Protokoll der Sitzung vom 08.07.2011

Es ist also die Frage zu stellen: Was ist das politische Ziel? - Zum Beispiel weniger Schulabbrecher zu haben. Das ist noch nicht in dem jetzigen Doppelhaushalt, der avisiert ist, vorgesehen; das gebe ich gern zu. Aber ich habe schon vor Monaten hier erzählt, dass das im Moment nicht mein Schwerpunkt ist.

Die KLR wird über alle Einzelpläne ausgerollt, wie es so schön heißt. Das heißt, die Ressorts müssen erstmals aufzeigen, wie sie mit eigenen Zielvorstellungen den Mitteleinsatz rechtfertigen.

Dann wird als nächstes die Politikfeldsteuerung einem Haushalt unterstellt. Baden-Württemberg und andere machen das auch. Da gibt es ein so genanntes Führungsinformationssystem. Man gibt sich selbst bestimmte Ziele vor, muss diese regelmäßig dem Parlament gegenüber vertreten. Gender-Budgeting ist eine von verschiedenen Zieloptionen.

Ich habe Ihren Antrag sehr genau gelesen. Sie schreiben darin, dass sich angeblich zu wenig Lehrerinnen und Lehrer auf die Ergebnisse der Schüler auswirken.

Erstens - das habe ich mit einem Augenzwinkern schon einmal im Ausschuss gesagt - müssten wir eigentlich ein Förderprogramm für Jungen auflegen; denn sie haben die schlechteren Ergebnisse.

(Zustimmung bei der SPD - Zuruf von Frau Feußner, CDU)

- Ja, wenn man es rein von den Ergebnissen her sieht.

Zweitens kann der Haushalt keine Lehrinhalte festlegen. Das ist eine Fachdebatte unter Bildungspoli

tikern. Deswegen werde ich mich immer ein bisschen dagegen wehren, dass man so tut, als ob mit Geld alle Probleme gelöst werden könnten.

Die Politikfeldsteuerung selbst, die wir mit dem nächsten Doppelhaushalt einführen wollen - deswegen treffen wir uns bei dem Antrag wieder; aber das habe ich im Parlament schon mehrfach gesagt -, wird natürlich eine Zieldebatte im Parlament nach sich ziehen.

Denn eines ist auch klar: Sie können nicht die Priorität aller Politikbereiche ausrufen. Das heißt, Sie haben Zielkonflikte. Diese müssen Sie aushalten.

Wenn Sie eine Gruppe, eine gesellschaftliche Schicht bevorteilen oder ein Ziel definieren, müssen Sie andere Ziele zurücksetzen, weil erstens das Geld nicht für alles reichen wird und weil es zweitens nicht sinnvoll ist, alles gleichmäßig anzusteuern und zum Schwerpunkt zu erheben. Das wollen wir diskutieren.

Ich habe übrigens - das kann ich Ihnen gern zur Verfügung stellen - in den letzten Monaten gemeinsam mit Studierenden einer Hochschule in Berlin - das war sehr spannend - eine solche Zieldiskussion geführt. Wir haben verschiedene Schwerpunkte definiert, die Sachsen-Anhalt voranbringen sollen, und dann überlegt, ob man auch bereit wäre, Mittel aus anderen Bereichen, die nicht so prioritär sind, umzuschichten.

Ich nenne nur einmal die Diskussion Stadt - Land in Sachsen-Anhalt. Wir sind uns alle darin einig, dass eine Schwerpunktsetzung aus den Städten heraus erfolgt. Ich höre aber im selben Atemzug von denselben Rednerinnen und Rednern, man solle den ländlichen Raum nicht vernachlässigen.

Das ist bei all diesen Punkten so. Das heißt, Sie werden mich immer an Ihrer Seite finden. Aber stellen Sie sich diesen ganzen Prozess bitte nicht so einfach vor. Er zwingt uns nämlich, genauer hinzuschauen und Entscheidungen zu treffen, die auch nach außen begründet werden müssen.

