Protokoll der Sitzung vom 16.05.2014

(Beifall bei der LINKEN)

Eines ist ganz klar: Lassen Sie die Pensionsgrenze im Bereich der Polizei zumindest außerhalb des freiwilligen Bereiches bei 60 Jahren. Sie werden sofort eine Blockade erleben, wenn Sie sagen: Mangelnde Neueinstellungen? - Dann sollen sie eben länger arbeiten.

Sie wissen übrigens, dass das überhaupt nicht funktioniert. Sie müssten das monatsweise so angleichen, wie es in der Rentenversicherung der Fall ist. Hören Sie damit auf, Berechnungen anzustellen, die zeigen sollen, dass Sie mit diesen Maßnahmen die Zielzahl 6 000 erreichen. Wir wissen jetzt schon, dass selbst die 5 770 zum Ende der Legislaturperiode und die 5 600 im Jahr 2020 viel zu optimistische Zahlen sind. Diese werden Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit nie erreichen. Aber versuchen Sie nicht, den Weg zu realisieren: Wir lassen eben alle drei Jahre länger arbeiten, dann funktioniert es.

(Zustimmung von Herrn Henke, DIE LINKE)

Wir haben in den letzten Monaten und in der letzten Woche viel erlebt. Wir haben Machogehabe erlebt. Wir haben Machtdemonstrationen erlebt. Wir haben gegenseitige Blockaden erlebt. Das, was wir bei dieser Landesregierung nicht erlebt haben, ist eine an der Sache orientierte Debatte, eine Debatte um eine vernünftige Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Aber - damit will ich enden - es gibt Auswege, wenn wir bereit und in der Lage sind zu sagen, diesen Personalabbau bei der Polizei, diesen Personalabbau im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge werden wir nicht weiter mitmachen. Es gibt Länder, die das zeigen. Im rot-rot regierten Brandenburg war man auch einmal der Ansicht, 7 000 Personalstellen im Bereich der Polizei würden ausreichen. Dort hat man sich korrigiert. 7 800 sind jetzt das Ziel für das Jahr 2020, und zwar auf Vorschlag der SPD.

Herr Gallert, ich muss Sie bitten, zum Ende zu kommen.

Bewegen Sie sich! Es gibt Möglichkeiten. - Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke schön, Herr Kollege Gallert. - Für die Landesregierung spricht der Minister für Inneres und Sport Herr Stahlknecht.

(Herr Schröder, CDU, überreicht Minister Herrn Stahlknecht ein Manuskript - Heiter- keit bei allen Fraktionen - Herr Schröder, CDU: Das ist enge Abstimmung! - Herr Hen- ke, DIE LINKE: Das war demonstrativ! - Herr Gallert, DIE LINKE: Welche Sätze hat er herausgestrichen?)

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sie können daran sehen, wie eng die Fraktion mit den Ministern zusammenarbeitet.

(Zustimmung bei der CDU - Zuruf von Herrn Lange, DIE LINKE)

Lieber Herr Gallert, dass Ihre Fraktion das Personalentwicklungskonzept und die Polizeistruktur heute im Hohen Hause zum Thema macht, überrascht mich offen gesagt nicht. Sie haben vielleicht auch daran gedacht, dass mir das aufgrund der Berichterstattung in den letzten Wochen heute nicht so gefallen würde. Das ist aber nicht so.

Als Innenminister bin ich immer dafür, die innere Sicherheit und die Handlungsfähigkeit unserer Polizei zu thematisieren. Als Innenminister bin ich jederzeit bereit - ich tue das auch -, für die Polizistinnen und Polizisten in unserem Bundesland zu kämpfen.

Ich weiß, dass man, wenn man über Strukturen und Strukturveränderungen oder über Organisationsfortentwicklung - egal welchen Begriff man nimmt - spricht, nicht immer von Beifallsstürmen begleitet wird. Ich bin seit 2002 in diesem Landtag und habe unterschiedliche Verantwortung wahrnehmen dürfen. Ich habe Reformen anderer Fachminister begleitet. Diese Reformen waren immer mit Diskussionen und mit Auseinandersetzungen verbunden.

Ich persönlich finde das eigentlich auch gut so, weil es gerade ein Aspekt der von uns gewollten Demokratie ist, dass wir öffentlich und ohne jede Zensur immer um die beste Lösung sowohl fachlich als auch politisch streiten. Es gehört eben zum Leben eines Fachministers dazu, schwierige Wegstrecken zu gehen. Dazu war ich bereit, bin ich bereit und werde ich jederzeit wieder bereit sein.

Personalentwicklungskonzept und Polizeistrukturreform sind, jede Sache für sich genommen, schon enorm schwierige politische Themen.

