Protokoll der Sitzung vom 08.07.2011

(Heiterkeit bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

dann werden Sie sich möglicherweise an die Worte Ihres Herrn Ministerpräsidenten erinnern können, der mit Blick auf 50 Jahre zurück und auf die

Zeit nach vorn Folgendes sagte: Wir müssen diese Demokratie, dieses demokratische System weiterentwickeln. Ich frage Sie: Ist Ihr MP jetzt auch ein Verfassungsfeind?

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN)

Ja, Herr Weigelt, auch ich halte diese parlamentarische Demokratie für reformbedürftig. Sie ist nicht das Ende der Geschichte. Sie ist nicht der Weisheit letzter Schluss.

(Frau Take, CDU: Diese Demokratie über- lebt uns alle!)

Wenn wir diese Demokratie erhalten wollen, dann müssen wir sie verändern.

(Herr Borgwardt, CDU: In welche Richtung?)

Wenn wir sie nicht verändern, dann wird sie kaputtgehen.

Wir erleben im Land an vielen Stellen immer wieder Bürgerinnen und Bürger, die sich in diesem demokratischen, in diesem repräsentativen und an vielen Stellen ausschließlich repräsentativen System nicht mehr wiederfinden, die die Notwendigkeit sehen, sich stärker in die Gestaltung dieser Gesellschaft einzubringen. Ich glaube, wir alle tun gut daran, dieses Einbringen ernst zu nehmen und es eben nicht abzuqualifizieren und zu sagen, all diejenigen, die die parlamentarische Demokratie weiterentwickeln wollen, sind Verfassungsfeinde.

(Herr Leimbach, CDU: Wer hat das gesagt? Das ist unfassbar! - Unruhe bei der CDU)

Ich gestehe: Ich bin für mehr direkte Demokratie.

Herr Weigelt, ich habe noch eine Frage. Sie haben gesagt, es sei quasi eine Selbstverständlichkeit, sich zur FDGO und zum Grundgesetz zu bekennen. Wenn das eine Selbstverständlichkeit ist, dann frage ich Sie, warum bei der Ausreichung jeglicher staatlicher Fördermittel nicht eine solche Erklärung abverlangt wird.

(Herr Schwenke, CDU: Guter Vorschlag!)

Warum wird sie nicht überall abverlangt? Es hat gute Gründe, dass sie nicht überall abverlangt wird, weil es nämlich unverhältnismäßig ist. Es ist insbesondere unverhältnismäßig, wenn man diejenigen, die tagtäglich für Demokratie streiten, ausgerechnet zu einer solchen Erklärung nötigen möchte.

(Frau Feußner, CDU: Das ist das Problem! - Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Meine Damen und Herren von der SPD! Ihr Verhalten ist wirklich nicht mehr nachvollziehbar. Sie sagen vor der Wahl das eine, um nach der Wahl das andere zu tun. Sie lassen Selbstverständlichkeiten außen vor.

(Zuruf von der CDU)

Sie wollen den zweiten Teil der Erklärung streichen. Das ist jedenfalls bei Ihnen erklärtermaßen Programm. Und dann verhandeln Sie einen derartigen Änderungsantrag. Ganz ehrlich: Das kann ich nicht mehr verstehen.

Ich appelliere an die AG „Sozialdemokraten“ innerhalb der SPD, diesem Änderungsantrag nicht zuzustimmen, sondern für unseren Antrag zu stimmen und damit Ihrem eigenen Programm zu folgen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Mit dem Kollegen Striegel schließen wir nunmehr die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt ab. Uns liegen zwei Anträge vor, zu einem der Antrag der GRÜNEN in der Drs. 6/177 und zum anderen der Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen in der Drs. 6/204.

Wir stimmen zunächst über den Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen ab. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Koalitionsfraktionen. Gegenstimmen? - Das sind die Oppositionsfraktionen. Stimmenthaltungen? - Keine. Dann ist dem Änderungsantrag mit der Zustimmung der Koalitionsfraktionen stattgegeben worden.

Wer dem somit veränderten Ursprungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind Koalitionsfraktionen. Gegenstimmen? - Das sind die Oppositionsfraktionen. Stimmenthaltungen? - Keine. Dann ist der durch den Änderungsantrag veränderte Ursprungsantrag mit den Stimmen der Koalition beschlossen worden. Wir schließen diesen Tagesordnungspunkt.

Wir kommen somit zum Tagesordnungspunkt 21:

Beratung

Arbeitsplätze in der Braunkohlenindustrie erhalten

Antrag Fraktionen CDU und SPD - Drs. 6/176

Änderungsantrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 6/202

Einbringer ist der Abgeordnete Thomas. Ich erteile ihm das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sachsen-Anhalts Braunkohle kann auf eine lange Geschichte und Tradition zurückblicken.

