Protokoll der Sitzung vom 20.06.2014

Die mit der Integrationsbeauftragten des Landes Sachsen-Anhalt abgestimmten Leitlinien des Innenministeriums verfolgen das Ziel, eine angemessene Unterbringung von Flüchtlingen zu realisieren. Entsprechend den Leitlinien sollen Familien mit mindestens einem Kind sowie Alleinerziehende mit mindestens einem minderjährigen Kind nach Beendigung der Wohnverpflichtung in der Aufnahmeeinrichtung des Landes vorrangig mit eigenem Wohnraum versorgt werden.

Für Personen außerhalb eines Familienverbandes, die in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht sind, sehen die Leitlinien eine Unterbringung in Wohnungen in der Regel mit Ablauf von drei Jahren nach Abschluss des behördlichen Erstverfahrens vor.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist tatsächlich so, dass bereits mehr als die Hälfte der in Sachsen-Anhalt lebenden Asylsuchenden dezentral in Wohnungen untergebracht sind. In der Stadt Dessau-Roßlau sind es sogar 100 %.

Das Ministerium für Inneres hat bereits unter Minister Hövelmann in der letzten Wahlperiode Landkreise und kreisfreie Städte gebeten, Familien und Alleinstehende mit Kindern nach Möglichkeit in Wohnungen unterzubringen. Es ist auch richtig, Menschen, für deren Unterbringung Gemeinschaftsunterkünfte eine besondere Härte darstellen, einer Wohnungsunterbringung zuzuführen. Das trifft insbesondere auf Familien und Alleinstehende mit Kindern zu. Damit werden letztlich auch die besonderen Belange von Asylsuchenden berücksichtigt.

Es ist aber auch völlig richtig, vor allem Alleinreisende in Gemeinschaftsunterkünften unterzubringen. Sie brauchen Kontakt zu Landsleuten, sind oft durch ihre Erlebnisse traumatisiert und mit dem neuen Land emotional überfordert, da sie oft aus anderen Kulturkreisen stammen. Es gibt Asylsuchende, die unter posttraumatischen Belastungsstörungen nach Flucht und Vertreibung aus den Herkunftsländern oder nach Gewalterfahrungen leiden. Viele der Asylsuchenden können nicht von Beginn an in allen Lebenslagen selbstverantwortlich agieren. Sie wären mit einer dezentralen Unterbringung überfordert.

Kommen wir nun zu den Gemeinschaftsunterkünften im Land Sachsen-Anhalt. Es besteht vor Ort das Gebot, die Unterbringung menschenwürdig und ohne gesundheitliche Beeinträchtigung zu gestalten. Diese verfassungsrechtlichen Vorgaben sind in den Betreiberverträgen zu konkretisieren und umzusetzen.

Ich möchte auch sehr deutlich sagen: Die Landkreise und die kreisfreien Städte sind für die regelmäßige Überwachung des ordnungsgemäßen Zustands der Gemeinschaftsunterkünfte in ihrer Trägerschaft verantwortlich. Die kommunalen Ausländer- und Integrationsbeauftragten sowie der Landesintegrationsbeauftragte nehmen eine Ombudsfunktion wahr. Bauliche und hygienische Mängel, egal von wem verschuldet, sind nicht hinnehmbar. Die Landkreise und kreisfreien Städte tragen eine große Verantwortung dafür, dass die Leitlinien anständig umgesetzt werden.

Wie uns die Beantwortung der Großen Anfrage gezeigt hat, führt das Landesverwaltungsamt im

Rahmen der Fachaufsicht regelmäßig unangemeldete und anlassbezogene Kontrollen in den Gemeinschaftsunterkünften durch.

Wir alle wissen, dass Gemeinschaftsunterkünfte ein Mikrokosmos sind. Keine Frage - das Leben in Gemeinschaftsunterkünften muss zeitlich begrenzt sein. Eine Beschränkung der Unterbringungszeit in Gemeinschaftsunterkünften halten wir für zielführend und möchten Minister Stahlknecht hierbei nachdrücklich unterstützen.

Eines möchte ich aber mit Deutlichkeit und Nachdruck sagen: Eine generelle Abschaffung von Asylbewerberheimen wird es mit der CDU-Fraktion nicht geben.