Auf der einen Seite hat dieses Land eine Verschuldung in Höhe von 20 Milliarden € und perspekti

visch eine Reduzierung des Landeshaushaltes um 10 % zu verkraften. In dem Wissen, dass wir Zinsen und Kapitaldienst bedienen müssen, in dem Wissen, dass wir irgendwann weniger Geld zur Verfügung haben werden, müssen wir, wenn es auch schmerzlich und manchmal schwierig ist, einen Konsolidierungspfad einschlagen, um dieses Land handlungsfähig zu halten und um auch nachfolgenden Politikern, die hier sitzen werden, einen politischen Gestaltungsspielraum zu erhalten.

Auf der anderen Seite gibt es die Interessen der Fachressorts. Wir müssen in diesem Verhältnis der äußeren Rahmenbedingungen das erreichen, was für das Zusammenleben, für das Zusammenhalten eines Landes wichtig ist. Dazu gehört eben auch die innere Sicherheit. Diese beiden zunächst isoliert zu betrachtenden politischen Themen - Personalentwicklungskonzept und innere Sicherheit, Polizeistrukturreform - zusammenzuführen und zu einem guten Ergebnis zu bringen, ist umso schwieriger.

Mir und auch dem Kabinett lag und liegt daran, für die Polizei und für die innere Sicherheit in unserem Land ein gutes Ergebnis zu erzielen. Für mich ist die innere Sicherheit in unserem Land eine zentrale politische Aufgabe. Sicherheit ohne Freiheit ist wertlos, aber Freiheit geht auch ohne Sicherheit nicht. Deshalb brauchen wir eine gute Funktionsfähigkeit unserer Polizei. Die Frage, wie man Polizei organisiert, darf nicht durch Parteiengezänk an den Rand gedrängt werden.

(Zustimmung bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Die innere Sicherheit ist ein politisches und fachliches Thema, das jeden etwas angeht; denn das subjektive Sicherheitsempfinden betrifft jeden Bürger und jede Bürgerin in unserem Land.

Wenn Sie die Diskussionen und die Leserbriefmeinungen verfolgt haben, dann wissen Sie, dass das die Menschen in unserem Land bewegt, weil sie ein Gefühl von Sicherheit haben wollen. Es ist die Aufgabe des Staates, dafür Sorge zu tragen, dass dieses Gefühl vorhanden ist.

(Herr Striegel, GRÜNE: Und tatsächlich real ist!)

- Und, lieber Herr Striegel, tatsächlich real ist. - Deshalb sind wir das Thema Polizeistrukturreform von Anfang an sehr offen angegangen. Wir, insbesondere auch ich, haben versucht, viele einzubeziehen.

Da heute auch die Gewerkschaften anwesend sind und ich um deren Kritik weiß, sage ich: Am Ende eines Prozesses ist es immer so, dass man das Ergebnis reflektiert. Man kann sagen: In einigen Bereichen ist uns diese Kommunikationskultur gut gelungen, in anderen Bereichen hätte man es vielleicht besser machen können. Aber das sind Er

fahrungen. Es gehört, wenn man Verantwortung trägt, dazu, aus solchen Erfahrungsprozessen heraus zukünftige Vorhaben besser zu gestalten.

Ich möchte an die Ausgangslage erinnern. Ich glaube, wir alle sind uns darin einig: In den derzeitigen Strukturen der Polizei und mit der Anzahl der jetzt und zukünftig zur Verfügung stehenden Polizeibeamtinnen und -beamten können wir auf Dauer nicht bestehen und innere Sicherheit ausreichend gewährleisten. Damit bin ich mittlerweile nicht mehr allein. Als wir darüber im Jahr 2011 diskutierten, waren wir im Ministerium noch relativ allein; mittlerweile sehen das alle drei Polizeigewerkschaften so und es sieht fast jeder Polizist und jede Polizistin in unserem Land so.

Fragen Sie die Bürgerinnen und Bürger vor Ort, wann Sie zum letzten Mal Polizei gesehen haben. Fragen Sie Unternehmerinnen und Unternehmer, wie sie die Sicherheit subjektiv empfinden. Obwohl wir eine gute objektive Sicherheitslage haben, ist die von den Menschen gefühlte Sicherheit erheblich schlechter. Das haben mittlerweile alle zur Kenntnis genommen. Deshalb gibt es viele, die es unterstützen, dass wir Strukturveränderungen vornehmen.

Wie man das Problem löst, Herr Gallert, ob man alle Kommissariate oder Stationen schließt - ich sage dazu etwas -, dazu kann man durchaus unterschiedlicher Auffassung sein. Das ist keine politische, sondern eine fachliche Frage.

