Nun liegen die Regelungsvorschläge aus dem Gutachten für die Landesregierung in NRW vor. Herr Steppuhn hatte einiges dazu gesagt. Es geht im Schwerpunkt um die Beweislastumkehr. Die Forderung ist, die Arbeitgeber sollen künftig nachweisen, dass die Beschäftigten echte Werkvertragsmitarbeiter sind und kein Scheinwerkvertrag vorliegt.
Die Arbeitnehmer, die über einen Scheinwerkvertrag illegal überlassen werden oder scheinselbständig sind, sollen sich nach den Vorschlägen bei demjenigen, für den sie abhängig arbeiten, mithilfe der Beweislastumkehr leichter einklagen können, das heißt, ein dauerhaftes Arbeitsverhältnis im Bereich der Stammbelegschaft erreichen.
Ich finde, gerade deswegen reicht das nicht aus. Wir fordern als LINKE dazu auch die Änderung von Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes. Für Betriebsräte sollen die Mitbestimmungsrechte auch für diese personellen Maßnahmen bei vorübergehendem zusätzlichem Produktions- bzw. Beschäftigungsaufwand gestärkt werden, auch in Bezug auf die Sicherung der Stammbelegschaft.
Deswegen brauchen sie auch die Unterstützung der Betriebsräte. Die Mitbestimmung bei allen personellen Maßnahmen oder bei der Beschaffung vorübergehend zusätzlich notwendiger Arbeitskräfte darf nicht wegen der Begründung der Bezahlung aus Sachkosten oder Personalkosten umgangen werden.
In der letzten Debatte hatten wir das Thema auch schon, dass dieser Bereich meist aus dem Sachkostenbereich bezahlt wird und damit nicht die Personalkosten belastet. Deswegen darf das keine Rolle spielen bei der Begründung, dass das deswegen nicht in den Rahmen der Betriebsratsmitentscheidung fällt.
Die Mitbestimmung der Betriebs- und Personalräte bei der Entscheidungsfindung zur Vergabe von Auftragsleistungen an Beschäftigte aus Fremdfirmen muss gesichert werden. Das heißt, sie müssen auch vorher informiert werden, dass man das vorhat, um zu prüfen, ob die Stammbelegschaft dafür ausreicht oder nicht.
Die Betriebsräte haben die Verantwortung für die Einhaltung des Betriebsverfassungsgesetzes und für das Stammpersonal. Deswegen haben sie auch Verantwortung für vorübergehend Beschäftigte, insbesondere für die Sicherung des Betriebsfriedens, auch durch die Sicherung der Beschäftigten der Stammbelegschaft.
Dazu gehören gleiche Bezahlung und gleiche Sozialleistungen für gleiche Arbeitsleistungen wie bei der Stammbelegschaft sowie gleiche Arbeitsbedingungen, Arbeitszeit, Urlaub und Zulagen, das heißt, auch Zugang zum vorhandenen Tarifvertrag.
Meine Damen und Herren! Das macht zusätzliche Leiharbeitnehmer oder Werkverträge uninteressant für Unternehmer. Das haben einige hier im Hohen Haus schon erkannt, soweit es bei mir angekommen ist. Aber bedenken Sie, eine langjährige Stammbelegschaft, die gut bezahlt wird, ist auch ein Garant für erfolgreiche Innovationen im Unternehmen.
(Frau Budde, SPD: Arbeitgebervertreter ha- ben eben eine kräftige Hand! - Heiterkeit bei der LINKEN und bei der CDU)
„Rechtswidrige Vertragskonstruktionen bei Werkverträgen zulasten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern müssen verhindert werden. Dafür ist es erforderlich, die Prüftätigkeit der Kontroll- und Prüfinstanzen bei der Finanzkontrolle Schwarzarbeit zu konzentrieren, organisatorisch effektiver zu gestalten, zu erleichtern und in ausreichendem Umfang zu personalisieren, die Informations- und Unterrichtungsrechte des Betriebsrates sicherzustellen, zu konkretisieren und verdeckte Arbeitnehmerüberlassung zu sanktionieren. Der vermeintliche Werkunternehmer und sein Auftraggeber dürfen auch bei Vorlage einer Verleiherlaubnis nicht besser gestellt sein als derjenige, der unerlaubt Arbeitnehmerüberlassung betreibt. Der gesetzliche Arbeitsschutz für Werkvertragsarbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer muss sichergestellt werden.
