Protokoll der Sitzung vom 16.05.2014

Wenn wir hierbei wirklich etwas tun wollen, das mehr ist als weiße Salbe, dann müssen wir nach meiner Ansicht versuchen, durch Bundesgesetz diesbezüglich etwas zu regeln. Versuche, dies in den Bestattungsgesetzen auf der Länderebene zu

regeln, sind schon gescheitert. In diese Serie müssen wir uns nicht einreihen.

Zuletzt ist ein solches Vorhaben mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Baden-Württemberg vom 8. Mai 2014, also erst vor Kurzem, gescheitert. Nach meiner Kenntnis hat Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen nach diesem Gerichtsurteil entsprechende Vorhaben in Nordrhein-Westfalen erst einmal gestoppt.

Das Problem ist: Es ist klingt gut, dass Sie zertifizierte Grabsteine haben wollen, aber es gibt bisher offensichtlich kein sicheres und staatlich anerkanntes Zertifizierungssystem. Wenn Sie ein solches anerkanntes Zertifizierungssystem nicht haben, dann kommen Sie auch nicht weiter. Sie können nicht von dem Steinmetz um die Ecke verlangen, dass er in der Lage ist, die Zustände in einem Steinbruch in Indien so zu kontrollieren, dass er mit gutem Gewissen weiß, was er anbietet.

Wir als Landtag können als Zeichen eine Entschließung verabschieden, in der wir klarstellen, dass wir Kinderarbeit nicht wollen, dass wir ausbeuterische Kinderarbeit verurteilen. Aber, meine Damen und Herren, in ein Gesetz gehören wirklich nur Anweisungen und Befehle, die vollzugssicher umgesetzt werden können. Das können wir im Moment noch nicht, meine Damen und Herren.

Ich plädiere dafür - das hat bis jetzt noch niemand verlangt -, darüber heute noch nicht abzustimmen, sondern alle Unterlagen in die entsprechenden Ausschüsse zu überweisen. Dafür bieten sich zur federführenden Beratung der Sozialausschuss und zur Mitberatung der Innenausschuss an.

(Frau Lüddemann: Das habe ich schon be- antragt!)

- Gestatten Sie, dass ich dieselbe Idee habe und vielleicht sage, was wir wollen. - Zudem soll, wenn der Vorschlag aufgegriffen wird, meinetwegen auch noch der Rechtsausschuss mitberatend sein. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)

Herr Scharf, welche Ausschüsse sollen es sein? Wir haben es nicht verstanden.

Bis jetzt hatten wir das Bestattungsgesetz immer zur federführenden Beratung an den Sozialausschuss überwiesen. Mitberatend sollten der Innenausschuss und der Rechtsausschuss sein.

Danke. - Herr Striegel hat noch eine Nachfrage. Herr Scharf, würden Sie noch eine Nachfrage von Herrn Striegel beantworten? - Bitte.

Herr Scharf, eine kurze Frage: Haben Sie unseren Gesetzentwurf tatsächlich vollständig gelesen? Sie haben auf die Praxis verwiesen, dass Sozialämter den Drang haben, möglichst kostenarme Bestattungen vorzunehmen. Das ist etwas, das mir auch in meinem Umfeld durchaus bekannt ist und das ich schwierig finde. Ich glaube, wir müssen darauf gesellschaftliche Antworten finden, wie wir auch für Menschen, für die keine Vorsorge für den Todesfall getroffen worden ist, eine würdige Bestattung hinbekommen.

Die Abschaffung der Sargpflicht steht in unserem Gesetzentwurf jedoch ganz eindeutig unter der Maßgabe, dass es hierbei um religiöse Gründe geht. Das hat erst einmal keine Auswirkungen auf die Bestattungspraxis der Sozialämter. Dazu habe ich die Frage, ob Sie das richtig verstanden haben.

Herr Striegel, machen wir einmal einen kurzen Gedankengang. Frau von Angern hat dazu zwar nicht vorgetragen, aber in dem Gesetzentwurf steht nach meiner Ansicht zu Recht die Überlegung: Wenn man aus religiösen Gründen auf den Sargzwang verzichtet, müsste man wahrscheinlich ernsthaft überlegen, ob man dies aus Gleichbehandlungsgründen nicht jedem anderen ebenfalls gestattet. Dann rutscht Ihnen wahrscheinlich die religiöse Argumentationsschiene schon weg.

