Protokoll der Sitzung vom 08.07.2011

Die Chancen der Arbeitslosen werden reduziert, wenn jetzt nicht an den Stellschrauben gedreht wird. Es muss das Ziel der Integration und der Teilhabe verfolgt werden. Deshalb werden wir dem

Antrag der LINKEN zustimmen. - Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Danke sehr, Frau Latta. - Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Steppuhn.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Antrag thematisiert DIE LINKE das geplante Gesetz der Bundesregierung zur Leistungssteigerung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente. Der Antrag bezieht sich auf sehr viele Teilaspekte, sodass es fast unmöglich ist, sie in dieser Debatte abzuhandeln. Deshalb, Frau Dirlich, wäre es manchmal auch ganz gut, nicht zu viel in einen einzigen Antrag hineinzuschreiben.

(Zuruf von Frau Dirlich, DIE LINKE)

Allerdings darf dabei auch nicht untergehen, dass in dem Antrag der LINKEN auch Forderungen und Schlussfolgerungen enthalten sind, die schlichtweg nicht zutreffen und auch nicht notwendig sind. Zugegebenermaßen enthält ihr Antrag jedoch auch Forderungen, die auch Forderungen der Sozialdemokratie sind. Das ist ein Grund dafür, dass sich die Koalitionsfraktionen dazu entschlossen haben, einen eigenen Alternativantrag einzubringen.

Sie fordern zum Beispiel längerfristige Förderstrategien für arbeitsmarktferne Personen, Frau Dirlich. Dazu muss ich Ihnen sagen, dass das heute schon möglich ist. Sie sprechen zum Beispiel das Thema Gutscheinlösung für arbeitsmarktferne Personen an. Auch das ist heute schon möglich. Die Frage ist natürlich, ob es überall praktiziert wird.

(Frau Dirlich, DIE LINKE: Natürlich!)

Ich glaube, unabhängig davon muss vorab schon einmal deutlich gemacht werden, dass die beabsichtigte Gesetzgebung zur Leistungssteigerung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente, die so genannte Instrumentenreform, mit der Kürzung von finanziellen Mitteln einhergeht, die der Bundesagentur für Arbeit zukünftig für die Arbeitsmarktintegration und insbesondere auch für die Weiterbildung fehlen werden. Deshalb, Herr Rotter, kann ich nicht so unkritisch sein, wenn es darum geht, was die CDU-FDP-geführte Bundesregierung in Berlin so treibt.

(Herr Rotter, CDU: Sie haben mich missver- standen! Ich sehe das nicht unkritisch!)

Eine Reduzierung der finanziellen Mittel um 25 % entspricht für unser Land Sachsen-Anhalt einer Reduzierung in der geschätzten Größenordung von 75 Millionen €. In diesem Umfang würden Mittel zukünftig bei der Arbeitsmarktintegration und

bei der Weiterbildung allein bei uns im Lande nicht mehr zur Verfügung stehen.

Ich glaube, die CDU-FDP-geführte Bundesregierung ist auf dem Holzweg, wenn sie die Fachkräfteentwicklung für die Zukunft positiv beeinflussen will - das wollen wir in diesem Hause auch -, gleichzeitig aber die Bundesagentur für Arbeit auffordert, genau in diesem Bereich, insbesondere bei den arbeitslosen Menschen, Einsparungen vorzunehmen.

Ich glaube, das ist höchst kontraproduktiv. Deshalb kann ein derartiges Gesetz zur Leistungssteigerung der Arbeitsmarktinstrumente im Ansatz schon nicht Erfolg versprechend sein, wenn man gleichzeitig die Mittel in gravierendem Umfang kürzt.

(Zustimmung von Frau Dirlich, DIE LINKE)

Bereits in den zurückliegenden Jahren war die Arbeitsmarktförderung im Übrigen der größte Einsparposten des Bundesfinanzministers Schäuble. Deshalb folgt die Instrumentenreform den Mittelkürzungen - umgekehrt wäre es wahrscheinlich sinnvoller. Deshalb glaube ich, dass das nicht unbedingt eine gute Reform wird, obwohl wir - der Minister hat es gesagt - natürlich einige Dinge zum Positiven beeinflussen werden. Mir kommt es ein bisschen so vor, als würde der Schwanz mit dem Hund wedeln. Umgekehrt wäre es eigentlich besser. Man sollte erst eine Instrumentenreform machen und dann schauen, welche Mittel man dafür braucht.