Zur Erleichterung der Prüftätigkeit von Behörden werden die wesentlichen durch die Rechtsprechung entwickelten Abgrenzungskriterien zwischen ordnungsgemäßem und missbräuchlichem Fremdpersonaleinsatz
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit diesem Auszug aus der Koalitionsvereinbarung zwischen CDU/ CSU und SPD für die laufende Legislaturperiode ist eigentlich schon alles Notwendige gesagt und die erforderlichen Handlungsfelder sind ganz konkret aufgezeigt. Wenn ich richtig informiert bin, sind die ersten Schritte zur Umsetzung dieses Auftrags auf der Bundesebene schon getan.
Nun könnte man sagen: Was soll dann dieser Antrag noch, wenn doch auf Bundesebene schon Bewegung in die Angelegenheit gekommen ist? - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir halten es für
richtig, dass auch unser Bundesland initiativ wird und ein ganz klares Signal aussendet. SachsenAnhalt ist ein Bundesland, in dem gute Arbeit durch faire und attraktive Bedingungen ermöglicht wird.
Wie sonst sollen wir junge, gut ausgebildete und motivierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dafür begeistern, in unserem Bundesland zu bleiben, hierher zurückzukehren oder hierher zu ziehen, wenn nicht durch gute, faire Arbeit?
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Faire Bedingungen am Arbeitsmarkt kommen aber auch unseren Unternehmen zugute. Denn faire Arbeit bedeutet auch fairer Wettbewerb. Gerade der faire Wettbewerb zwischen allen am Markt agierenden Teilnehmern war es doch, der unsere Wirtschaft und damit unser Land in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten international so verfolgreich gemacht hat.
Die konsequente Umsetzung der Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft war dabei ein wesentlicher Aspekt. Was hat aber nun die soziale Marktwirtschaft konkret mit dem hier vorliegenden Antrag zu tun? - Lassen Sie es mich ganz kurz erläutern.
Ein Grundgedanke der sozialen Marktwirtschaft besteht darin, dass die Marktwirtschaft ihre wohlstandsmehrende und koordinierende Funktion nur entfalten kann, wenn sie durch eine strenge staatliche Ordnungspolitik auf den Wettbewerb verpflichtet wird. Der Staat kann und soll durch aktive Eingriffe in die Wirtschaft das Marktgeschehen ergänzen und korrigieren, zum Beispiel durch sozialpolitische, konjunkturpolitische oder arbeitsmarktpolitische Maßnahmen, wenn dies im allgemeinen Interesse für notwendig erachtet wird.
Genau hier ist dieser Fall gegeben. Um den um sich greifenden wettbewerbsverzerrenden Missbrauch von Werkverträgen einzudämmen und künftig so weit wie möglich zu verhindern, sind regulierende Maßnahmen nötig. Die Koalitionäre auf der Bundesebene haben dies erkannt, die Bundesregierung ist dabei zu handeln. Wir sollten sie dabei bestmöglich unterstützen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Umkehr der Beweislast für Werkvertragsarbeitnehmer und -arbeitnehmerinnen ist aus unserer Sicht ein probates Mittel dafür. Nehmen wir an, es gäbe sie schon. Wenn dann ein Mitarbeiter aufzeigt, dass er in die Arbeitsorganisation des Unternehmens genauso eingebunden ist wie der Kollege aus dem Stammpersonal, dann müsste das Unternehmen beweisen, dass dies nicht der Fall ist. Das musste bisher der Arbeitnehmer selbst nachweisen. Diesem fehlten jedoch in den meisten Fällen die notwendigen Informationen dazu.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe das schon in meiner Rede im Mai 2014 vor dem Hohen Haus betont und möchte es jetzt wiederholen: Werkverträge sind vom Grundsatz her nichts Verwerfliches oder Schlechtes,
das man prinzipiell ablehnen muss. Im Gegenteil: In unserer mehr und mehr spezialisierten und auf internationalen Wettbewerb ausgerichteten Arbeitswelt machen sie durchaus Sinn. Aber gerade weil wir sie brauchen, müssen wir ihren Missbrauch verhindern.