Ich habe es mir auch angeschaut. Es gibt jetzt übrigens vom GISA eine fondsübergreifende Halbzeitbilanz der EU-Fonds in Sachsen-Anhalt - Strategiebericht 2010 - unter dem Gender-Aspekt. Das alles berücksichtigen wir. Das ist übrigens auch von der EU gefördert und gefordert. Dafür gibt es Geld und sie wollen auch die Ergebnisse haben.

Wir sind besser, als man uns gerade hingestellt hat. Ich will ein bisschen dem Eindruck entgegentreten, dass wir auf der einen Seite nur schlafen und dass es auf der anderen Seite nur weniger Entscheidungen bedarf, damit das automatisch von ganz allein mit Unterstützung aller passiert.

Ich freue mich über solche Debatten. Ich habe heute früh schon gesagt: Das Parlament soll sich nicht kleiner machen, als es ist. Wir können diese

Debatte im Rahmen der Haushaltsberatungen gern einmal führen. An der Haushaltssystematik scheitert es nicht.

Ich wage jedoch im Moment zu bezweifeln, dass das in allen Fraktionen mit einem Konzept mit Mehrheit durch alle Ausschüsse - nicht nur, dass man sich in jedem Ausschuss einig ist - getragen wird. Diese Skepsis lassen Sie mich bitte hier auch äußern.

Wenn wir diesen Haushalt mit den bekannten Eckwerten fertig haben, was, so glaube ich, im Moment prioritär ist, dann bin ich gern bereit, im Ausschuss oder in verschiedenen Ausschüssen über das Thema Politikfeldsteuerung, mit dem ich mich seit Jahren beschäftige - das wissen die meisten -, inhaltlich mit Ihnen zu reden und mir gemeinsam mit Ihnen Gedanken zu machen, wie wir den nächsten Haushalt ab 2014 unter solchen Gesichtspunkten vielleicht anders aufstellen. Aber ich denke, dabei sind Sie alle gefordert. - Schönen Dank.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Es gibt eine Frage, Herr Minister.

Herr Bullerjahn, ich war mir jetzt nicht sicher, worauf Ihr Redebeitrag hinausläuft. Am Anfang hatte ich das Gefühl, dass Sie uns vorhalten, wir könnten das doch alles schon längst machen, und dass wir dazu etwas vom Ministerium erwarten, sei „Schmönkes“. Zwischendurch haben Sie aber berichtet, dass Sie doch Aktivitäten betreiben.

Sind wir uns darin einig, dass die Landesregierung weiterhin anstrebt, ein Konzept zum Gender-Budgeting vorzulegen, sodass wir tatsächlich in den nächsten Jahren - über das Ziel werden wir dann abstimmen - dazu kommen, dass wir ein solches Konzept auch haben, das systematisch die Haushaltsvorbereitung betrifft?

Erstens möchte ich dem Eindruck entgegentreten, dass das bisher keine Diskussion gewesen wäre. Ich habe mehrfach im Ausschuss und im Parlament dazu Rede und Antwort stehen müssen. Es waren damals die LINKEN, die das sehr intensiv betrieben haben. Ich denke, die meisten wissen noch, dass wir das im Ausschuss mehrfach aufgerufen haben.

Zweitens - ich sage es noch einmal - wird man das nicht der Landesregierung allein überlassen können. Ich habe heute früh genau zugehört. Budgeting hat natürlich auch Folgen, nämlich genau das, was Sie heute früh abgelehnt haben. Wenn Sie Budgets bilden, die zielorientiert bestimmte Para

meter verfolgen, dann gibt es keine einzelnen Titel mehr. Das wissen Sie genauso gut wie ich.

(Frau Bull, DIE LINKE: Das sind zwei ver- schiedene Baustellen! - Herr Lange, DIE LIN- KE: Man darf die Worte nicht verwechseln!)

Deswegen bin ich auf diese Diskussion sehr gespannt. - Schönen Dank.

Danke sehr, Herr Minister. - Der Minister hat die Diskussion noch einmal eröffnet. Wünscht noch jemand, Anmerkungen zu machen? - Das sehe ich nicht. Dann beenden wir die Debatte.

