Aufgrund dieser vielfältigen Neuerungen vertritt die überwiegende Mehrheit der Mitgliedstaaten - ich habe neulich eine große Veranstaltung in Brüssel mit der Kommissarin Malmström dazu gehabt und habe auch die Interessen Sachsen-Anhalts vertreten - die Ansicht, dass nun der Schwerpunkt auf eine Konsolidierung und Implementierung der bereits bestehenden Regelungen gelegt werden sollte und nicht weitergehende oder andere geschaffen werden sollen. Das ist der europäische Kontext. Den müssen Sie bei aller Bedeutung unseres kleinen Bundeslandes bei solchen Debatten auch zur Kenntnis nehmen, weil wir ein ganz kleiner Teil - hier ausgehend von der Johanniskirche - Europas sind.
Ich schließe mich da auch der Auffassung meiner Kollegen an und halte es für erforderlich, dass im Sinne einer nachhaltigen Umsetzung des gemeinsamen europäischen Asylsystems in allen Mitgliedstaaten die geltenden Rechtsvorschriften der Union gleichmäßig umgesetzt werden, gleichmäßig sowohl bezüglich der Qualität als auch derjenigen, die aufgenommen werden, um damit die teilweise deutlichen Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten konsequent abzubauen.
Das Gebot, jeden ausländerrechtlichen Einzelfall sorgfältig und umfassend zu prüfen, meine Damen und Herren, ist eine Selbstverständlichkeit. Es ergibt sich bereits aus dem allgemeinen Untersuchungsgrundsatz des § 24 des geltenden Verwaltungsverfahrensgesetzes, wo dies geregelt ist. Diesem Grundsatz der umfassenden Prüfung kommt mit Rücksicht auf die besondere Lage von Asylsuchenden, die häufig über keine oder nur sehr geringe Deutschkenntnisse - zumindest am Anfang - verfügen, im Asylrecht besondere Bedeutung zu.
Nicht verlangt werden kann jedoch, dass die Ausländerbehörden - jetzt nähern wir uns Ihrem Fall - im sogenannten Dublin-Verfahren die Verhältnisse im Zielland der Rücküberstellung prüfen. Insoweit haben sich die Ausländerbehörden - in diesem Fall die Ausländerbehörde der Stadt Magdeburg - grundsätzlich auf die Einschätzung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, das sogenannte BAMF, des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen und anderer Behörden zu verlassen, die über die erforderlichen Kompetenzen für eine solche Prüfung verfügen.
Daneben werden von den Ausländerbehörden auch entsprechende Gerichtsentscheidungen berücksichtigt, wie beispielsweise die des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der festgestellt hat, dass in Italien keine systematischen Mängel bei den Aufnahmebedingungen vorliegen. Anhaltspunkte für ein aufsichtsrechtliches Einschreiten, außer dass wir uns jetzt berichten las
Ich habe heute dem Mitteldeutschen Rundfunk gesagt, dass Abschiebungen immer schwierig sind. Ich glaube, Sie haben hier einen Minister - ich habe diese Abschiebung nicht veranlasst, sondern das tun die zuständigen Behörden -, der Abschiebungen sehr restriktiv sieht, und wir haben in meiner Amtszeit so gut wie keine Abschiebung gehabt.
Aber eine Behörde, meine Damen und Herren - bei aller emotionalen Betroffenheit, wenn Menschen abgeschoben werden, die auch Kinder haben -, hat sich an geltendes Recht zu halten. Auch eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter einer Ausländerbehörde der Stadt Magdeburg hat sich an geltendes Recht zu halten, bei aller emotionalen Betroffenheit. Und das haben sie hier in Magdeburg nach meinem Kenntnisstand getan.
Wir werden die Dinge, die jetzt vorgetragen worden sind, die Italien betreffen, zur Kenntnis nehmen und prüfen; aber wir werden das in der gebotenen Ruhe und Sachlichkeit tun.
