„Öffentlich geförderte Beschäftigung für Langzeitarbeitslose wird faktisch abgeschafft“ - so urteilt der Paritätische Gesamtverband in seiner Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf.
„Im Rahmen der Instrumente, die sie einsetzen kann, bekennt sich die Bundesregierung ausdrücklich zur öffentlich geförderten Beschäftigung.“
Einmal abgesehen davon, dass der Satz schon mit einer Einschränkung beginnt, muss man sich die Ausgestaltung der Arbeitsgelegenheiten - im Volksmund Ein-Euro-Jobs - genauer anschauen.
In Zukunft soll die Trägerpauschale, die für die Organisation von Projekten, für die materielle Absicherung - Miete, Heizung -, für die Absicherung der Maßnahmeteilnehmerinnen - also zum Beispiel für ihre Berufsgenossenschaftsanteile und für andere Dinge - und für noch Weiteres gebraucht wird, 30 € betragen. Für Teilnehmerinnen, die einen erhöhten Betreuungs- und Beratungsbedarf haben, kann der Zuschuss um bis zu 120 € erhöht werden.
Was heißt das für die Träger von Projekten? - Entweder können sie überhaupt keine Begleitung und Betreuung mehr anbieten oder sie müssen für jede Teilnehmerin einen besonderen Anleitungsbedarf nachweisen. So soll es im Gesetz stehen.
Im Grunde müssen sie das für jeden Einzelnen tun. Was das für ein Aufwand ist, brauche ich hoffentlich nicht zu erklären. Offensichtlich wird davon ausgegangen, dass die Träger keinen Verwaltungsaufwand haben und das bisschen, was jetzt darin steht, nebenbei und „für lau“ hinbekommen.
Es kommt hinzu, dass die Wettbewerbsneutralität, die bisher nur in den Ausführungsbestimmungen enthalten war, Gesetzeskraft erlangen soll. Das wird die Möglichkeiten für Projekte noch weiter einschränken.
Kritikerinnen machen darauf aufmerksam, dass die Teilnehmerinnen an solchen Maßnahmen so nah wie möglich an den Arbeitsmarkt geführt werden müssen. Durch diese Regelung aber wird die Arbeitsmarktferne solcher Projekte zementiert, die dann allerdings hinterher mit dem Vorwurf konfrontiert werden, dass sie nicht in den ersten Arbeitsmarkt führen. Na prima! Wie denn bitte auch?
Auch längerfristige Beschäftigungsangebote, wie sie mit dem Beschäftigungszuschuss nach § 16e SGB II bisher möglich waren, sollen den arbeitsmarktfernsten Personen zukünftig vorenthalten bleiben. Auch die letzte Möglichkeit, durch eine Maßnahme der öffentlich geförderten Beschäftigung zu einem richtigen Arbeitsvertrag zu kommen, nämlich die Arbeitsgelegenheiten in der Entgeltvariante, wird abgeschafft.
Die Gutscheinlösung wird, wenn sie nicht mit Betreuung oder Begleitung ergänzt wird, ebenfalls dazu führen, dass benachteiligte Personen an den Rand gedrängt werden. Das hat im Übrigen auch die Wirkungsforschung ergeben. Sie hat festge
stellt, dass Gutscheine von diesem Personenkreis weitaus weniger in Anspruch genommen werden. Da das bekannt ist - wozu hat man schließlich Wirkungsforschung betrieben? -, darf ich davon ausgehen, dass diese Wirkung beabsichtigt ist.
All das macht deutlich, dass die Bundesregierung alle diejenigen Erwerbslosen abschreiben will, die nicht kurzfristig und kostengünstig in ungeförderte Arbeit zu vermitteln sind.
An dieser Stelle muss auf die gesellschaftliche Dimension aufmerksam gemacht werden, die mit dieser Entwicklung einhergeht.
Wie Sie wissen, konnten wir den Hartz-Gesetzen noch nie sehr viel abgewinnen. Zu den ganz wenigen Vorteilen zählte aber immerhin, dass auch Sozialhilfeempfängerinnen Arbeitsmarktmaßnahmen angeboten werden konnten, was vor Hartz IV nicht oder kaum der Fall war.
Wenn mit der Reform, über wir jetzt reden, auch noch dieser letzte Vorteil wegfällt, was bleibt dann von der angeblich allergrößten Arbeitsmarktreform der Nachkriegszeit - wir haben solche Vokabeln ja schon gehört - noch übrig? - Übrig bleibt die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe. Das hätte man wirklich billiger haben können.