Wir stimmen jetzt ab. Eine Überweisung ist nicht beantragt worden. Das ist richtig so? - Dann stimmen wir direkt zunächst über den Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen in der Drs. 6/195 ab. Wer zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Antragsteller. Wer ist dagegen? - Das ist die Fraktion DIE LINKE. Wer enthält sich der Stimme? - Das ist die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Damit ist der Änderungsantrag angenommen worden.

Wir stimmen jetzt über den Ursprungsantrag in der Drs. 6/155 in der soeben geänderten Fassung ab. Wer stimmt zu? - Die Koalitionsfraktionen. Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Die Oppositionsfraktionen. Damit ist das so beschlossen worden. Wir verlassen den Tagesordnungspunkt 14.

Wir haben etwas Vorlauf. Wir werden aber dennoch nach dem folgenden Tagesordnungspunkt verfrüht in die Mittagspause eintreten.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 15 auf:

Beratung

Änderung des Gesetzes zur Leistungssteigerung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente (Instrumentenreform)

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 6/163

Alternativantrag Fraktionen CDU und SPD - Drs. 6/196

Einbringerin ist die Abgeordnete Frau Dirlich. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Parlamentarische Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales Dr. Ralf Brauksiepe begann seine Rede zur Einbringung des so genannten Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt mit den Worten:

„An Erfolgsmeldungen vom Arbeitsmarkt haben wir uns gewöhnt.“

Wie Sie wissen, meine Damen und Herren, bewerten wir die Erfolge am Arbeitsmarkt sehr wohl anders als Sie. Wir haben in diesem Haus schon mehrfach über die Ausweitung des Niedriglohnsektors und die Folgen dieser Entwicklung gesprochen. An diesem Satz wird aber deutlich, dass der Irrglaube, der Markt wird es schon richten, inzwischen die Gesetzgebung zur Arbeitsförderung erreicht hat.

Man berauscht sich an Zahlen, verbreitet den Eindruck, als würde sich das Problem nächstens von selbst lösen, und blendet dabei die Probleme der Langzeitarbeitslosen genauso aus wie die Strukturschwäche der ostdeutschen Bundesländer.

Der Anspruch, den die Bundesregierung an sich selbst stellt, ist hoch. Sie will Effektivität und Effizienz erreichen und verbessern. Sie will dezentrale Entscheidungskompetenzen gezielt stärken. Sie will die Arbeitsmarktinstrumente einfacher, transparenter und übersichtlicher machen. Sie will schneller und passgenauer unterstützen und zweckmäßig kontrollieren. Sie will das Instrumentarium flexibel und auf den individuellen Bedarf ausgerichtet einsetzen. - Und morgen, liebe Kinder, erzähle ich euch ein anderes altes Märchen.

Aber ein wenig Wahrheit ist im Gesetzentwurf auch zu finden, zumindest im Bearbeitungsstand vom 6. April 2011. Das Problem und das Ziel sind nämlich in den folgenden Sätzen beschrieben:

„Nach dem von der Bundesregierung im Juni 2010 beschlossenen Zukunftspaket muss die Bundesagentur für Arbeit Effizienzsteigerungen und strukturelle Einsparungen in Höhe von 2,5 Milliarden € im Jahr 2012 und von jeweils 3 Milliarden € ab dem Jahr 2013 haushaltswirksam werden lassen. Die Begrenzung der Haushaltsmittel für die aktive Arbeitsförderung erfordert innovative Ansätze, um Ausbildungs- und Arbeitsuchende in angemessenem Umfang bei“

- jetzt wird es interessant -

„der raschen Integration in Ausbildung bzw. ungeförderte Erwerbstätigkeit unterstützen zu können.“

Diese Wahrheit wurde in der Sitzung des Bundestages am letzten Freitag vehement bestritten. Bestritten wurden sowohl der Sparzwang als Ausgangspunkt für das Gesetz als auch die Tatsache, dass in der Arbeitsförderung offensichtlich dazu übergegangen werden soll, die Förderung von Menschen, die nicht kurzfristig in den so genannten ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden können, praktisch einzustellen.

„Öffentlich geförderte Beschäftigung für Langzeitarbeitslose wird faktisch abgeschafft“ - so urteilt der Paritätische Gesamtverband in seiner Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf.