Protokoll der Sitzung vom 12.09.2013

Sie mag Anlass sein, noch genauer hinzuschauen, als dies ohnehin schon geschieht. Ob dies allerdings so weit gehen sollte, wie dies die Antragstellerin fordert, ist eine andere Frage. Wir meinen, nein.

Minister Bischoff hat sich in seinem Redebeitrag sehr ausführlich mit den einzelnen Punkten des Antrages auseinandergesetzt, sodass ich diese nicht wiederholen möchte und will.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mir ist es wichtig, deutlich hervorzuheben, dass die Studie an keiner Stelle behauptet, dass es in Sachsen-Anhalt solche Fälle gibt. Darin gebe ich dem Minister vollkommen Recht. Vor diesem Hintergrund will es gut überlegt sein, Schritte in Angriff zu nehmen, wie es die Antragstellerin vorschlägt. Dazu sagen wir nein.

Die Antragstellerin hat heute im Vorfeld der Berichterstattung zu dem Antrag erklärt, dass auch sie nicht das genaue Ausmaß der Korruption in Sachsen-Anhalt kenne; weil dies so sei, solle eine Abteilung bei der Heimaufsicht des Landes angesiedelt werden, die dies prüft.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Aussage bedeutet, dass die Antragstellerin weiß, dass es in der Pflege in SachsenAnhalt Korruption gibt. Wir verfügen nicht über diese Kenntnis. Eine gesamte Branche so unter Generalverdacht zu stellen ist nicht unsere Sache. Wo kämen wir hin, wenn wir in allen Politikfeldern auf jeden Verdacht hin so reagieren würden, wie die Antragstellerin dies fordert, und immer neue Kontroll- und Prüfinstanzen einrichten würden? Dies ist eine gruselige Vorstellung. In einem solchen Staat möchte ich nicht leben.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben mit der Heimaufsicht und dem MDK genügend Kontrollinstanzen. Minister Bischoff hat eben zutreffend ausgeführt, dass die Schaffung einer gesonderten Abteilung zur Korruptionsbekämpfung innerhalb des Referates „Heimaufsicht“ im Landesverwaltungsamt deshalb nicht erforderlich ist.

Wir wollen, dass die betreuten Menschen in den Pflegeheimen in hoher Qualität gepflegt werden. Schon heute nehmen Dokumentationspflichten etc. breiten Raum in der Arbeit in Pflegeheimen ein. Diesen Aufwand wollen wir nicht ohne Not noch weiter erhöhen. Für uns steht die Pflege im Vordergrund.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorliegende Antrag gefährdet ohne Not den Ruf der gesamten Pflegebranche. Wir sehen jedenfalls nach dem jetzigen Kenntnisstand keinen Bedarf für das von der Antragstellerin geforderte Vorgehen, sodass wir den Antrag ablehnen werden. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Liebe Frau Hohmann, leider kein Bericht zur Pflegekammer. Sie hatten meinen Bericht schon vorher gelesen. Tut mir leid.

Vielen Dank, Herr Kollege Krause. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht jetzt die Kollegin Frau Lüddemann. Bitte schön, Frau Lüddemann, Sie haben das Wort.

(Herr Leimbach, CDU: Jetzt kommen die Fakten!)

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Als ich im Vorfeld gehört habe, dass es in dieser Sitzungsperiode einen Antrag zur Pflege und Korruption geben soll, habe ich gesagt, das ist gut und prima. Das ist ein gutes Thema. Das hätte mir vielleicht auch einfallen können.

Als ich dann den Titel des Antrages gelesen habe, habe ich mir gedacht, nein, das hätte dir nicht einfallen können, weil ich es unsäglich finde, unsere gesamte Pflegebranche in Sachsen-Anhalt - wir handeln ja hier und sind für Sachsen-Anhalt zuständig - unter einen solchen Verdacht zu stellen.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der CDU und bei der SPD)

Ich kenne viele aus der Pflegebranche auch persönlich, die sehr verantwortungsvoll agieren, und finde es auch deshalb mehr als unglücklich, einen solchen Titel zu wählen.

Unstrittig ist, dass die Pflege an sich ein drängendes Thema ist. Das ist auch in diesem Hohen Hause schon mehrfach zum Ausdruck gebracht worden. Bei 2,5 Millionen pflegebedürftigen Menschen in Deutschland, bei 900 000 Beschäftigten in der Pflege in Deutschland, bei fünf Millionen betroffenen Familien ist es unsere Pflicht, uns dieses Themas anzunehmen.

(Zustimmung von Frau Frederking, GRÜNE, und von Frau Dr. Späthe, SPD)

Aber ich meine, dass die Korruption nicht das Vordringlichste ist. Wir müssen uns mit den Arbeitsbedingungen in der Pflege beschäftigen. Wir müssen uns damit beschäftigen, dass wir einen nicht nur drohenden, sondern bereits vorhandenen Fachkräftemangel haben.

