Protokoll der Sitzung vom 11.07.2013

Ich erinnere mich daran, dass wir im September 2011 im Sozialausschuss über den Antrag mit dem Titel „Sicherstellung ausreichender Pflegekräfte für die Altenpflege in Sachsen-Anhalt“ debattiert haben. Das war ein relativ erfreuliches Ergebnis. Mich hat zum Teil etwas erstaunt, dass wir eine so hohe Zahl an Ausbildungsplätzen in Sachsen-Anhalt haben und keinen Mangel an Azubis.

Aber alle Kollegen aus dem Ausschuss werden sich daran erinnern, dass der Pflegerat nicht sagen konnte, wie sich die Zahlen perspektivisch entwickeln, weil im Moment, unter den sich verändernden Bedingungen auf der gesetzlichen Seite und im privaten Umfeld, überhaupt nicht prognostizierbar ist, wie sich die Zahl der Pflegenden und zu Pflegenden tatsächlich entwickelt.

Der Herr Minister hatte angekündigt, in Eigenregie Gespräche mit der Liga, der Landesarbeitsgemeinschaft der privaten Verbände und den kommunalen Pflegeeinrichtungen zu führen. Mir ist jetzt aufgefallen - ich habe auch in den Protokollen nachgelesen -, dass wir überhaupt keine Rückmeldung dazu bekommen haben, wie die Gespräche gelaufen sind.

Wenn man das zusammennimmt und wenn man sich einmal ansieht, wie sich die Pflegezahlen entwickeln, dann brauchen wir, denke ich, eine fortlaufende Beschäftigung mit dem Thema. Wir müssen uns im Ausschuss regelmäßig darüber berichten lassen und dürfen das Thema nicht immer erst per Antrag in den Ausschuss holen; denn dazu ist es zu wichtig. Deswegen würde ich hierfür gern ein standardisiertes Verfahren beschließen und ein Pflegemonitoring auch für Sachsen-Anhalt - das ist im Bundesgebiet nicht neu - einführen. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Frau Abgeordnete Lüddemann. - Für die Fraktion der CDU spricht nun Herr Abgeordneter Krause.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich stelle hier viel Einigkeit

fest, freue mich darüber, werde aber trotzdem meine Ausführungen machen. Einiges könnte ich eigentlich weglassen, weil es sich doch etwas wiederholt.

Die zunehmende Lebenserwartung und die Fortschritte in der Medizin führen erfreulicherweise dazu, dass die Zahl der älter werdenden Menschen ständig zunimmt. Damit steigt natürlich auch die Zahl der Menschen, die auf Hilfe angewiesen sind. Die Zahl der zu Pflegenden ist - Frau Lüddemann, das habe ich einmal herausgesucht - in den letzten elf Jahren um 35 % gestiegen.

Deshalb werden zunehmend mehr Personen gebraucht, die bereit und auch in der Lage sind, professionelle Hilfe zu leisten. Die Berufe im Gesundheits- und Pflegebereich sind daher Zukunftsberufe, die leider zu selten die entsprechende Vergütung erfahren.

Das deutsche Gesundheitssystem wird mit einem zunehmenden Pflegebedarf in quantitativer und qualitativer Hinsicht konfrontiert. So werden in Deutschland - ich habe einmal deutschlandweite Zahlen herausgesucht, weil ich wusste, dass der Minister auf Sachsen-Anhalt abzielt - in 12 400 Heimen etwa 750 000 alte Menschen versorgt. Die Bewohner werden von ca. 600 000 ausgebildeten Pflegekräften und Krankenschwestern gepflegt.

Mehr als doppelt so viele werden in der eigenen Wohnung bzw. bei Angehörigen gepflegt. Es werden also von 600 000 Menschen zusätzliche Hilfen von ambulanten Diensten in Anspruch genommen. Wir brauchen daher in Sachsen-Anhalt weiterhin junge Menschen, die sich eine berufliche Orientierung in Richtung Pflege vorstellen können.

Wir sollten sie aber vielleicht nicht von der Landwirtschaft abwerben; denn wenn sie dann, liebe Frau Grimm-Benne, eine Ausbildung in der Pflege beginnen, gehen sie vielleicht wieder zurück in die Landwirtschaft, weil sie merken, wie schwer der Pflegeberuf eigentlich ist.

Hierbei ist zu prüfen, wie das dritte Ausbildungsjahr über das Jahr 2015 hinaus regulär finanziert werden kann. Der Minister hat dazu einiges ausgeführt. Weiterhin wäre die Einführung einer Berufsordnung für Pflegekräfte hilfreich. Aber auch Quereinsteigern muss der Zugang zu einem Abschluss in der Gesundheits-, Kranken- und Altenpflege erleichtert werden.

