Ich sehe in der Übertragung dieser Aufgabe auf die Gemeinden eine Schwierigkeit, über die intensiv diskutiert werden muss, wobei ich diese Lösung heute eher ablehne, als dass ich ihr zustimme.
Ich appelliere an alle Beteiligten, die gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen. Wir werden uns der Diskussion nicht versperren. Wir wollen aber an dieser Stelle, wie es auch der Minister ausgeführt hat, zuerst sehen, wie weiter auf der Grundlage der untergesetzlichen Regelungen diskutiert wird. Wir haben deshalb in unseren Alternativantrag die Pflicht des Ministeriums aufgenommen, im ersten Quartal 2014 zu berichten. Über den Bericht können wir dann in Ausschuss diskutieren. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Kollegin Schindler. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht jetzt Frau Quade. Bitte schön, Frau Abgeordnete.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir debattieren über die Lebenssituation von Geflüchteten und Asylsuchenden und insbesondere über ihre Wohnsituation in Sachsen-Anhalt in der Tat nicht zum ersten Mal. Zuletzt hatte meine Fraktion im Oktober 2012 einen nicht unähnlichen Antrag in das Hohe Haus eingebracht, der ebenfalls darauf abzielte, das Aufnahmegesetz des Landes zu ändern mit dem Ziel, die dezentrale Unterbringung als Regelunterbringung festzuschreiben. Das zeigt, dass die Probleme keineswegs gelöst sind. Herr Herbst hat das bei der Einbringung des Antrags noch einmal ausführlich beschrieben.
Denn auch wenn die bereits seit 2008 bestehende Bitte des Innenministeriums, Familien und Alleinreisende mit Kindern dezentral in Wohnungen unterzubringen, mit diesem Erlass quasi erneuert worden ist, bleiben die zentralen Probleme der Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften bestehen und sind zum Teil sogar noch verschärft worden.
Abgeschiedenheit und Isolation, zwangsweises Zusammenleben erwachsener, oft traumatisierter Menschen auf engstem Raum, fehlende Privatsphäre, mangelhafter Zugang zu ÖPNV und so
zialer Infrastruktur oder auch die oftmals nur mit erheblichem Aufwand verbundene Erreichbarkeit der gerade für Asylsuchende so wichtigen Ämter und Behörden sind nach wie vor die Probleme der Gemeinschaftsunterbringung und bestimmen das Leben ihrer Bewohnerinnen und Bewohner.
Dies sind die Bedingungen und sie wirken im Land nach wie vor. Ich sage für meine Fraktion ganz deutlich: Dies sind keine Bedingungen, unter denen menschenwürdiges Leben ermöglicht wird. Deswegen wollen auch wir diese zwangsweise Gemeinschaftsunterbringung überwinden.
Die Notwendigkeit zeigt sich auch mit Blick auf die Ereignisse der letzten Monate. In vielen Gemeinschaftsunterkünften des Landes weisen Bewohnerinnen auf die für sie oftmals hochproblematische Situation hin. Nicht selten scheitern ihre Bemühungen bereits daran, verantwortliche Behörden zum Zuhören zu bewegen und politisches Gehör zu finden.
Zuletzt zeigte der mittlerweile glücklicherweise ausgesetzte Hungerstreik von Bewohnerinnen der GU Friedersdorf in Bitterfeld, wie verzweifelt die Bewohnerinnen oftmals sind. In tragischer Weise verweist auch der erst vor Kurzem geschehene Suizid in der Gemeinschaftsunterkunft Harbke auf eben jene Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit.
Mit Blick auf die Ereignisse in Bitterfeld möchte auch ich an dieser Stelle der Integrationsbeauftragten des Landes ausdrücklich für ihr Eingreifen danken. Ich muss aber auch ganz deutlich sagen: Es ist beschämend, dass dort zwei Wochen lang Menschen in einem Hungerstreik leben, sehr ernsthaft artikulieren, dass sie in Kauf nehmen zu sterben, und dass das zwei Wochen lang außer den Oppositionsfraktionen hier im Hause offenkundig niemanden interessiert. Das ist beschämend.
Es stellt sich, wie auch mit Blick auf die Zustände in der GU Zeitz, die Frage nach der Wahrnahme politischer Verantwortung. Die „Mitteldeutsche Zeitung“ machte in der letzten Woche die unhaltbaren Zustände in der GU Zeitz einer breiten Öffentlichkeit zugänglich. Auch hierbei stellt sich natürlich die Frage, wie der Landkreis seiner Verantwortung nachgekommen ist.
Doch der Artikel weist eben auch darauf hin, wie eigentlich die Fachaufsicht auf der Landesebene durch das Landesverwaltungsamt ausgeführt wird, und wirft die Frage auf, ob diese angesichts der
eklatanten Versäumnisse korrekt und wirksam ist. Ich habe daran begründete Zweifel. Ich sehe die Landesregierung in der Pflicht, endlich für eine ehrliche Evaluation zu sorgen.
Um es ganz deutlich zu sagen: Ich möchte niemanden aus der Verantwortung entlassen. Angesichts der Zustände in Zeitz, in Friedersdorf, in Harbke und anderswo zeigt sich, dass die Landkreise ihre Konzepte zur Unterbringung überdenken sollten.
Es zeigt sich aber auch, dass der Erlass der Landesregierung zur Unterbringung von Asylsuchenden bei Weitem nicht den vom Innenminister vollmundig versprochenen Beitrag zur Verbesserung der Lebenssituation dieser Menschen leistet. Da es sich lediglich um eine Richtlinie mit Soll- und Kann-Bestimmungen handelt, setzt er eben nicht die notwendigen verbindlichen Kriterien und Standards.
Einige Landkreise betrachten den Erlass - das wird an der Verfahrensweise an verschiedenen Stellen deutlich - einerseits als bloße Empfehlung, der man nachkommen kann oder auch nicht. Sie verwenden ihn andererseits als Argument gegen konzeptionelle Vorschläge, die eine Wohnungsunterbringung auch für Menschen vorsieht, die weniger als drei Jahre in einer Gemeinschaftsunterbringung leben.
Ich muss ganz deutlich sagen: Hieran zeigt sich, dass eine gesetzliche Regelung, die den eindeutigen Willen des Gesetzgebers deutlich machen würde, eben unerlässlich ist. Deswegen braucht es eine Änderung des Aufnahmegesetzes.
Meine Fraktion wird dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zustimmen, sollte es zu einer Direktabstimmung kommen. Sie würde aber auch dem Antrag auf Überweisung folgen.
Ich möchte noch einige Worte zu dem Antrag der Koalitionsfraktionen sagen. Mit dem Alternativantrag der Koalitionsfraktionen soll ausdrücklich das Engagement des Innenministers zur Verbesserung der Unterbringung von nicht dauerhaft aufenthaltsberechtigten Ausländern in Sachsen-Anhalt begrüßt werden. Trotz aller durch den Kollegen Herbst geübten Kritik an der Wortwahl, der ich durchaus folge, möchte ich Ihnen von den Koalitionsfraktionen sagen: Gäbe es einen realen Grund dafür, würden wir es gern tun. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Quade. - Für die CDU-Fraktion spricht jetzt der Kollege Krause. Bitte schön, Herr Abgeordneter.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema Unterbringung von nicht dauerhaft aufenthaltsberechtigten Ausländern in Sachsen-Anhalt hat in den letzten Wochen öffentliche Aufmerksamkeit erregt.
Es besteht absolute Einigkeit in diesem Hohen Haus darüber, dass eine Unterbringung von Asylsuchenden und geduldeten ehemaligen Asylbewerbern, deren Antrag rechtskräftig abgelehnt worden ist, einen Standard haben muss, der die Würde eines einzelnen Menschen achtet.
Wir dürfen im Landtag auch nicht die Augen davor verschließen, dass die Entscheidung über die Form der Unterbringung von asylsuchenden Menschen in Sachsen-Anhalt an die bundesrechtlichen Vorgaben gebunden ist. Die Unterbringung von Asylbewerbern und Geduldeten wird in der Bundesrepublik durch das Asylverfahrensgesetz geregelt.
Nach dem Asylverfahrensgesetz sollen Ausländer, die einen Asylantrag gestellt haben und nicht oder nicht mehr verpflichtet sind, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, in der Regel in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden. Wir haben eine bundesgesetzliche Vorgabe, die eine generelle Wohnunterbringung von Asylbewerbern ausschließt. Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist es auch, dass flexibel auf schwankende Asylbewerberzahlen reagiert werden kann.
Die Hälfte der in Sachsen-Anhalt lebenden asylsuchenden Menschen ist derzeit dezentral in Wohnungen untergebracht. Eine solche differenzierende Betrachtungsweise rechtfertigt sich aus den Regelungen des Asylverfahrensgesetzes, wonach die Entscheidung über die Unterbringung sowohl das öffentliche Interesse als auch die Belange des Asylsuchenden berücksichtigt.
