Protokoll der Sitzung vom 08.07.2011

Wenn man genau weiß, was mit dem Geld passiert, das man einsetzt, dann kann man auch dessen Wirkung klarer beschreiben. Das finde ich wirklich spannend. Zugegebenermaßen muss man dafür am Anfang etwas mehr investieren. Dabei handelt es sich aber weniger um Geld als vielmehr um Geist und Kreativität. Ich bin zutiefst davon überzeugt, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass sich dieser Effekt auszahlen wird.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN)

Außerdem werden Erklärungen durch diesen Prozess einfacher. Das finde ich auch ziemlich spannend. Man kann Begründungszusammenhänge einfacher darstellen und genauer erklären, warum man an einer bestimmten Haushaltsstelle mehr oder weniger, viel oder gar kein Geld einsetzt.

Das setzt voraus, dass mit dem Einsatz von Mitteln ein bestimmtes Ziel verbunden ist - das ist heute auch schon zur Sprache gekommen. Ich denke, das ist eine Richtung, in die wir alle gemeinsam arbeiten wollen.

Der Gedanke des Gender-Budgeting, der geschlechtergerechten Haushaltsführung, knüpft an die modernen Steuerungsmethoden zur Haushaltsaufstellung nahtlos an. Insbesondere den Finanzerinnen und Finanzern wird es nicht unbekannt vorkommen, was ich hier vortrage. Ob das Budgets sind, der Produkthaushalt oder die Kosten- und Leistungsrechnung - alle übergreifenden Steuerungsmethoden sind für eine Implementierung von Gender-Budgeting geradezu geschaffen.

Deswegen haben wir als GRÜNE aus der außerparlamentarischen Opposition heraus den Beschluss des Landtags der fünften Wahlperiode vom Februar 2011 sehr begrüßt. Es wird Ihnen nicht verborgen geblieben sein, dass wir an diesen Beschluss nahtlos anknüpfen. Und wir entwickeln ihn ein kleines Stückchen weiter.

Es ist uns klar, dass ein gutes und umfassendes Konzept nicht von jetzt auf sofort vorgelegt werden kann. Das ist auch nicht wünschenswert; denn das Konzept soll ja tragen. Deswegen schlagen wir vor, dass es erst für den Doppelhaushalt 2014/ 2015 verbindlich sein soll, so es denn weiter Doppelhaushalte geben sollte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gender-Budgeting bringt Nutzen für alle, zuvörderst natürlich für

die Gleichstellung von Frauen und Männern. Es bringt aber auch einen Nutzen dadurch, dass Ressourcen zielgerichteter eingesetzt werden können. Das ist ein unschätzbarer Vorteil insbesondere in einem Land, das wenige Ressourcen zu verteilen hat.

Zusätzlich wird durch Gender-Budgeting die Transparenz gefördert und die Partizipation ausgeweitet. Vielleicht kennen Sie das alles aus anderen Zusammenhängen: Für die Akzeptanz einer Entscheidung ist manchmal nicht entscheidend, dass sie dem entspricht, was man selbst vorher wollte. Wichtig ist, dass man weiß, wie der Weg entstanden ist, der zu dieser Entscheidung geführt hat. Das wird durch Gender-Budgeting ausnahmslos gefördert.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN)

Last, but not least: Die Wirtschaftlichkeit der gesamten Haushaltsaufstellung erhöht sich ebenfalls deutlich.

Dass das alles nicht exotisch ist, was wir hier vorschlagen, zeigen Beispiele aus Deutschland, beispielsweise aus dem Land Berlin, das seit Jahren nach diesem Prinzip arbeitet, oder aus München, und Beispiele aus Österreich oder aus dem Kanton Bern. Ich könnte noch viele andere Beispiele nennen.

Zu Berlin bestehen ja schon Kontakte. Wir hatten die Staatssekretärin schon hier im Land, zu einer Veranstaltung.

(Herr Leimbach, CDU: Wer ist „wir“?)

Ich denke, daran kann man gut anknüpfen.

Im Unterschied zu dem Antrag der Koalitionsfraktionen ist unser Antrag ein wenig dezidierter, ein wenig fordernder. Er ist mehr auf Zahlen und konkrete Daten ausgelegt. Wir glauben, Neuerungen in der Verwaltung lassen sich nur mit klaren Zielvorstellungen und -vorgaben umsetzen. Deswegen bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag. Ich freue mich auf eine sachorientierte Weiterarbeit in diesem Bereich. - Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es gibt eine Frage, Frau Lüddemann. Möchten Sie die Frage beantworten? - Bitte sehr, Herr Schulz.

Die Frage ist ganz kurz, Frau Lüddemann. Sie haben die Fußballweltmeisterschaft der Damen angesprochen. Mich als Laie würde interessieren, ob es geschlechtergerecht ist, wenn Männer und Frauen getrennt spielen, oder ob sie nach einer

festen Quote zusammenspielen sollten. Was wäre aus Ihrer Sicht richtig?

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU - Unruhe bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Herr Lange, DIE LINKE: Das nennt man Niveau- Limbo!)

Das ist jetzt nicht wahr! Eine solche Frage beantworte ich nach dieser Rede nicht.

Für die CDU-Fraktion spricht die Abgeordnete Frau Feußner.

Frau Präsidentin! Meine Kollegen Abgeordneten! Der Antrag der GRÜNEN bezieht sich auf einen Beschluss vom 19. Januar 2011, also auf einen Beschluss des Vorgängerparlaments, den wir hier vor noch nicht einmal einem halben Jahr mehrheitlich verabschiedet haben.

