Protokoll der Sitzung vom 16.05.2014

Der vorgelegte Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der SPD bezeichnet, wie festzustellen war, im Wesentlichen die Vereinbarung auf der Bundesebene; dies ist die Vereinbarung mit der CDU. Wir wissen, dass wir als SPD teilweise andere Auffassungen haben, andere Positionen vertreten. Es ist der entsprechende Kompromiss. - Ich bitte um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag.

(Zustimmung bei der SPD)

Danke sehr, Frau Schindler. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht die Abgeordnete Frau Quade.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Residenzpflicht ist eine im Vergleich zum Rest Europas deutsche Einmaligkeit. Sie ist Teil und sie ist besonders spürbarer Teil einer Reihe von Sondergesetzen, die ausschließlich für Nichtdeutsche gelten.

Besonders spürbar ist sie deshalb, weil sie unmittelbar in den Alltag der von ihr betroffenen

Menschen eingreift. Besuche bei Verwandten, Besuche bei Beratungsstellen in einem anderen Bundesland, Reisen - all das, was für uns ganz normal ist, ist für diese Menschen eben nicht normal, sondern ist einer zusätzlichen Hürde unterworfen und bedarf einer Sondergenehmigung.

Die Situation bundesweit hat sich in den letzten Jahren durchaus ein Stück weit gewandelt. War vor einigen Jahren noch die Beschränkung auf den Landkreis oder auf den sogenannten Aufenthaltsbereich die Regel, ist das jetzt ein Stück weit anders. Wir haben momentan in der Bundesrepublik einen Flickenteppich unterschiedlicher Regelungen.

Das Land Sachsen-Anhalt - Frau Schindler hat es erwähnt - hat im Jahr 2011 nahezu als letzte Amtshandlung des scheidenden Ministers Hövelmann die Residenzpflicht erfreulicherweise gelockert. Das war richtig, notwendig und - auch das muss man ganz deutlich sagen - überfällig. Genau das haben außerparlamentarische Initiativen jahrelang eingefordert.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Aber natürlich löst das das grundsätzliche Problem der Residenzpflicht nicht. Als gesetzliche Vorgabe des Bunds ist die Pflicht nach wie vor wirksam. Es bleiben die Probleme beim Verlassen des Bundeslandes. Es bleibt das ganz grundlegende Problem eines politisch motiviert künstlich geschaffenen Straftatbestandes, den nur Nichtdeutsche erfüllen können.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei den GRÜNEN)

Das halten wir für grundsätzlich falsch. Das halten wir im Sinne der Rechtssystematik - Herr Herbst hat auf die Historie verwiesen - für fatal. Das erachten wir als rechtspolitisch falsch. Wir halten es für ungerecht. Schließlich halten wir es auch für nicht notwendig.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Wer glaubt - auch das will ich deutlich sagen -, mit der Lockerung der Residenzpflicht in SachsenAnhalt gäbe es in diesem Land keinen Handlungsbedarf mehr, der irrt. Seit dem 1. Februar 2011, also seit dem Wirksamwerden des Erlasses, wurden im Land 1 031 Ermittlungsverfahren wegen des Verstoßes gegen räumliche Beschränkungen geführt. Davon wurden 323 Verfahren tatsächlich gerichtsanhängig. Das zeigt, die Residenzpflicht wirkt selbst in ihrer gelockerten Form auch in SachsenAnhalt zum Nachteil der Betroffenen. Sie führt nach wie vor zu einem erheblichen Verwaltungsaufwand.

Nun gab es im Zuge der Koalitionsverhandlungen einen Moment, in dem die interessierte Öffentlichkeit mit der Nachricht, die Residenzpflicht werde

abgeschafft, überrascht wurde. Das wurde von der Unionsfraktion dann doch wieder zurückgeholt. Es ist nur eine Lockerung vereinbart; das ist bereits beschrieben worden.