Eine Befassung der Härtefallkommission im Dublin-Verfahren, liebe Frau Quade, scheidet aus. Nicht weil wir das nicht wollen, nicht weil die Härtefallkommission das nicht kann, sondern die Zuständigkeit liegt während laufender Dublin-Verfahren allein beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Das ist das Entscheidende.
Die Ausländerbehörden werden in derartigen Verfahren ausschließlich zur Vollziehung der Rücküberstellungsentscheidung des Bundesamtes tätig. Da dem Land - in diesem Fall unserem kleinen, aber feinen Bundesland Sachsen-Anhalt - in Dublin-Fällen eben keine eigene Entscheidungs- und Gestaltungskompetenz obliegt, ist in solchen Fällen eine Anrufung der Härtefallkommission von vornherein ausgeschlossen. - Das ist die Situation.
Über die Inhaftierung haben wir auch an anderen Stellen gesprochen, unter anderem auch, meine ich, in der letzten Plenarsitzungsperiode. Sie ist immer eine Ultima Ratio und richtet sich nach der entsprechenden allgemeinen Ermächtigungsgrundlage im Aufenthaltsrecht. Solchen Verfahren entgegenstehende Rechtsprechung ist mir nicht bekannt. Aber wir werden die Rechtsprechung natürlich weiter verfolgen.
Ich nehme selbstverständlich auch Ihre Petition mit. Aber auch da muss ich sagen: Petitionen sind - bei aller Betroffenheit, die man haben kann - nicht in der Lage, geltendes Recht außer Kraft zu setzen. - Vielen Dank.
Herr Minister, Sie haben gesagt, dass die Einstufung der Westbalkanstaaten als sichere Herkunftsländer die übereinstimmende Meinung - das haben Sie wiederholt: die übereinstimmende Meinung - aller Länderinnenminister und -senatoren sei. Ich frage Sie: Wie bewerten Sie es vor dem Hintergrund dieser Aussage, dass eben dieser Gesetzentwurf am vergangenen Freitag im Bundesrat abgelehnt wurde?
Ich kann Ihnen zur Meinungsfindung in den unterschiedlichen Landesregierungen nichts sagen. Das ist Sache des jeweiligen Kabinettschefs. In der Regel ist das der Ministerpräsident oder die Ministerpräsidentin. Ich kann Ihnen nur die Auffassungen und Meinungen der Innenminister sagen, die ja am Ende nicht unbedingt diejenigen sein müssen, die die gesamte Meinung einer Landesregierung vertreten.
Möglicherweise liefert ja das Parteibuch der entsprechenden Innenminister einen Hinweis darauf, warum sie sich so entscheiden.
Meine Frage ist eine andere, Herr Minister Stahlknecht. Sie haben anhand des Beispiels der Familie Haji in Aussicht gestellt, die Lage in Italien, wohin die Familie jetzt abgeschoben worden ist, noch einmal zu bewerten. Ich frage Sie spekulativ: Welche Ergebnisse und Effekte könnte eine solche Bewertung haben? Womit muss man bei zukünftigen Abschiebungen in Richtung Italien möglicherweise rechnen? Was kann das jetzt noch für Familie Haji bedeuten?
Mir wurde hier und an anderer Stelle vorgetragen, dass man sich dort nicht vernünftig um die Familie gekümmert habe. Das nehme ich zur Kenntnis und werde es auf den entsprechenden Wegen besprechen. Dann kann ich Sie im Innenausschuss darüber unterrichten, was mir dazu gesagt wurde. Die Fragen zu beantworten, die Sie gestellt haben, wäre in der jetzigen Situation Spekulation und würde dem Amt, das ich innehabe, nicht gerecht.
Danke, Herr Minister. - Wir treten jetzt in eine Fünfminutendebatte ein. Als erster Redner spricht der Abgeordnete Herr Hövelmann für die SPD-Fraktion.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesrepublik Deutschland ist ein freies Land. Hier können sich Menschen ohne Angst vor staatlicher oder sonstiger Verfolgung frei bewegen, solange sie sich an die geltenden Gesetze halten. Diese Einschätzung gilt auch für die anderen Mitgliedsländer der Europäischen Union sowie für viele andere Demokratien auf dieser Welt.
