Protokoll der Sitzung vom 17.10.2013

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Jeder muss sich selbst hinterfragen, in welchem Stil er das machen will. Von mir werden Sie so etwas jedenfalls nicht lesen, und Sie werden es bisher auch nicht gelesen haben.

Ich bedauere, dass die wichtige Debatte über die Klarstellung, die das Urteil des Verfassungsgerichts gebracht hat, jetzt von diesen persönlichen Dingen überlagert wird. Wir haben im Grunde versucht, das von dem zu trennen, was das Gericht in dem Urteil gesagt hat. Man muss einfach konstatieren - das werden wir hier im Parlament, wenn wir über das Thema Geschäftsordnung reden, noch einmal miteinander zu besprechen haben -, dass es offensichtlich doch Missverständnisse zwischen dem Parlament und der Regierung gibt, wie die §§ 43 und 44 auszulegen sind.

Es ist so, dass es in jüngster Vergangenheit stark verkürzte Antworten gab. Es ist so, dass die 14-Tage-Frist - im Übrigen bei Fragen aus allen Fraktionen - in einem Maße ausgenutzt worden ist, bei dem wir als Parlamentarier gesagt haben, das haben wir mit der Änderung der Geschäftsordnung nicht gemeint.

Ich hätte heute gerne diese Debatte geführt. Frau Grimm-Benne hat versucht, es darauf zu fokussieren. Deshalb gibt es von uns diesen Alternativantrag, meine Damen und Herren von der Opposition, weil wir das von dieser persönlichen Dimension trennen und sagen wollen, diese Entscheidung ist eine ausgesprochen gute Klarstellung, die die Rechte des Parlaments und der Abgeordneten, unabhängig davon, ob sie einer Regierungspartei oder einer Oppositionspartei angehören, stärkt und in der deutlich gesagt wird, es liegt eben nicht bei der Landesregierung zu sagen, dass wir etwas begründen müssten oder dass wir eine Darlegungspflicht hätten, wenn wir als Abgeordnete Kleine Anfragen stellen.

Es liegt auch nicht bei der Landesregierung zu sagen, eine solche Frage sei nicht zweckmäßig. Das sind die Punkte, die zwischen der Landesregierung und dem Parlament möglicherweise als strittig im Raum stehen, aber eben unabhängig von der Fraktionszugehörigkeit. Das ist etwas, was wir grundsätzlich miteinander klären müssen.

Deshalb gibt es den Alternativantrag von uns, weil das für uns das übergeordnete Element ist und weil wir das gegenüber der persönlichen Auseinandersetzung für das Wichtigere halten. Deshalb will ich noch einmal dafür werben, dass dieser Alternativantrag eine breite Mehrheit findet. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU - Zu- stimmung von der Regierungsbank)

Danke sehr, Frau Kollegin Budde. - Damit ist die Aussprache beendet. Wir stimmen jetzt ab. Eine Überweisung ist nicht beantragt worden.

Wir stimmen zunächst über den Ursprungsantrag in der Drs. 6/2461 ab. Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Oppositionsfraktionen. Wer ist dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Damit ist der Ursprungsantrag abgelehnt worden.

Wir stimmen jetzt über den Alternativantrag in der Drs. 6/2499 ab. Wer stimmt dem zu? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer ist dagegen? - Das sind die Oppositionsfraktionen. Damit ist der Alternativantrag angenommen worden. Wir verlassen den Tagesordnungspunkt 2.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 3 auf:

Beratung

Nach dem Hochwasser 2013: Hochwasserschutzmaßnahmen beschleunigen

Antrag Fraktionen CDU und SPD - Drs. 6/2487

Einbringer ist der Abgeordnete Herr Stadelmann. Bitte sehr.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Erneut beschäftigen wir uns heute mit den Auswirkungen und Konsequenzen des Hochwassers 2013. Wer erinnert sich nicht, um nur ein paar Schlaglichter zu nennen, an die gravierenden Hochwasserereignisse im Juni dieses Jahres: am 3. Juni die Evakuierung von Zeitz und Jeßnitz, die Evakuierung von Bitterfeld und die Deichsprengung, um den Goitzschesee zu entlasten, am 5. Juni die Evakuierung in Halle, am 7. Juni den Dammbruch an der Schwarzen Elster, am 8. Juni Evakuierungen in Schönebeck, Wittenberg, Wolmirstedt und Aken, am 9. und 10. Juni 2013 den Deichbruch in Fischbeck und am 10. Juni die Deichrutschung bei Hohengöhren, die glücklicherweise nicht zur Katastrophe geführt hat.

