Protokoll der Sitzung vom 16.05.2014

Einerseits tut es mir leid, dass ich das heute ein wenig verreißen muss. Auf der anderen Seite stehe ich natürlich zu all den Dingen, die die Nachhaltigkeit fordert und einfordert. Auch ich glaube zu wissen, was Nachhaltigkeit bedeutet.

Aber ich halte nicht viel davon, dass wir die Verwaltung mit einem weiteren Papiertiger überfrachten. Sie muss dann auch entsprechende Dinge ausarbeiten. Nachhaltige Verwaltung geht auch dann besonders gut, wenn wir sie mit solchen Dingen verschonen.

Deshalb sage ich: Lassen Sie uns handeln. Lassen Sie uns in dem Sinne nachhaltig handeln, wie wir alle Nachhaltigkeit verstehen.

Zum guten Schluss möchte ich Sie, wie es sich für einen Sozialdemokraten gehört und wie es auch oft vorkommt, mit einem Zitat von Willy Brandt beglücken - nehmen Sie es heute mit nach Hause. Er hat einst gesagt: „Nachhaltigkeit hat eine zweite Konstante: die Suche nach der Qualität eines lebenswerten Lebens.“

Danach sollten wir handeln. Dann kommen wir auch ohne Aktionsplan klar. Wir lehnen den Antrag ab. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Kollege Bergmann. - Für die Fraktion DIE LINKE hat jetzt der Abgeordnete Lüderitz das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Nachhaltigkeitsbegriff beginnt auch die Krux in der Politik. Der Begriff der Nachhaltigkeit wird inflationär benutzt. Er wird nicht als Korrektiv für einmal getroffene politische Entscheidungen zugelassen, dient als grünes Mäntelchen, als Überschrift ohne Bindungswirkung. Hinweise oder Kritiken von außen sind verpönt. Allzu oft wird nur in Wahlperioden gedacht und gehandelt. Wir meinen, das sollten wir gemeinsam ändern.

Das war Bestandteil meiner Rede am 9. Juni 2011. Damals ging es um einen Beirat für nachhaltige Entwicklung hier bei uns im Landtag, dessen Einrichtung Sie, werte Kolleginnen und Kollegen vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, damals als nicht erforderlich abgelehnt haben.

Wenn ich jetzt Ihre Punkte 1 a und 1 b sehe, so kann ich nur feststellen: Hätten Sie damals anders entschieden, dann hätten wir heute Ihren Antrag hier nicht behandeln müssen.

Damals habe ich auf den Bundestag verwiesen. Heute möchte ich auf das Land Brandenburg ver

weisen. Dort gab es vor wenigen Wochen eine Nachhaltigkeitskonferenz, vom Landtag, von der Landesregierung und dem Beirat für nachhaltige Entwicklung Brandenburgs gemeinsam getragen, und das nach einem umfänglichen öffentlichen Diskussionsprozess. Dort wurde das zweite Nachhaltigkeitskonzept für Brandenburg beschlossen.

In Brandenburg besteht auch eine Berichtspflicht gegenüber dem Landtag. Diese fehlt bei uns, Herr Minister - das ist zumindest ein Kritikpunkt, den ich im Hinblick auf unsere Strategie habe -, und die erarbeiteten Empfehlungen bzw. Stellungnahmen sind frei zugänglich. Sie finden Eingang in die Landtagsarbeit.

Der dortige Beirat hat ein sehr umfängliches und anspruchsvolles Arbeitsprogramm. Er setzt sich aus erfahrenen Politikern und aus Wissenschaftlern und Netzwerkern zusammen, insgesamt 15 Persönlichkeiten, also eine überschaubare Anzahl. Die Bandbreite der Arbeit reicht von der sogenannten „Vision 2050 - Dialoge Zukunft“ über fiskalische Nachhaltigkeitsstrategien bis hin zum Thema Parlament und Nachhaltigkeit.

Das Zweite ist angelegt für den Zeitraum von 2014 bis 2019. Damit zu dem Zweiten; das hat Kollege Bergmann eben treffend formuliert. Ein Aktionsplan, der nur für den nächsten Doppelhaushalt ausgelegt ist, ist meines Erachtens wenig nachhaltig. Ich halte eine mittelfristige Zielstellung für eine ergänzende Aktionsphase, für eine Evaluierung des bestehenden Strategiepapiers durchaus für erforderlich. Ich würde mich freuen, wenn der Minister die für Ende 2014 angekündigte Nachhaltigkeitskonferenz dazu nutzen würde, um dem Hohen Haus das Strategiepapier in der evaluierten Fassung zur Verfügung zu stellen.

Aber damit wird auch deutlich, was ich eingangs erwähnte: Nachhaltigkeit wird sofort dem Umweltbereich, bei uns dem MLU, zugeschoben, also dem forstwirtschaftlichen Ursprungskontext entsprechend als reines Umweltthema abgehandelt. So ist es auch aus meiner Sicht nicht verwunderlich, dass einige Fachbereiche und Ministerien in unserem Nachhaltigkeitskonzept gar nicht auftauchen. Finanzen hatte ich bereits angesprochen. Ich könnte es aber genauso gut auf den Innenbereich oder auf andere Bereiche ausdehnen.

