Zuerst einige Ausführungen zur grundsätzlichen Frage, was Sozialplanung überhaupt ist. Eine bündige Definition wurde bereits 1970 von der Kommunalen Gemeinschaftsstelle formuliert:
„Sozialplanung im engeren Sinne ist die Planung sozialer Hilfen im Rahmen der kommunalen Gesamtentwicklung.“
„Sozialplanung ist ein eigenständiger und notwendiger Bestandteil im Steuerungskreislauf auf allen zentralen Ebenen der Sozialverwaltung. Sie ist unverzichtbare Voraussetzung einer wirksamen Steuerung.“
Neben dieser grundsätzlichen Definition möchte ich eine zentrale Unterscheidung hervorheben, nämlich die zwischen operativer Sozialplanung und strategischer Sozialplanung. Operative Sozialplanung kennen wir; das ist in der Regel die Bestands- und Bedarfsfeststellung und im besten Fall die Maßnahmenplanung. Sie ist an eine konkrete Fachpolitik, an ein konkretes Fachressort gebunden.
In unserem Antrag geht es uns um die strategische Sozialplanung, die weitaus prospektiver ausgerichtet ist. Hierbei werden einzelnen Fachplanungen gebündelt und unter ein gemeinsames Leitbild gestellt bzw. orientieren sich an Richtlinien.
Strategische Sozialplanung beginnt mit der Schaffung gemeinsamer Planungsräume und Fachressorts übergreifender Arbeitsgruppen, etwa für Gesundheitsplanung, Jugendhilfeplanung, Schulentwicklungsplanung usw. Eine solche Planung realisiert eine Ämter und Fachbereiche übergreifende Steuerung von Sozialpolitik. Daten werden somit vergleichbar und es werden einheitliche Sozialräume geschaffen. Angesiedelt ist eine solche Stelle der Sozialplanung in der Regel ganz oben in einer Verwaltung, bei der Stabsstelle der Kreisverwaltung oder der kreisfreien Städte.
Wir würden in diesem Zusammenhang gern das Beispiel aus Thüringen für unser Land diskutieren. Dort wurde auf der Landesebene eine Stabsstelle „Strategische Sozialplanung“ eingerichtet. Das thüringische Sozialministerium hat somit eine Stelle, die nach innen wirkt und die Fachplanungen unterstützt; nach außen vernetzt sie bestehende
Antworten auf zahlreiche Kleine Anfragen und auch die Diskussionen über das Beratungsstellengesetz haben gezeigt, dass wir in diesem Land im Bereich der Sozialplanung noch große Entwicklungspotenziale haben, die es zu entwickeln gilt.
Unser Antrag sieht drei zentrale Aspekte vor: erstens eine einheitliche landesweite kleinräumige Datengrundlage schaffen, zweitens die Beförderung einer strategischen Sozialplanung auf der Kreisebene und drittens die Festlegung von verbindlichen Sozialzielen auf der Landesebene.
Zu der ersten Forderung. Hierfür halte ich einen landesweiten Sozialstrukturatlas für das passende Instrument. Ein solches Instrument kann unseren Kommunen kleinräumige, einheitliche und verlässliche Daten zur Verfügung stellen. Das ist quasi ein Dienstleistungsdenken, das sich hierbei abbildet. Wir könnten uns, um ein positives Beispiel zu nennen, hierbei und in anderen Fällen auch an Niedersachsen orientieren. Dort wurde seitens des Landes eine handlungsorientierte Sozialberichterstattung vorgegeben. Auf der dortigen Homepage ist Folgendes zu lesen:
„Die handlungsorientierte Sozialberichterstattung Niedersachsens stellt Akteurinnen und Akteuren der Armutsbekämpfung in Land, Kommunen und Verbänden empirisches Material handlungsorientiert und unkompliziert zur Verfügung. Damit wird ihnen verlässliches Vergleichsmaterial für ihre Region an die Hand gegeben.“
Ein solcher Atlas wäre eine gute Grundlage, um den Sozialbericht, der alle fünf Jahre vorzulegen ist, zu ergänzen, und würde eine Dienstleistung für die Kommunen darstellen.
Wir haben nun schon mehr als drei Jahre hinter uns und ich bin gespannt, ob wir den Sozialbericht in dieser Legislaturperiode noch zu sehen bekommen. Dazu kann der Minister sicherlich noch einiges ausführen.