Wir müssen uns darum kümmern, dass die Pflegeversicherung zu einer Pflegebürgerversicherung - so bezeichnen wir GRÜNE sie - weiterentwickelt wird, damit sie vernünftig ausfinanziert ist. Wir benötigen einen neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff, der auch die kognitiven und psychischen Nachteile und Handicaps einbezieht. Wir müssen uns darum kümmern, dass der Mindestlohn in der Pflege in Ost und West angeglichen wird.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Es kann nicht sein, dass die Höhe der Mindestlöhne in diesem Bereich noch immer unterschiedlich ist. Das sind die Fragen, um die wir uns vorrangig kümmern müssen.

Konkret zum Antrag: Ich finde auch, dass eine Antikorruptionsabteilung in der Heimaufsicht ungeeignet ist. Wir haben die Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen. Diese sind gesetzlich verankert. Diese Stellen kümmern sich darum, ob es eine rechtswidrige oder zweckwidrige Nutzung von Finanzmitteln, wie es offiziell heißt, gibt.

Ich stimme Transparency International in einem Punkt zu, nämlich dass diese Berichte veröffentlicht, kritisch überprüft und weiterentwickelt werden

müssen. Dies kann man aber in den bestehenden Strukturen tun. Eine Doppelstruktur zu schaffen finde ich mehr als unglücklich.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

Zudem passt es, so denke ich, nicht zu dem, was DIE LINKE sonst vorschlägt.

Ich möchte noch Folgendes sagen: Von der Heimaufsicht, die beim Landesverwaltungsamt angesiedelt ist, Kreativität und Weiterentwicklung zu erwarten, ist bei dem, was wir alle über das Landesverwaltungsamt wissen, völlig illusorisch. Darüber hinaus ist es auch nicht wünschenswert; denn auch im Kleinen sollte man die Gewaltenteilung beachten. Ich glaube, das, was hier angedacht ist, ist dann doch Aufgabe der Politik und nicht der Verwaltung.

Zum Pflege-TÜV. Ich glaube, es ist nicht sinnvoll, etwas, was nicht gut ist, weiterzuentwickeln. An dieser Stelle müssen wir den Mut haben, ein völlig neues Instrument zu entwickeln. Wir brauchen ein Instrument, das wirklich auf Ergebnisqualität abzielt. Wir brauchen ein unabhängiges Institut für Qualität in der Pflege, das dann aber nicht nur für Sachsen-Anhalt, sondern bundesweit geltende Standards entwickelt. An dieser Stelle müssen wir einen Neuanfang wagen und dürfen nicht am Bestehenden herumdoktern.

Die Mindestpersonalschlüssel sollen nach dem Antrag und dem Willen der LINKEN, wenn ich das richtig verstanden habe, bundesweit verbindlich gemacht werden. Das ist etwas, was ich nicht ganz verstanden habe; denn zwischen Leistungsträgern und Kassen werden Rahmenverträge ausgehandelt und in den dazu ebenfalls zu verhandelnden Vergütungsvereinbarungen werden Mindestpersonalschlüssel festgelegt.

Ich glaube, es ist auch gut und richtig, an dieser Stelle jeweils regional zu agieren und nicht bundesweit Personalschlüssel festzuschreiben; denn dann müsste man auch das Bundesgesetz ändern.

Pflege ist, wie ich es eingangs schon sagte, für uns ein ganz, ganz wichtiges Thema. Wir wollen uns aber eher auf die inhaltlichen Aspekte konzentrieren. Wir werden den Heimbericht 2012 abwarten und dann - das darf ich hiermit ankündigen - in diese Richtung gehende Vorschläge unterbreiten. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Lüddemann. - Für die SPDFraktion spricht jetzt die Kollegin Frau Dr. Späthe. Bitte schön, Frau Dr. Späthe, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Der Politikwissenschaftler Harold Dwight Lasswell definierte Korruption als destruktiven Akt der Verletzung des allgemeinen Interesses zugunsten eines speziellen Vorteils in einer Position öffentlicher oder ziviler Verantwortung. Transparency International definiert Korruption als Missbrauch von anvertrauter Macht zum privaten Vorteil.

Die Antragsteller fordern, den Missbrauch von Macht der Pflegenden in Sachsen-Anhalt gegenüber den ihnen Anvertrauten, den zu Pflegenden und ihren Angehörigen zu beenden. Das ist ein sehr schwerwiegender Vorwurf gegen die Pflegebranche unseres Landes und alle dort Tätigen. Diesen pauschalen Vorwurf teilen wir ausdrücklich nicht und weisen ihn ausdrücklich zurück.

