Protokoll der Sitzung vom 19.06.2014

(Lachen bei der LINKEN)

Man kann zu dem Thema Netzneutralität nach der Meinung der CDU-Fraktion nicht diskutieren, ohne

sich darüber im Klaren zu sein, was das Internet eigentlich ist.

(Lachen bei der LINKEN)

Das Internet ist die freiwillige Interaktion von Milliarden von Menschen, die durch das Zusammenwirken verschiedener Akteure möglich gemacht wurde. Wir als Internetnutzer unterscheiden uns sehr deutlich von anderen Akteuren wie Providern und Betreibern von Datenautobahnen.

Im Unterschied zu diesen verfolgt der gemeine Internetnutzer in der Regel keine kommerziellen Interessen. Er ist vorwiegend Konsument. Der Serviceprovider hingegen verfolgt kommerzielle Interessen, und das ist auch gut so.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Genauso wie bei ihrer Verwandten aus Beton oder Asphalt kann auch die Datenautobahn nicht von allen gleichzeitig ohne Regeln genutzt werden. Denn die Transportkapazität des Internets zu einem bestimmten Zeitpunkt ist begrenzt. Sie kann aus technischen Gründen auch nicht unendlich sein. Deswegen kann es auch keine völlige Neutralität des Netzes geben.

(Herr Wagner, DIE LINKE: Es hat ja bloß Jahrzehnte funktioniert!)

- Ja, ja. - Es gibt zwei Möglichkeiten, mit dieser Realität umzugehen. Die erste Möglichkeit wäre, die aktuellen technischen Grenzen der Durchlassfähigkeit einfach zu ignorieren, Herr Wagner. Das Netz bricht zusammen, sobald die aktuelle technische Grenze erreicht ist. Beliebige Daten werden nicht mehr weitergeleitet, solange der Engpass nicht beseitigt ist.

Der große Nachteil dieses Ansatzes besteht darin, dass der Nutzen des Internets für die jeweiligen Nutzer in diesem Moment gleich null ist. Da die Nachfrage stets mit dem Angebot steigt, ist es finanziell kaum möglich, die aktuelle Netzwerkkapazität der jeweils maximal möglichen Nachfrage anzupassen.

An dieser Stelle kommt Möglichkeit 2 ins Spiel, Herr Wagner. Die zweite Möglichkeit, mit den technisch begrenzten Transportkapazitäten umzugehen, besteht darin, wie überall im Wirtschaftsleben eine Steuerung über den Preis zuzulassen.

(Herr Lange, DIE LINKE: Ha, ha!)

Genau wie beim Fahren mit dem ICE, das teurer ist als das Fahren mit der Regionalbahn, ist nichts dagegen einzuwenden, dass eine Durchleitung mit 100 MBit/s teurer ist als eine Durchleitung mit 1 MBit/s. Dieses Prinzip bedeutet für uns als CDUFraktion ausdrücklich keine Verletzung der Netzneutralität.

(Herr Lange, DIE LINKE: Nein, überhaupt nicht!)

- Nein, Herr Lange. - Denn es kann aus unserer Sicht nicht sein, dass die Großeltern im ländlichen Raum, die zweimal in der Woche ihre E-Mails abrufen, die Privatvideothek des Großstadtnerds subventionieren.

(Zustimmung von Herrn Thomas, CDU)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Bestehende bundesrechtliche Regelungen erlauben es der Bundesregierung bereits heute, den Grundsatz der Netzneutralität zu stärken.

Wie von Ihnen, Herr Wagner, bereits dargelegt wurde, hat das Europäische Parlament einen Beschluss gefasst, in dem es sich auf eine Definition der Netzneutralität verständigt hat. Dieser Beschluss wird nun die Grundlage für die weiteren Verhandlungen mit dem Rat der EU über die Verabschiedung einer entsprechenden Verordnung sein.

Dem Punkt 1 Ihres Antrages, sehr geehrter Kollege Wagner, dürfte mit einer Berichterstattung der Landesregierung zum aktuellen Sachstand in dem für Medienangelegenheiten zuständigen Ausschuss entsprochen werden. Diesen Punkt greift unser Alternativantrag wohl doch auf.

Dieser Alternativantrag ist möglich, weil die Punkte 2 und 3 Ihres Antrages nicht zustimmungsfähig sind. Als Landtagsgesetzgeber sind wir nicht befugt, telekommunikationsrechtliche Fragen im Mediengesetz zu regeln. Hierfür bedarf es einer Änderung des Gesetzes durch den Bund.

Ebenso sind wir als Landesgesetzgeber nicht befugt, der Landesmedienanstalt eine Aufsichtsfunktion über den diskriminierenden Zugang von Inhalten im Netz aufzubürden. Diese Zuständigkeit obliegt der Bundesnetzagentur. Weitergehenden Regelungsbedarf im Mediengesetz des Landes sehen wir derzeit nicht. Wir bitten Sie daher um Zustimmung zu dem Alternativantrag der Koalitionsfraktionen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Czapek, der Kollege Wagner hat eine Frage. Möchten Sie sie beantworten? - Nein. - Herr Kollege Wagner, Sie haben die Möglichkeit zu erwidern.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte zu Beginn einmal versuchen, genauso polemisch zu sein wie gerade eben Herr Czapek.

(Herr Kolze, CDU: Was?)