Ich habe mehrere Kleine Anfragen zu dieser Thematik gestellt. Diese liegen Ihnen vor. Die Antworten darauf zeigen, dass es einige wenige Landkreise gibt, die sich auf den Weg gemacht haben und die Stabsstellen für integrierte und strategische Sozialplanung eingerichtet haben. Dort sitzen nicht nur Jugendhilfeplanerinnen, Kita-Planerinnen, Gesundheitsplanerinnen, Schulentwicklungsplanerinnen unter sich, sondern sie werden zusammengeführt. Bisher isoliert geführte Planungen werden quasi vernetzt und in einer zentralen Stelle zusammengeführt.
So können übergeordnete Ziele entwickelt werden. Gemeinsame Planungsräume machen Daten und Prognosen vergleichbar und aufeinander bezieh
bar. Frühere Einzelplanungen für bestimmte Zielgruppen, wie Jugendliche, Senioren, Menschen mit Behinderungen, werden zu integrierten Konzepten und im besten Fall zu einer sozialplanerischen Gesamtstrategie.
Damit wird eine bedarfsgerechte und vor allem abgestimmte Anpassung und Weiterentwicklung der sozialen Infrastruktur gefördert. Es geht dann nicht mehr nur darum, ob es genügend Kita-Plätze gibt, ob der Zuschnitt von Schulgebieten entsprechend ist oder ob die Förderung der Jugendhilfe rein nach quantitativen Größen zu vergleichen und zu gestalten ist. Vielmehr können Angebote entwickelt und zielgenau platziert werden, und zwar sozialraumorientiert und eingepasst in eine Gesamtstrategie für die Region.
So können wir Angebote verhindern, die am jeweiligen regionalen Bedarf eventuell vorbeigehen. So können Doppelstrukturen verhindert werden. So können wir verhindern, dass Angebote und Strukturen ins Leere laufen und wirkungslos bleiben. Das ist sinnvoll in einem Land, in dem wir immer wieder darüber reden, dass Ressourcen zielgenauer eingesetzt werden müssen.
Die Datenaufbereitung der Fachebene ist das eine. Die Bewertung dieser Daten vor dem Hintergrund der Zielsetzungen der Leitungsebene, die eben beschriebene strategische Sozialplanung, ist das Weitere.
Erst dieser zweite Schritt - das will ich ganz deutlich sagen - erzeugt wirklich Handlungsoptionen für Politik. Erst dann kann gestaltet werden und wir kommen weg vom reinen Verwalten.
Ich glaube, dass die Wohlfahrtsverbände und die kommunalen Spitzenverbände einbezogen werden müssen, um in diesen Planungsprozessen Kennzahlen festzulegen, anhand derer in den jeweiligen Zeiträumen auch dezidiert geplant wird. Wenn dieser Weg gegangen wird, dann können wir eine Steuerung durch Ziele erreichen. Somit schaffen wir auf der Ebene der Planung beispielsweise Voraussetzungen für kommunale Bildungslandschaften oder für Gesundheitsregionen.
Doch die Entwicklung einer strategischen Sozialplanung zielt nicht nur auf eine Verbesserung der sozialen Infrastruktur an sich ab. Vielmehr wirkt sich ihre Etablierung auch innerhalb der Verwaltung aus. Durch die Anbindung an der Stabsstelle erfährt Sozialplanung automatisch eine höhere Wertschätzung. Man kann die Gesamtstrategien mit Wirkungsnachweisen unterlegen und somit nicht nur eine höhere Akzeptanz für die Planung an sich, sondern auch eine höhere Akzeptanz für das Wirken sozialarbeiterischer und sozialer Strategien im Kreis erreichen.
planung dadurch weit besser behaupten. Ich denke, dass das ein Anliegen ist, das zumindest die Sozialpolitikerinnen der Fraktion teilen können.
Ich glaube, wenn man diese Planung soweit erreicht hat - das ist für dieses Land noch Zukunftsmusik - und den nächsten Schritt geht und beispielsweise diese strategische Sozialplanung mit der Kulturentwicklungsplanung verknüpft, dann kann man noch viel größere Effekte generieren.
