Protokoll der Sitzung vom 15.05.2014

Wir unterstützen auch die Kofinanzierung durch die Landkreise. Aber einen kleinen und feinen Unterschied gibt es doch. Wir haben die stufenweise Einführung der Kofinanzierung gefordert. Ich glaube, wenn man das so gemacht hätte, dann hätte man sich eine Menge Ärger mit den Landkreisen erspart. Denn ich denke, es ist in der Tat schwierig, wenn man sich die finanzielle Situation vor Ort anschaut, von heute auf morgen eine Kofinanzierung zu verlangen.

Tja, leider haben sich die Koalitionsfraktionen nicht weiter und nicht vollumfänglich an unseren Vorlagen orientiert. Dann wäre einiges besser.

(Beifall bei den GRÜNEN)

So muss ich aber leider Kritik üben. Denn der Dreh- und Angelpunkt bei der Beratungsstellenlandschaft ist natürlich die Finanzierung; das ist ganz klar. Hier sehe ich große Probleme bei der fixierten Förderhöhe, die im Gesetzentwurf festgeschrieben ist. Wir haben bei zahlreichen Anhörungen und Fachgesprächen im Ausschuss und in Gesprächen außerhalb des Ausschusses immer wieder festgestellt, dass gerade die Dynamisierung, die Möglichkeit, auf Tarifentwicklungen einzugehen, Preissteigerungen zu berücksichtigen, in diesem Land überhaupt keine Rolle spielt. Sie ist aber dringend nötig.

Auch fehlt im Gesetzentwurf die Vorgabe, dass die Arbeitnehmerinnen tarifgerecht bezahlt werden müssen. Das haben wir an anderer Stelle geregelt. Hier fehlt es.

Zusammenfassend kann man zu der Finanzierung sagen, dass ein schlechter Status quo, der nachgewiesenermaßen auf Basisdaten aus dem Jahr 2003 oder noch früher fußt, jetzt auch noch gesetzlich für alle Zeiten festgeschrieben wird. Ich finde, das ist eine Klatsche für die Beratungsstellenkräfte, für die Liga und für alle, die sich seit 2008 in diesen Prozess eingebracht haben.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

In einem zweiten Komplex geht es um die Sozialplanung. Sie wissen aus Anträgen, die ich bisher in diesem Hohen Hause vertreten durfte, dass ich ein

Fan von strategischer Planung bin. Ich bin ein Fan davon, Ressourcen strategisch einzusetzen. Doch die Antworten auf drei Kleine Anfragen und ein Fachgespräch zur Thematik der Sozialplanung haben deutlich werden lassen, dass wir hier im Land praktisch bei null anfangen.

Nicht einmal die seit Langem gesetzlich festgeschriebene Jugendhilfeplanung wird in allen Landkreisen umgesetzt. Woher soll dann bitte schön bis Oktober 2015 in allen Landkreisen auch noch eine Sozialplanung kommen?

Auch vermisse ich die Ziele. Das Gesetz schreibt soziale Gerechtigkeit und soziale Sicherheit vor. Das sind große Worte, die aber tatsächlich nicht untersetzt sind. Hier hätte man den Prozess der Sozialziele weiterentwickeln können. Dann hätte man auf das Land abgestimmte klare Ziele gehabt, an denen sich Beratung hätte orientieren können.

Ich sehe auch, dass sich unterschiedliche Bedarfe nicht auf die Förderhöhe oder auf das zu verteilende Geld auswirken. Hier offenbart sich die gesamte Trostlosigkeit und Ergebnislosigkeit des Beratungsstellenprozesses. Denn auch ich muss leider wie der Kollege Rotter davon ausgehen, dass der Prozess damit gestorben, dass er am Ende ist.

Wir sind von der simplen These ausgegangen, die lautet: Mehr Bevölkerung, mehr Beratungsbedarf und weniger Bevölkerung, weniger Beratungsbedarf. Dass diese These eben nicht stimmt, dass haben die Sozialverbände immer wieder angemerkt.

(Zustimmung von Frau Hohmann, DIE LIN- KE)

Wenn ich jetzt sehe, dass keinerlei Indikatoren wie die ALG-II-Quote oder die Zahl der Beratungsfälle zum Einsatz kommen, dass die Mittel einfach - das ist am einfachsten - nach der Einwohnerzahl verteilt wird, dann frage ich mich wirklich, warum wir das alles gemacht haben, warum wir so viel zivilgesellschaftliches Engagement - das ist angesprochen worden - unter der Leitung des Deutschen Vereins im Land haben arbeiten lassen.