Ich hoffe, nach dem Antrag der GRÜNEN - ich hatte das etwas eher vor, eigentlich schon im dritten Quartal; Sie sind freundlicherweise auf das erste Quartal 2014 ausgewichen - hat der Minister noch ein bisschen mehr Zeit. Damit kann ich durchaus leben.

(Frau Lüddemann, GRÜNE: So habe ich mir das gedacht!)

Die vielschichtigen Bedarfe der Pflegebedürftigen stellen unser Pflegepersonal vor große Herausforderungen. So ist zum Beispiel eine intensive, dem Krankheitsbild entsprechende Versorgung von Demenzkranken kaum noch möglich. Die schwierige Personalsituation hängt mit der von mir bereits erwähnten Entlohnung von Fachkräften zusammen.

Die Koalitionsfraktionen im Deutschen Bundestag haben bereits im Januar 2013 den Gesetzentwurf zur Stärkung der Aus- und Weiterbildung in der Altenpflege beschlossen. Somit können die Ausbildungszahlen in den nächsten drei Jahren um 30 % gesteigert werden.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Nur eine gesellschaftliche Anerkennung des Berufsbildes, verbunden mit einer entsprechenden Entlohnung, eine größere Anzahl männlicher Fachkräfte und familienfreundliche Strukturen werden den Fachkräftemangel in der Zukunft eindämmen können.

Aber wir müssen auch aufpassen, dass neue Strukturen nicht unvorhersehbare Kostenforderungen und Bürokratie generieren. Es darf letztlich nicht so sein, dass in diesen möglichen Strukturen qualifiziertes Pflegepersonal gebunden wird, das für die pflegerische Betreuung am Pflegebedürftigen vor Ort dringend benötigt wird. Dann gäbe es irgendwann mehr Personen, die sich um Organisation und Aufsicht kümmern, als um die eigentliche Pflege.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und bitte um Zustimmung zu unserem Antrag. Die Kollegin Grimm-Benne hat nach Abstimmung mit uns schon mitgeteilt, dass wir Teile des Antrags der GRÜNEN aufnehmen werden. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Frau Grimm-Benne, SPD, und von Frau Niestädt, SPD)

Danke schön, Herr Abgeordneter Krause. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht nun Frau Abgeordnete Zoschke.

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Um die Pflege in Sachsen-Anhalt sicherzustellen, ist es sprichwörtlich fünf vor zwölf. Insofern möchte ich mich ganz bewusst nicht lange mit der Frage aufhalten, wie viel in den vergangenen Jahren versäumt wurde. Ich möchte vielmehr sagen: Wir begrüßen das grundsätzliche Ansinnen des vorliegenden Antrages.

Was mich wirklich positiv überrascht hat, ist eine Feststellung in der Begründung Ihres Antrages, nämlich die Feststellung, dass der Mangel an

Fachkräften in der Pflege stark auf das Missverhältnis zwischen der Entlohnung und den körperlichen Anforderungen des Berufes zurückzuführen ist. Lange Zeit hatten wir den Eindruck, dass DIE LINKE mit dieser Kritik allein ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Bevor ich nun unseren Änderungsantrag begründe, komme ich zu den Punkten des Antrages der Koalitionsfraktionen.

Zu Punkt 1. Die Weiterfinanzierung des dritten Ausbildungsjahres ist aus unserer Sicht unumgänglich.

Zu den Punkten 2 und 3. Die Landesregierung soll gebeten werden, über den Stand der Zusammenführung der Pflegeausbildungen im Ausschuss zu berichten und die Einführung einer Berufsordnung zu prüfen. - Nun ja, darauf bin ich gespannt.

Lieber ist es uns allerdings, wenn die Landesregierung, wie in unserem Änderungsantrag, dazu aufgefordert wird, ordentlich Druck auf der Bundesebene auszuüben, um die Einführung einer generalistischen Pflegausbildung, also die Zusammenfassung von Alten-, Kranken-, und Kinderkrankenpflegeausbildung, über die schon lange diskutiert wird, voranzutreiben.

(Beifall bei der LINKEN)

Bund und Länder hatten sich im Jahr 2009 schließlich für die Zusammenlegung der Pflegeberufe ausgesprochen. Seit dem 1. März 2012 liegt auch das Eckwertepapier einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe für ein Pflegeberufegesetz vor, das an die Stelle des Altenpflegegesetzes und des Krankenpflegegesetzes treten soll. Modellprojekte in Hamburg und Bayern haben längst positive Erfahrungen mit der generalistischen Pflegeausbildung gemacht. Kurz und knapp: Dieses Vorhaben muss endlich umgesetzt werden.