(Beifall bei der SPD)

Doch wir lehnen den Antrag auch aus fachlichen Gründen ab. Die Studie, vorgelegt von Transparency International Deutschland, ist, wie bereits Minister Bischoff erwähnte, in der Fachwelt umstritten.

Sie beschreibt zunächst Strukturen und Organisationsformen in der Pflege, beschreibt Gesetzesgrundlagen und kommt recht holzschnittartig zu Missbräuchen und Korruptionsfällen. Wir erkennen an, dass es solche Fälle gibt, und zwar in Form von Abrechnungsbetrug auf der Grundlage von krimineller Energie. Dies muss auf jeden Fall geahndet werden; denn - darin haben die Verfasser der Studie Recht - überhöhte Rechnungen wegen nicht erbrachter Pflegeleistungen zahlen die Allgemeinheit mit ihren Pflegeversicherungsbeiträgen, aber in sehr großem Umfang die Betroffenen und ihre Familien aus eigener Tasche.

Wir messen diesem Fakt eine sehr hohe Bedeutung bei und haben deshalb bei der Erarbeitung des Wohn- und Teilhabegesetzes Sachsen-Anhalt im Jahr 2011 einen besonderen Abschnitt in das Gesetz eingearbeitet. Ich habe den Eindruck, Sie haben das Gesetz nicht gelesen,

(Zustimmung bei der SPD)

nämlich Abschnitt 2 - Stärkung der Selbstbestimmung und Teilhabe sowie des Verbraucherschutzes.

Insbesondere § 8 - Transparenz, Veröffentlichungspflicht und Informationen für Verbraucher - legt umfangreiche Informations- und vor allen Dingen Veröffentlichungspflichten der Betreiber stationärer Einrichtungen und anderer Wohnformen fest. Die Einhaltung dieser gesetzlich verankerten Pflichten wird vom MDK und von der Heimaufsicht überwacht.

Den Umfang und die Ergebnisse dieser Kontrollen hat die zuständige Behörde in einem jährlichen Tätigkeitsbericht festzuhalten, der in § 30 des Wohn- und Teilhabegesetzes Sachsen-Anhalt verankert ist. Allerdings greifen diese Kontrollen nur im stationären Bereich. Für die große Anzahl ambulanter Pflegefälle sind der Medizinische Dienst der Krankenkassen und die eben mehrfach erwähnten Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen, im Volksmund Antikorruptionsstellen genannt, zuständig.

Das heißt, Ihren Punkt 1, in dem der Aufbau einer Antikorruptionsabteilung bei der Heimaufsicht gefordert wird, braucht man nicht. Richtig ist, dass bereits heute die Heimaufsicht und die Pflegekassen hinsichtlich der Pflegequalität gut und eng zusammenarbeiten und dass alle Krankenkassen zwischenzeitlich eigene Abteilungen aufgebaut haben. Dort werden Missstände aufgedeckt und gegebenenfalls auch strafrechtlich verfolgt.

In Punkt 2 geht es um Qualitätskriterien und Mindestpersonalzahlen. Der zu überarbeitende PflegeTÜV des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen wurde ebenfalls mehrfach erwähnt und steht auch bereits auf der Agenda der ASMK.

Wiederholen möchte ich - das ist mir wichtig -, dass es in Sachsen-Anhalt aufgrund des Wohn- und Teilhabegesetzes darüber hinaus auch die Qualitätsberichte der Heimaufsicht gibt.

Zu den Mindestpersonalzahlen. Auch diese gibt es bereits. Von der Landespflegekommission werden sogenannte Pflegekorridore festgesetzt, die im Rahmen der Pflegesatzverhandlungen vereinbart werden. So ändert sich der Personalschlüssel je Einrichtung, je nachdem, wie viele Personen in den einzelnen Pflegestufen zu betreuen sind.

Wir haben dem Föderalismus mit der Erarbeitung des WTG Rechnung getragen. Die noch geltende Personalmindestverordnung gilt in Sachsen-Anhalt nach wie vor und regelt umfänglich Qualifikation und Anzahl des notwendigen Personals.

An dieser Stelle - das möchte ich bitte noch zu Ende führen - irren die Autoren dieser Studie. Sie meinen nämlich tatsächlich - das ist schon sträflich -, die mindestens zu erbringende Fachkraftquote von 50 % würde sich auf das gesamte Personal einer Pflegeeinrichtung beziehen. Dort heißt es: Es existiert - ich darf zitieren -

„… bei den Heimen ein Personalschlüssel von wenigstens 50 % Fachkräften. In den Pflegeschlüssel der Heime werden alle in einem Heim Beschäftigten einbezogen. Neben Pflegekräften sind das beispielsweise Hausmeister, Reinigungspersonal, Sekretärin und Ähnliches …“.