Protokoll der Sitzung vom 27.03.2014

Für diejenigen, die im Fachausschuss nicht vertreten sind, will ich noch einmal Folgendes sagen: Ich habe namens meiner Fraktion im Fachausschuss ein sehr konkretes Angebot zu diesem Antrag vom Dezember 2013 unterbreitet.

Ich habe den Koalitionsfraktionen angeboten, alles das, was an politischen Wertungen in dem Antrag meiner Fraktion enthalten war, und alle Passagen, die als Vorfestlegung für das Ergebnis eines solchen Diskussionsprozesses und eines Moratoriums gelten könnten, herauszunehmen. Ich habe Ihnen vorgeschlagen, es ausschließlich auf den Punkt des Moratoriums zu begrenzen, für das wir ohnehin nur noch drei Monate Zeit hätten. Aber immerhin hätten wir drei Monate Zeit, um solide über flexiblere Lösungen mit den Planungsträgern zu diskutieren.

Es sollte in der Beschlussempfehlung keine Kritik an dem bisherigen Agieren mehr enthalten sein. Es sollten auch keine Aussagen zum Thema Personal mehr enthalten sein. Sie wissen, dass mir das schwerfällt. Trotz alldem haben Sie keine Abstimmung herbeiführen können. Ich muss Sie einfach fragen, was das soll.

Sie kennen die Diskussionen außerhalb des Hauses. Nicht nur weil heute wieder Bürgerinnen und Bürger vor der Tür stehen und protestieren, sondern auch weil wir diese Diskussion in allen Landkreisen geführt haben, erwarte ich von den Abgeordneten dieses Hauses, dass Sie sich Ihrer Verantwortung stellen, meine sehr verehrten Damen und Herren, und entscheiden.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich möchte noch etwas zur Sachlage sagen. Wir haben die Situation, dass seit 1990 jede zweite öffentliche Schule in Sachsen-Anhalt geschlossen worden ist. Das ist nicht einfach willkürlich geschehen; das wissen wir alle. Die demografische Entwicklung seit Anfang der 90er-Jahre und die wegbrechenden Schülerzahlen haben das zum großen Teil unumgänglich gemacht.

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, in den Gemeinden vor Ort wird wieder über Grundschulschließungen diskutiert; teilweise sind sie bereits beschlossen. Die Bürgerinnen und Bürger sind es leid, immer nur Rückbauentscheidungen zu hören. Sie wollen von einer Perspektive hören.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Ich will an dieser Stelle nicht zuletzt die Kollegin Budde an ihre Rede im Landtag im letzten Jahr erinnern, als es um die Haushaltskürzungen ging. Damals haben Sie, liebe Kollegin Budde, in Richtung Landesregierung eingefordert, nicht nur über Kürzungen zu reden, sondern eine Perspektive aufzuzeigen. Genau das tun Sie bei den Schulen gerade nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Die Schülerzahlen in den Grundschulen steigen bis zum Jahr 2020. Vor diesem Hintergrund stellt sich immer wieder die Frage, warum wir gerade bei der Schulentwicklungsplanverordnung die Verschärfungen vornehmen. Was ist der Grund dafür? - Da die Schülerzahlen nicht der objektive Grund sein können, ist allein die Personalfrage der Grund dafür.

Sie haben bereits vor mehreren Jahren ein Personalentwicklungskonzept beschlossen, nach dem Sie auf dem Papier 2 000 aktive Lehrer aus dem Dienst abziehen wollen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Aktuell reden wir über 23 Schulen. In der letzten Debatte war von 24 Schulen die Rede. Ich will mich um eine Zahl rauf oder runter nicht streiten. 23 Schulen entsprechen nach der aktuellen Personalbemessung, die in diesem Land praktiziert wird, mehr oder weniger genau 100 Vollzeitstellen, über die wir hierbei reden. Es sind Lehrerinnen und Lehrer, die schon im Dienst sind, die wir also nicht neu einstellen müssen, die Sie aber einsparen wollen.

Offensichtlich reichte ein kurzes Kaffeegespräch gestern aus

(Herr Miesterfeldt, SPD: Wasser! - Frau Dr. Klein, DIE LINKE: Noch sparsamer! - Herr Schröder, CDU: Wasser auf Ihre Müh- len!)

- ist ja noch besser: ein Wasser hat genügt -, um über Nacht 150 Lehrerinnen und Lehrer in diesem Land neu einstellen zu können.

(Zuruf von Herrn Schröder, CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir reden über 23 Schulen, über schwere Entscheidungen, die Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker treffen, über Strukturentscheidungen, von denen Kommunen über viele Jahre betroffen sind.

