Protokoll der Sitzung vom 16.05.2014

(Beifall bei der LINKEN)

Danke sehr, Frau von Angern. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Frau Lüddemann das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass wir heute sehr ruhig, sehr sachlich in die Thematik eingestiegen sind. Das macht mich hoffnungsfroh für den weiteren Prozess. Es sind auch schon einige Dinge sehr sachlich in die Debatte eingeführt worden, die zeigen, dass eine Debatte wirklich nötig ist.

Wenn Frau Ministerin vorträgt, dass eine Abfrage unter den Bestattungsunternehmen zeigt, dass es keinen Bedarf gibt, ist es in der Tat noch tiefer zu eruieren, woran das liegt. Was nicht möglich ist, wird nicht nachgefragt - das könnte einer der Gründe sein; in dieser Richtung hatte sich zumindest auch der Imam in der von mir bereits in meiner ersten Rede erwähnten Fernsehsendung geäußert.

Ich glaube, eine Willkommenskultur, die zumindest verbal immer im Land hochgehalten wird, muss eben über den Tod hinausgehen und sollte diese divergierenden Angebote machen. Der Verweis auf andere Bundesländer, in die man dann ja reisen könnte, um seine Toten zu bestatten, ist, glaube ich, ein bisschen kurzsichtig.

Herr Scharf hat auch einiges dazu ausgeführt, wie man bei einer solchen Regelung, wie wir sie vorschlagen, die Totenruhe sichern könnte. Das sind sicherlich Fragen, die wir vorhin benannt haben, die man klären muss. Das Beispiel aus den Niederlanden ist sicherlich ein sehr extremes. Ich muss für meine Person sagen, wenn ich über Friedhöfe bei uns im Land gehe, dann ärgere ich mich auch sehr oft über den Zustand dieser Friedhöfe und über den Zustand von bestimmten Gräbern. Ich frage mich schon, ob das immer so sinnvoll ist und ob es tatsächlich eine angemessene Bestattungskultur ist, die wir dort pflegen. Aber das sind alles Dinge, über die wir im weiteren Verfahren noch sprechen können.

Ganz kurz vielleicht noch zur Kinderarbeit. Es gibt einige Bundesländer, die dazu schon Regelungen getroffen haben, etwa Baden-Württemberg im Juni 2012. In Nordrhein-Westfalen und in Bayern sind entsprechende Anträge noch in der Beratung. In

Bayern hat die CSU selber diesen Antrag vorgelegt. Im Saarland ist in § 8 Abs. 4 des Bestattungsgesetzes selbiges geregelt.

Natürlich wollen wir das nicht den Steinmetzen überlassen; deswegen das Rundschreiben mit den entsprechenden Hinweisen auf XertifiX und Fairstone, den Organisationen, die Zertifikate anbieten. Dann kann man schauen, ob der Stein, den ich einkaufe, um ihn hier zu bearbeiten, aus Kinderarbeit stammt oder nicht.

Das Land soll hierfür die Möglichkeit schaffen. Dann wird in der jeweiligen Kommune - Frau Grimm-Benne hat ausgeführt, dass man sich in den Kommunen sehr ernsthaft mit diesen Fragen auseinandersetzt - entschieden, ob man das in die Satzung übernimmt oder nicht.

Ich präzisiere es noch einmal für meine Fraktion. Wir würden alle drei Vorlagen zur federführenden Beratung in den Sozialausschuss sowie zur Mitberatung in den Rechtsausschuss und in den Innenausschuss überweisen. Eine Überweisung in den Wirtschaftsausschuss halten wir nicht für notwendig. - Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke sehr, Kollegin Lüddemann. - Damit ist die Debatte beendet und wir treten in das Abstimmungsverfahren ein.

Wir stimmen zunächst über den Gesetzentwurf in der Drs. 6/3040 und über den Entschließungsantrag in der Drs. 6/3041 ab. Spricht sich jemand dagegen aus, dass wir über die beiden Beratungsgegenstände zusammen abstimmen? - Das ist nicht der Fall. Dann werden wir es so tun.

Einer Überweisung steht nichts im Wege, habe ich vernommen. Es ist die Überweisung in den Ausschuss für Soziales zur federführenden Beratung beantragt worden. - Ich sehe keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen worden.

