Protokoll der Sitzung vom 17.10.2013

Parallel zur Hochwasserschadensbeseitigung müssen wir die Hochwasserschutzkonzeption des Landes fortschreiben. Unter Berücksichtigung der eingetretenen Schäden prüfen wir die Rang- und Reihenfolge der bisher geplanten Hochwasserschutzmaßnahmen und aktualisieren sie. Ebenso prüfen wir, welche zusätzlichen Maßnahmen erforderlich sind. Ich denke hierbei insbesondere an weitere Polder- und Retentionsflächen.

Zu Punkt 2. Den Ansatz, für naturschutzrechtliche Kompensationsmaßnahmen möglichst vorrangig auf Flächen in öffentlicher Hand auszuweichen, werden wir aufgreifen.

Zu Punkt 3. Eine Entkopplung von Planfeststellung und Festsetzung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen bedarf einer Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes. Allerdings scheint nach erster Prüfung bei einer Betroffenheit von Natura-2000Gebieten und geschützten FFH-Arten eine Entkopplung aufgrund von EU-Vorgaben nicht möglich zu sein. Wir haben das Bundesumweltministerium um Stellungnahme gebeten. Diese Stellungnahme liegt noch nicht vor.

Zu Punkt 4. Die Öffentlichkeitsbeteiligung hat nach Auffassung der Landesregierung im Verwaltungsverfahren einen hohen Stellenwert. Diese Ansicht korrespondiert auch mit der Beschlusslage der Sonderumweltministerkonferenz Hochwasser am 2. September 2013 in Berlin. Wichtig ist mir: Eine Öffentlichkeitsbeteiligung hat zu einem Zeitpunkt einzusetzen, zu dem die wesentlichen Entscheidungen, insbesondere über die Auswahl zwischen mehreren Verwirklichungsvarianten, noch nicht getroffen worden sind.

Zu Punkt 5. Die Freistaaten Sachsen und Bayern haben eine Bundesratsinitiative zum Thema Hochwasserschutz in den Bundesrat eingebracht, die derzeit in den beteiligten Ausschüssen mit dem Ergebnis beraten worden ist, dass die Beratung der Vorlage bis zum Wiederaufruf vertagt wird. In der Sache selbst ist Gegenstand der Bundesratsinitiative der Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung von Hochwasserschutzmaßnahmen. Die vorgeschlagenen Regelungen sehen vor, die im Verwaltungsprozessrecht bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten zu straffen und im Wasser

haushaltsgesetz ergänzende Modifikationen des Verwaltungsverfahrensrecht vorzunehmen.

Ich kann den Vorschlag Bayerns und Sachsens nur unterstützen. Wir wollen diese Initiative durch weitere Vorschläge ergänzen.

Auch die am 2. September durchgeführte Sonderumweltkonferenz hat beschlossen, die für den Hochwasserschutz maßgeblichen rechtlichen Regelungen zu überprüfen. Einem Auftrag des Kabinetts folgend, lasse ich zurzeit weitere Regelungen zur Verfahrensbeschleunigung ebenfalls überprüfen.

Zu Punkt 6. Das Landesverwaltungsamt, die Ämter für Landwirtschaft, Forsten und Flurneuordnung und insbesondere der Landeshochwasserbetrieb müssen angesichts des Ausmaßes der Hochwasserereignisse in personeller und finanzieller Hinsicht besser aufgestellt werden, damit die Maßnahmen zur Schadensbeseitigung und die Hochwasserschutzkonzeption bis zum Jahr 2020 umgesetzt werden können. Das Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt hat eine Kabinettsvorlage erarbeitet, die sich im Mitzeichnungsverfahren befindet.

Vom LHW sind umfangreiche Arbeiten zur Schadensbeseitigung sofort durchzuführen. Dem LHW obliegt ebenfalls die konzeptionelle und planerische Vorbereitung neuer bzw. erweiterter Hochwasserschutzmaßnahmen. Das zusätzliche Personal wird im Landesverwaltungsamt für die Durchführung von Planfeststellungen für Hochwasserschutzanlagen sowie für bestimmte Fördermaßnahmen nach der Richtlinie „Hochwasserschäden 2013“ benötigt.

Die Ämter für Landwirtschaft, Flurneuordnung und Forsten sind neben der Gewährung der Soforthilfen insbesondere für die Gewährung der Zuwendungen zur Beseitigung der Hochwasserschäden 2013 im Bereich der Land- und Forstwirtschaft und der ländlichen Wege im Außenbereich von Gemeinden zuständig.

Die Finanzierung des Hochwasserschutzes wird uns durch zu erwartende zusätzliche EU-Mittel und durch den Aufbauhilfefonds wesentlich erleichtert. Ich danke dem Finanzministerium für die Zusage, die erforderlichen Kofinanzierungsmittel zusätzlich bereitzustellen.