Es ist die Frage, wie man das Problem fachlich löst, wenn man einen Veränderungsbedarf erkennt. Selten gibt es für Probleme nur eine Lösung. Es gibt immer mehrere Lösungen, über die man streitet und fachlich debattiert. Dass das transparent wird, dass das medial begleitet wird, finde ich gut; denn das ist gewollte Demokratie, das Ringen um die beste Lösung ohne jede Zensur und öffentlich.

Im Übrigen schließen wir nicht die Kommissariate, Herr Gallert.

(Herr Gallert, DIE LINKE: 16!)

Durch diese Aussage werden immer wieder die Ängste der Menschen geschürt. Wir verändern Verwaltung. Dort, wo jetzt kein Kommissariat als Organisationseinheit vorhanden ist, bleibt es eine Dienststelle der Polizei.

Seien Sie versichert: Den Bürgerinnen und Bürgern im Land ist es egal, ob das Station, Kommissariat oder sonst wie heißt. Sie wollen, dass es einen Raum gibt, in dem Polizei vorhanden ist. Es geht ihnen nicht darum, wie verwaltet wird. Deshalb ist die Aussage „wir schließen“, wenn man sie so stehenließe, falsch. Wir verändern, indem wir das eine abschaffen und durch etwas anderes ersetzen.

Wir werden übrigens pro Landkreis noch je ein Kommissariat haben; auch insofern war Ihre Aussage falsch.

(Herr Gallert, DIE LINKE: 16!)

Aber dort, wo zwei Kommissariate in einem Landkreis vorhanden sind, was der Tatsache der Gebietsreform geschuldet ist, bei der wir im Interesse des politischen Friedens ehemalige Reviere in Revierkommissariate umgewidmet haben, wird es eine Veränderung geben. Das heißt doch nicht, dass es, wenn wir diese Organisation verändern, dort keine Polizei mehr gibt. Es wird Polizei geben.

Sicherlich werden auch viele von Ihnen erwarten - Sie haben es angesprochen -, dass ich einige Worte zur Diskussion mit dem Finanzministerium sage. Mein Kollege Jens Bullerjahn, der heute nicht anwesend sein kann, weil er erkrankt ist, hat seine Fachinteressen immer unter dem Blickwinkel dessen, was ich Ihnen vorhin gesagt habe: der Konsolidierungsnotwendigkeit, wahrgenom

men. Aber auch wenn der Kollege Bullerjahn an dem erforderlichen und notwendigen Sparkurs festhält, ist er meiner Erfahrung nach am Ende der Letzte, der sich einer Diskussion verschließt. Er sieht, dass auch dann politische Schwerpunkte gesetzt werden müssen.

Wir haben auch in Einigungsgesprächen gute Ergebnisse erzielt. Wir haben einen garantierten Einstellungskorridor bis zum Jahr 2025 mit 200 Anwärterinnen und Anwärtern vereinbart. Wir haben damit die Fachhochschule ausgelastet.

Wir haben vereinbart - das war ein Wunsch der Gewerkschaften -, dass Kolleginnen und Kollegen der Polizei, wenn Sie es denn möchten, freiwillig länger arbeiten können.

(Zustimmung von Herrn Borgwardt, CDU)

Wir haben erreicht, dass wir im Jahr 2016 6 000 Beamtinnen und Beamte haben werden und dass wir in den Jahren 2019 und 2020 - so weit möchte ich jetzt nach vorne schauen - 5 600 Beamtinnen und Beamte haben werden. Das ist schon mehr, als ursprünglich vorgesehen war. Dann werden wir schauen, wie viele Kolleginnen und Kollegen länger arbeiten; das kommt noch hinzu.

Wir haben mit den Gewerkschaften und mit dem Personalrat vereinbart, dass in einer Arbeitsgruppe mit diesen Zahlen fachliche Diskussionen stattfinden, um den Personalkörper zu evaluieren und zu eruieren, wie weit die Aufgaben in ihrer Gänze mit dem zukünftigen Personalkörper in Einklang zu bringen sind - ergebnisoffen. Dazu wird man diskutieren. Das ist ein Prozess, der dazugehört.

Meines Erachtens - immer ausgehend von der Ausgangslage und in dem Wissen, wie schwierig Reformen sind und wie schwierig es ist, weil wir über Menschen in der Polizei reden - haben wir im

Kabinett gemeinsam ein Ergebnis beschlossen, das sich sehen lassen kann, das eine gute Basis für die Zukunft ist, das wir ab Juli 2014 umsetzen werden und das wir Ihnen im Innenausschuss unterrichtend weiter vorstellen können.

Zum Abschluss möchte ich der Staatskanzlei meinen Dank sagen; denn trotz aller medialen Verlautbarungen haben wir am Ende im Ergebnis, aber auch zwischendurch konstruktiv und zielführend zusammengearbeitet. - Vielen Dank.