Wir kommen zur Abstimmung über die Mitberatung. Wer stimmt der Überweisung in den Innenausschuss zu? - Ich glaube, das waren alle. Es ist so beschlossen worden.

Recht und Verfassung? - Das sind auch alle Fraktionen. Es ist so beschlossen worden.

Wissenschaft und Wirtschaft? - Ich frage noch einmal konsequenter, um uns die Auszählung zu ersparen: Wissenschaft und Wirtschaft? - Ich sehe keine Mehrheit. Dann müssen wir zählen. Nehmen Sie mal die Arme hoch. - Ich glaube, es werden immer mehr.

(Heiterkeit)

Wer ist dagegen? - Lassen Sie nicht vor Müdigkeit den Arm wieder sinken, sonst zählt es sich so

schlecht. Wer enthält sich der Stimme? - Damit ist die Überweisung des Antrages in den Ausschuss für Wissenschaft und Wirtschaft bei 26 : 27 Stimmen abgelehnt worden. Es gab auch ein paar Enthaltungen.

Ich wiederhole es noch einmal: Wir haben jetzt die Drs. 6/3040 und 6/3041 zur federführenden Beratung in den Sozialausschuss und zur Mitberatung in den Innenausschuss und in den Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung überwiesen.

Wir stimmen nunmehr über den Antrag der Fraktion DIE LINKE in der Drs. 6/3048 ab. Ich frage Sie, um es zu vereinfachen, ob der Antrag zu den gleichen Konditionen in die Ausschüsse überwiesen werden soll oder ob ich darüber einzeln abstimmen lassen soll.

(Herr Borgwardt, CDU: Nein!)

- Nein. - Wer dafür ist, dass wir die Drs. 6/3048 zur federführenden Beratung in den Sozialausschuss und zur Mitberatung in den Innenausschuss und in den Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung überweisen, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind alle Fraktionen. Damit ist das so beschlossen worden. Wir verlassen den Tagesordnungspunkt 15.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 16 auf:

Beratung

Zeitgemäße räumliche Aufenthaltsbeschränkungen

Antrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 6/3000

Alternativantrag der Fraktionen CDU und SPD - Drs. 6/3087

Einbringer ist der Abgeordnete Herr Herbst. Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Amalia war sehr froh, dass sie endlich eine Aussicht auf eine Arbeitsgenehmigung hatte. Mehrere Jahre hatte sie darauf gewartet. Nun hatte sie endlich einen Arbeitgeber gefunden, der bereit war, sein Angebot für die Ausländerbehörde schriftlich zu verfassen. Die letzte Hürde der sogenannten Vorrangprüfung durch das Arbeitsamt, der Frage also, ob nicht noch ein geeigneterer deutscher Arbeitnehmer zur Verfügung stünde, würde sie sicherlich auch noch nehmen, dachte sie sich.

Glücklich stand Amalia vor ihrem Sachbearbeiter, als dieser ihr dann offenbarte, dass ihr Bemühen um eine Arbeitsgenehmigung zum Scheitern ver

urteilt sei. Zwar sei das mit dem Angebot alles ganz schön, aber es gäbe da noch eine Altlast aus vergangener Zeit; Amalia hätte gegen die so genannte Mitwirkungspflicht verstoßen. Daran sei sie selbst schuld, es tut uns leid, auf Wiedersehen!

Die schwere Schuld, die Amalia auf sich geladen hatte, ist eine Tat, die Deutsche gar nicht begehen können, eine vermeintliche Petitesse, die leider aber über die Zukunft von Menschen entscheiden kann. Amalia hatte von Vockerode aus einen früheren Mitbewohner in Berlin besuchen wollen. Sie hatte niemanden um Erlaubnis gefragt. Auf dem Bahnhof in Berlin-Wannsee ist sie dann von Bundespolizisten angesprochen worden. Ihr wurde ein Verstoß gegen die sogenannte Residenzpflicht vorgeworfen. Der Besuch eines Freundes wird ihr nun als ein Verstoß gegen die Mitwirkung in ihrem Asylverfahren ausgelegt. Deswegen bleibt ihr die Arbeit verwehrt. Tut uns leid.

So wie Amalia sind alle Asylsuchenden und Geduldeten in Deutschland von der Residenzpflicht betroffen. Ihnen allen ist es ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet, den Landkreis bzw. die Grenzen des Bundeslandes zu verlassen.