In den Kernpunkten orientiert sich der Alternativantrag der Fraktionen der CDU und der SPD ja genau an den inhaltlichen Kernpunkten des Koalitionsvertrages auf der Bundesebene. Auch sonst ist der Alternativantrag ein ganz typisches Werk der Koalition. Bekenntnisse ja, auch gern einmal vergleichsweise progressiv. Aber um Himmels Willen keine konkrete Verpflichtung zum entsprechenden Handeln.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn Sie als Koalition der Meinung sind, dass die von Ihnen aufgelisteten Eckpunkte richtig sind: Was hindert Sie dann daran, diese im Land umzusetzen, solange das Bundesgesetz noch nicht da ist?

(Zustimmung von Herrn Herbst, GRÜNE)

Mehr will der Antrag der GRÜNEN im Übrigen gar nicht. Meine Fraktion - das sage ich ganz deutlich - hätte diesen Antrag so auch nicht gestellt, eben weil er nicht mehr will. Wir haben deutlich weitergehende Vorstellungen. Unser Ziel ist die Abschaffung der Residenzpflicht. Das bewirkt dieser Antrag nicht. Es geht lediglich um eine weitere Lockerung, wie sie in anderen Bundesländern praktiziert wird.

Wir werden dem Antrag der Kollegen von den GRÜNEN zustimmen, weil das in die richtige Richtung geht und weil Sie immer wieder mit den Zwängen und Notwendigkeiten von Koalitionen argumentieren.

Ich kann mir vorstellen, dass die Verhandlungen zwischen CDU und SPD gerade in dem Bereich nicht ganz einfach sind. In Koalitionen muss man Kompromisse eingehen; darin setzt sich keiner lupenrein durch. Aber dieser Antrag, den Sie hier als Alternativantrag vorgelegt haben, ist das Papier nicht wert, auf dem er gedruckt ist.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Sie schreiben darin, was Sie wollen, sind aber nicht bereit, etwas dafür zu tun, und lassen den Minister Hürden vortragen, die so nicht vorhanden sind.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Meine Damen und Herren! Auch in diesem Politikfeld zeigen Sie mit diesem Alternativantrag tatsächlich einen weiteren Beleg für die politische Lähmung dieser Koalition.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei den GRÜNEN)

Danke sehr, Frau Quade. - Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Krause.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für die Residenzpflicht, also dafür, dass das Aufenthaltsrecht nur beschränkt ausgeübt werden darf, gibt es gute ordnungspolitische, arbeitsmarktpolitische und sicherheitspolitische Gründe.

(Herr Striegel, GRÜNE: Auch rassistische!)

- Herr Striegel, wollen Sie weiterreden? Das können Sie gern tun.

(Zuruf von Herrn Lange, DIE LINKE)

Die Intentionen der Residenzpflicht sind die schnelle Erreichbarkeit im Asylverfahren, die gerechte Aufteilung über das Land und die bessere öffentliche Verteilung von Lasten.

Das Bundesverfassungsgericht hat bereits mehrfach entschieden, dass gesetzlich angeordnete und vorgesehene räumliche Beschränkungen

gegen keine Grundrechte verstoßen. Es gab bereits unzählige Initiativen und Forderungen, die Residenzpflicht weitgehend zu lockern oder gar abzuschaffen.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Würde man die räumliche Beschränkung des Aufenthalts auf unser Bundesland aufgeben, würden viele hier lebende Asylbewerber und Geduldete die Vorzüge der neuen Freizügigkeit nutzen und unverzüglich nach Berlin ziehen. Das ist sogar menschlich nachvollziehbar.

(Herr Striegel, GRÜNE, lacht)

Was ist dann aber mit der Kostenträgerschaft? - Wir wollen keine überfüllten Flüchtlingsmetropolen und damit verbundene finanzielle Ungerechtigkeiten zwischen Flächenländern und Stadtstaaten. Daher wird es mit der Union keine Abschaffung der Residenzpflicht geben.