Mir ist klar, dass wir uns hiermit im eigenen engen Wirkungskreis der Kommunen befinden. Das ist keine Frage. Aber ich glaube, dass es gut und richtig ist, wenn das Land hierbei als Dienstleister auftritt und die Dinge, die beispielsweise im Statistischen Landesamt ohnehin zur Verfügung stehen, so aufbereitet, dass die Kommunen sie gut nutzen können.
Wir schlagen vor, zuerst einen Aufschlag zu machen, indem wir im Land einen Fachtag Sozialplanung abhalten, an dem wir die wenigen, aber doch sehr guten Beispiele, die ich im Rahmen eines internen Fachgespräches in meiner Fraktion kennenlernen konnte und die auch in der Kleinen Anfrage nachzulesen sind, einmal allgemein bekannt machen, im Land vorstellen und auch den Austausch fördern. Begleitend sind die gängigen Gespräche mit den zuständigen Amtsleiterinnen zu nutzen. Das Land soll in beiden Fällen der Moderator und Organisator sein.
Auf der Landesebene ist im Ergebnis dieser beiden Veranstaltungen ein Handlungsleitfaden zu entwickeln. Dieser soll das Konzept der integrierten Sozialplanung vorstellen und Informationen zur Stärkung der kommunalen Planung vermitteln. Ich gehe einmal davon aus, dass die Koalition hierfür vielleicht ein offenes Ohr hat, weil in einem späteren Tagesordnungspunkt, bei dem es um die Kindertagesstätten geht, ein ähnlicher Leitfaden empfohlen wird.
Ich glaube, das ist sinnvoll, weil damit im Land vergleichbare Prozesse befördert werden können. Dieser Leitfaden soll die Kommunen anregen, sich auf den Weg zu machen. Man kann sich hierbei zum Beispiel am Handbuch für die Kommunen des Ministeriums für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen mit dem Titel „Moderne Sozialplanung“ orientieren, das im Jahr 2011 herausgegeben wurde und beispielsweise von der Kommunalen Gemeinschaftsstelle als gutes Beispiel ausgewiesen wird.
Eine Planung, liebe Kolleginnen und Kollegen, kommt nicht ohne Ziele aus. Der Prozess der Sozialziele auf Landesebene wurde dankenswerterweise im Jahr 2010 von der Liga angestoßen und von der LINKEN dann noch einmal ins Plenum gehoben. Aber wir haben darüber bereits im Zusammenhang mit dem erwähnten Beratungsstellen
Die Beschlussrealisierung wurde im Juli 2011 vorgelegt. In der Antwort auf meine Kleine Anfrage vom März dieses Jahres schreibt die Landesregierung, dass es im Jahr 2011 ein Gespräch zum Thema Sozialziele zwischen Land und Liga gab. Ein Jahr später, also im November 2012, gab es ein zweites Gespräch. Schon im Jahr 2013 sollte es einen Workshop geben, der eventuell noch in diesem Jahr stattfindet. Genaueres weiß man allerdings nicht. Weitere Dinge sind mir nicht bekannt.
Die Antwort auf die Kleine Anfrage enthält einen Satz, den wir teilen. Es geht darum, dass nämlich das Land - das ist auch die Grundlage unseres Antrages - in den Planungen kommunale Prozesse befördern soll. Ansonsten ist der Antwort auf die Kleine Anfrage zu entnehmen, dass im Land nichts passiert ist.
Auch wenn die Abstimmungen mit zahlreichen Akteuren, die notwendig sind, um eine solche Planung gut auf den Weg bringen zu können, zugegebenermaßen nicht einfach sind, so erwarten wir doch, dass das Land hierzu deutlichere Anstrengungen unternimmt. Ich glaube, das ist gut und wichtig, um die Sozialpolitik in diesem Land nicht hinten herunterfallen zu lassen, um das einmal so salopp zu formulieren.
Ich orientierte mich am Prozess der Gesundheitsziele, der zeigt, dass man etwas erreichen kann, wenn man Ziele miteinander verknüpft. Das könnte auch eine gute Grundlage sein. Ich würde mich in diesem Fall wirklich auf gute Diskussionen im Ausschuss freuen. Ich bin auf die Reaktionen der anderen Fraktionen gespannt. - Vielen Dank.