(Zustimmung von Herrn Schröder, CDU)

Im Rahmen der Auswertung des Hochwassers wird das Ministerium für Inneres und Sport eine Auswertung über das Katastrophenschutzmanagement erstellen. Die Auswertung der Fragebögen und die Ableitung von Schlussfolgerungen finden momentan statt. - So weit einige kurze Anmerkungen zu den angeführten wichtigen Punkten.

Ich darf ergänzen, dass ich ab November alle Landkreise und kreisfreien Städte gemeinsam mit Vertretern des Landeshochwasserbetriebes und des Landesverwaltungsamtes besuchen werde. Dazu werden auch die örtlichen Landtagsabgeordneten eingeladen. Ich will mit den örtlichen Verantwortungsträgern die Planungen des Landes erörtern und Anregungen für die weitere Arbeit mitnehmen.

Meine Damen und Herren! Wir können nicht alles Erforderliche kurzfristig erledigen. Aber ich will auf der Basis nachvollziehbarer Prioritäten den Hochwasserschutz zügig verbessern. Ein Hochwasserschutz auf einem bestmöglichen Niveau ist eine berechtigte Forderung der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes gegenüber der Politik. Deshalb muss diese Aufgabe höchste Priorität erfahren. Im Jahr 2020 sollen in Sachsen-Anhalt alle Hochwasserschutzanlagen den DIN-Normen entsprechen. Dafür bitte ich Sie um Ihre Unterstützung - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Danke sehr, Herr Minister. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht der Abgeordnete Herr Dr. Köck. Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass die Landesregierung etwas mehr als acht Minuten gesprochen hat. Das muss nicht ausgenutzt werden, aber es würde zusätzliche Redezeit zur Verfügung stehen.

Meine Damen und Herren! Ich habe mir lange den Kopf darüber zerbrochen, was Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen, mit diesem Antrag eigentlich bezwecken.

Ich habe mich dies insbesondere deshalb gefragt, weil Sie mit einigen Punkten, nicht mit allen, den fraktionsübergreifenden Konsens, der mit den Beschlüssen in der Drs. 6/2302 und in der Drs. 6/2192 im Juni und Juli erzielt worden ist, verlassen. Mit diesem Konsens hatten wir die Eckpunkte für das Handeln der Landesregierung bereits fixiert. Ich sehe eigentlich keinen Grund, hier nachlegen zu müssen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Diese Einschätzung trifft auf Punkt 6 ausdrücklich nicht zu. Den kryptischen Formulierungen einer diesbezüglichen Pressemitteilung von Herrn Bergmann konnte ich zumindest entnehmen, dass mit dem Antrag dem Umweltminister im Kabinett der Rücken gestärkt werden soll, wenn es darum geht, den Bereich Hochwasserschutz in personeller Hinsicht deutlich aufzustocken. Doch weshalb soll ihm nur der Rücken gestärkt werden, wenn wir ihm die Wünsche doch sofort erfüllen können, nein, sogar

erfüllen müssen? Die Landesregierung zu bitten, 50 Neueinstellungen am regulären Haushalt vorbei zu realisieren, geht nimmer. Die Haushaltsberatungen laufen. Deshalb liegt der Ball eindeutig auf unserer Seite, also im Parlament.

(Beifall bei der LINKEN)

Gehen wir zu Punkt 4. Die blumige Sprache macht misstrauisch. Was ist unter „frühe, moderne und effiziente Kommunikation“ denn zu verstehen? - Darunter ist sicherlich nicht die Einschränkung der Bürgerbeteiligung zu verstehen. Das ist auch gesagt worden. Aber gerade die steht zur Debatte, unter anderem in der Bundesratsinitiative. Wie beim Ausbau des Hochspannungsnetzes sollen die Fristen für die Auslegung und für die Stellungnahmen verkürzt und der Klageweg um eine Instanz reduziert werden.

Doch anstatt Hand an die Beteiligungsrechte zu legen, sollte den Grundeigentümern und Nutzern von potenziellen Polderflächen vertraglich ein Entschädigungsanspruch eingeräumt werden. Vermutlich werden sich schon allein dadurch die Genehmigungsverfahren bei Deichbauten deutlich verkürzen.

Ich bin auf die Antwort auf die Frage der GRÜNEN in der Großen Anfrage zum Hochwasserschutz gespannt, die lautet, wie viele Klagen von Umweltverbänden sich gegen Deichbauten an Elbe und Mulde gerichtet hätten. Mir sind jedenfalls keine bekannt. Auch die folgenschweren Deichbrüche im Jahr 2002 und im Jahr 2013 sind meines Wissens nicht darauf zurückzuführen, dass überhöhte Forderungen des Naturschutzes realisiert worden wären.

