Protokoll der Sitzung vom 08.07.2011

Zwei Sätze zum Änderungsantrag kann ich mir doch nicht verkneifen. Ich habe mir die Augen gerieben, als ich den Antrag gelesen habe. Bisher bin ich davon ausgegangen, dass sich die Landesregierungen, wenn im Bundesrat ein Thema oder ein Antrag behandelt wird, im Vorfeld mit diesem Antrag beschäftigen und sich darüber austauschen, inwiefern sie diesem Antrag zustimmen können, sich der Stimme enthalten oder ihn ablehnen werden.

Es ist schon erstaunlich, dass in diesem Land die Koalitionsfraktionen die Landesregierung auffordern müssen, sich mit einem Berliner Antrag auseinanderzusetzen.

Dessen ungeachtet hätte man das schon längst tun müssen. Wir haben heute mehr als vage Aussagen dazu gehört. Eigentlich hätte schon im Mai 2011 im Bundesrat darüber debattiert werden sollen. Anscheinend hat man in der Landesregierung bisher noch nicht die Zeit dazu gefunden, sich über diesen Antrag auszutauschen. Ansonsten hätten wir sicherlich eine etwas andere Antwort bekom

men. Das ist mehr als traurig. - Wir werden dem Antrag der GRÜNEN zustimmen.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Als Nächster spricht in der Debatte Herr Wanzek von der Fraktion der SPD.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung, besser gesagt, das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, fördert seit 2002 eine Vielzahl zivilgesellschaftlicher Initiativen und Projektträger, die sich in ihren Kommunen für eine Stärkung der demokratischen Kultur einsetzen. Der Ansatz, dass die Akteure vor Ort die dortigen Gegebenheiten und Möglichkeiten am besten kennen, hat sich hierbei als richtig und für die Durchführung von Projekten als fruchtbar herausgestellt. Der Minister hat bereits ausgeführt, wie viele Projekte wir in Sachsen-Anhalt fördern und unterstützen.

Doch erst seit diesem Jahr wird die Demokratieerklärung nicht mehr nur als Anlage zum Förderbescheid mitgeschickt, sondern die Antragsteller müssen diese Erklärung unterschreiben, damit ihnen Fördermittel bewilligt werden. Sie ist somit eine Voraussetzung für die Förderung. Woher dieser Sinneswandel kommt und warum dies seit diesem Jahr so gemacht wird, ist mir unklar.

(Herr Striegel, GRÜNE: Frau Schröder!)

Die Träger müssen sich also nun aktiv zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik bekennen und bestätigen, dass sie eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit leisten. Gegen diesen Teil der Erklärung kann in unserem Hause doch niemand Einwände haben, auch wir als SPD nicht.

(Zustimmung bei der CDU)

Denn für Träger, die über die Programme „Toleranz fördern - Kompetenz stärken“ und „Initiative Demokratie stärken“ Fördermittel beantragen, sollte es selbstverständlich sein, sich für unsere Grundordnung einzusetzen.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

- Freuen Sie sich nicht zu früh, verehrte Kollegen von der CDU. - Als Problem sehen nicht nur viele Verbände und Gutachter, sondern auch Politiker, vor allem der SPD - auch dieser SPD -, die letzten beiden Sätze der Erklärung an. Dieser Passus, der zu Recht kritisiert wird, verlangt von dem Träger, dafür Sorge zu tragen, dass die in der konkreten Arbeitspraxis als Partner ausgewählten Organisa

tionen und Referenten ebenfalls daraufhin überprüft werden, ob sie treu zur Grundordnung stehen.

(Herr Striegel, GRÜNE: Dann stimmen Sie doch zu!)

Viele Verbände sind nun verunsichert und stellen sich die Frage, wie sie denn dafür Sorge tragen können, dass ihre Partner dies tun, wie sie das überprüfen können.

Unter Punkt 3 der Hinweise des Bundesministeriums zur Erklärung wird empfohlen, neben den Berichten der Verfassungsschutzbehörden auch Referenzen und Kontakte zu anderen Trägern, Medienberichte oder entsprechende Literatur zur Prüfung der Partner heranzuziehen. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man bedenkt, dass die meisten Verbände keinen großen Stab von festangestellten Mitarbeitern haben,

(Herr Kolze, CDU: Oh, doch!)

sondern auf ehrenamtliche Mitarbeiter und Helfer zurückgreifen, ist doch die Frage zu stellen: Wie sollen sie das leisten und woher bekommen sie die Qualifikation, das Geld und die Zeit, um aufwendige Recherchen und Dokumentationen zu erstellen?

(Zustimmung bei der SPD)

Die rechtlichen Probleme wurden von den Kollegen der GRÜNEN und der LINKEN bereits ausgeführt. Auch der Herr Minister hat sie angesprochen. Über diese Probleme ist zu diskutieren und zu beraten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei der Zusammenarbeit mit den Verbänden ist auch das Vertrauen, das hier öfter angesprochen wurde, für uns wichtig. Dieses Vertrauen ist durch eine solche Demokratieerklärung - die Kollegen von der CDU müssen sich auch einmal mit solchen Verbänden treffen und sich mit diesen unterhalten - gestört.