Zum Zweiten bitte ich Sie darüber nachzudenken, wie viele Menschen sich bis zu Ihrem Lebensende weigern, darüber nachzudenken oder gar Dritten zu sagen, was denn wirklich ihr Wille ist, was mit ihrem Leichnam passieren soll. Darüber rätselt die Verwandtschaft oft, was der Verstorbene eigentlich gewollt hat. Wo es niemanden aus der Verwandtschaft gibt, wo also praktisch die öffentliche Hand bestimmen muss, werden Ämter noch mehr herumrätseln, was denn der mutmaßliche Wille des Verstorbenen ist.

Wenn dann ein Sozialamtsleiter meint: Ich kann mir gut vorstellen, dass er gegen das Leichentuch gar nichts gehabt hätte, dann ist der vermutliche Wille das Leichentuch. Wenn Sie wissen, unter welchen finanziellen Zwängen hier oft nachgedacht wird, liegt es nahe - ich habe es nur vermutet; ich kann es nicht beweisen -, dass ein Drive in diese Richtung entsteht. Ich möchte das nicht.

Sie werden mir wahrscheinlich sofort darin zustimmen, dass es diese Diskussion bei denjenigen nicht gibt, die genügend Mittel haben, eine Bestattung für sich so zu organisieren, wie sie es sich wünschen und auch leisten können. Die Diskussionen tauchen bei denjenigen auf, die überlegen: Mensch, das ist alles so teuer; wir können das alles nicht, wir haben das nicht. Wenn die Diskussion aufkommt: Es geht auch anders, das ist doch

erlaubt, dann bekommen Sie die nicht mehr vom Tisch.

Deshalb plädiere ich sehr dafür, solange wir noch kein Gesetz beschlossen haben, die Folgen sehr gut abzuwägen. Ich habe deshalb auch heute in meiner Rede als Vertreter der CDU-Fraktion - da bin ich mir mit der Fraktion einig - nicht gesagt: Wir lehnen das alles in Bausch und Bogen ab. Wir sind ja dafür, dass wir eine ordentliche, wahrscheinlich sogar eine größere Anhörung zu dieser gesamten Problematik machen.

Dann sollten wir uns alle noch einmal Zeit geben, in Ruhe darüber nachzudenken - das hat Frau Lüddemann übrigens auch gefordert, das hat Frau von Angern auch gefordert -, und dann können Sie noch einmal überlegen, ob es wirklich sinnvoll ist, als Gesetzgeber an dieses Thema heranzugehen. Sie können noch einmal nachlesen, was der FDP passiert ist, als sie 2005 darüber nachgedacht hat, was man alles ändern kann. Das wurde alles wieder eingesammelt.

Ich kann aus der Sicht der CDU-Fraktion nicht erkennen, dass es zwingende Gründe gibt, an das Gesetz heranzugehen. Aber ich bin dafür, dass wir die Anhörung durchführen, und dann denken wir noch einmal darüber nach, ob wir vielleicht etwas übersehen haben.

(Beifall bei der CDU)

Danke schön, Herr Scharf, für die ausführliche Antwort. - Jetzt hat Frau Grimme-Benne für die SPD-Fraktion das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Ich will mich in meiner Rede auf zwei Punkte beschränken. Der eine geht in eine ähnliche Richtung, wie sie Herr Kollege Scharf vorhin dargestellt hat.

Ich habe in den letzten fünf Jahren vier Jahre lang im Stadtrat in Schönebeck im zeitweiligen Ausschuss für Friedhofswesen mitgearbeitet. Da haben wir eine ganze Palette an Fragen diskutiert. Das Ergebnis ist, dass wir uns in der letzten Stadtratssitzung entschlossen haben, einen Friedwald in einem Stadtteil zu eröffnen und dort die Möglichkeit der Urnenbestattung zu bieten. Dafür haben wir den Friedhofszwang nicht aufgehoben, sondern haben gesagt: Die naturnahe Beisetzung von Urnen in Friedwäldern ist auch nach unserem Landesbestattungsgesetz möglich.

Ich will aber einen weiteren Punkt aufgreifen, der gerade in der Intervention von Herrn Scharf deutlich geworden ist. In dem zeitweiligen Ausschuss haben wir sehr lange darüber gesprochen und unter dem Obersatz beraten: Die Würde des Men

schen ist unantastbar und hört mit seinem Tod nicht auf. Entscheiden die Menschen bei uns in der Stadt Schönebeck wirklich danach, was ihr Wille ist, wie sie bestattet werden möchten? Entspricht die Bestattungskultur noch ihrer Kultur, ihren Intentionen?