Nun komme ich zu einigen Punkten, die uns wichtig sind. Wir wollen als Koalitionsfraktionen natürlich die erfolgreichen Instrumente zur Unterstützung der frühzeitigen Berufsorientierung und zur Integration von Jugendlichen in die berufliche Erstausbildung entfristet und in das Regelinstrumentarium des SGB III integriert sehen.

Die Koalitionsfraktionen sind sich auch darüber einig, dass die Förderbedingungen für die Instrumente der öffentlich geförderten Beschäftigung so gestaltet werden sollten, das diese weiterhin zur Stabilisierung und zur Integration von Langzeitarbeitslosen genutzt werden können. Richtig wäre es wohl auch, dass die geplante Umwandlung von Fördermaßnahmen in Ermessensleistungen nicht stattfindet und insbesondere der Rechtsanspruch auf Gewährung eines Gründungszuschusses in der bisher geltenden Form erhalten bleibt.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

Darüber hinaus sind wir als Koalitionsfraktionen auch dafür, dass die Möglichkeiten zur Erprobung innovativer Ansätze der Arbeitsmarktpolitik im Rahmen der so genannten freien Förderung erweitert werden. Ich denke, dass sich gerade dieses Instrumentarium in der Vergangenheit bewährt hat.

Auch über Folgendes haben wir bereits während der letzten Landtagssitzung debattiert. Auch da

mals hat der Minister gesagt, dass wir doch auf einem guten Weg sind und dass man daran sieht, dass man als kleines Bundesland etwas bewegen kann. Wir wollen, dass der Vermittlungsauftrag der Bundesagentur präzisiert wird und dass es Regelungen gibt, die es der Arbeitsagentur zukünftig erlauben, Vermittlungen in Beschäftigungsverhältnisse, die nicht auf tariflicher oder ortsüblicher Grundlage entlohnt werden, abzulehnen.

Wir bitten daher die Landesregierung darum, sich gerade an dieser Stelle aktiv in das bisherige Bundesratsverfahren - das ist schon geschehen und das Verfahren wird hoffentlich auch erfolgreich abgeschlossen - zum Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt einzubringen und für die genannten Zielsetzungen zu werben und sich dafür einzusetzen.

Meine Damen und Herren! Es muss bei der Instrumentenreform auch um die zukünftige Ausgestaltung - das ist von allen Seiten angesprochen worden - der Arbeitsmarktpolitik gehen, die direkte Auswirkungen auf die Arbeitsmarktintegration von langzeitarbeitslosen Menschen hat. Hierbei müssen wir uns insbesondere - auch das ist angesprochen worden - um junge Menschen und um junge Familien kümmern. Dies sollte unser innovativer arbeitsmarktpolitischer Ansatz für die Zukunft sein. Deshalb bitte ich um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag.

Frau Dirlich, Sie haben angeregt, dass wir beide Anträge in die Ausschüsse überweisen sollten. Ich denke, während der letzten Ausschusssitzung ist deutlich geworden - die Koalitionsfraktionen haben das signalisiert -, dass wir jederzeit bereit sind, bei Bedarf auch das Thema Arbeitsmarktpolitik auf die Tagesordnung zu setzen, sodass es dieser Anträge eigentlich nicht bedarf. Es ist für uns eine Selbstverständlichkeit, das nach Bedarf zu behandeln, wie wir das angekündigt haben. - Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Frau Dirlich, Sie können darauf erwidern.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Steppuhn, auf das Letztere muss ich nun wirklich sofort reagieren. Ich weiß nicht, von welchem Ausschuss Sie sprachen. Die Ausschusssitzung, an die ich denke, hat genau das Gegenteil von dem gezeigt, was Sie gerade behauptet haben, nämlich dass Sie bei Bedarf jederzeit bereit sind, zu reden. Sie haben den Selbstbefassungsantrag strikt abgelehnt.

Ich wundere mich ein bisschen, dass Sie hier jetzt den Eindruck vermitteln, Sie hätten ihn angenom

men. Ich erinnere mich an etwas anders. Ich werde einmal nachsehen, was im Protokoll steht.