(Beifall bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! In Sachsen-Anhalt arbeiten gegenwärtig vier Träger von regionalen Beratungsteams und Opferberatungsstellen im Beratungsnetzwerk gegen Rechtsextremismus.

Das Netzwerk wird nach meinem letzten Kenntnisstand vom Land in diesem Jahr mit Mitteln in Höhe von 460 000 € und vom Bund mit Mitteln in Höhe von 250 000 € gefördert. Zur Weiterführung der Projekte könnte auf Bundesmittel nicht verzichtet werden. So kann man vermuten, dass die Demokratieerklärungen nur aus finanziellen Zwängen heraus und trotz aller Bedenken unterzeichnet worden sind.

(Frau Weiß, CDU, lacht)

Ob dies Sinn und Zweck der Demokratieerklärung ist, ist fraglich.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ja, der Entschließungsantrag von Berlin sollte schon behandelt werden, ist aber im Bundesrat vertagt worden, weil auch dort noch großer Diskussionsbedarf besteht.

Der Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen hat zum Ziel - wir danken den GRÜNEN dafür, dass sie den Antrag eingebracht haben -, dass die Landesregierung sich mit diesem Thema noch einmal intensiv beschäftigt und wir uns auch im Ausschuss noch einmal darüber unterhalten. Deswegen bitte ich Sie um Zustimmung zu diesem Änderungsantrag. - Danke.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Wanzek, es gibt eine Frage des Kollegen Striegel. Möchten Sie sie beantworten?

Ja, wenn ich kann.

Bitte, Herr Striegel.

Um Ihnen bei der Frage, woher die Änderung kommt, auf die Sprünge zu helfen: Das hat etwas mit dem Wechsel im Ministerium zu Frau Schröder zu tun. Ihr war das ein besonderes und persönliches Anliegen. - Das aber nur als Vorbemerkung.

Herr Wanzek, eines habe ich nicht verstanden. Sie haben als Position Ihrer Fraktion dafür plädiert, den zweiten Absatz zu streichen, weil Sie ihn ebenfalls für problematisch halten. Dem Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen entnehme ich aber, dass sich die Landesregierung damit lediglich auseinandersetzen soll.

Mich verwundert das; denn Herr Dorgerloh hat bekannt gegeben, die Behandlung des entsprechenden Antrages sei im Bundesrat vertagt worden und man könne sich in den Ausschüssen dazu verständigen, bevor die Landesregierung eine Position im Bundesrat entwickelt.

Ihrem Antrag entnehme ich, dass im Ausschuss für Bildung und Kultur und im Ausschuss für Inneres über die Ergebnisse der Behandlung der Entschließung des Landes Berlin im Bundesrat berichtet werden soll, das heißt, nachdem dort eine Entscheidung getroffen wurde. Wie passt das zusammen?

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Die nächste Sitzung des Ausschusses für Bildung und Kultur wird vor der Entschließung stattfinden, sodass wir uns vorher noch einmal darüber unterhalten können. Das steht zwar nicht in dem Antrag, aber man kann es trotzdem machen.

(Frau Bull, DIE LINKE: Sie müssen erst ein- mal den Selbstbefassungsantrag durchkrie- gen! - Frau Lüddemann, GRÜNE: Das mer- ke ich mir!)

Den zweiten Teil Ihrer Frage habe ich vergessen.

Wie wird die SPD abstimmen?

Dem Änderungsantrag werden wir zustimmen. Herr Kollege, Sie sind schon länger im Geschäft und wissen wie es läuft, wenn sich eine Koalition in manchen Punkten uneinig ist.

(Herr Borgwardt, CDU: Das wissen sie noch nicht!)

- Okay, aber er hat es als Mitarbeiter mitbekommen. - Sie wissen, wie das läuft. Man enthält sich der Stimme. Gleichwohl kann sich die Landesregierung noch einmal damit beschäftigen und vielleicht können sich unsere Minister, wenn sie die Argumente vorbringen, durchsetzen.

Weitere Nachfragen gibt es nicht. - Der Einbringer, die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN könnte, wenn sie denn möchte, noch einmal das Wort ergreifen. Herr Kollege Striegel, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Weigelt, ich bin dankbar dafür, von Ihnen attestiert zu bekommen, dass wir an der Verfassung verzweifeln. Ich kann Sie an der Stelle beruhigen. Ich jedenfalls verzweifle nicht an der Verfassung, aber ich verzweifle an denjenigen, die hier vorgeben, sie schützen zu wollen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN - Herr Weigelt, CDU: So viel Narziss- mus! - Frau Bull, DIE LINKE: Das sagt der Richtige!)

Ihr Bekenntniszwang höhlt die Demokratie aus. Ihr Bekenntniszwang gefährdet die Demokratie. Wenn Sie sich bis gestern zurückerinnern können,

(Heiterkeit bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)