In vielen Gesprächen mit Vertretern aus der Praxis werden die extremen Probleme bei der Besetzung offener Stellen formuliert. Stellen für Pflegehilfskräfte werden in den meisten Fällen binnen eines Monats besetzt. Bei der Besetzung von freien Stellen für Fachkräfte dauert es in der überwiegenden Zahl der Fälle drei Monate und noch länger.
In Sachsen-Anhalt, meine Damen und Herren, ist die Situation speziell. Wie Sie wissen, eilen wir der demografischen Entwicklung in anderen Bundesländern voraus. Das ist bereits gesagt worden. Zudem verzeichnen wir eine Abwanderung besonders von jungen Frauen aus unserem Bundesland.
Unsere älter werdende Bevölkerung bleibt länger aktiv und gesund und lebt möglichst lange in den eigenen vier Wänden. Treten dann doch Pflegebedarfe auf, sollten sie durch ambulante Pflegedienste gedeckt werden. In diesem Bereich ist der Bedarf an Fachkräften besonders hoch, da die Dienste meistens als Einzelpersonen unterwegs sind. Ein höherer Pflegebedarf im höheren Alter führt dann doch dazu, dass die Pflege nicht mehr durch die Familie, sollte sie überhaupt noch in der räumlichen Nähe sein, übernommen werden kann und man Dienste in Wohngruppen oder in stationären Einrichtungen in Anspruch nehmen muss.
Der Trend ist ganz klar: Einrichtungen werden erst bei höheren Pflegestufen und bei höheren Pflegebedarfen in Anspruch genommen und sind demzufolge mit einem höheren Personalbedarf verbunden.
Der von uns gewünschte Weg zur ambulanten Pflege, den wir Ende vergangenen Jahres im Wohn- und Teilhabegesetz Sachsen-Anhalt verankert haben, fördert und fordert kleinteiligere Strukturen mit einem erhöhten Fachkräfteanteil. Ich denke, es ist höchste Zeit, legitim und notwendig, nachzufragen, ob dieser von uns gewünschte und beschlossene Trend personell abgesichert ist und werden kann.
Es ist richtig: Die Einführung einer Ausbildungsumlage allein löst das Problem nicht, würde aber die Situation der ausbildenden Einrichtungen gegenüber denen, die nicht ausbilden und Personal abwerben, wieder geraderücken.
Meine Damen und Herren! Wir haben 60 Bildungsangebote für die theoretische Pflegeausbildung allein in Sachsen-Anhalt. Welche Qualität haben diese Angebote? Welche Abschlüsse werden dort erlangt? - Für eine zweijährige Ausbildung zum Pflegehelfer gibt es Bildungsgutscheine. Für die dreijährige Ausbildung zur Fachkraft gibt es solche Bildungsgutscheine nur mit Mühe und unter Inanspruchnahme von Sondersystemen.
che Möglichkeiten sehen die Bundesagentur für Arbeit und das Kultusministerium, die Umschulung und Weiterqualifizierung von Erwachsenen zu erleichtern? Nicht zuletzt ist zu fragen, wie wir es gemeinsam mit den Trägern von Einrichtungen und Diensten schaffen, die Attraktivität des Pflegerberufs zu erhöhen und die wirklich Interessierten in Aus- und Weiterbildung zu bekommen.
Es wäre wichtig, über diese Aspekte anhand des vorzulegenden Berichts im Sozialausschuss zu sprechen und, soweit notwendig, dann auch Konsequenzen zu ziehen. Denn eines ist klar: Die Problematik betrifft uns, und unsere Kinder und die Eltern, also alle. - Vielen Dank.
Danke sehr, Frau Dr. Späthe. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Abgeordnete Frau Lüddemann.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch über diesen Antrag bin ich ein wenig irritiert, denn ich meine, das wäre ein Thema, dem man sich zuerst im Ausschuss hätte widmen sollen, statt das in das große Plenum zu tragen. Aber nichtsdestotrotz - -
- Ich werde mich vielleicht irgendwann daran gewöhnen, im Moment bin ich noch etwas irritiert. Aber das nur am Rande, denn das Thema ist, glaube ich, relativ unstrittig. Die Sicherstellung ausreichender Pflegekräfte ist ein wirkliches Problem und eine Frage, der wir uns alle widmen wollen und müssen.
In den letzten Tagen sind einige Veröffentlichungen dazu auf den Markt gekommen, die das unterstützen und die noch einmal die Dramatik herausarbeiten, die im Pflegebereich nicht nur auf uns zukommt, sondern in der wir tatsächlich schon stehen.
