Protokoll der Sitzung vom 14.11.2013

(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Danke sehr. - Damit ist die Debatte beendet.

Wir stimmen jetzt aber über die Drs. 6/2558 und 6/2577. Ich habe nicht vernommen, dass eine Ausschussüberweisung beantragt worden ist. Also stimmen wir über die Anträge ab.

Wir stimmen zuerst über den Änderungsantrag von CDU und SPD in Drs. 6/2577 ab. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer ist dagegen? - Niemand. Wer enthält sich der Stimme? - Das sind die Oppositionsfraktionen. Der Änderungsantrag ist angenommen worden.

Dann stimmen wir jetzt ab über den Ursprungsantrag in der Drs. 6/2558 in der soeben geänderten Fassung. Wer stimmt dem zu? - Das sind alle Fraktionen. Damit ist das so angenommen worden. Wir verlassen den Tagesordnungspunkt 18.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 16 auf:

Erste Beratung

Ehrenamt weiterentwickeln, bürgerschaftliches Engagement stärken

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 6/2551

Einbringerin ist die Abgeordnete Frau Edler. Bitte sehr.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Der Begriff des Ehrenamts ist in der heutigen Zeit etwas sperrig geworden, weil wir mit der Tätigkeit nur sehr bedingt so etwas wie Ehre verbinden. Außerdem gibt es eine ganze Reihe von Alternativbegriffen wie „bürgerschaftliches Engagement“ oder auch „freiwillige soziale Arbeit“. Dies zeigt auch den Wandel des Phänomens Ehrenamt im 21. Jahrhundert.

Man macht sich gewöhnlich kaum Gedanken über den außergewöhnlichen Umfang ehrenamtlicher Tätigkeit, die zunächst einmal unentgeltlich ist. So kommen im Auftrag der Bundesregierung Untersuchungen für Deutschland auf das Ergebnis, dass ca. 23 Millionen Menschen die Bereitschaft zum bürgerschaftlichen Ehrenamt haben und sich auch engagieren.

In den EU-Ländern steht Großbritannien an erster Stelle, gefolgt von Deutschland, Frankreich und Polen. An der Spitze der Tätigkeit liegt im Allgemeinen der Sport mit ca. 28 %, gefolgt von den sozialen Diensten. Viele Bereiche des öffentlichen und sozialen Lebens könnten ohne den Einsatz von Ehrenamtlichen kaum existieren.

Ich nenne ebenfalls die Dienste bei Jugendorganisationen, im Natur- und Umweltschutz, im Tierschutz, in Wandervereinen, in der Bewährungs

hilfe, in der Telefonseelsorge, in der Caritas und in der Diakonie der großen Kirchen, in vielen Hilfsorganisationen, aber auch in der Behindertenhilfe. Nicht zu vergessen sind die freiwilligen Feuerwehren und der Katastrophenschutz.

Daher ist das Ehrenamt in Sachsen-Anhalt sachgerecht weiterzuentwickeln und das bürgerschaftliche Engagement nachhaltig zu stärken.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Dies zu fördern ist das Ziel des vorliegenden Antrages. Notwendig dazu ist es, die politische Kultur der Beteiligung und des Dialogs stärker zu befördern. Dadurch soll dem gestiegenen Engagement und der wachsenden Kompetenz der Bürgerinnen und Bürger Rechnung getragen werden.

Um dieses Ziel zu erreichen und sich ihm fortwährend anzunähern, gilt es, ihm kontinuierlich die notwendige Aufmerksamkeit zu widmen und die diesbezügliche Arbeit der Landesregierung parlamentarisch zu begleiten. Aus unserer Sicht ist dies richtig und nötig, auch mit Blick auf den Internationalen Tag des Ehrenamtes am 5. Dezember und darüber hinaus.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Werte Kolleginnen und Kollegen! Ehrenamtliches Engagement ist ein wesentliches Merkmal unseres sozialen und demokratischen Gemeinwesens. Es findet seinen Ursprung in der Identifikation der Menschen mit ihrer Gemeinde, ihrer Stadt und ihrem Landkreis und fördert den sozialen Zusammenhalt. Bürgerschaftliches Engagement benötigt kommunale Entscheidungs- und Gestaltungsspielräume, damit Menschen sich nicht nur engagieren können, sondern zugleich mitbestimmen können.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Doch immer stärker wurde in den letzten Jahren die Tendenz, das bürgerschaftliche Engagement nicht mehr nur als Ergänzung, sondern als Ersatz für öffentliche Einrichtungen und für öffentliche Leistungen anzusehen. Es wird zunehmend auch dort eingesetzt, wo öffentliche Aufgaben mangels ausreichender finanzieller Ausstattung der öffentlichen Hand nicht mehr existieren. Bürgerschaftliches Engagement darf nicht als Lückenbüßer für die Nichterfüllung staatlicher Aufgaben mangels finanzieller Mittel herangezogen werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Es darf nicht instrumentalisiert werden, um es aufgrund der Finanzprobleme des Staates in bestimmte Lücken hineinzustoßen. Festzustellen ist zugleich, dass die Rahmenbedingungen für bürgerschaftliches Engagement verbesserungswürdig erscheinen, auch in Bezug auf den demografischen Wandel und die damit verbundene Nachwuchsgewinnung.