Lassen Sie mich meinen Redebeitrag mit einem Auszug aus der Präambel des eingangs erwähnten Koalitionsvertrages zwischen CDU, CSU und SPD beenden:
„Mit einer klugen Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik wollen wir die Rahmenbedingungen für ein gutes Investitionsklima, für sichere und gute Arbeit mit einer fairen Bezahlung … schaffen. Den Missbrauch von Werkverträgen und Leiharbeit werden wir verhindern.“
Mit dem heute vorliegenden Antrag unterstützen wir die Bundesregierung dabei. Ich bitte deshalb um Zustimmung zu unserem Antrag. - Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Danke schön, Kollege Rotter. - Als Nächste spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frau Abgeordnete Latta.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Land Nordrhein-Westfalen hat einen Vorschlag dazu vorgelegt, wie die Rechte von Werkvertragsarbeitnehmerinnen und -arbeitnehmern gestärkt werden können; denn noch nie gab es in Deutschland so viele Leiharbeitsverhältnisse, so viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Werkverträgen wie heute. Lohndumping sowie der gelockerte Kündigungsschutz im Unternehmen sind die Folge.
Um endlich aktiv zu werden, hat die rot-grüne Landesregierung in Nordrhein-Westfalen nun vorgeschlagen, die Beweislastumkehr bei der Ausgestaltung von Werkverträgen einzuführen. Das bedeutet konkret: Es soll verhindert werden, dass bei Leiharbeit zum Schein Werkverträge ausgestellt werden; vielmehr sollen Leiharbeitsverträge ausgestellt werden. Denn Scheinwerkverträge sind illegal, es existiert kein Kündigungsschutz und die Löhne bei Werkverträgen sind deutlich niedriger als bei der Stammbelegschaft im Unternehmen.
Ziel der Regierung in Nordrhein-Westfalen ist es, die Missstände zu beseitigen, indem die Entleiher voll in die Pflicht genommen werden. Dafür soll die Beweislast umgekehrt werden. Die Beweislast ist dabei das zentrale Instrument: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollen sich einklagen können, wenn es sich um einen Scheinwerkvertrag handelt.
In dem Gutachten, das die Hans-Böckler-Stiftung für die nordrhein-westfälische Landesregierung zusammengefasst hat, heißt es, dass die Unternehmen die Beweislast tragen müssen. Die Unternehmen müssen nachweisen, dass es sich um einen echten Werkvertrag handelt. Ich zitiere aus dem Interview des DGB mit Herrn Schneider, dem Arbeitsminister in Nordrhein-Westfalen:
„Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die dem Vertrag nach zwar Werkvertragsbeschäftigte sind, de facto aber genau die gleiche Tätigkeit verrichten wie die Stammbelegschaft - also wie jede und jeder andere in die Betriebsorganisation eingebunden sind -, sollen sich besser einklagen können, wenn es sich um einen Scheinwerkvertrag handelt.“
Auch die Mitbestimmungsrechte sind sehr stark reformbedürftig. Betriebsräte müssen wesentlich mehr Kontrollrechte erhalten. Sie sollen das Recht bekommen zu erfahren, ob es sich um einen echten und damit nicht zu beanstandenden oder um einen missbräuchlichen Werkvertrag handelt.
Die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stimmt dem vorliegenden Antrag zu, der die die Landesregierung auffordert, sich auf der Bundesebene für die Beweislastumkehr und dafür einzusetzen, dass die Rechte von Werkvertragsarbeitnehmerinnen und -arbeitnehmern gestärkt werden. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Danke schön, Kollegin Latta. - Zum Abschluss der Debatte spricht noch einmal Herr Abgeordneter Steppuhn für die Fraktion der SPD.