Aber diese Einschätzung gilt längst nicht für alle Länder auf diesem Globus. Deshalb sind Demokratien und freie Länder auch für Menschen, die in nicht freien Staaten und Ländern verfolgt werden oder aus Bürgerkriegsgebieten fliehen, attraktiv, um im wahrsten Sinne des Wortes in einen sicheren Hafen zu gelangen. Deshalb gibt es auch in Deutschland das Asylrecht. Es ist gut und richtig, dass es das gibt.
Aber gleichzeitig brauchen wir klare Regeln, wie dieses Asylrecht auszugestalten ist und wie es gelebt werden muss. Denn wir können nicht alle Probleme, die es in diktatorischen Ländern oder in Ländern mit einer wenig oder nicht ausgeprägten demokratischen Struktur gibt, dadurch lösen, dass wir die Menschen auffordern oder animieren, hierher in demokratische Staaten zu kommen. Das wird nicht die Lösung sein. Deshalb müssen wir Regeln finden, wie wir die Einzelfälle entscheiden und bewerten und wie wir am Ende zu Entscheidungen kommen, die humanitären Gesichtspunkten und Menschenrechtsgesichtspunkten standhalten.
Ich finde, dass unser Asylrecht an dieser Stelle sicherlich gut ist, aber bei Weitem nicht jeden Einzelfall in der Breite und Tiefe berücksichtigen und bewerten kann, wie es manchmal notwendig oder wünschenswert wäre. Wenn wir auf den Gegenstand der heutigen Debatte zu sprechen kommen, nämlich auf den konkreten Fall der Familie Haji,
sehen wir, dass wir nicht unterstellen können, dass das Asylrecht in anderen Mitgliedsländern der Europäischen Union nicht funktioniert, und dass wir auch nicht sagen können, dass es nicht möglich sei, in einem anderen Mitgliedsland der Europäischen Union - hier in Italien - sein individuelles Menschenrecht auf Asyl rechtsstaatlich einwandfrei prüfen zu lassen.
Ich meine, wir müssen auch innerhalb Europas den Anspruch haben, uns gegenseitig zuzugestehen, dass wir uns jeweils an die gesetzlichen Regelungen halten und die Menschenrechte überall in Europa achten.
Deshalb ist es, denke ich, richtig, wenn wir uns grundsätzlich über die Frage Gedanken machen, wie unser Asylrecht derzeit aufgestellt und ob es zukunftsfähig ist, ob es die Entwicklungen, die auf dem Feld des Asylrechts passieren, berücksichtigt und ob es zeitgemäß ist.
Da ist vieles in Ihrem Antrag richtig, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion DIE LINKE, nämlich dass wir uns darüber auch politisch unterhalten müssen, ob der jetzige Zustand der ist, den wir wollen, und ob es Stellen gibt, an denen wir sagen: Der Zustand ist unbefriedigend, wir müssen Veränderungen und Verbesserungen für die betroffenen Menschen vornehmen. - Es ist richtig, dass wir uns darüber austauschen.
Deshalb werden wir Ihren Antrag nicht ablehnen, sondern zur weiteren Beratung in den Ausschuss für Inneres und Sport überweisen, damit diese Diskussion tatsächlich stattfinden kann. Ich hoffe, dass wir dort eine Menge miteinander bereden und vielleicht auch das eine oder andere so weit beraten können, dass wir Empfehlungen geben können, wie das Asylrecht in Deutschland weiterentwickelt werden kann.
Um festzustellen, was sich im Asylrecht entwickelt hat, muss man nur in die letzten zehn, 20 Jahre bundesdeutscher Geschichte schauen. Mancher Asylrechtskompromiss verdient den Namen Kompromiss nicht wirklich. Dennoch hat es immer wieder die Notwendigkeit gegeben, Kompromisse zu finden, um den manchmal vorhandenen gordischen Knoten zu durchschlagen. Ich denke, Sie nehmen mir ab, dass ich einigermaßen weiß, wovon ich im Einzelfall rede. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns mit dieser Sach- und Rechtslage auseinandersetzen.