Wir haben eher festgestellt - das ging genau in diese Richtung -, dass Überlegungen angestellt werden: Kann ich meiner Familie noch zumuten, eine Sargbestattung mit Grabstein zu bestellen? Da sind - wir haben heute noch nicht über Preise gesprochen - nach oben keine Grenzen gesetzt. Ich glaube, selbst für 10 000 € bekommen Sie nur eine mittelmäßige Beerdigung. Das sind erhebliche Kosten - ich habe da die Grabpflege etc. eingerechnet -, sodass sich die meisten, obwohl sie vielleicht religiöse oder andere Gründe für eine Sargbestattung hätten, überlegen, die Urnenbestattung zu wählen, da sie preisgünstiger ist. Noch preiswerter ist es, wenn man sich anonym urnenbestatten lässt.

Da fragt man sich: Gibt es in der Kommune wirklich eine Kultur, wo die Menschen sich frei entscheiden können, wie sie bestattet werden möchten? Vielleicht können Sie einmal in Ihren Kommunen nachfragen, wie die sogenannten Armenbestattungen laufen, wenn Menschen bestattet werden, die keine Angehörigen haben und es auch keinen Willen der Familie zu beachten gibt. Ich glaube, dass man sich am allerwenigsten darüber unterhält, welchen Sarg man wählt bzw. ob das Leinentuch noch preiswerter ist. Also da gibt es Dinge, bei denen man schauen sollte, welche Bestattungskultur wir tatsächlich haben. Darüber werden wir sicherlich viel zu reden haben. Das wird meines Erachtens heute alles nach dem Geldbeutel entschieden.

Weitere Fragen habe ich hinsichtlich der Überlegung, den Friedhofszwang aufzuheben. Ich sehe viele rechtliche Probleme. Was ist, wenn man sich nicht einigen kann, welcher Familienangehörige die Asche bekommt? Gibt es dann juristische Auseinandersetzungen darüber, wer die Urne bekommt? Was ist, wenn das Grundstück, auf dem die Beisetzung erfolgt ist, verkauft wird? Was ist mit all jenen, die kein Grundstück haben? - Darüber werden wir sicherlich auch noch viel zu beraten haben.

Da meine Redezeit gleich abläuft, möchte ich gern noch einen Punkt nennen, nämlich dass man die Verwendung von Grabsteinen aus ausbeuterischer Kinderarbeit vermeidet. Wir haben bereits am 4. September 2008 - das ist sehr lange her - im Landtag einen Beschluss gefasst, dass wir im Bereich des öffentlichen Beschaffungswesens generell auf Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit verzichten. Wir haben den nicht wirklich umgesetzt.

Ich finde, es sollte nicht auf Grabsteine beschränkt sein - wir können das gern in entsprechende Friedhofssatzungen einarbeiten -, sondern wir sollten uns daran machen, auch alle Pflastersteine, sonstigen Produkte, die wir hier im Lande verbauen, daraufhin zu überprüfen, dass sie nicht aus ausbeuterischer Kinderarbeit stammen.

(Zustimmung von Herrn Lange, DIE LINKE)

Ich bin vorhin gebeten worden - weil es gerade um den Bereich Bestattungswesen geht -, mich dafür auszusprechen, dass wir den Antrag und den Gesetzentwurf auch in den Wirtschafts- und Wissenschaftsausschuss überweisen, um über diese Fragen des Bestattungswesens zu beraten. Gucken Sie mich nicht so an, Herr Thomas. Herr Mormann hat mir gerade noch einmal gesagt, dass er das gern im Wirtschaftsausschuss beraten haben möchte, jedenfalls für unsere Fraktion. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung von Frau Schindler, SPD)

Danke sehr, Frau Grimm-Benne. - Für die Fraktion DIE LINKE hat Frau von Angern das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben uns ganz bewusst nicht für die Einbringung eines Gesetzentwurfs, sondern eines Antrags entschieden, weil auch wir noch nicht am Ende der Diskussion sind. All das, was wir hier angesprochen haben, sind aus unserer Sicht die Punkte, die wir zwingend diskutieren sollten, die Teil einer Anhörung sein sollten und die auch wir noch nicht abschließend bewertet haben. Insofern finde ich das zur Richtigstellung ganz wichtig.