Danke sehr, Kollegin Lüddemann, für die Einbringung. - Für die Landesregierung spricht Minister Bischoff.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! So ähnlich wie gestern bei der Anfrage will ich zum Einstieg deutlich machen, dass die Staatssekretärin in der vorletzten Ausschusssitzung, Frau Lüddemann, über den aktuellen Stand der Umsetzung der Landtagsbeschlüsse zur Sozialplanung, die Sie eben erwähnt haben, berichtet und informiert hat. Ich finde, dass es fair gewesen wäre, wenn Sie das mit erwähnt hätten. Sie hat auch angekündigt, dass es im vierten Quartal im Ausschuss aktuelle Informationen geben wird. Das ist schon verabredet.
Ich gucke Sie immer ganz deutlich an, weil Sie hier den Eindruck erwecken, dass das Land nichts machen würde und auch noch gar nichts gemacht hat.
Ich will die fünf Minuten - ich habe nur wenig Redezeit - nutzen, um Ihnen zu sagen, was die Aufgabe eines Sozialministeriums ist. Ist es nicht dessen Aufgabe, sich mit um Planungen zu kümmern und Ziele zu formulieren? Wenn wir das nicht tun würden, dann würden wir jeden Tag dasitzen und nur das machen, was uns gerade auf den Schreibtisch kommt.
Ich finde es trotzdem wichtig, dass Sie das hier noch einmal - die Kleine Anfrage haben wir auch beantwortet - thematisieren. Dadurch kann ich eben vor dem Hohen Haus noch einmal Stellung nehmen.
An dem Antrag ist zweifellos richtig, dass das Land Ziele formulieren und strategisch vorangehen muss. Sie haben am Anfang sehr richtig gesagt, wer für die Planung zuständig ist. Sie haben zuerst auch die kommunale Ebene, sogar mit den Stabsstellen, benannt. Es wäre auch gut gewesen, wenn nach 25 Jahren auch einmal gefragt worden wäre, warum das nicht überall so ist.
Man kann natürlich zu der Schlussfolgerung kommen: weil das Land sie nicht aufgefordert hat und nicht hilfreich zur Seite gestanden hat. Vielleicht gibt es aber auch andere Gründe. Aber richtig ist, dass das Land das im Auge behalten sollte.
Richtig ist auch - darauf zielten die drei in den Jahren 2011 und 2012 gefassten Beschlüsse hin -, dass die Sozialberichterstattung, die abgelöst und zusammengefasst werden sollte, diese verschieden Ziele miteinander verbindet. Wir nennen das Sozialstrukturkompass. Sie nennen das Atlas. Es ist mir eigentlich egal, wie es heißt. Zumindest kann das eine Basis für eine integrierte Sozialplanung für die Kommunen werden.
Natürlich wäre es auch wichtig, dass wir ein Messinstrument zur Wirkungskontrolle und zur Fortschreibung, eine Datenbasis haben. Das gilt übrigens für viele Dinge, auch für die Kinderbetreuung. Man muss sagen, dass das Land oft hinterherhinkt, wenn es darum geht, die Daten zu bekommen, die wir eigentlich brauchen, um bestimmte gesetzliche Regelungen auf den Weg zu bringen. Aber das ist dann bei einem der nächsten Tagesordnungspunkte wichtig.
Es handelt sich bei diesem Strukturkompass nicht nur um bloße Arbeitspakete, die sukzessive und termingerecht abgearbeitet werden müssen, sondern um einen dialogorientierten und kontinuierlichen Prozess auf Augenhöhe mit allen beteiligten
Partnern. So wurde es durch den Landtag formuliert. Das halte ich auch für richtig. Da sind wir mittendrin, manchmal auch mit Verzögerungen. Ich glaube, das kennen Sie auch. Das hängt mit dem Personal und ähnlichen Dingen zusammen. Aber da sind wir auf dem Weg.
Wir verfolgen dabei das Ziel, den Kommunen die notwendigen Ressourcen für ein nachhaltiges kommunales Managementsystem zur Sozialplanung zu erschließen und sie in diesem Prozess zu unterstützen. Eine getrennte Beobachtung oder Kommunikation einzelner Themen nach gesonderten Veranstaltungen, so wie Sie es aufzählen - man könnte den letzten Punkt zuerst und dann die anderen Punkte nehmen -, ist nicht sinnvoll. Wir brauchen eine Struktur, die deutlich macht, wie wir das machen wollen. Also: Eine gesonderte Betrachtung der einzelnen Themen ist meines Erachtens nicht zielführend.