Zu unserem Antrag. Erstens. Unser Antrag, meine Damen und Herren, ist - das macht auch Ihr Alternativantrag deutlich - lediglich eine Auswahl. Ich habe auch hier schon eine Auswahl treffen müssen. Das zeigt aber vor allen Dingen, wie viel Änderungsbedarf mit Blick auf das Gesetz besteht, und nicht, wie viel wir herumzumeckern haben. Sie haben auch noch weitere, andere Akzente gesetzt. Deshalb wäre es auch möglich, dass diese beiden Anträge einander ergänzen.

Wir haben einfach den Vorschlag gemacht, über diese Dinge zu diskutieren. Wir haben in den vergangenen Jahren selten einmal Anträge direkt im Landtag beschlossen. Das ist in der Regel auch nicht der Ansatz eines Antrags. Vielmehr stellen wir natürlich Anträge, in denen wir zunächst unsere Position darstellen, unsere Auffassung deutlich machen.

Wir gehen natürlich davon aus, dass wir dann die Gelegenheit erhalten, im Ausschuss über die Dinge zu diskutieren und möglicherweise einen Kompromiss herbeizuführen. Wenn das im Ausschuss nicht möglich ist, dann kann man in den Landtag zurückgehen und kann immer noch sagen: Wir haben uns nicht einigen können und deshalb stimmen wir jetzt unterschiedlich ab. Aber diese Vorgehensweise, die Anliegen mit einer viertelstündigen Diskussion im Landtag abzubügeln, kenne ich so noch nicht.

Zweitens. Bekommen Sie eigentlich auch die Briefe von der Diakonie oder vom Paritätischen Wohlfahrtsverband? Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie sich nur an uns wenden. Wenn Sie sich diese Briefe durchlesen, dann werden Sie feststellen, dass es massive Einwände gegen diese Änderungen gibt und dass es auch massive Einwände dagegen gibt, dass das Gesetz nicht als Zustimmungsgesetz ausgestaltet wird, sodass der Bundesrat hierbei kaum Einfluss nehmen kann.

Mir ist bekannt, dass darüber bereits diskutiert wird. Ich habe auch schon die Ministerinnen aus dem Saarland und aus Nordrhein-Westfalen gehört, die im Übrigen genauso massive Einwände haben. Die Ministerin aus dem Saarland - sie gehört, wohlgemerkt, der CDU an - hat gerade im Hinblick auf die öffentlich geförderte Beschäftigung ähnliche Auffassungen vertreten wie ich. Ich muss sagen: Ich staune einen Bauklotz nach dem anderen. Ich würde mir wünschen, dass wir uns auch über solche Dinge im Ausschuss unterhalten könnten.

Haben Sie Kontakt zu Beschäftigungsgesellschaften in Ihrem Kreis? Haben Sie schon einmal davon gehört, dass diese im Moment ihrem Personal kündigen? Haben Sie davon gehört, dass in manchen Kreisen darüber nachgedacht wird, welche

Gesellschaft oder welche Träger überhaupt noch übrig bleiben können, für wie viele dann noch Arbeit da ist?

Ich habe vorhin gesagt, dass es mir nicht um die Strukturen geht, sondern dass es darum geht, dass Betreuungsangebote erhalten bleiben. Wir haben uns hier schon x-mal darüber unterhalten, dass die Leute, die jetzt noch arbeitslos sind, die langzeitarbeitslos sind, nicht weniger, sondern mehr Betreuung brauchen, also vom Arbeitsumfang her im Grunde genommen immer noch das brauchen, was jetzt vorhanden ist.

Jetzt wird allerdings ein Kahlschlag vorgenommen. Die Gesellschaften und die Träger entlassen ihre Leute oder sprechen zumindest vorsorglich Kündigungen aus, weil sie damit rechnen, dass ab April 2012 das Licht ausgeht. - Bekommen Sie solche Briefe nicht?

Drittens. Gutscheine sind jetzt schon möglich. Das weiß ich selbst. Es ist eben nicht die Frage, ob es praktiziert wird, sondern wie. Denn - das ist das, was die Wirkungsforschung gezeigt hat - diese Gutscheinlösung setzt fitte Leute voraus, die den Gutschein nehmen, sich einen entsprechenden Träger suchen, sich eine entsprechende Maßnahme suchen, sich einen Vermittler suchen, sich einen Bildungsträger suchen und sich in Zukunft auch einen Maßnahmeträger für den EinEuro-Job selbst suchen sollen. Das setzt fitte Leute voraus.