Ich finde es schade. Denn wenn man ein Gesetz macht, dann sollte man nicht den einfachsten Weg gehen, sondern den Weg wählen, der langfristig im Sinne der Betroffenen, der Leistungserbringer und somit im gesamten Interesse des Landes zielführend ist. Ich finde es schade, dass die Koalition wieder einen Beweis dafür geliefert hat, dass genau das nicht ihre Stärke ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Kollegin, wollen Sie eine Frage des Kollegen Rotter beantworten?

Frau Kollegin, vielleicht können Sie mich einmal aufklären, an welcher Stelle meines Redebeitrages ich erklärt haben soll, der Prozess sei damit beendet.

Ich kann mich daran erinnern, dass Sie ausgeführt und dabei explizit auf den Landtagsbeschluss verwiesen haben, dass noch einige Punkte offen sind. Ich habe Sie so verstanden - ich freue mich, wenn Sie das jetzt anders sehen, wenn Sie an meiner Seite sind, dass wir auch an den anderen Punkten noch weiter arbeiten -, dass mit dem Gesetzentwurf der Prozess jetzt vorbei ist.

(Herr Rotter, CDU, schüttelt den Kopf)

- Dann bin ich gespannt auf die Umsetzung dieser Klarstellung.

Vielen Dank. - Für die Fraktion DIE LINKE hat jetzt Kollegin Frau Dirlich das Wort. Bitte schön, Frau Abgeordnete.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Rotter, ich glaube, ich habe den passenderen Spruch parat: Was so lange währt, wird endlich Wut.

(Zustimmung bei der LINKEN - Herr Rotter, CDU: Oh! Was soll denn das?)

Meine Rede trägt die Überschrift: „Eine unendliche Geschichte“. Ich beginne diese Geschichte ein Stückchen mittendrin, nämlich mit dem Antrag der Fraktion DIE LINKE.

Wir haben am 31. Mai 2011 einen Antrag vorgelegt, der ein Moratorium fordert, weil dem Prozess der Neustrukturierung Zeit gegeben werden sollte. Dieser Antrag feiert in etwa 14 Tagen seinen dritten Geburtstag. Ich glaube, dass wir damit sogar einen Rekord aufstellen. Es muss mich jemand kritisieren, wenn er dazu etwas anderes findet. Ich denke, dass dies der erfolgreichste niemals beschlossene Antrag aller Zeiten ist, weil das Moratorium bis heute hält und jetzt auch noch Gesetzeskraft erhalten soll - aber dazu später.

Die Geschichte - das ist hier mehrfach gesagt worden; ich will das nicht wiederholen - ist wesentlich länger. Aber der Prozess, um den es hierbei geht - auch das war einmal Beschluss des Landtages -, sollte Ende 2012 abgeschlossen sein. Das ist eine Weile her.

Obwohl der Bericht der Projektgruppe, zumindest der Projektgruppe der nicht institutionell geförderten Träger, im September 2011 vorgelegen hat, gibt es bis heute keine Entscheidung.

Der nun vorliegende Gesetzentwurf ist aus unserer Sicht eigentlich erst einmal nur der nächste Schritt. Sie haben gerade so getan, als wäre das abgeschlossen, aber Sie haben den Gesetzentwurf jetzt eingebracht. Das heißt, da wird noch einiges an Beratung und noch einiges auch an Diskussionen folgen. Zumindest macht der Gesetzentwurf Hoffnung auf ein Ergebnis. Ich habe allerdings jetzt schon ein Problem damit, wenn ich mir den so anschaue, was das Ergebnis sein wird.

Das will ich an drei Punkten deutlich machen. Der erste Punkt: das liebe Geld. Wir wissen, dass der Prozess in Gang gebracht wurde, weil weniger Geld ausgegeben werden sollte. Bei der Evaluation ist relativ schnell klar geworden, dass die Annahme, dass mit der Bevölkerungszahl auch die Probleme abnehmen, nicht eingetreten ist. Im Gegenteil: Die Problemlagen sind komplexer geworden, die Lösungswege sind schwieriger zu finden und es dauert damit sehr oft sehr viel länger, bis Hilfe gefunden wurde bzw. bis die Hilfe greifen kann.