(Herr Lange, DIE LINKE: Mehrere Millionen Jahre!)

Bereits im Jahr 1382 erfolgte der erste Abbau in der Nähe von Lieskau. In dieser Zeit und bis zur

industriellen Revolution galt Braunkohle als Brennstoff der armen Leute. Später dann machte die Braunkohle als Brikett Karriere. Heute liefert sie ein Viertel des deutschen Stroms.

Braunkohle ist aber nicht nur ein energischer Rohstoff - sie ist im Übrigen der einzige Rohstoff, der langfristig und subventionsfrei in Deutschland verfügbar ist -; vielmehr ist die Braunkohle ein wichtiger Rohstoff für die chemische Industrie. So ist es nicht verwunderlich, dass sich im Laufe der Jahrzehnte des zurückliegenden Jahrhunderts auch die chemische Industrie im mitteldeutschen Revier angesiedelt hat.

Das war auch die Zeit, in der sich die Braunkohle zu einem Hightech-Stoff entwickelte. Ich möchte Sie an die Herstellung des synthetischen Benzins erinnern, die so genannte Kohleverflüssigung, die eng mit dem Namen der Leuna-Werke verbunden ist.

Aber nicht nur für Treibstoffe, auch für so genannte technische Fette und Öle ist die Braunkohle ein wichtiger Grundstoff. Ich erinnere an die Firma Addinol, die noch heute erfolgreich am Markt diesbezügliche Produkte anbietet und vertreibt.

Zu DDR-Zeiten erlebte die Braunkohle ihre größte Bedeutung - vornehmlich als Energieträger. Der Raubbau und die extremen Umweltbelastungen führten schließlich dazu, dass mit der friedlichen Revolution der größte Teil der Braunkohleindustrie zur Disposition stand.

Ich möchte auch daran erinnern, dass es kein anderer als Helmut Kohl war, der noch an eine Zukunft der chemischen Industrie und auch der Braunkohleförderung in Mitteldeutschland glaubte.

(Zustimmung von Herrn Scheurell, CDU)

Sein Verdienst ist es, dass wir heute in Bitterfeld, Zeitz und Merseburg wieder auf eine äußerst prosperierende Branche verweisen können.

(Zustimmung bei der CDU - Unruhe bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! In der Chemie sind mittlerweile wieder mehr als 20 000 Menschen in Arbeit und in Sachsen-Anhalts Braunkohleindustrie mehr als 3 000 Arbeitnehmer beschäftigt. Mit dem Kraftwerk Lippendorf im Leipziger Land und dem Kraftwerk Schkopau erzeugen wir mit modernen und effizienten Anlagen Energie.

Herr Kollege, ich unterbreche Sie nur ungern, aber das Thema Braunkohleenergie setzt im Raum viel Energie frei, auch akustisch. Nun hatten wir eine kleine Atempause und können jetzt fortfahren. - Danke schön.

Vielen Dank, Herr Präsident. - In Sachsen-Anhalt haben wir moderne und effiziente Anlagen, die wir

dringend für unseren Energiemix und für die Sicherstellung der Grundlast benötigen. Wenn Sie so wollen, dann ist die Kohle die beste Rückversicherung für die Nutzung regenerativer Energien.

Warum erzähle ich Ihnen das alles? - Die Koalitionsfraktionen von CDU und SPD haben diesen Antrag natürlich nicht eingebracht, weil wir das Hohe Haus heute über die Historie und die Bedeutung der Braunkohle informieren wollen. Nein, bedauerlicherweise ist der Grund ein anderer.

Wenn man in den letzten Wochen die Verlautbarungen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Kenntnis nimmt, dann hat man leider nicht mehr das Gefühl, dass den GRÜNEN der Wirtschaftsstandort und die Arbeitsplätze in Sachsen-Anhalt besonders wichtig sind. Das ist zunächst auch wenig verwunderlich. Die Bürger haben sie in den zurückliegenden 20 Jahren leider nur als eine Partei wahrgenommen, die irgendwie gegen alles ist.

(Beifall bei der CDU)

Sie haben es hierzulande geschafft, gegen bisher jedes Infrastrukturprojekt zu Felde zu ziehen. Sie sind gegen den technischen Fortschritt. Sie waren sich nicht zu schade, auch die Zerstörungen auf Versuchsfeldern in Sachsen-Anhalt zu legitimieren.

Es gibt in Deutschland inzwischen beinahe keine einzige Infrastrukturmaßnahme mehr, und sei sie auch noch so klein, gegen die die GRÜNEN nicht zu Felde ziehen. Inzwischen kommen wir zwischen Ostsee und Alpen auf die traurige Zahl von 150 Projekten, bei denen die GRÜNEN Fortschritt, Entwicklung und Zukunft unseres schönen Landes verhindern wollen.