(Zustimmung von Herrn Thomas, CDU)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bundesgesetzlich sind bereits seit Langem zahlreiche Ausnahmen von der Residenzpflicht vorgesehen. Die Bundesländer gehen mit den Ausnahmetatbeständen verantwortungsvoll und großzügig um und machen von ihrem Handlungsspielraum, insbesondere bei der Arbeitsaufnahme, der ehrenamtlichen Tätigkeit und bei besonderen Anlässen wie Hochzeit oder Geburtstagsfeiern, weitgehend Gebrauch, um Härten zu vermeiden.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Darüber hinaus hat man sich im Koalitionsvertrag von CDU und SPD auf der Bundesebene unter der Überschrift „Flüchtlingsschutz und

humanitäre Fragen“ darauf verständigt, dass die Residenzpflicht für Asylbewerber und Geduldete auf das jeweilige Land ausgeweitet werden soll. Diese Lockerung ist in Sachsen-Anhalt bereits seit Langem Praxis.

Mit dem Inkrafttreten der Verordnung über den vorübergehenden Aufenthalt von Asylbegehrenden außerhalb des Bereiches der Aufenthaltsgestattung aus dem Jahr 2011 dürfen sich die Asylbegehrenden, die nicht oder nicht mehr verpflichtet sind, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, ohne Erlaubnis vorübergehend im gesamten Gebiet des Landes Sachsen-Anhalt aufhalten.

Das ist für die gegenwärtig in Sachsen-Anhalt lebenden knapp 3 000 Asylsuchenden mit Aufenthaltsgestattung und für die knapp 3 000 geduldeten Ausländer eine deutliche Freizügigkeitserleichterung, die letztlich auch dem Abbau des bürokratischen Aufwands bei den Ausländerbehörden dient.

Im Koalitionsvertrag auf der Bundesebene hat man sich weitgehend darauf verständigt, dass zukünftig ein vorübergehendes Verlassen des Bundeslandes bis zu einer Woche auf der Grundlage einer einseitigen Mitteilung unter Angabe des Zielorts möglich sein soll. Die Intention Ihres Antrages, dass Aufenthalte außerhalb des Bundeslandes unkompliziert möglich sein müssen, wird durch eine bundesgesetzliche Regelung umgesetzt werden.

Wir tun gut daran, die Beratungen auf Bundesebene hierzu abzuwarten. Es ist sicher nicht der richtige Weg, diesen Beratungen, wie in der Antragsbegründung gefordert, durch eine landesrechtliche Verordnung zur grundsätzlichen Erlaubnis zum Verlassen des Bundeslandes vorzugreifen.

Im Übrigen verweise ich darauf, dass die große Koalition in Berlin auch ein weitergehendes Problem angehen will, für das sie uns keine landesrechtliche Lösungsmöglichkeit aufzeigen will. Eine räumliche Beschränkung des Aufenthalts muss bei Straftätern und Personen angeordnet werden können, bei denen Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz bekannt geworden sind oder bei denen aufenthaltsbeendende Maßnahmen konkret bevorstehen.

Insbesondere bei nachvollziehbar Ausreisepflichtigen liegt die Notwendigkeit der räumlichen Beschränkung auf der Hand. Für diesen Personenkreis muss die zuständige Ausländerbehörde in der Lage sein, die Ausreisepflicht zu überwachen und durchzusetzen. Ein Ortswechsel hätte im Übrigen zur Folge, dass der Geduldete hierdurch in den Zuständigkeitsbereich einer anderen Ausländerbehörde käme und dadurch ein erheblicher zeitlicher und personeller Mehraufwand bei der Überwachung und Durchsetzung der Ausreisepflicht entstünde.

Ich bitte Sie abschließend um Ihre Zustimmung zum Alternativantrag der Koalitionsfraktionen, der unsere Leitlinien aus dem Koalitionsvertrag von CDU und SPD für ein Gesetzgebungsverfahren zur Überarbeitung der Residenzpflicht hinreichend aufzeigt. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der CDU)