So hat die Projektförderung die institutionelle Förderung in großem Maße abgelöst und damit den gemeinnützigen Vereinen einen erheblichen finanziellen Spielraum und Planungssicherheit entzogen. Die lang- und mittelfristige Planung der Vereine wird sehr schwierig, weil die Sicherheit der jährlichen Finanzierung fehlt.

Daneben ist auch die Entwicklung zu verzeichnen, dass gemeinnützige Tätigkeiten nicht selten in Konkurrenz zu regulärer sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung treten, oft verbunden mit einem Abbau von Arbeitsplätzen auf dem ersten Arbeitsmarkt oder geringerer Entlohnung bzw. mit dem Ausbau des Niedriglohnsektors.

Maßgeblich ist hier die Arbeitsmarktnähe. Diese liegt dann vor, wenn Tätigkeiten mit einem ähnlichen Arbeitsspektrum nebeneinander freiwillig und bezahlt durchgeführt werden. Laut dem Freiwilligensurvey 2009 lag die Arbeitsmarktnähe bei mehr als jedem vierten Engagierten vor. Geht man von 23 Millionen Engagierten aus, so sind das 5,7 Millionen, die dies betrifft. Gravierender ist es bei engagierten Erwerbslosen; bei dieser Gruppe lag im Jahr 2009 bei 37 % Arbeitsmarktnähe vor. Damit ist dieser Anteil in den letzten zehn Jahren deutlich angestiegen.

Pauschalen für ehrenamtliche Tätigkeiten werden so bereits heute genutzt, um Steuern und Sozialversicherungsbeiträge zu sparen. So wird beispielsweise die Übungsleiterpauschale oft mit einem Minijob kombiniert. In diesem Zusammenhang ist der Trend zur Monetarisierung des bürgerschaftlichen Engagements kritisch zu bewerten. Es darf keine Grauzonen zwischen Engagement und Erwerbstätigkeit geben.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Ein weiteres Problem sind die sozialen Differenzierungen. Bildungs- und beteiligungsferne Menschen fühlen sich häufig wenig angesprochen, wenn bürgerschaftliches Engagement eine Mittelschichtveranstaltung ist und damit schicht- sowie bildungsabhängig bleibt.

Für Menschen mit Behinderungen, Migranten, Erwerbslose, ältere Menschen, aber ebenso Jugendliche müssen formelle und informelle Zugangsbarrieren zukünftig abgebaut werden. Auch dazu sollte hauptamtliches Personal im Umgang mit bürgerschaftlich engagierten Menschen verstärkt qualifiziert werden.

Umfassender gilt es auch, Zeiträume für bürgerschaftliches Engagement im Einklang mit Erwerbsarbeit und Familie zu ermöglichen. So gilt es zukünftig, Möglichkeiten der beruflichen Freistellung für die Tätigkeit und Qualifizierung im Ehrenamt zu schaffen und ein vielfältigeres Angebot an Qualifikations- und Fortbildungskursen für ehrenamtlich Engagierte kostenfrei vorzuhalten.

Meine Damen und Herren! Klar ist, dass die Kommunen und das Land in ihrer Finanzkraft verstärkt werden müssen, um ihre öffentlichen Aufgaben zu erfüllen. Dies vorausgesetzt gilt es, das Ehrenamt in Sachsen-Anhalt sachgerecht weiterzuentwickeln,

(Zustimmung bei der LINKEN)

um bürgerschaftliches Engagement als ein wichtiges soziales und demokratisches Plus nachhaltig zu stärken und zu fördern. Viele kleine Schritte werden dafür notwendig sein. Von Max Frisch stammt der Satz: Demokratie heißt, sich in die eigenen Angelegenheiten einzumischen.

Menschen, die sich engagieren, tun genau das. Das Eintreten für andere und für sich selbst ist ein Eintreten für die Gemeinschaft. Sie helfen anderen und sich selbst, indem sie sich ehrenamtlich engagieren. Dafür gebührt ihnen Hochachtung.

