundsätzlich zu den Kinderrechten ein Bekenntnis abzugeben. Ich sage ausdrücklich, eigentlich ist das etwas, was meine Partei, meine Fraktion gern in der Landesverfassung respektive im Grundgesetz sehen würde. Wenn Sie die beiden Vorlagen aufmerksam wahrgenommen und gelesen haben, werden Sie feststellen, dass wir nichts aufgenommen haben, was verfassungsrelevant ist. Das hat einen guten Grund. Das wird an anderer Stelle bearbeitet werden. Wir wollten einen Vorschlag vorlegen, der relativ leicht zustimmungsfähig ist, der leicht verstehbar und nachvollziehbar ist und nicht so hohe Hürden bietet.

Mir persönlich war es sehr, sehr wichtig, diesen Antrag noch vor der Sommerpause einzubringen. Ich finde es sehr schade, dass gerade aus dem Bereich, der Kinder und Jugendliche betrifft, aus dem zuständigen Ministerium und aus der Landesregierung insgesamt in den letzten Wochen Signale kamen, die sehr negativ sind.

Es ist in den Spardebatten nicht so zum Tragen gekommen, weil es quantitativ auch nicht die Relevanz hat. Aber die Kürzung von Jugendpauschale und Fachkräfteprogramm, respektive deren Abschmelzung bzw. Absenkung, die Aufgabe dieser beiden Instrumente hinterlässt Lücken, die wir nie wieder füllen können.

Ich glaube, das ist die völlig falsche Stelle, weil Kinder und Jugend unsere Zukunft sind. Wenn wir das ernst meinen, müssen wir an dieser Stelle auch handeln. Deswegen ist es so wichtig, dass wir heute mit diesem Gesetzentwurf ein erstes Zeichen setzen, dass uns Kinder und Jugendliche in diesem Land wirklich wichtig sind.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich darf Ihnen ankündigen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass dies nur ein erster Aufschlag ist. Es ist natürlich nicht alles vollumfänglich angesprochen worden. Es gibt noch mehr Kinderrechte. Darauf werden wir sukzessive eingehen und uns auch zu anderen Lebensbereichen immer wieder zu Wort melden, um Kindern und Jugendlichen mehr Gehör und Beachtung zu schenken.

Ich denke - und das zeigen auch Beispiele -, dass dies nicht nur meine private Einschätzung ist. Es geht hierbei nicht um Gutmenschentum und grüne Spinnerei oder was weiß ich, was manche immer so sagen.

(Herr Scheurell, CDU: Das gibt es doch gar nicht!)

(Herr Scheurell, CDU: Es gibt doch keine grüne Spinnerei!)

- Wenn Sie das sagen. Ich bin auch fest davon überzeugt, dass es keine grüne Spinnerei gibt. Wir sind aber immer ein Stückchen weiter. Sie werden das später auch noch erkennen.

Ich glaube, dass wir einen Bereich besprechen, der für uns alle von hoher Wichtigkeit ist. Wir haben vorhin im Zusammenhang mit der Pflege, dem Fachkräftemangel usw. auch darüber gesprochen. Wir reden in diesem Hohen Hause immer wieder davon, dass wir Haltefaktoren brauchen. Identifikation mit der eigenen Umgebung entsteht, wenn ich mich als Kind und Jugendliche für meine Umgebung einsetzen kann, wenn ich mich engagieren und beteiligen kann und wenn ich eine Rückmeldung auf meine Beteiligung bekomme. Die Identifikation ist ein wirklicher Haltefaktor und sie wird mit diesem Gesetz gestärkt.

Demokratisches Handeln - wir reden immer wieder darüber, dass wir hierbei Ausweichtendenzen haben. Wir haben den Verfassungsschutzbericht gestern zur Kenntnis nehmen können. Ich muss gar nicht die große Keule herausholen; wir müssen uns nur die Situation auf den Schulhöfen angucken.

Ich denke, demokratisches Handeln muss erlernt werden. In einer Demokratie hängen das Wesen und der Lebensalltag der Menschen davon ab, dass man die Regeln immer wieder gemeinsam neu aushandelt, damit sich Gesetze immer weiter

entwickeln. Solche Aushandlungsprozesse müssen aber erlernt werden. Dazu trägt unser Gesetzentwurf bei.

Ich habe es in der KiFöG-Debatte bereits vorgetragen: Es ist nachgewiesen, wer sich frühzeitig engagiert, an wen frühzeitig ernsthaft herangetragen wird, dass es ein Wert ist, sich zu beteiligen, dass es ein Wert ist, die Gesellschaft mitzugestalten, der wird das auch später tun.

Wir müssen uns nur einmal die Wahlergebnisse ansehen. Ich hoffe, wir werden dabei in SachsenAnhalt im September nicht wieder negativ überrascht werden. Ich glaube, es ist wichtig, schon frühzeitig zu sagen: Die Gesellschaft braucht euch, die Gesellschaft nimmt euch ernst, ihr könnt euch einbringen, ihr könnt mitgestalten, wir geben euch die Mittel und Methoden an die Hand, um das wirklich tun zu können. Ich glaube, jeder Demokrat sollte sich solche Menschen im Land wünschen.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN)

Lassen Sie mich das auch noch sagen: Nicht zuletzt erhöht Beteiligung die Widerstandsfähigkeit gegenüber prekären und krisenhaften Situationen. Es ist nachgewiesen, dass Kinder, die in solchen Situationen leben und durch Beteiligungsprozesse lernen, sich besser einzubringen, sich besser zu artikulieren, ihren Standpunkt zu vertreten, sich eher aus prekären Situationen befreien können als andere.