Leider, liebe Kollegen der GRÜNEN-Fraktion, bedient auch Ihr Antrag diese eingeschränkte Sichtweise. Hätten Sie doch den offenen Brief des Rates für nachhaltige Entwicklung des Bundes vom 14. Oktober 2013, der den schönen Titel trug: „Nachholen und voranstellen - Anforderungen der Nachhaltigkeitspolitik an die Koalitionsverhandlungen“ - allerdings auf der Bundesebene; aber er bezieht sich explizit auch auf die Landesebene - als Grundlage für Ihren Antrag genommen und die Evaluierung des Nachhaltigkeitskonzeptes gefordert.

Dann könnten auch wir Ihrem Antrag zustimmen. So werden wir uns dazu der Stimme enthalten. Man könnte noch über eine Überweisung in die Ausschüsse reden. Aber ich denke, das Thema wird uns in den Ausschüssen ohnehin noch verfolgen. - Danke.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Danke, Herr Kollege Lüderitz. - Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Stadelmann. Bitte schön, Herr Stadelmann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der CDU-Fraktion ist der Begriff Nachhaltigkeit bereits angekommen und breit aufgestellt worden. Ich spreche heute unter anderem auch als Mitglied des Finanzausschusses. Ich werde am Schluss meiner Rede auch dazu noch etwas sagen.

In Richtung der Kollegin von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN muss ich sagen: Schicker Antrag zum Wahlkampf; man könnte „Nachhaltigkeitsstrategie“ auch ersetzen durch „Klimaschutzstrategie“, „Biodiversitätsstrategie“, wie auch immer. Aktionspläne kommen draußen immer gut an, und Gremien und Strukturen sind eine Sache, die man gut fordern kann.

Aber ich denke, wir sollten uns als Landtag erst einmal selbst mit dem Thema beschäftigen. Dazu sollte uns die vom Minister für Ende des Jahres angekündigte Konferenz einen guten Anlass geben. Ich bin auch davon überzeugt, dass wir rechtzeitig die entsprechenden Informationen bekommen werden.

Kollege Weihrich, Sie haben gesagt, in die Antwort auf Ihre Kleine Anfrage sei alles reingepackt worden, was zum Thema irgendwie passt. Ich meine, es ist gerade der ressortübergreifende Ansatz, dass man die einzelnen Themen aus mehreren Ressorts erwähnt.

Wir haben bestimmte Themen auf dem Schirm, muss ich sagen, die wir genau beobachten. Wir sehen es zum Beispiel kritisch, dass sich das Kultusministerium aus der Förderung oder Unterstützung der Ökoschulen zu verabschieden scheint. Ich glaube, dass wir dazu bei der Haushaltsdiskussion noch ein Wort reden müssen.

Vielleicht noch einmal zu der Frage des Kollegen Graner. Diese fand ich sehr gut, auch was die Frage des Wohlstands betrifft. Kollege Weihrich, darauf haben Sie so schön geantwortet: Ökologie und Ökonomie. Wenn ich mir allerdings den letzten Satz Ihrer Begründung ansehe, dann sage ich einmal: Hm. Lässt da Hessen grüßen? Denn hier steht: „Die Sicherung einer nachhaltigen, das

heißt“ - jetzt kommt die Reihenfolge - „wirtschaftlich, sozial und ökologisch ausgewogenen Landesentwicklung kann nur durch die Umsetzung der in dem Antrag genannten Punkte erreicht werden.“

Diesen Satz können wir voll unterschreiben; damit haben wir kein Problem. Denn das Wichtigste ist eigentlich - deswegen habe ich zu Beginn gesagt, dass ich hier auch als Mitglied des Finanzausschusses spreche - eine nachhaltige Finanzpolitik. Das ist eine Finanzpolitik durch Schuldentilgung und ohne Neuverschuldung. Denn ohne Geld können wir auch die besten Strategien nicht umsetzen. In diesem Sinne lehnen wir den Antrag ab. - Danke.

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Stadelmann. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat noch einmal der Kollege Weihrich das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrte Damen und Herren! Ich frage mich, ob Sie meiner Rede überhaupt zugehört haben.

(Zustimmung von Herrn Striegel, GRÜNE)

Denn vieles von dem, was jetzt in den Reden hier erwähnt wurde, habe ich versucht klar und deutlich zu machen.

Das Erste. Herr Dr. Aeikens, ich habe versucht deutlich zu machen, dass der Nachhaltigkeitsbericht, den Sie vorgelegt haben, keine Nachhaltigkeitsstrategie ist. Nachhaltigkeit hat Prozesscharakter. Das haben Sie selbst gesagt. Aber es gibt in Sachsen-Anhalt keinen Nachhaltigkeitsprozess. Es gibt keinen Dialogprozess.