Ich komme nun zu den Kompensationsmaßnahmen. Private Investoren müssen die benötigten Flächen erwerben bzw. den Zugriff auf diese nachweisen. Für die Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen der öffentlichen Hand gilt das Gleiche. Was soll also der Punkt 2?

Mit den Punkten 2 und 3 soll es offenbar - das deutet sich meiner Meinung nach an - vor allem dem Buhmann Naturschutz an den Kragen gehen. „Hochwasser- vor Naturschutz“ und „Bäume besitzen Zerstörungspotenzial“ lauteten die fetten Überschriften in der „Volksstimme“ am 14. August 2013 zum Interview mit Umweltminister Dr. Aeikens.

(Herr Leimbach, CDU: Die „Volksstimme“ ist nicht die Regierung!)

Er folgt damit seiner Amtsvorgängerin Petra Wernicke fast aufs Wort, die nach dem JahrhundertHochwasser im Jahr 2002 feststellte, dass die Sicherheit der Menschen Vorfahrt haben muss. Sie beließ es nicht bei den Worten, sondern griff zum Runderlass, der die Zusammenarbeit zwischen Hochwasserschutz und Naturschutz neu regelte. Dieser wurde allerdings nicht veröffentlicht. Wo

möglich ist er sogar noch in Kraft. Das konnte ich aber nicht mehr in Erfahrung bringen. Wenn das der Fall sein sollte, dann wäre der Antrag größtenteils hinfällig.

Wir tun also gut daran, den Antrag zur federführenden Beratung an den Umweltausschuss und zur Mitberatung an den Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu überweisen und über ihn nicht direkt abzustimmen.

Der vorliegende Antrag macht aber leider deutlich, dass sich der Hochwasserschutz bereits wieder auf die Erhöhung der Deiche und auf den sonstigen technischen Hochwasserschutz fokussiert, und sei es zulasten Dritter.

(Herr Schröder, CDU: Oder beides!)

Es zeichnet sich ab, dass erneut dreistellige Millionenbeträge mit dem Ergebnis verbaut werden, dass das Schadenspotenzial nur noch steigt.

(Herr Borgwardt, CDU: Das stimmt nicht!)

Die vorsorgenden Aspekte treten deutlich in den Hintergrund. Diesen Antrag können wir in der vorliegenden Fassung deshalb noch nicht einmal mit kritischer Distanz und Stimmenthaltung passieren lassen. Wir werden also dagegen stimmen. - Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Bergmann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mir zuerst die Vorbemerkung nicht verkneifen, dass es mich heute schon sehr geärgert hat, dass wir uns hier über eine Stunde, auch wenn es dabei um die Stärkung der Rechte der Abgeordneten gegenüber der Regierung ging, über Pillepalle unterhalten haben, über Beleidigungen etc. pp. Am Ende der Debatte verließen viele den Saal, auch die Medien.

Das heißt, das, was vor drei bis vier Monaten im Land passiert ist, interessiert eigentlich nicht wirklich noch irgendjemanden.

(Beifall bei der CDU)

Das hat mich vorhin schon ein wenig betroffen gemacht. Die Flut ist durch. Das Thema ist durch. Das scheint der Stand zu sein. Allein schon aus diesem Grunde, Herr Dr. Köck, ist es wichtig, dass der Antrag da ist. Allein schon deswegen ist er wichtig.

Ich glaube auch, Herr Dr. Köck, dass Sie uns gar nicht so gründlich missverstehen können, wie Sie uns gerade missverstehen wollten. Ich komme

gleich im Einzelnen darauf zurück. Aber wenn man es sich - ich sage es hier einmal klar und deutlich - so einfach macht wie die Stadt Halle und einfach ohne Recht und Gesetz losbaut und wenn das ein Beispiel werden sollte für das ganze Land, dann wird es meines Erachtens notwendig, dass man irgendwo auch wieder eine gewisse Ordnung herstellt.

(Zuruf von der SPD: Der OB!)

- Der OB, Entschuldigung, sicherlich, der OB.

(Zuruf von Herrn Dr. Köck, DIE LINKE)

Lassen Sie mich noch eines sagen, bevor ich zur Thematik komme. Wir haben in den letzten Tagen auch einiges an der Hilfe kritisiert, die in die Gebiete fließen soll. Teilweise ging es uns zu langsam. Wir hatten auch erste Gespräche mit der IB. Nach meinem Erkenntnisstand sind zurzeit von 3 300 eingereichten Anträgen ca. 400 bewilligt worden. Das muss der Stand von vor wenigen Tagen sein.

Ich will hier nicht weiter kommentieren, ob das schnell und gut ist oder nicht. Ich weiß, dass das inzwischen läuft. Die Maschinerie ist im Gange. Trotzdem bitten wir darum, dass man da ganz schnell weiterarbeitet, damit die meisten Leute Weihnachten wieder in ihrem warmen Wohnzimmer verbringen können.