Menschen, die langzeitarbeitslos sind, sind eben nicht fit. Wenn Sie diese Gutscheinlösung umsetzen - es soll doch auch um das Fördern und Fordern gehen, sodass man sie für die Zukunft fit macht -, okay. Aber vielleicht muss man sie dabei zumindest in der ersten Zeit an die Hand nehmen. Doch genau das findet nicht statt. Deshalb steht darin: Es kommt darauf an, wie die Ausgestaltung dieser Gutscheinlösung aussieht, und nicht ob oder ob nicht. Darum geht es uns gar nicht.

Viertens. Die Deckungsfähigkeit von Aktiv- und Passivleistungen habe ich in Ihrem Alternativantrag vergeblich gesucht. Wenn der Minister sagt, dass das auch Ihr Anliegen ist, dann frage ich mich, warum das nicht in Ihrem Antrag steht.

Ich bitte Sie deshalb noch einmal: Stimmen Sie darüber heute nicht ab. Stimmen Sie das nicht durch. Überweisen Sie beide Anträge in den Ausschuss und lassen Sie uns dort in Ruhe diskutieren und uns dafür ausreichend Zeit nehmen. - Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Dirlich, es gibt eine Frage von Herrn Steppuhn.

Frau Dirlich, ich melde mich jetzt noch einmal, weil auch wir als Koalitionsfraktionen natürlich ein großes Interesse daran haben, im Arbeits- und Sozialausschuss zu einem guten Klima der Zusammenarbeit zu kommen. Deshalb möchte ich feststellen, dass wir zwar Ihren Antrag auf Selbstbefassung, der auf eine ständige Befassung mit dem Thema „Arbeitsmarktpolitik“ im Ausschuss abzielte, abgelehnt haben; wir haben aber gleichzeitig angeboten, dass wir bei Bedarf jederzeit bereit sind, uns mit diesem wichtigen Thema „Arbeitsmarktpolitik“ im Ausschuss zu befassen. Ich möchte Sie bitten, das zur Kenntnis zu nehmen.

Das Problem ist, dass ich leider zur Kenntnis genommen habe, dass es anders läuft als im Wirtschaftsausschuss. Die Damen und Herren, die dabei waren, werden sich daran erinnern, dass wir dort nicht auf der Grundlage eines Selbstbefassungsantrags, sondern auf der Grundlage eines ordentlichen Antrags, der hier im Landtag behandelt und dann in den Ausschuss überwiesen wurde, immer dann beraten, wenn Bedarf bestand. Den Bedarf brauchten wir eben nicht drei, vier, zwölf oder 14 Tage vorher anzumelden, sondern die Beratungen fanden statt, wenn Bedarf bestand, weil es neue Entwicklungen im Bereich des SGB II gab - das war sehr oft der Fall -, sodass wir dann Fragen stellen konnten.

Der Vorteil war dort - das sage ich auch -, dass Minister Haseloff einen Staatssekretär speziell für das Thema hatte, der inhaltlich sehr tief in dem Thema steckte und der die Fragen auch immer zeitnah beantworten konnte, sodass es nicht notwendig war, einen zusätzlichen Mitarbeiter in den Ausschuss zu holen.

Nunmehr sollte das Verfahren insofern verkompliziert werden, als der Bedarf eine bestimmte Zeit vorher - wir hatten gesagt, dass wir damit umgehen können; das hatten wir angeboten - angezeigt wird. Das bedeutet, wenn ich merke, dass irgendetwas in diesem Bereich los ist, kann ich bei der Ausschusssekretärin oder im Wirtschaftsministerium anklingeln und darum bitten, dass jemand zur Berichterstattung in den Ausschuss kommt, und zwar innerhalb relativ kurzer Zeit.

Dieses Verfahren war dann aber an irgendeiner Stelle der Ausschussberatung, an die ich mich nicht mehr erinnere, plötzlich so brisant geworden, dass Sie es abgelehnt haben. An welcher Stelle das passiert ist, habe ich, ehrlich gesagt, jetzt nicht mehr so ganz im Kopf. Fakt ist, dass wir beide - so habe ich es zumindest gehört - mit dem Ziel in den Ausschuss gegangen sind, das Thema bei Bedarf im Ausschuss aufzurufen. Genau das können wir jetzt nicht.