(Zustimmung von Herrn Schröder, CDU, und von Herrn Kurze, CDU)

Wir würden sonst die bei der Aufnahme notwendige Koordinierung und Kontrolle verlieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was man auf keinen Fall tun sollte, ist, Gemeinschaftsunterkünfte für Asylsuchende schon deswegen als unmenschlich zu bezeichnen, weil sie zum Teil im ländlich geprägten Raum liegen. Die Mehrheit unserer Bürgerinnen und Bürger lebt in dieser ländlich geprägten Region

(Zuruf von Herrn Striegel, GRÜNE)

und trägt einen erheblichen Aufwand für den Zugang zum öffentlichen Leben, zu Kulturveranstaltungen, zum ÖPNV, zu Ärzten, zu Apotheken sowie zu Ämtern und Behörden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt klare Leitlinien für die Unterbringung und die soziale Betreuung von nicht dauerhaft aufenthaltsberechtigten Ausländern. Geregelt werden darin die Form der Unterbringung, deren Mindestanforderungen und die soziale Betreuung. Damit schöpft die Landesregierung den bestehenden Handlungsspielraum aus.

Wir sind der Auffassung, dass vor einer erneuten Beschlussfassung dieses Hohen Hauses bezüglich der Unterbringung von nicht dauerhaft aufenthaltsberechtigten Ausländern zunächst die Beratungen im Bundestag zur Umsetzung des Koalitionsvertrages im Hinblick auf den Punkt Flüchtlingsschutz abzuwarten sind.

Es ist vereinbart worden, auch im Interesse der Schutzsuchenden eine Verkürzung der Bearbeitungsdauer bei den Asylverfahren zu erreichen. Die Verfahrensdauer bis zum Erstbescheid soll drei Monate nicht übersteigen. Im Interesse eines wirkungsvollen Asylrechts soll schnell Klarheit darüber bestehen, wer einen Anspruch auf Schutz geltend machen kann. Eine Verkürzung der Verfahrensdauer wird sich auf die Situation in Sachsen-Anhalt ebenfalls auswirken. Dies sollten wir

zunächst abwarten, meine Damen und Herren. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der CDU)

Herr Kollege Kolze, es gibt eine Nachfrage des Abgeordneten Striegel.

Das machen wir im Ausschuss.

Diese möchte er nicht hier, sondern dann im Ausschuss beantworten. - Nun hat für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN noch einmal Herr Abgeordneter Herbst das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein bisschen witzig fand ich das eben schon - eigentlich war es nicht witzig, sondern eher ein bisschen traurig -, als sich nach der Rede von Frau Quade hier so gut wie jeder genötigt fühlte, noch einmal für seinen Landkreis zu sprechen. - Um eine Nabelschau geht es hier doch nicht, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Wir betreiben doch hier auch nicht Nestbeschmutzung oder wollen irgendwelche Landkreise anprangern. Es ist eine gemeinschaftliche Aufgabe, der wir uns als Land zu stellen haben. Darüber reden wir heute hier. Dabei geht es nicht um irgendwelche lokalen Eitelkeiten. Wir sind hier in Verantwortung für das gesamte Land.

Herr Minister, Sie haben gesagt: Wir fordern, die Leute sofort dezentral in Wohnungen unterzubringen. - Das ist nicht ganz richtig. Mir ist schon klar, dass es, wenn Menschen hierher kommen, nötig sein kann, Sie erst einmal zentral unterzubringen, dort eine ordentliche Aufnahme vorzunehmen, dann für sie eine Wohnung zu suchen und sie richtig zu betreuen. Aber dieser Zeitraum muss dann auch wirklich begrenzt sein.

Die Betroffenen müssen ganz klar wissen: Ich versickere hier nicht Monate oder Jahre irgendwo im System, sondern ich bin eine begrenzte Zeit von sechs bis zehn Wochen hier. Dann sind die Leute auch bereit, sich diesem zu stellen. Aber diese Zeit muss intensiv genutzt werden, um individuelle Lösungen wirklich zu suchen.

Doch das passiert im Moment nicht. Das ist das Problem, das wir anprangern. Es geht gar nicht generell darum, dass es Sammelunterkünfte gibt. Der Aufenthalt muss aber für alle - nicht nur für Alleinerziehende und Familien, sondern für alle,

auch die Alleinreisenden - zeitlich ganz stark begrenzt sein.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Das ist damit gemeint, meine Damen und Herren, wenn wir sagen: die Menschen als Menschen ernst nehmen. Wenn sie das Gefühl haben, dass sie als Menschen ernst genommen werden, dann ist viel erreicht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zur Kollegin Schindler. Sie haben ausgeführt, die Diskussionen haben etwas gebracht. Das stimmt, die Diskussionen haben etwas gebracht; dieses Gefühl habe ich auch. Wissen Sie, wenn man angesichts der Zahl von 51 Millionen Flüchtlingen und angesichts des ganzen Elends, das es zu beschreiben gilt, irgendwie einen Lichtstreif am Horizont sehen kann, dann ist es das, dass ich wirklich das Gefühl habe, dass sich etwas bewegt.