Sie haben gesagt: Den Dialogprozess führen die einzelnen Ressorts in eigener Regie. Ich sage: Die einzelnen Ressorts führen den Dialogprozess in eigener Regie eben nicht. Das müssen wir hier auch einmal feststellen. Es hat keine Veranstaltungen nach außen hin gegeben.

Herr Dr. Aeikens, es gibt eine Ausnahme. Das habe ich auch in meiner Rede erwähnt. Ich habe sehr wohl vernommen, dass Sie Nachhaltigkeitsindikatoren ausarbeiten. Das ist aber keine Strategie. Das umfasst keine Ziele und Maßnahmen. Es erfasst lediglich die Entwicklung des Status quo und ist weit entfernt davon, ein Nachhaltigkeitsprozess zu sein.

Herr Dr. Aeikens, wenn in Sachsen-Anhalt alles so gut und schön läuft, dann verstehe ich nicht, warum Sie die Ablehnung dieses Antrages empfehlen. Ich verstehe nicht, warum Sie so viel Angst haben, die Maßnahmen, die die Landesregierung vorhat, in diesem Plan darzulegen und daraus eine

kohärente Strategie zu basteln. Das alles kann mir nicht einleuchten.

Herr Bergmann, Sie haben gefragt, was es für einen Unterschied macht, den Antrag zu beschließen oder nicht zu beschließen. Das ist ganz einfach. Wenn wir den Antrag so nicht beschließen, geht es so weiter wie bisher. Das bedeutet, es passiert einfach überhaupt nichts.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Es wird weitergehen mit diesen hehren Worten, die wir immer wieder hören. Deswegen sagen wir: Wir brauchen diesen Aktionsplan, damit wirklich einmal konkret und detailliert festgelegt wird, was die Landesregierung zum Nachhaltigkeitsprozess plant und umsetzen möchte.

Ich kann nur noch einmal auf meine Kleine Anfrage verweisen. Herr Stadelmann hat mir ja darin Recht gegeben, dass einfach alles zusammengetragen wurde, was die Ressorts sowieso machen und was überhaupt keine Beziehung zu dem Nachhaltigkeitsprozess hat.

Genau diese Antworten werden wir in Zukunft auch wieder bekommen. Wenn einer anfragt oder wenn ein Bericht abgefordert ist, dann trägt man das zusammen, was ohnehin irgendwo in den Ressorts läuft, und das wird dann unter dem Etikett „Nachhaltigkeitsstrategie“ verkauft. Deswegen bleibt der Begriff Nachhaltigkeit in Sachsen-Anhalt so beliebig.

Ich teile ja die Kritik, die an diesem Begriff Nachhaltigkeit geäußert wird, weil der Begriff eben nicht untersetzt und beliebig ist, wenn keine zusammenhängende Strategie vorliegt, wenn nicht klar definiert wird, was Nachhaltigkeit in dem jeweiligen Sprachgebrauch bedeutet, wenn nicht klar und deutlich gemacht wird, was in Sachsen-Anhalt zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie getan wird.

Wir haben diesen Aktionsplan beantragt, damit das klar und eindeutig festgelegt wird. Aber ich stelle fest: Sie wollen sich diesem Thema einfach nicht stellen.

(Zustimmung von Frau Frederking, GRÜNE)

Herr Lüderitz, noch ein Wort zu dem Nachhaltigkeitsbeirat. Es ist richtig, dass wir den abgelehnt haben. Das lag auch an den Erfahrungen aus der Enquete-Kommission „Zukunftsfähiges SachsenAnhalt“, die Anfang der 2000er-Jahre gelaufen ist. Die hat ein sehr schönes Ergebnis gebracht. Es hat gute Diskussionen dort gegeben. Ich habe das verfolgt. Aber letztendlich hat es daraus keine Konsequenzen gegeben.

Deswegen haben wir keinen Sinn darin gesehen, den Nachhaltigkeitsbeirat im Parlament anzuordnen. Wir würden aber durchaus dem Vorschlag zustimmen, einen Rat für nachhaltige Entwicklung

einzurichten, der die Landesregierung bei dem Nachhaltigkeitsprozess, der durchzuführen ist, berät.

Noch ein Wort zum Zeitplan. Sie haben kritisiert, dass wir nur die Jahre 2015 und 2016 im Blick haben. Das ist ganz klar. Wir wollen die Jahre 2015 und 2016 zur Erarbeitung der Nachhaltigkeitsstrategie nutzen. In der Nachhaltigkeitsstrategie werden dann die Ziele, Maßnahmen und Projekte festgelegt, die in den Folgejahren umgesetzt werden können.

Eine Evaluierung des Nachhaltigkeitsberichtes macht keinen Sinn, weil der Nachhaltigkeitsbericht - ich sage es noch einmal - keine Nachhaltigkeitsstrategie ist. Deswegen kann man ihn nicht evaluieren, sondern es braucht diesen Nachhaltigkeitsprozess. Wie dieser in Sachsen-Anhalt aussehen soll, sollte in diesem Aktionsplan dargelegt werden.