Ich bin kein Großstadtnerd; das werde ich nicht hinbekommen. Ich bin ein Kleinstadtnerd. Ich möchte, um das Subventionierungsmodell einmal

aufzugreifen, die Frage stellen, weshalb ich, da ich mit dem Auto in der Regel nur in der Stadt unterwegs bin oder Fahrrad fahre, mit meinem Geld eigentlich die Autobahnen mitsubventionieren muss.

(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Ich sage doch auch nicht: Moment, das verstößt doch irgendwie gegen die Regeln des Wettbewerbs. Auf diese Idee kommt niemand. Es könnte aber jemand auf die Idee kommen, wenn wir sagen würden, wir wollten diesen Wettbewerb im Bereich der Straßen haben. Ich halte die Analogie zwischen der Autobahn und dem Internet für absolut unzutreffend. Ich weiß aber, dass man ein Thema manchmal so weit herunterbrechen muss, dass man es versteht.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn Sie aber anführen - das wäre nämlich meine Frage gewesen -, dass es anderenorts üblich ist, dann frage ich mich, weshalb wir für den Fall, dass es zu einem Stau auf der Autobahn kommt, noch eine Spur oder eine neue Autobahn bauen - teilweise ist das auch sinnvoll -, aber nicht auf die Idee kommen, für die Nutzung der linken Spur ein Entgelt zu erheben, wie wir das jetzt im Internet versuchen.

(Herr Kurze, CDU: Wir geben den Stand- streifen frei!)

Das verstehe ich nicht. Im Grunde genommen gibt es dafür eine relativ rationale Begründung. Wir sagen: Die Autobahn, die Straße ist öffentliche Daseinsvorsorge. Das andere ist ein rein wirtschaftlicher Betrieb.

Das ist wahrscheinlich der Hauptknackpunkt, der zwischen uns besteht. Denn für uns ist die Netzversorgung, ist die Internetversorgung, gerade unter Wahrung der Netzneutralität, nicht einfach nur irgendein Wirtschaftsgut. Nein, es ist mittlerweile Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge geworden.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Zum Alternativantrag. Bei dem Alternativantrag kommt es gleich zu der Situation, dass wir darüber abstimmen müssen; denn es steht zu befürchten, dass die Koalition dem viel besseren Antrag der Fraktion DIE LINKE nicht zustimmen wird. Wir werden den Alternativantrag aufgrund unterschiedlicher Geschichten ablehnen, die ich zum Glück nicht ausführen muss, weil wir diesbezüglich deckungsgleich mit dem Kollegen Herbst sind.

In dem Alternativantrag steht, man wolle zusätzliche Angebote nicht ausschließen. Zusätzliche Angebote wozu? - Zur Datenübermittelung. Was kann

im Internet jenseits von Datenübermittlung ein zusätzliches Angebot sein?

(Zustimmung von Herrn Striegel, GRÜNE - Herr Lange, DIE LINKE, lacht)

Wissen Sie denn, was Sie heute beschließen wollen und selbst formuliert haben? Ich weiß das nicht - ich sehe diesen Alternativantrag deswegen auch als nicht hinreichend eingebracht an -, erkenne aber insbesondere bei der Fraktion der SPD den Willen, dieses Thema weiterhin zu begleiten. Deswegen bin auch ich dafür, dass wir beide Anträge in den Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Medien überweisen, damit das Thema nicht vom Tisch ist und wir im Ausschuss darüber beraten können, wie wir über Landesgesetze, über Medienrecht tatsächlich die Netzneutralität wahren können.

Ein Bericht allein reicht indes nicht aus, zumal zu einem Thema, zu dem wir im letzten Jahr schon einen Beschluss gefasst haben. Immer wieder neu aufzurufen, dass über das, was wir beschlossen haben, noch einmal berichtet werden soll, verliert irgendwann seine Spannung.

Eines möchte ich noch sagen, auch wenn Herr Herbst es schon in Richtung von Herrn Graner gesagt hat. Es ist mir wichtig, das noch einmal zu erwähnen: Man kann Ihre Position als differenzierter darstellen. Vielleicht ist sie das auch. Aber die Netzneutralität versuchen Sie trotzdem aufzuheben. Denn neutral ist neutral. Halbschwanger geht nicht, auch nicht bei der Netzneutralität. - Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke sehr, Herr Kollege Wagner. - Damit ist die Debatte beendet. Es ist eine Überweisung beantragt worden. Darüber stimmen wir zunächst ab. Wer einer generellen Überweisung zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Oppositionsfraktionen. Wer ist dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Damit ist die Überweisung abgelehnt worden.

Wir stimmen jetzt über den Ursprungsantrag, den Antrag der Fraktion DIE LINKE in der Drs. 6/3183, ab. Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Oppositionsfraktionen. Wer ist dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Damit ist der Ursprungsantrag abgelehnt worden.

Wir stimmen jetzt über den Alternativantrag der Koalitionsfraktionen in der Drs. 6/3210 ab. Wer stimmt diesem zu? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer ist dagegen? - Das sind die Oppositionsfraktionen. Damit ist der Alternativantrag angenommen worden und der Tagesordnungspunkt 25 ist erledigt.

Wir haben den ersten Tag der 34. Sitzungsperiode zum Ende gebracht, zumindest hier im Parlament. Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend, ob bei der parlamentarischen Begegnung oder anderswo.

Wir beginnen morgen wie immer um 9 Uhr und rufen als Erstes die Aussprache zur Großen Anfrage auf.

Schluss der Sitzung: 18.14 Uhr.