Auch Ihrem Punkt 4 - Erleichterung des Zugangs zu einem Abschluss im Pflegebereich - können wir im Kern zustimmen. Zu ergänzen wäre an dieser Stelle noch die Anerkennung im Ausland erworbener Berufsabschlüsse. Das ist ein Thema, das für heute Nachmittag noch auf der Tagesordnung steht.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir sprechen uns also nicht gegen die Punkte Ihres Antrages aus, aber wir sagen: Die Gesamtheit der Probleme wird damit nicht zu lösen sein.

Werte Kollegin Grimm-Benne, ich kann es schon gar nicht mehr hören: Wir warten auf die Ergebnisse der Bundestagswahl. Ich glaube, weder den zu Pflegenden noch den Beschäftigten im Pflegebereich ist das als Argument wirklich zu vermitteln.

(Beifall bei der LINKEN)

Bundesweit fehlen nach Expertenschätzungen bereits heute 30 000 Pflegekräfte - Tendenz deutlich steigend. Schichtarbeit und eine hohe Verantwortung sind sicherlich unumgängliche Kennzeichen des Pflegeberufs. Allerdings sind die völlig überreizten Personalschlüssel ebenso wie die schlechten Tarife Probleme, die die Politik zu verantworten hat.

Zu der körperlichen Belastung kommt mehr und mehr die psychische Belastung: Einerseits will und muss die Pflegekraft den Pflegebedürftigen gerecht werden und darf keine gravierenden Fehler machen, andererseits muss sie innerhalb kürzester Zeit viele Leistungen erbringen, was genau diesen Ansprüchen letztlich zuwiderläuft.

Um in ausreichendem Maße Pflegekräfte zu rekrutieren, brauchen wir bessere Tarife und bessere Personalschlüssel.

(Beifall bei der LINKEN)

Das heißt nichts anderes als: Wir müssen mehr Geld in das System von Gesundheit und Pflege stecken.

Dieses Problem lässt sich nur auf Bundesebene lösen. Die LINKE macht sich seit Langem für eine solidarische Bürgerversicherung stark. Das ist auch Dreh- und Angelpunkt unseres Änderungsantrages. Wir könnten damit die Einnahmenprobleme der Pflegeversicherung lösen. Damit lässt sich wiederum das ungerechte West-Ost-Gefälle in der Pflege gegen bundeseinheitliche und ausreichende Pflegesätze tauschen. Schließlich ist dies ein guter Anlass, den völlig erfolglosen und zugleich ungerechten „Pflege-Bahr“ wieder loszuwerden. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke schön, Frau Abgeordnete Zoschke. - Zum Schluss könnte noch einmal Frau Abgeordnete Grimm-Benne das Wort ergreifen.

Sehr geehrte Frau Zoschke, Sie haben gerade das ausgeführt, warum ich am Anfang gesagt habe, ich möchte Ihren Antrag ablehnen. Es wird keine Bundesratssitzung mehr geben, bei der man das vor dem Wahltermin einbringen könnte.

Die ersten beiden Punkte, nämlich die Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und die Rücknahme des sogenannten Pflege-Bahrs, sind Wahlkampfthemen. Ich will nicht sagen, dass meine Partei dem nicht folgen könnte. Das ist dann aber wieder das Wahlkampfgetöse, das ich heute im Landtag nicht haben wollte.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielmehr wollte ich, dass wir es tatsächlich mit unserem Pflegeantrag schaffen, insbesondere bei der generalistischen Pflegeausbildung, in den Bereichen, wo wir über eine Berufsordnung sprechen, dass dieser Berufszweig und der Ausbildungsberuf so attraktiv werden, dass wir unseren Fachkräftebedarf in Sachsen-Anhalt abdecken können.

Frau Lüddemann, die generalistische oder integrierte Pflegeausbildung tragen wir mit. Trotzdem - der Minister hat es vorhin schon einmal angekündigt - gibt es im Augenblick, insbesondere hinsichtlich derjenigen, die Altenpflegerinnen und -pfleger ausbilden, große Sorge, dass dies ein Restausbildungsbereich bleibt, weil der Beruf - da gebe ich ja Frau Zoschke Recht - schlecht bezahlt wird, weil er sehr schwer ist und weil er ein Anhängsel zu attraktiveren Ausbildungsbereichen, wie Kranken- und Gesundheitspflege, ist. Wenn wir das generalistisch machen, dann müssen wir darauf achten, dass die Altenpflege nicht vernachlässigt wird.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der LINKEN)