Allein bei dem Deichbruch in Groß Rosenburg wurden 85 km² überflutet, bei Fischbeck 160 km². Im Vergleich zum Hochwasser 2002 wurde eine fast doppelt so große Fläche - rund 1 000 km² im Jahr 2013 gegenüber 500 km² im Jahr 2002 - unter Wasser gesetzt.

Die Ausmaße der zweiten Jahrhundertflut in einem kurzen Zeitabstand im Land Sachsen-Anhalt waren verheerend. 1 700 Unternehmen und 600 land

wirtschaftliche Betriebe sind betroffen worden; zeitweise waren 60 000 Mitbürger evakuiert. Etwa 10 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche des Landes wurden überflutet.

Die Gesamtschadensbilanz: 2,7 Milliarden € in Sachsen-Anhalt, was ungefähr 40 % der Gesamtschadenssumme in Deutschland entspricht. Beispielhaft seien nur die Schäden an kommunaler Infrastruktur in Höhe von 1,2 Milliarden €, Schäden an privatem Wohneigentum und in der gewerblichen Wirtschaft von jeweils 0,5 Milliarden € sowie Schäden im Bereich Landwirtschaft und Forst von über 200 Millionen € genannt.

Uns geht es mit diesem Antrag darum, dass diese Schäden im Land Sachsen-Anhalt weiterhin zügig beseitigt werden und dass die Vorsorge für kommende Ereignisse beschleunigt wird. Denn klar muss eines sein - und das hebt die Maßnahmen des Hochwasserschutzes von anderen Infrastrukturmaßnahmen ab -: Es geht in allererster Linie um den Schutz von Menschenleben und den Schutz von Hab und Gut der Menschen. Das muss allerhöchste Priorität haben.

(Zustimmung von Herrn Leimbach, CDU)

Wir wissen alle, wie wichtig es daher ist, die bestehenden Deiche schnellstmöglich wieder instand zu setzen bzw. ihre Funktionsfähigkeit schnellstmöglich wiederherzustellen, um für ein mögliches neues Hochwasser gewappnet zu sein. Die Linienführung von nicht sanierten Deichen muss verbessert werden, die Hochwasseranlagen müssen repariert werden und Deichverteidigungswege müssen in geeigneter Form vorhanden sein.

Wir sind darüber hinaus davon überzeugt, meine Damen und Herren, dass technischer Hochwasserschutz allein nicht ausreichend ist, sondern komplementär durch ökologischen Hochwasserschutz, also die Schaffung von Retentionsflächen und Poldern, ergänzt werden muss. Das Land kann sich mit seinen seit 1996 geschaffenen Retentionsflächen von 334 ha sehen lassen, obgleich der eine oder andere sicherlich der Meinung sein wird, dass es auch mehr sein könnten. Ökologischer Hochwasserschutz ist aber wegen möglicher Komplikationen, schon bei der Regelung der Eigentumsfragen bei den zur Verfügung zu stellenden Flächen oder bei vertraglichen Regelungen mit der Landwirtschaft, immer ein schwieriges und langwieriges Verfahren.

Von Anfang an war das Schaffen von Wasserrückhalt in der Fläche Thema im Hochwasserschutzkonzept des Landes Sachsen-Anhalt. Klar muss aber sein: Wir wollen Verfahren beschleunigen, wissend, dass es nicht an einer einzelnen Interessengruppe liegt, dass es zu Verzögerungen kommt. Das Klagerecht soll hierbei nicht grundsätzlich eingeschränkt werden; denn die Gesetzgebung, insbesondere wenn man in die Richtung

der EU blickt, sieht die Eröffnung des Klageweges für alle Betroffenen und Beteiligten als sehr wichtig an. Aber es soll der Klageweg verkürzt werden, um die Verfahren nicht unnötig in die Länge zu ziehen.

Die Bundesratsinitiative von Bayern und Sachsen beinhaltet demnach, direkt vor das Oberverwaltungsgericht zu ziehen. Insbesondere müssen die Verfahrenswege verkürzt werden. Zwischenschritte zur Erreichung der Planfeststellung bzw. der Genehmigung müssen mit Fristen versehen werden.