Wir reden über 100 Lehrer. Jetzt frage ich Sie: Ist es das wert, einen solchen Einschnitt zu machen, liebe Kolleginnen und Kollegen?

(Beifall bei der LINKEN)

Was erleben wir denn real? - Im letzten Jahr gab es die Situation, dass der Kultusminister sich gefreut hat, dass er 120 Neueinstellungen mehr vornehmen kann. Letztes Jahr ist auch erklärt worden, dass diese nicht zusätzlich sind, sondern in Zukunft wieder eingespart werden müssen.

Jetzt haben wir das Jahr 2014 und es sind in diesem Jahr 150 Lehrer mehr, die eingestellt werden. Ich lese wieder: Sie müssen aber später wieder eingespart werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Natürlich werden sie später nicht eingespart werden. Jetzt haben wir schon 270 Lehrer zusätzlich eingestellt. Das würde bedeuten, dass wir im nächsten Jahr gar keinen Lehrer einstellen. Das wird nicht passieren, liebe Kolleginnen und Kollegen. Warum nicht? - Weil außer dem Finanzminister alle Fraktionen in diesem Haus, alle Fachpolitikerinnen und Fachpolitiker, alle Fachministerinnen und Fachminister mittlerweile verstanden haben, dass das Personalentwicklungskonzept nicht funktioniert und weg muss.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber wir trauen uns nicht, das mit Mehrheit in diesem Hause auch einmal deutlich zu sagen. Wir tun so, als würde das gelten, und unterlaufen mal abends beim Wasser einen solchen Beschluss der Landesregierung.

Das kann doch keine Politik sein, die wir dauerhaft praktizieren, dass wir uns morgens überraschen lassen, wenn wir die Zeitung aufschlagen, weil alles plötzlich anders ist.

Seit Jahren erzählen wir Ihnen hier, dass die Zahl der Neueinstellungen nicht reicht. Seit Jahren muss ich mir hier anhören, das sei Populismus, das sei nicht bezahlbar. Jetzt sind über Nacht 150 Stellen sofort aus dem laufenden Haushalt bezahlbar; dazu müssen wir nicht einmal einen Nachtrag beschließen.

Natürlich geht das, wenn der politische Wille da ist, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das haben wir immer gesagt. Aber meine Aufforderung an Sie ist: Wir können doch nicht ernsthaft jedes Jahr neu das Spielchen spielen, dass wir eine Phantomzahl irgendwann im Laufe des Jahres nach oben korrigieren. Wir brauchen Planungssicherheit für die

Landkreise und Personalsicherheit für die Landkreise. Kommen Sie endlich Ihrer Verantwortung nach, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Beifall bei der LINKEN)

Sie haben heute von uns erneut einen Antrag vorgelegt bekommen. Über seinen Gehalt habe ich eben schon etwas gesagt. Es ist exakt das, was ich Ihnen vorgeschlagen habe, was wir im Fachausschuss beschließen.

Wir haben diesen Antrag noch einmal in genau dieser Form eingereicht, weil wir eine Entscheidung wollen. Jetzt ist immer wieder die Frage: Wofür brauchen wir dieses Moratorium noch? Es haben doch fast alle schon beschlossen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben einen Planungszeitraum von fünf Jahren vor uns, in dem wir, weil die Schülerzahlen stabil bleiben und weil wir in der Lage sind, wenn es eine Mehrheit hierfür gibt, dies auch personell zu untersetzen, die Chance haben, Stabilität im Schulnetz sicherzustellen, was auch einmal Ihr Anspruch in der Koalitionsvereinbarung war.

Wenn wir das erreichen wollen, müssen wir die Verordnung überarbeiten und für die Planungsträger in den Landkreisen andere, flexiblere Möglichkeiten, als sie bisher gegeben sind, schaffen. Dafür haben wir drei Monate Zeit. Das ist miteinander zu schaffen.

Dann hätten wir fünf Jahre Zeit, in diesem Land darüber zu diskutieren, wie wir danach zu einer Planung kommen, die uns davon wegführt, alle fünf Jahre wieder anfangen zu müssen, Schülerinnen und Schüler zu zählen und feststellen zu müssen, dass einem Standort plötzlich zwei Schüler fehlen und dieser deswegen vakant wird.