Wir müssen aber auch zur Kenntnis nehmen, dass wir als Gesellschaft bereit sein müssen, Asylrechtsveränderungen zu akzeptieren. Es hat keinen Sinn, einfach etwas zu verändern, aber die Menschen in unserem Lande nicht mitzunehmen. Wir müssen auch die Menschen in Deutschland darauf vorbereiten, wenn es Veränderungen im
Asylrecht und in der Frage gibt, wie viele Menschen zu welchen Konditionen und unter welchen Bedingungen in Deutschland eine neue politische oder auch familiäre Heimat finden sollen.
Diese Diskussion dürfen wir nicht ausblenden, wenn wir über humanitäre Entscheidungen im Asylrecht reden. Ich will deutlich machen, dass das ein schwieriges Feld ist. Ich will auch deutlich machen, dass ich großes Vertrauen in die Entscheidungskompetenz der entsprechenden Behörden in Deutschland habe, die sich nach meinem Dafürhalten an Recht und Gesetz halten. Das gilt für die Bundesrepublik genauso wie für das Land Sachsen-Anhalt als auch für die Landeshauptstadt Magdeburg. Davon bin ich überzeugt. Was nicht ausschließt, dass im Einzelfall auch andere Entscheidungen rechtlich möglich sind; darüber muss man reden.
Insgesamt halte ich das geltende Asylrecht für gut, aber an vielen Stellen für verbesserungsfähig. Sie haben Recht, Herr Minister, Deutschland hat das Asylrecht im Grundgesetz verankert, und das ist gut so. Aber ich finde, Deutschland hat ein noch besseres Asylrecht verdient. Darüber sollten wir gemeinsam reden. - Herzlichen Dank.
Danke sehr, Kollege Hövelmann. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht der Abgeordnete Herr Herbst.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Minister, Sie haben in Ihrer Rede auch gesagt: bei aller emotionalen Betroffenheit müsse man doch verstehen, Recht und Gesetz usw. - Das ist etwas, was ich sehr, sehr häufig höre, als ob Emotionen keine Grundlage wären, gute Politik zu machen.
Ich muss ganz ehrlich sagen, ich möchte mir eine Welt ohne Emotionen nicht vorstellen. Ich bin sehr dankbar dafür, dass wir Betroffenheit und Emotionen haben, gerade auf diesem Politikfeld, aber auch auf vielen anderen, weil nur das Menschen zum Handeln und zu Aktivitäten anstiften kann. Emotionen und Betroffenheit sollten Leitschnüre der Politik sein und nicht etwas, was man technokratisch ausblendet und dem man die Gültigkeit abspricht.
Meine Damen und Herren! Lassen Sie uns auch darüber nachdenken, dass wir in einer Welt leben, in der jeder zum Flüchtling werden kann, und dass man deswegen nicht einmal so leicht wegwischen kann, was das Schicksal anderer ist, nur weil es weit entfernt ist. Ob das eine Sammelunterkunft in
Sachsen-Anhalt ist oder die Abschiebung nach Rom, wie bei Familie Haji, die dort irgendwo auf einem Bahnhof vegetieren muss, oder ob das in Syrien, im Irak oder in der Ukraine ist, die nicht weit von Deutschland entfernt ist, wo Menschen, von denen wir das vor einem halben Jahr noch nicht gedacht hätten, zu Flüchtlingen werden und jetzt gen Westen ziehen.
Das kann sehr schnell, schneller als man denkt jedem Einzelnen passieren. Das sollten wir uns bei dieser Debatte viel häufiger vor Augen führen.
Meine Damen und Herren! Wir müssen diese flüchtlingspolitische Realität der Welt, dieser harten Welt anerkennen. Regelungen wie die DublinRegelung sind nicht das Anerkennen dieser flüchtlingspolitischen Realität.