Immer einmal wieder wird betont, dass es nicht Aufgabe des SGB II ist, Beschäftigungsgesellschaften zu finanzieren. Bei dieser Binsenwahrheit vergisst man, dass es ohne Betreuungsstrukturen eben auch keine Betreuung mehr gibt. Es geht nicht um den Bestand der Strukturen, meine Damen und Herren von der Koalition, sondern es geht um den Bestand von Begleitung und Betreuung von erwerbslosen Hilfebedürftigen.
Immer einmal wieder wird der Fachkräftemangel beschworen. Wir wissen, dass das nicht erfunden wurde. Der Gesetzentwurf tut allerdings nichts, um diesem Fachkräftemangel mit einer wirksamen Politik zur Umschulung und Weiterbildung zu begegnen. Im Gegenteil: Schon in diesem Jahr ist die Zahl der Neueintritte in solche Maßnahmen um etwa ein Drittel zurückgegangen.
Auch angesichts des demografischen Wandels kann sich eine so hochqualifizierte und so hochspezialisierte Gesellschaft wie unsere einen so hohen Anteil unqualifizierter Arbeitskräfte, wie sie ihn zurzeit hat, nicht leisten.
Das ist keineswegs ein Problem der älteren Arbeitslosen. Aber gerade für die Älteren, die oft auch ausreichend motiviert sind, ist Weiterbildung eigentlich d i e Möglichkeit für einen Neuanfang.
Ein beredtes Beispiel dafür ist die Altenpflegeausbildung, für die zwischenzeitlich eine Lösung zur vollständigen Finanzierung gefunden worden war. Nun ist die Finanzierung des dritten Jahres wieder
offen und der bereits jetzt herrschende Mangel an Fachkräften in diesem Bereich wird unnötig verstärkt. Erfahrungen von Bildungsträgern haben übrigens gezeigt, dass die in diesem Bereich Weitergebildeten zu nahezu 100 % vermittelt werden konnten. Meine Damen und Herren, das könnte effektive Arbeitsmarktpolitik sein.
Vehement kritisieren muss man die Tatsache, dass der Rechtsanspruch auf eine Förderung mittels einer Maßnahme zur Aktivierung oder einer beruflichen Eingliederung nach sechsmonatiger Arbeitslosigkeit, wie er jetzt im SGB III steht, abgeschafft wird.
Es ist Augenwischerei, zu behaupten, man würde die Flexibilität vor Ort und eine Betrachtung des Einzelnen ermöglichen und stärken nach dem Motto: „Der Fallmanager kann individuell auf die Stärken und Schwächen eingehen“.
Wenn nämlich die finanziellen Spielräume gleichzeitig derart beschnitten werden, wie es jetzt der Fall ist, bleibt den Vermittlerinnen vor Ort letztlich nur noch der Spielraum, die Maßnahme dankend abzulehnen. So sieht dann das Ermessen aus, das Fallmanagerinnen vor Ort noch haben.
Die Diakonie in Mitteldeutschland stellt fest: Arbeitsmarktpolitik soll einen aktiven Beitrag zum Abbau der sozialen Spaltung in unserer Gesellschaft leisten. Arbeitsmarktpolitik ist somit immer auch Sozialpolitik mit dem Ziel der sozialen Integration und der Verbesserung der gesellschaftlichen Teilhabe. Ihr Urteil zu diesem Gesetzentwurf lautet: Hier verfehlt der Gesetzentwurf seinen politischen Auftrag einer gelingenden Arbeitsmarktpolitik.
Dass diese weitreichenden Änderungen praktisch ohne Begleitung, zumindest aber ohne die Zustimmung der Länder einholen zu müssen, verabschiedet werden sollen, macht den Skandal aus unserer Sicht perfekt.
Sehr geehrte Damen und Herren von der Koalition, das können Sie nicht ernsthaft wollen oder auch nur dulden. Entschuldigen Sie bitte, aber Ihre pflaumenweiche Formulierung in diesem Alternativantrag, die der Regierung Beifall klatschen möchte, wird den massiven Einwänden von Akteuren auf dem Arbeitsmarkt wirklich nicht gerecht.
Wir sollten uns jedenfalls der Mühe unterziehen, die einzelnen Kritikpunkte im Ausschuss zu beraten und genauer hinzuschauen, an welchen Stellen wir als Landtag von Sachsen-Anhalt weiteren Änderungsbedarf sehen.
Aus unserer Sicht jedenfalls reichen die im Alternativantrag benannten Punkte, die ich nicht geringschätze, bei Weitem nicht aus. Deshalb wollen wir Ihnen den Vorschlag machen, zunächst über beide Anträge im Ausschuss zu beraten, uns mit
den Kritikpunkten im Einzelnen zu beschäftigen und dann für uns insgesamt als Sozialausschuss festzustellen, welche Punkte wir an die Bundesebene und an die Landesebene, an die Landesregierung, zur weiteren Bearbeitung weitergeben wollen.