Alle Betroffenen und Beteiligten möglichst einzubeziehen in die Planung für den Hochwasserschutz ist eine sehr schwierige, aber weiterhin notwendige und lohnenswerte Aufgabe. - Der Minister wird nachher in seinem Redebeitrag sicherlich noch erwähnen, welche Vorhaben seitens des Ministeriums geplant sind. - Hierzu kann über neue Wege der Kommunikation nachgedacht werden, um die Öffentlichkeitsbeteiligung modern und effizienter zu gestalten.

Ein weiterer Ansatz kann im Verwaltungsverfahren die Trennung der Haupt- von der Nebensache bzw. die Trennung des eigentlichen Eingriffs von der Kompensationsmaßnahme darstellen, allerdings - das betone ich noch einmal - nur in den Fällen, in denen der Staat der Schuldner der Kompensationsmaßnahme bzw. der Ausgleichs- und Ersatzmaßnahme ist und es um unstrittige Maßnahmen des Deich- und Dammbaus, des Gewässerausbaus und Wasserabflusses für den Hochwasserschutz geht. Denn es kann nicht sein, dass, wie zum Beispiel an der Wipper, das gesamte Verfahren für ein Hochwasserschutzprojekt, das als sinnvoll erachtet und vor Ort auch gewünscht wird, dadurch aufgehalten wird, dass es Probleme mit den konkreten Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen gibt.

Darüber hinaus ist es wichtig - jetzt komme ich zu einem etwas schwierigen Punkt; das wurde bereits in den letzten Landtagsdebatten in ähnlicher Weise dargestellt -, dass das entsprechend qualifizierte Personal im Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft vorhanden sein muss, aber auch im Landesverwaltungsamt, damit dort kein Flaschenhals entsteht.

Dies hat der Landtag, verbunden mit dem Dank für die tolle Leistung während der Flut 2013, bereits durch Beschlüsse bekräftigt. Denn wenn wir unser Hochwasserschutzkonzept bis 2020 umsetzen wollen, was immer noch ein engagierter Plan ist, muss es genügend Fachleute geben, die das Konzept in den Fach- und Genehmigungsbehörden umsetzen können.

Hierzu hat der Landtag bereits einstimmig beschlossen, dass im LHW und im Landesverwaltungsamt eine Personalverstärkung erfolgen soll. Aber wir müssen sicherstellen, dass qualifiziertes

Personal zeitnah eingestellt werden kann. Wenn ich sehe, dass der Freistaat Bayern bereits 130 Leute eingestellt hat und dass der Freistaat Sachsen 30 Leute eingestellt hat, während im Land Sachsen-Anhalt im LHW Mitarbeiter, die eigentlich das Hochwasserschutzkonzept umsetzen müssten, damit beschäftigt sind, Begründungen für zusätzliches Personal zu schreiben - ich schaue jetzt einmal in Richtung des Finanzministers, der leider gerade nicht da ist -, dann sage ich: Das kann eigentlich nicht sein.

Wenn wir uns alle darüber einig sind, dass wir dieses Personal brauchen, auch wenn es befristet beschäftigtes Personal ist, kann es nicht an fehlenden Begründungen scheitern. Denn man muss auch berücksichtigen, dass es so viele Fachleute in Deutschland nicht gibt. Der Markt ist leergefegt. Im Grunde genommen müssten wir die Stellen ausschreiben und schauen, wer sich bewirbt, und anschließend prüfen, was wir mit den Bewerbern machen können.

Wir werden uns mit dem Thema „Auswirkungen der und Schlussfolgerungen aus der Hochwasserkatastrophe 2013“ auch weiterhin im Landtag beschäftigen müssen. Insbesondere interessiert uns daher die unbürokratische Ausreichung der Mittel für die Beseitigung der Flutschäden. Hierzu haben wir zum Beispiel im Umweltausschuss einen Selbstbefassungsantrag eingebracht, wohl wissend, dass das Thema sehr weit gefächert ist und dass viele Ausschüsse sich noch mit den Lehren aus der Flut beschäftigen werden.