(Beifall bei der LINKEN)

Dafür ist es auch notwendig, dass man sich auf Bundes- und Landesebene dieses Themas verstärkt annimmt, um das Ehrenamt als bürgerschaftliches Engagement in unserer Zeit noch mehr zu stärken.

Für sachdienlich halten wir diesbezüglich einen jährlichen Bericht der Landesregierung über die Entwicklung des Ehrenamtes und des bürgerschaftlichen Engagements in Sachsen-Anhalt, der konkrete Aussagen zu den unter den Punkten 1 und 2 des Antrages dargestellten Feststellungen und Zielen beinhaltet und der im Ausschuss für Inneres und Sport durch die Landesregierung erläutert wird.

Ich bitte Sie um Zustimmung zu diesem Antrag und bedanke mich für Ihre zu dieser recht späten Stunde teilweise vorhandene Aufmerksamkeit. - Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke sehr für die Einbringung. - Für die Landesregierung spricht der Herr Ministerpräsident.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Da ich davon ausgehe, dass Sie die Behandlung des Themas im Ausschuss fortsetzen, möchte ich zu der Diskussion im Ausschuss noch einige Argumente beitragen.

Erstens. Wir sind dankbar dafür, dass sich 600 000 Menschen in Sachsen-Anhalt freiwillig engagieren und im Ehrenamt tätig sind. In ca. drei Wochen werde ich wieder gemeinsam mit dem Landtagspräsidenten und mit parlamentarischen Vertretern den Tag des Ehrenamts in der Staatskanzlei begehen, wo auf Ihre Empfehlungen hin Bürgerinnen

und Bürger besonders geehrt und gewürdigt werden, die sich Zeit ihres Lebens oder zumindest über viele Jahre hinweg für das Land und für die Mitmenschen eingesetzt haben.

Trotzdem denke ich, dass die Landesregierung auch mit Ihrer Hilfe als Haushaltsgesetzgeber schon sehr viel getan hat, um diesem wesentlichen Segment bürgerschaftlichen Daseins Unterstützung zukommen zu lassen. Ich denke dabei an die aktuelle Aktivität, die der Kultusminister gestern in Gang gesetzt hat, nämlich die Ernennung von „Engagementbotschaftern Kultur“. Es sind Urkunden ausgereicht worden, um dafür zu werben, sich nebenberuflich für das Land zu engagieren und sich ehrenamtlich einzubringen.

Es gibt auch viele andere Initiativen, die ich nur kursorisch aufzählen möchte: der erweiterte Versicherungsschutz im Zusammenhang mit der Haftpflicht- und Unfallversicherung für alle Ehrenamtlichen, die Anerkennung von eigenen Arbeitsleistungen als zuwendungsfähige Ausgaben bei der Förderung von Projekten, ein Nachweisheft über bürgerschaftliches Engagement, in dem sich Engagierte von ihrem Verein oder ihrer Initiativgruppe ihre Tätigkeit und erworbene Kompetenzen bestätigen lassen können. Dieses Nachweisheft können sie beispielsweise zusammen mit den Bewerbungsunterlagen einreichen.

Darüber hinaus ist im Ministerium für Arbeit und Soziales eine Servicestelle für ehrenamtliches Engagement im sozialen Bereich eingerichtet worden, die Vereine, Verbände und Organisationen bei ihren ehrenamtlichen Arbeiten berät und unterstützt.

Es gibt auch eine Reihe von Zuwendungsrichtlinien, die das bürgerschaftliche Engagement befördern sollen, zum Beispiel die Richtlinie zur Förderung für die Gestaltung von Maßnahmen des demografischen Wandels oder die Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Integration von Migrantinnen und Migranten, zur Verbesserung der Situation von Flüchtlingen sowie zur interkulturellen Öffnung. Ich könnte eine ganze Reihe von weiteren Richtlinien nennen; sie können im Internet unter der Adresse www.integriert-in-sachsen-anhalt.de nachgelesen werden.

Zudem fördert das Land natürlich auch lokales ehrenamtliches Engagement, unter anderem im Zusammenhang mit dem Freiwilligendienst, mit dem freiwilligen sozialen Jahr oder dem freiwilligen ökologischen Jahr und ähnliche Aktivitäten im Bereich Kultur. Sie wissen, dass gerade im Brandschutz und im Katastrophenschutz, in den Jugendfeuerwehren beim Feuerwehrsport, bei der Feuerwehrhistorik bis hin zur Brandschutzerziehung sehr viel geleistet wird.