Wenn jetzt der Status quo auch noch gesetzlich verankert oder gesetzlich vor- und festgeschrieben werden soll, dann habe ich damit erstens das Problem, dass das Gesetz im Grunde eine Kürzung enthält, weil die Tarife und die Betriebskosten seit Jahren gestiegen sind. Frau Lüddemann hat ja gerade gesagt, dass die Grundlage der Berechnung allerhöchstens das Jahr 2003 ist.

(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Also kann man hierbei mit Fug und Recht von einer Kürzung um mindestens 10 bis 15 % ausgehen. Es hat sich seitdem ja auch an den Zuwendungen nichts geändert.

Es wird uns zweitens in der Zukunft noch schwieriger gemacht, eine Dynamisierung einzufordern, weil wir jedes Mal mehrere Gesetze ändern müssten, um das hinzukriegen, wenn Sie solch eine Zahl in das Gesetz hineinschreiben.

(Beifall bei der LINKEN)

Zweiter Punkt: die Qualitätsstandards. Auch damit habe ich mindestens zwei Probleme. Das erste Problem ist: In der Gesetzesbegründung findet sich das Ergebnis der Evaluierung des Neustrukturierungsprozesses insgesamt fünfmal. Es wird fünfmal auf das von der Liga entwickelte Konzept der integrierten psychosozialen Beratung verwiesen. In dem Gesetzestext fehlt der Begriff. Darin wird das irgendwie umschrieben und der Begriff fehlt völlig, was aus meiner Sicht die Frage aufwirft: Was soll das? Oder - Artikel 10

des rheinischen Grundgesetzes -: Wat soll dä Quatsch?

Wir haben gesagt und haben auch eingefordert in unserer Beschlussempfehlung, die wir übrigens schon im April 2013 vorgelegt haben, dass der Landtag das Ergebnis der langjährigen Arbeit der Träger nicht nur zur Kenntnis nehmen soll, sondern es auch anerkennen muss. Das geschieht in dem Gesetzestext zumindest nicht. Die Begründung wird meines Wissens nicht beschlossen.

Zum Zweiten ist es fraglich, ob das Modell der integrierten psychosozialen Beratung auch bei Fällen mit akutem Hilfebedarf überhaupt funktioniert. Multiprofessionelle Teams zusammenzurufen dauert unter Umständen viel zu lange und ist nicht immer notwendig.

Das aber macht § 20 Abs. 5 des Gesetzentwurfes zur Voraussetzung, wenn er fordert, dass in jedem Fall zunächst einmal sämtliche Träger einbezogen werden sollen, um den Hilfebedarf festzustellen. Also nur in diesem einen Punkt.

Schauen Sie sich die Punkte 2 und 3 genauer an; darin wird in jedem Fall gefordert, dass hier multiprofessionelle Teams auftreten. Möglicherweise ist das in Ihrem Gesetzentwurf so nicht intendiert; es steht aber so darin.

Dritter Punkt: die Verteilung. Für mich und für unsere Fraktion ist es ein Widerspruch, wenn von den Kreisen auf der einen Seite eine Jugendhilfe- und Sozialplanung verlangt wird, übrigens eine Jugendhilfe- und Sozialplanung in Richtung des Landkreistages, die in § 18 SGB VIII bereits eingefordert wird, also durchaus keine neue Aufgabe ist.

Liebe Kollegin, darf ich Sie auf die Zeit aufmerksam machen?

Ja, danke schön. Tut mir leid.

Es ist aber zumindest ein Widerspruch, wenn auf der einen Seite so eine detaillierte Planung eingefordert wird und auf der anderen Seite einfach nur die Einwohnerzahlen zugrunde gelegt werden. Das hat nichts damit zu tun, dass man auf die Planungen eingehen will. Das hat nichts damit zu tun, dass man zum Beispiel auch den Unterschied in der Erreichbarkeit von Einrichtungen auf dem Lande und in der Stadt zu berücksichtigen hat.

(Beifall bei der LINKEN)

Kommen Sie jetzt bitte zum Ende.

Ich bin auf die Diskussionen im Ausschuss gespannt.

(Beifall bei der LINKEN)