Ein Aspekt, der abschließend noch zu betrachten ist, betrifft die konsequente Festlegung und Freihaltung von Überschwemmungsgebieten. Seit 2012 wurden erst 13 Überschwemmungsgebiete per Verordnung festgelegt. Ich denke, mit der Schnittstelle zum Baurecht bezüglich des Hochwasserschutzes sollten wir uns zeitnah in den Fachausschüssen beschäftigen, denn hier ist noch Sand im Getriebe.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und bitte auch dieses Mal um Zustimmung aller Fraktionen zu unserem Antrag. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

Danke, Kollege Stadelmann, für die Einbringung. - Für die Landesregierung spricht Minister Dr. Aeikens.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich danke dem Landtag und besonders den Regierungsfraktionen dafür, dass das Thema Hochwasserschutz wieder Gegenstand der

Tagesordnung ist. Der vorliegende Antrag unterstreicht das Engagement des Parlaments in dieser Frage und greift die Sorge vieler Mitbürgerinnen und Mitbürger auf.

Das Leid Tausender Menschen und materielle Schäden in der Größenordnung von 2,7 Milliarden € in unserem Land sind Aufforderung zum Handeln. Angesichts des Klimawandels und damit drohender weiterer Fluten müssen wir zügig handeln, meine Damen und Herren.

Der aktuelle Antrag der Regierungsfraktionen vom 11. Oktober 2013 greift wesentliche und wichtige Punkte auf. Ich möchte im Folgenden auf die dort angesprochenen Fragen kurz eingehen.

Erstens. Die derzeitigen Arbeitsschwerpunkte des Landesbetriebes für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft nach dem Hochwasser 2013 liegen bei der Erstschadensbeseitigung, um zeitnah die größten Gefährdungen bei einem neuen Hochwasser zu beseitigen. Hierzu zählen vor allem die vier Deichbrüche in Fischbeck, Breitenhagen/Groß Rosenburg sowie in Hemsendorf und Klossa an der Schwarzen Elster.

Der Deichbruch bei Fischbeck wurde mit einer Spundwand geschlossen, die bei einem erneuten Hochwasser den erforderlichen Schutz gewährleistet. Der Neubau auf einer aus der Sicht des Hochwasserschutzes optimierten Trasse erfolgt nach Abschluss der Planungen voraussichtlich ab April 2014.

Die Sanierung des Deichabschnittes Breitenhagen/ Groß Rosenburg war bereits vor dem Hochwasser 2013 geplant. Entsprechende Planungsunterlagen lagen vor. Aus diesem Grunde können die derzeit laufenden Maßnahmen zur Schließung des Deichbruchs nahtlos in die Sanierung des Deichabschnittes übergehen. Die Fertigstellung der Gesamtmaßnahme ist für Ende November 2013 vorgesehen.

Die seit Herbst 2010 laufenden Sanierungsarbeiten an den Hochwasserschutzanlagen an der Schwarzen Elster werden planmäßig weitergeführt. Im Zuge dieser Maßnahmen werden auch die Deichbruchstellen DIN-gerecht saniert. Der Deichbruch bei Klossa wurde vorab mit einer Spundwand verschlossen. Eine Sicherung der Deichbruchstelle bei Hemsendorf ist erfolgt.

Zur schnelleren Abführung der nach dem Deichbruch bei Fischbeck in den Elbe-Havel-Winkel eingedrungenen Wassermassen wurden in Schönfeld und an den Havelpolderdeichen Deichschlitzungen vorgenommen. Drei Maßnahmen zur Schließung von Schlitzungen sind weitestgehend abgeschlossen, zwei Baumaßnahmen dauern noch an. Die Regenfälle in den Monaten September und Oktober haben sich bauverzögernd ausgewirkt. Voraussichtlich Ende Oktober werden alle Deichschlitzungen wieder geschlossen sein.

Neben der Beseitigung der Deichbrüche und Deichschlitzungen werden kurzfristig Deiche saniert, bei denen durch Überflutung im Hinterland größere Schäden eingetreten sind. Das betrifft die Sanierung der Ehle-Rückstaudeiche im Raum Gommern/Vogelsang, die Sanierung der Deiche in Magdeburg-Herrenkrug und die Thematik Gimritzer Damm in Halle. Hierzu laufen die Planungen, die Bauausführung ist für 2014 vorgesehen. Wir wollen hier rechtssicher bauen, meine Damen und Herren.

Parallel zur Hochwasserschadensbeseitigung müssen wir die Hochwasserschutzkonzeption des Landes fortschreiben. Unter Berücksichtigung der eingetretenen Schäden prüfen wir die Rang- und Reihenfolge der bisher geplanten Hochwasserschutzmaßnahmen und aktualisieren sie. Ebenso prüfen wir, welche zusätzlichen Maßnahmen erforderlich sind. Ich denke hierbei insbesondere an weitere Polder- und Retentionsflächen.