Aber es bewegt sich viel zu langsam. Wir brauchen noch mehr Debatten darüber und noch mehr Öffentlichkeit; denn es gibt noch verdammt viel zu tun, meine Damen und Herren. Gesellschaftspolitisch müsste auch einmal - um diesen Begriff aufzunehmen - durchexekutiert werden, was die Asylpolitik angeht. Sie, Herr Minister, könnten auf der Bundesebene noch viel dazu beitragen, dass die CDU ihre Blockadehaltung bei den wirklich wichtigen asylpolitischen Fragestellungen auf der Bundesebene aufgibt.

Das betrifft gerade die Dinge, die im Koalitionsvertrag vereinbart worden sind; ich bin gestern schon darauf eingegangen. Die Verfahrensdauer zu verkürzen, das ist nicht per se gut, Herr Kolze. Das ist nicht gut, wenn man das mit dem Ziel tut, die Leute schneller loszuwerden. Das, was wir brauchen, ist nicht eine prinzipiell kürzere Verfahrensdauer. Wir brauchen eine genauere Prüfung der Asylgründe.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Das Problem ist doch, dass diese nicht individuell genau untersucht werden. Wir brauchen legale Einwanderungsmöglichkeiten nach Europa und nach Deutschland, damit wir nicht diese Heerschar von Geduldeten haben, die wir nicht zurückschicken können, weil die Lage doch zu gefährlich ist, aber die auch nicht den Flüchtlingsstatus nachgewiesen bekommen.

Wir brauchen Veränderungen im Dublin-Verfahren - darüber haben wir gestern gesprochen -, damit es nicht zu solchen katastrophalen und wirklich menschenunwürdigen, beschämenden Fällen kommt wie bei der Familie Haji, die vor wenigen Tagen aus Magdeburg abgeschoben wurde, unter Ignorierung des Einsatzes von Tausenden von Unterstützern und meines Erachtens auch unter Rechtsverstößen, die es aufzuarbeiten gilt. Wenn diese Rechtsverstöße nachgewiesen werden kön

nen - wir werden daran arbeiten -, dann muss diese Familie nach Sachsen-Anhalt zurückgeholt werden, meine Damen und Herren. Das sind wir diesen Menschen schuldig.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Und, meine Damen und Herren, wir müssen für ein anderes gesellschaftliches Klima eintreten. Wir müssen dafür sorgen, dass Flüchtlinge auch in der Bevölkerung ernst genommen werden als Menschen mit ihrer jeweiligen Geschichte, nicht nur hier im Landtag.

Denn das, was man in den Kommentarspalten in den sozialen Netzwerken liest, ist sehr bedenklich. Immer wenn dieses Thema, egal mit welchem Detail angesprochen wird, kommt es zu Hetze, zu beschämenden Kommentaren und zu wirklich schlimmsten Ausfällen gegenüber Menschen, die hierher nach Europa und Deutschland kommen.

Daran müssen wir etwas ändern, meine Damen und Herren. Dazu kann jeder von uns etwas beitragen. Deswegen sind solche Bestandsaufnahmen wie heute auch notwendig. Ich freue mich auf die Beratung im Ausschuss. - Vielen Dank für die Diskussion.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Kollege Herbst. - Damit können wir die Aussprache zur Großen Anfrage beenden. Wir haben jetzt über den Entschließungsantrag zu befinden. Darin wird eine Überweisung in den Ausschuss für Inneres beantragt. Damit würde gemäß § 43 der Geschäftsordnung auch die Anfrage und die Beantwortung derselben mit überwiesen werden.

Wer der Überweisung in den Ausschuss zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Gegenstimmen? - Sehe ich nicht. Stimmenenthaltungen? - Sehe ich auch nicht. Damit sind die Drucksachen zu diesem Tagesordnungspunkt zur weiteren Behandlung in den Innenausschuss überwiesen worden. Ich schließe den Tagesordnungspunkt 5.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 13 auf:

a) Zweite Beratung

Ehrenamt weiter entwickeln, bürgerschaftliches Engagement stärken