Wir müssen eine Vereinbarung finden, die die Entscheidungshoheit über das Schulnetz vollständig in die Hand der Planungsträger gibt und bei der das Land sich ausschließlich um die Personalfrage kümmert. Dann hätten wir sehr viel gewonnen, nicht nur für die demokratische Entscheidung vor Ort, sondern auch für die Frage: Wer ist eigentlich wofür verantwortlich? - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke sehr, Herr Kollege Höhn, für die Einbringung. - Für die Landesregierung spricht Minister Dorgerloh. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Diskussion um Schulstandorte lässt insbesondere in Bezug auf die Zwergschulen niemanden kalt. Es wird mit heißem Herzen gestritten

und gekämpft, gehofft und geschrieben. Gerade war ich wieder mit vielen im Gespräch. Mich erreichen auch Briefe. Ich bin vor Ort, um zu hören, zu sehen, zu reden und zu diskutieren.

Minischulen zu schließen ist eine unangenehme Aufgabe, nicht nur für Kommunalpolitiker und Abgeordnete, auch für Minister. Wer die Diskussionen in der letzten Woche verfolgt hat, der weiß, dass dies keine Floskeln sind, schon gar nicht, wenn man vor Ort Entscheidungen treffen muss.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei aller Emotionalität lassen Sie uns nüchtern auf die Gründe schauen. Es wird so sein, lieber Herr Höhn, dass das eine Diskussion ist, in der vieles wiederholt wird, was schon zwei-, drei-, vier- oder fünfmal in diesem Haus bzw. in den Ausschüssen ausgetauscht worden ist. Aber da sind unterschiedliche Positionen an der einen oder anderen Stelle auch nicht verwunderlich.

Im laufenden Schuljahr 2013/2014 erreichen 14 Schulen noch nicht einmal die Marke von 40 Schülerinnen und Schülern. Weitere 16 Schulen haben eine Schülerzahl zwischen 40 und 50. Insgesamt 67 Schulen haben weniger als 60 Schüler. So viele Kleinstschulen gibt es prozentual in keinem anderen Bundesland.

Unsere ostdeutschen Nachbarn in Sachsen, Thüringen, Brandenburg und selbst in MecklenburgVorpommern mit der geringsten Schülerdichte bundesweit haben schon vor Jahren kontinuierlich begonnen, die Anzahl von Kleinstschulen stark zu reduzieren.

Warum haben sie das getan? - Weil an solchen kleinen Schulen nur noch ein Mindestmaß an Unterricht sichergestellt werden kann, Vertretungsregelungen schwierig bis unmöglich umsetzbar sind und zusätzliche pädagogische Angebote entfallen, aber auch, weil es finanziell nicht mehr darstellbar ist.

In einer Regionalzeitung aus Niedersachsen vom 14. März 2014 finden wir einen Bericht über eine Untersuchung des Niedersächsischen Landesrechnungshofes unter der Überschrift „Zwergschulen schließen - Prüfer halten 62 kleine Grundschulen für zu teuer - Qualitätseinbußen bei mangelnder Größe“.

Das hat der Niedersächsische Landesrechnungshof unserem Nachbarland in das Stammbuch geschrieben, dort dem Haushaltsausschuss vorgetragen und das Land aus finanziellen und qualitativen Gründen aufgefordert, Zwergschulen zu schließen. Die Differenz beträgt dort pro Schüler ca. 1 800 € im Jahr.

Aber der Landesrechnungshof ist auch auf qualitative Mängel gestoßen. Wenn nur noch wenige Lehrer tätig sind - so hat er berichtet -, werden bei

spielsweise im Vertretungsfall alle Klassen gemeinsam in der Turnhalle unterrichtet. - Solche Modelle können nicht unser Ziel sein.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie alle kennen die drohenden Einnahmeverluste des Landes ab 2020 von rund 20 %. Schrittweise und rechtzeitig vor dem Auslaufen des Solidarpakts, der Neuordnung des Länderfinanzausgleichs und dem Rückgang der EU-Förderung sollten wir unsere Hausaufgaben erledigt haben. Vor diesem Hintergrund wird ein derart kleinteiliges Grundschulnetz in den nächsten Jahren schlicht nicht mehr finanzierbar sein. Auch die Kommunen werden sich das fragen müssen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte ausdrücklich daran erinnern, dass auch nach der alten Verordnung zur Schulentwicklungsplanung eine Mindestgröße von 60 Schülern für Grundschulen vorgesehen war. Allerdings wurden in den letzten Jahren derart viele Ausnahmegenehmigungen erteilt und immer wieder verlängert, dass im Bewusstsein vieler Bürgerinnen und Bürger die Ausnahme zur Regel geworden ist.