Herr Scharf, ich habe ausdrücklich eine andere Auffassung als Sie; denn aus meiner Sicht war die mediale Debatte und die Debatte in den sozialen Netzwerken nicht von schwarzem Humor geprägt, sondern hat sehr wohl sehr seriöse, sehr wichtige Willensbekundungen dargestellt. Sie hat gezeigt, dass es an der Zeit ist, dass wir uns dieses Themas annehmen und auch hier im Landtag darüber reden. Das jetzt einfach wegzuschieben nach dem Motto: Nein, ist alles nicht notwendig, finde ich nicht in Ordnung.

Im Übrigen, finde ich, haben Sie jetzt die Rolle der CDU sehr gut beschrieben bzw. die Rolle, die Sie in dieser Debatte einnehmen sollten, einmal unabhängig davon, dass wir hier als Landtag keinen Unsinn beschließen - das sage ich mit einem Augenzwinkern -, aber dass Sie sehr wohl Ihre Sicht wie zum Teil auch die von den großen Kirchen hier vertretenen Auffassungen zur Sprache bringen sollten, die ohne Frage auch sehr wichtig sind. Ich hoffe, dass Sie sich der Debatte nicht grundsätz

lich verschließen werden - aber so habe ich das insgesamt auch nicht verstanden.

Bezüglich der Sternenkinder kann ich nur sagen: Da haben Sie alle - außer Frau Lüddemann - den Antrag ein Stück weit falsch verstanden.

(Zuruf von Herrn Leimbach, CDU)

Es geht nicht darum, dass wir jetzt alle Eltern der sogenannten Sternenkinder zur Bestattung verpflichten wollen. Wir haben vielmehr den Ansatz, dass alle Sternenkinder einen Anspruch auf eine würdige Bestattung haben. Ich sage es einmal ganz platt: Wir wollen nicht, dass Sternenkinder im Krankenhausmüll landen. Darüber soll diskutiert werden. Ich finde, das ist eine würdige Diskussion in einer Gesellschaft.

Hinsichtlich der naturnahen Beisetzung hat sie vielleicht das Beispiel, das wir genannt haben, ein wenig in die Irre geführt. Es geht eben nicht nur um Friedwälder - diese sind bereits gesetzlich geregelt -, sondern es geht um weitere Möglichkeiten, die in anderen europäischen Ländern angeboten werden oder möglich sind. Ich habe es bereits gesagt. Auch diese wollen wir prüfen, um festzustellen, ob es einen Bedarf gibt, ob überhaupt der Wunsch in dieser Gesellschaft besteht und ob eine Änderung des Gesetzes gewollt ist.

Hinsichtlich der sarglosen Bestattung haben Sie aus meiner Sicht einen sehr wichtigen Punkt angesprochen, nämlich die Frage, was kann sich denn jeder überhaupt noch für eine Bestattung leisten bzw. können meine individuellen Wünsche nachher auch finanziell umgesetzt werden.

Es ist, denke ich, auch eine interessante Debatte, die wir mit den Bestattungsinstituten bzw. auch mit den Kommunen, die zu dieser Anhörung geladen werden, führen sollten, im Übrigen auch zu der Frage der sogenannten Sozialbestattungen in den Kommunen, wobei es sich in der Regel um Feuerbestattungen oder um anonyme Bestattungen handelt, weil diese am preiswertesten sind. Das könnten wir dadurch regeln, dass wir gesetzlich festschreiben, dass eine sarglose Bestattung im Rahmen einer Sozialbestattung nur möglich ist, wenn es testamentarisch verfügt worden ist. Insofern gäbe es also eine Möglichkeit. Jeder von uns, der kommunaler Mandatsträger bzw. kommunale Mandatsträgerin ist, hat darauf ganz konkret Einfluss.

Zu einem letzten Punkt. Darüber haben wir auch in unserer Fraktion diskutiert. Dazu kann ich eine ganze klare Aussage treffen.

Wir sprechen uns ganz klar gegen die Privatisierung der Friedhöfe aus. Ich meine, Herr Scharf, unserem Antrag kann man an keiner Stelle entnehmen, dass wir uns für eine Privatisierung aussprechen. Das hat auch etwas mit dem Grundgedanken zu tun, dass auch wir einen menschen

würdigen, posthumen Umgang pflegen bzw. dass die Erinnerungskultur für uns ein wesentlicher Punkt ist. Das kann ich Ihnen ganz klar schon vorab sagen. Da wird auch uns die Debatte, die Anhörung nicht hinführen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)