(Frau Brakebusch, CDU: Na klar!)

Selbstverständlich kann diese Genehmigung verwehrt werden und sie wird häufig verwehrt. Immer wieder kommt es dazu, dass die angeführten Reisegründe den Ausländerbehörden nicht genehm erscheinen.

Wer etwa einen Flüchtlingskongress in einer anderen Stadt besuchen will, hat schlechte Karten. Nicht nur hier kratzt die Residenzpflicht meines Erachtens gefährlich an den Menschen- und Freiheitsrechten.

(Zustimmung von Herrn Lange, DIE LINKE)

Bewegungsfreiheit und die Selbstbestimmung des Aufenthaltsortes sind elementare Grundrechte, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wer entscheidet hierbei eigentlich über dieses Schicksal und nach welchen Maßgaben? - Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter fällen nach freiem Ermessen Entscheidungen über die Bewegungsfreiheit von Menschen, die sich nichts zuschulden haben kommen lassen.

Dieses Verfahren grenzt an Willkür, meine Damen und Herren. Es ist mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar.

Die Residenzpflicht ist im Asylverfahrensgesetz verankert und ruft seit vielen Jahren Kritik von Menschenrechts- und Flüchtlingsorganisationen hervor, aber auch bei Wissenschaftlern, die darin die Fortsetzung einer jahrzehntelangen Kultur des Misstrauens gegenüber Asylsuchenden in Deutschland sehen.

Dem Migrationsforscher Jochen Oltmer nach ist der Blick auf Asylsuchende in Deutschland vorrangig durch zwei Sichtweisen geprägt: Einerseits geht es um angebliche Belastungen durch Asylbewerber, wirtschaftliche und soziale Belastungen, und zum anderen geht es um Sicherheit und Gefahren, auch politische Gefahren durch Asylbewerber.

Es gibt eine sehr klare politische Richtung, die davon ausgeht, dass hinsichtlich von Asylbewerbern von staatlicher Seite Misstrauen angebracht ist, nicht zuletzt deshalb, weil in den letzten Jahrzehnten immer wieder die Rede davon war, dass es ein erhebliches Ausmaß des Missbrauchs des so genannten Gastrechts, wie es so schön heißt, gegeben habe.

Dieser falschen Sichtweise folgend, ist es dann nur folgerichtig, äußerst restriktive Regelungen auf den Weg zu bringen, die den Generalverdacht gegen diese Personengruppe in konkrete Sanktionen, wie die Residenzpflicht, gießen.

Diese Residenzpflicht ist ein bürokratisches Monstrum. Sie erfüllt keinerlei praktischen Nutzen. Sie hat keine fiskalischen Auswirkungen. Sie ist nicht an die Frage der Wohnsitznahme gebunden, die ganz anders geregelt ist. Sie erfüllt keinen verfahrenstechnischen oder integrationspolitischen Zweck. Ihre Funktion erschöpft sich in der Kontrolle an sich.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Zu dem Ziel der Etablierung einer Willkommenskultur verhält sich die Residenzpflicht wie ein Prellbock auf einer Hochgeschwindigkeitstrasse, meine Damen und Herren. Die Residenzpflicht, die in Sachsen-Anhalt auf die Grenzen des Bundeslandes beschränkt ist, in Bayern und Sachsen aber noch auf die Grenzen der Landkreise, steht darüber hinaus in einer unrühmlichen Tradition, die ihren Ursprung in der deutschen Kolonialgeschichte hat.

Wer sich nicht bewegen kann, kann sich nicht organisieren. Wer sich nicht organisieren kann, kann sich nicht erheben. So war die einfache Logik organisiert. Dieser einfachen Logik folgend, beschränkten die deutschen Kolonialherren die Bewegungsfreiheit der Kolonialisierten. Es gab ein Eingeborenenregister und eine Blechmarke als Passersatz. Da jede Marke nur in einem Bezirk gültig war, konnten die Besatzer jederzeit feststellen, ob Menschen unerlaubt ihren Distrikt verlassen hatten.

Der niedersächsische Flüchtlingsrat bezeichnet die Residenzpflicht heute als ein Apartheidsgesetz. Ich erwähne das nicht, weil ich mir diesen Begriff zu eigen machen möchte, aber um zu verdeutlichen, wie rückwärtsgewandt und wie diskriminierend die Residenzpflicht ist.