Wir finden es richtig, dass Personengruppen, für die eine Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften mit einer besonderen Härte verbunden ist, dezentral in Wohnungen untergebracht werden. Das trifft insbesondere für Familien und Alleinstehende mit Kindern zu. Der Minister hat das vorhin bereits erwähnt.
Es ist aber auch völlig richtig, vor allem alleinreisende Frauen und Männer in Gemeinschaftsunterkünften unterzubringen. Sie brauchen Kontakt zu Landsleuten; denn sie sind aufgrund ihrer Erlebnisse oft traumatisiert und mit dem neuen Land emotional überfordert, da sie meist aus anderen Kulturkreisen stammen. Ein besonderes Problem sind natürlich auch die fehlenden Sprachkenntnisse.
Auf keinen Fall sollte man Gemeinschaftsunterkünfte für Asylsuchende schon deshalb als unmenschlich bezeichnen, weil sie zum Teil im länd
lich geprägten Raum liegen. Die Mehrheit unserer Bürgerinnen und Bürger lebt in dieser ländlich geprägten Region und hat ebenfalls einen erheblichen Aufwand für den Zugang zum öffentlichen Leben, zu Kulturveranstaltungen, zum ÖPNV, zu Ärzten, zu Apotheken oder zu Ämtern und Behörden.
Ja, wir alle wissen, dass Gemeinschaftsunterkünfte ein Mikrokosmos sind. Keine Frage, das Leben in den Gemeinschaftsunterkünften muss zeitlich beschränkt sein. Ein über viele Jahre hinweg geführtes Leben in Gemeinschaftsunterkünften mit wenig Privatsphäre in räumlicher Enge erzeugt bei vielen Menschen oft eine Lethargie. Daher erachten wir eine zeitliche Beschränkung der Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften für richtig, so wie es die Erlasslage vorsieht.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die mit der Integrationsbeauftragten unseres Landes abgestimmten Leitlinien des Innenministeriums verfolgen das Ziel, eine angemessene Unterbringung von Flüchtlingen zu realisieren. Eines möchte ich ganz deutlich sagen: Die Landkreise und die kreisfreien Städte tragen eine große Verantwortung dafür, dass die Leitlinien auch anständig umgesetzt werden.
Bauliche und hygienische Mängel oder eine konfliktträchtige dezentrale Unterbringung sind - egal von wem verschuldet - nicht hinnehmbar. Eine Übertragung dieser Verantwortung auf die Gemeinden ist nicht zielführend, da die Strukturen der Koordination und der Kontrolle auf der Ebene der Landkreise und der kreisfreien Städte bestehen und die maßgeblichen Regelungen in der Regel dort auch mit großem Verantwortungsbewusstsein umgesetzt werden.
Ich bitte Sie abschließend um Ihre Zustimmung zu unserem Alternativantrag und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat den Antrag eingebracht. Herr Herbst kann nach mir noch einmal sprechen. Deshalb sehe ich keinen Bedarf, Herrn Striegel jetzt Rede und Antwort zu stehen.
Herr Kollege Krause, vielleicht habe ich Sie nur falsch verstanden, aber Ihre Ausführungen zum ländlichen Raum und zu den dort wohnenden Bürgerinnen und Bürgern haben mich schon irritiert. Ich glaube, es ist ein entscheidender Unterschied, ob man im ländlichen Raum wohnt oder ob man in einer Sammelunterkunft, in einem Lager wie in Harbke, abgeschieden von allen sozialen Interaktionen lebt. Das ist ein Unterschied. Ich denke, es wäre wichtig, das auch deutlich zu machen.
(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Herr Bommersbach, CDU: Das hat er ja gar nicht gesagt!)
Jetzt hat noch einmal Herr Herbst von der einbringenden Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort. Bitte schön, Herr Herbst.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich kann nur unterstützen, was Herr Striegel gerade gesagt hat. Frau Schindler ist darauf eingegangen. Es ist auch oft eine Einstellungsfrage. Damit meine ich jetzt nicht Ihre persönliche Einstellung, Herr Krause, sondern die Einstellung zu diesem Thema.
Was meinen Sie, welche Sprüche man manchmal hört? Unterhalten Sie sich einmal mit Anwohnern oder unterhalten Sie sich einmal mit Betreibern von Sammelunterkünften, zum Beispiel in Friedersdorf. Ich habe das getan. Wenn Ihnen als ernsthafter Debattenbeitrag entgegengeschleudert wird: „Na ja, die frische Luft hier draußen täte den Leuten doch auch ganz gut“, dann ist das wirklich in höchstem Maße zynisch