Die AWO und ver.di haben am letzten Freitag ein gemeinsames Memorandum „Perspektiven für die Pflege älterer Menschen“ vorgelegt. Am Montag hat die Studie der NordLB zur Gesundheitswirtschaft gezeigt, dass es nicht nur ein Problem im Fall der Pflege gibt, das die zu pflegenden Menschen betrifft, vielmehr ist es auch ein wirtschaftliches Problem. Dabei geht Potenzial für das Land Sachsen-Anhalt verloren. Das können wir uns nicht leisten. Diesem Thema müssen wir uns widmen.
Allerdings bin ich persönlich der Auffassung, dass es nicht nur eine Frage der Ausbildung ist. Es ist klar, dass man da einiges tun muss. Die Ausbil
dungsfinanzierung ist ein großer Brocken, ohne Frage. Aber wir müssen uns auch dem Wust an Pflegeberufen widmen. Hier muss eine Stringenz, eine Einheitlichkeit hinein und man muss auch beleuchten, dass wieder mehr Umschulungen im Pflegebereich stattfinden.
Aber wir werden das Problem der Sicherstellung einer ausreichenden Zahl von Pflegekräften nicht lösen können, wenn wir uns nicht den Arbeitsbedingungen in der Pflege widmen. Denn diese sind, gelinde gesagt, unattraktiv.
Es sind in den letzten Jahren und Monaten einige Regelungen getroffen worden, die Hoffnung gemacht haben. Aber alle, die sich in diesem Feld auskennen und die vor Ort tätig sind, wissen, dass die Arbeitszeitverordnung, der Mindestlohn und dergleichen nicht dort angekommen sind, wo sie hingehören. Für diese Arbeitsplätze, die insbesondere von Frauen wahrgenommen werden, gelten Regelungen und Bedingungen, die von uns allen nicht unterstützt werden können. Abgesehen davon erfolgt gesellschaftliche Anerkennung leider Gottes immer noch über monetäre Leistungen, und diese sind im Pflegebereich absolut unterrepräsentiert.
Für unsere Fraktion habe ich zwei Änderungen vorzuschlagen. Ich muss mich entschuldigen, da es mir aufgrund des Vorziehens dieses Tagesordnungspunktes nicht möglich war, die Änderungen schriftlich einzureichen. Aber es ist, glaube ich, relativ unkompliziert.
Wir würden im ersten Absatz nach der Berichterstattung im Sozialausschuss auch um die Berichterstattung im Ausschuss für Wissenschaft und Wirtschaft bitten. Am Schluss würden wir bitten, noch einen Satz einzufügen: „Zusätzlich sind die Arbeitsbedingungen und Verdienstmöglichkeiten der Pflegekräfte darzustellen.“
Abschließend kann ich auch für unsere Fraktion versichern, dass wir selbstverständlich bereit sind, uns dieses Themas anzunehmen. Bevor das ganz große Chaos in diesem Land losgeht, müssen wir hier dringend tätig werden. - Vielen Dank.
Damit treten wir in das Abstimmungsverfahren ein. Es ist wieder ein klassischer Antrag auf Direktabstimmung. Wir stimmen zunächst über die von
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorgeschlagenen Änderungen ab, und zwar soll der Antrag um folgenden Text ergänzt werden: Die Landesregierung wird gebeten, in den Ausschüssen für Arbeit und Soziales sowie für Wissenschaft und Wirtschaft über die Situation in der Altenpflege in Sachsen-Anhalt zu berichten. Ferner ist am Ende des Antrages folgender Satz einzufügen: „Zusätzlich sind die Arbeitsbedingungen und Verdienstmöglichkeiten der Pflegekräfte darzustellen.“
Frau Präsidentin, wir würden aus formalen Gründen diesen mündlichen Änderungsantrag ablehnen. Es war bisher nach unserer Geschäftsordnung üblich - der Antrag hat sehr lange vorgelegen -, einen Änderungsantrag in schriftlicher Form einzureichen. Deswegen werden wir den Änderungsantrag ablehnen.
Man kann sicherlich über einige Punkte streiten. Ich weiß, dass es in Kommunalparlamenten üblich ist, aber damit man sich im Hohen Haus darauf
Ich nehme das zur Kenntnis. Ich lasse darüber aber trotzdem abstimmen und möchte daran erinnern, dass wir das schon sehr häufig in unterschiedlichen Konstellationen getan haben.
Wer stimmt den Änderungen zu? Diejenigen bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Oppositionsfraktionen. Wer ist dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Damit ist der Änderungsantrag abgelehnt.
Wir stimmen jetzt über die Drs. 6/172 in unveränderter Fassung ab. Wer stimmt dem zu? - Die Koalitionsfraktionen. Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Das sind die Oppositionsfraktionen. Damit ist der Antrag angenommen worden.
Meine Damen und Herren! Wir sind am Ende der 6. Sitzung des Landtages. Die 7. Sitzung beginnt morgen pünktlich um 9 Uhr. Ich wünsche Ihnen allen einen schönen Parlamentarischen Abend, der um 20 Uhr im Innenhof beginnt.