Wir sollten es uns nicht so leicht machen, heute einfach diesen Alternativantrag zu beschließen und damit die Diskussion im Ausschuss von vornherein auszuschließen.
Im Übrigen muss ich Ihnen auch sagen: Ich glaube nicht, dass Sie es damit vermeiden werden; denn wir sind hartnäckig. Sie kennen uns gut. - Danke für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Antrag der LINKEN soll die Landesregierung aufgefordert werden, sich im Bundesrat für eine Änderung des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt - landläufig Instrumentenreformgesetz genannt - einzusetzen.
Wenn ich die einzelnen Punkte Ihres Antrages lese, dann finde ich schon, dass es einige Schnittmengen gibt, über die wir hier vielleicht auch schon beraten haben. Ich beschäftige mich nun seit zwei oder drei Monaten damit, was im Hintergrund dieses Instrumentenreformgesetzes gemeint ist.
Generell sehe ich es in der Systematik erst einmal nicht so kritisch. Die bisherige Zuordnung der Instrumente ging nur nach der Dreiteilung Arbeitnehmer, Arbeitgeber, Träger. Das war einfach eingeteilt nach den Strukturen derer, die an diesem Markt beteiligt sind.
Jetzt ist es immerhin nach Unterstützungslagen geordnet, also nach Beratung und Vermittlung, nach Aktivierung, berufliche Eingliederung, Berufswahl, Berufsbildung, berufliche Weiterbildung, Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, verbleibende Beschäftigung, Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben.
Zumindest soweit ich mich damit beschäftigt habe, finde ich, dass die Strukturierung anders vorgenommen wird und jetzt die Instrumente gesucht werden, wie man dem besser gerecht werden kann.
Wichtig finde ich auch - das war gerade das Thema -, dass die Sprache gegendert ist. Das war sie vorher nicht. Das ist ein kleiner Fortschritt. Man
ches wird verbessert und vereinfacht. Überflüssige oder gegenstandslos gewordene Regelungen werden gestrichen.
Ob die Ansätze zu mehr Dezentralität, höherer Flexibilität und höherer Individualität umgesetzt werden können, hängt sicherlich vom Finanzvolumen ab. Das ist vielleicht der kritischere Punkt.
Aber ich will sagen: Auch wir wollen, dass sinnvolle Rechtsansprüche auf Arbeitsförderung erhalten bleiben und nicht dem Sparzwang geopfert werden. So wird die geplante Umwandlung des Gründungszuschusses für Existenzgründer, die als Ermessensleistung weitergeführt wird, von uns nicht begrüßt. Das ist auch nicht zu akzeptieren, weil das ein wesentliches Instrument war, das wir hier brauchen.
Auch wir wollen, dass die Instrumente des SGB II und des SGB III zur Beschäftigungsförderung so ausgestaltet werden, dass diese auch weiterhin sinnvoll zur Stabilisierung und Integration Langzeitarbeitsloser eingesetzt werden können.
Gerade für Familien, in denen bisher alle Erwachsenen arbeitslos sind - das habe ich gestern bereits gesagt - und die im besonderen Fokus unserer Arbeitsmarktpolitik stehen, können solche Maßnahmen wieder Hoffnung, Motivation bedeuten und ihnen neue berufliche Perspektiven vermitteln.
Auch wir wollen, dass im Bereich des SGB II die Passivleistungen aktiviert werden können. Das heißt, dass Mittel, die sonst für die Sicherung des Lebensunterhaltes sowie für Unterkunft und Heizung ausgegeben werden müssten, zur Schaffung von Arbeitsmöglichkeiten eingesetzt werden.
Nicht zuletzt wollen wir - damit hat uns der Landtag in der letzten oder vorletzten Sitzung beauftragt -, dass sich die Bundesagentur für Arbeit bei der Arbeitsvermittlung am tariflichen oder, wenn es keine Tarife gibt, zumindest an den ortsüblichen Standards orientiert und nicht in Niedriglohnjobs vermittelt.
Genau das haben wir in den letzten Wochen getan. Am heutigen Tag findet, soweit ich weiß, die Beratung im Bundesrat statt. In Bezug auf die Reform des SGB III hat sich die Landesregierung aktiv in das derzeit laufende Gesetzgebungsverfahren eingemischt, an einer Vielzahl von Änderungsanträgen, die diesen Gesetzentwurf besser machen, mitgearbeitet und sie auch unterstützt.