Frau Lüddemann hat bemerkt, dass der Antrag mitnichten bis heute erfüllt sei. Aus meiner Sicht war die Zeit dafür einfach zu kurz. Das kann man gar nicht so schnell lösen und umsetzen. Ich habe aber auch noch keinerlei Bemühungen der Landesregierung bemerkt, diesen Beschluss aus der vorangegangenen Legislaturperiodeperiode wirklich umzusetzen.

(Zustimmung von Herrn Schulz, CDU - Bei- fall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Man kann hier viel darüber diskutieren, ob der Antrag der Fraktion der Bündnisgrünen

(Frau Lüddemann, GRÜNE: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN!)

- jetzt war mir der Name entfallen; BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - zum gegenwärtigen Zeitpunkt überhaupt gerechtfertigt ist. Sie können natürlich immer Anträge stellen. Es wäre der Sache aber vielleicht dienlicher gewesen, in den entsprechenden Ausschüssen erst einmal nachzufragen, wie weit die Arbeit der Landesregierung fortgeschritten ist. Wenn man damit unzufrieden ist, dann kann man noch einen Antrag hinterherschicken. Sie können es machen, wie Sie es für richtig halten. Man muss der Landesregierung aber auch ein bisschen Zeit geben, um sich mit dieser Sache des Gender-Budgeting auseinandersetzen zu können.

(Zustimmung von Herrn Krause, Zerbst, CDU , und von Herrn Keindorf, CDU)

So viel zu den Vorbemerkungen. Ich möchte dann ein bisschen umfangreicher etwas zu dem Thema Gender-Budgeting allgemein sagen.

Sehr verehrte Abgeordnete! Die öffentlichen Haushalte umfassen in der Regel in ihrer Planung Ein

nahmen und Ausgaben. Da bilden sich auch Verteilungsverhältnisse ab und diese sind in der Regel Ausdruck von politischer Prioritätensetzung. Die Haushaltsplanung - in diesem Falle auch die Budgetierung - ist daher ein nicht zu unterschätzendes Steuerelement im Haushalt. Eine tatsächliche Gleichstellung zu erzielen bedeutet also auch eine gleichstellungsorientierte Gestaltung eines Haushalts. Geschlechterneutrale Haushalte, wie wir sie bisher praktizieren, verstärken hingegen regelmäßig bestehende Ungleichheiten. Das ist tatsächlich so.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Gender-Budgeting verfolgt also eine Teilstrategie von Gender-Mainstreaming und hat das Ziel, die Gleichstellung auch im Bereich der Finanz- und Haushaltspolitik herzustellen. Das ist erst einmal richtig.

Eine gender- oder gleichstellungsorientierte Gestaltung eines Haushaltsverfahrens heißt also, dass man eine Haushaltsaufstellung, eine Haushaltsausführung und eine Haushaltsrechnungslegung im Sinne der Gleichstellungsorientierung praktiziert. Das Haushaltsverfahren ist also daraufhin zu analysieren, welche Wirkungen die Entscheidungen über Ausgaben und Einnahmen auf Lebenslagen von - das sage ich ganz bewusst - Frauen und Männern hat. Es geht nicht nur im die Frauenthematik allgemein, sondern darum, welche Auswirkungen das auf Frauen und Männer hat.

(Zustimmung bei der CDU, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Wenn man das will, wenn man eine tatsächliche Gleichstellung von Männern und Frauen erreichen will, dann reicht es nicht, schnell einmal die Gleichstellung in die Verfassung zu schreiben oder ein Gleichstellungsgesetz oder ein Frauenförderungsgesetz zu schreiben. Vielmehr muss man darauf achten, dass auch die ökonomischen Ströme - in diesem Fall in unserem Haushalt - richtig verteilt sind.

(Zustimmung von Frau Tiedge, DIE LINKE)

Es geht also um geschlechterbezogene Daten. Diese sind als Steuerungsinstrument sehr wichtig. Denn wenn man sie nicht hat, dann kann man auch keinen gleichstellungsorientierten Haushalt aufstellen. Man braucht erst einmal entsprechende Daten und diese müssen wir von der Landesregierung abfordern. Das ist unsere Aufgabe. Es ist Aufgabe des Parlaments, diese Daten erst einmal erheben zu lassen, um dann entsprechende Ansätze in der Haushaltspolitik umsetzen zu können.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Die Informationen, die Geschlechterverhältnisse abbilden, müssen dann vonseiten der Verwaltung umgesetzt werden. Sie muss klare Vorgaben von uns als Parlament bekommen. Dann können wir im

Sinne der Kontrolle und Steuerung die Verwaltung bzw. die Landesregierung, die die Haushaltsaufstellung vornimmt, kontrollieren.

Das erst einmal zur Erläuterung für einige hier im Raum, was Gender-Budgeting in diesem Falle heißt.

(Zustimmung bei der CDU)

Deshalb ist es ein bisschen zu allgemein gesehen, wenn man sagt: Gender-Budgeting - jetzt wollen die auch noch ihren Frauenkram in den Haushalt aufnehmen. - Ich betone es noch einmal ganz bewusst: Es geht hierbei um eine geschlechterspezifische Aufstellung des Haushalts. - Diese kann man nicht in allen Bereichen durchführen. Da muss man klein anfangen. Da muss man sich einen Bereich aussuchen, muss sich entsprechendes Datenmaterial besorgen, und dann kann man schauen, ob das Einfluss auf Mann oder Frau hat, um den Haushalt entsprechend aufzustellen.

Bisher konnten wir feststellen, dass geschlechterspezifische Aspekte in manchen Ministerien eine viel zu geringe Rolle spielen bzw. in manchen Häusern bisher gar keine Rolle gespielt haben. Das muss man ehrlich zugeben.

(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Da bleiben aus meiner Sicht öffentliche Bekenntnisse zur Gleichstellungspolitik wirklich nur Lippenbekenntnisse.

(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)