Protokoll der Sitzung vom 19.09.2014

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach dem Tod von Oury Jalloh und Michael Lippert im Jahr 2005 wurden umfangreiche Maßnahmen für den polizeilichen Gewahrsam angewiesen. Eine eigens hierfür eingesetzte Arbeitsgruppe überprüfte alle Gewahrsamsräumlichkeiten in Sachsen-Anhalt. Durch Erlass wurde angewiesen, dass eine lückenlose Dokumentation des Gewahrsams zu erfolgen hat, täglich die Rechtmäßigkeit der Gewahrsamnahme, einschließlich der Dauer und der Herbeiführung der richterlichen Entscheidung, geprüft und dokumentiert werden muss, jährlich die Gewahrsamsräumlichkeiten überprüft werden und in die Kontrolle auch die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der vollzogenen Ingewahrsamnahmen einzubeziehen ist.

Durch Erlass des Ministeriums des Innern - für jeden nachlesbar im Ministerialblatt 11 des Jahres 2006 - wurde die Polizeigewahrsamsordnung aus den 90er-Jahren unter Berücksichtigung der unverzüglich getroffenen Maßnahmen umfassend novelliert.

Die Regelungen des Runderlasses sind in allen Fällen zu beachten, in denen Personen aufgrund gesetzlicher Bestimmung die Freiheit entzogen

wurde. Der Erlass regelt hierbei insbesondere den Vollzug der Freiheitsentziehung in Polizeigewahrsam und welche Maßnahmen bei Personen zu treffen sind, die in hilfsbedürftiger Lage angetroffen wurden und von der Polizei zum Beispiel zur Verhinderung von Straftaten festgehalten werden müssen, aber in Gewahrsamsräumen der Polizei nicht untergebracht werden können, weil dort keine Betreuung oder Beaufsichtigung durch medizinisch fachkundiges Personal erfolgt.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Mit einem durch Gesetz vorgegebenen klaren Regelungsrahmen, einer angeordneten lückenlosen Dokumentation der Gewahrsamnahme, der Überprüfung und Dokumentation der Rechtmäßigkeit der Gewahrsamnahme einschließlich der Herbeiführung der richterlichen Entscheidung und mit der Überprüfung der Gewahrsamsräumlichkeiten und der durchgeführten Ingewahrsamnahmen - Missstände liegen hierbei nicht vor, außer den tragischen Ereignissen des Jahres 2005 - wurden die richtigen Schlussfolgerungen gezogen.

Ich denke, dass unser Regelungsrahmen und die klare Erlasslage rechtsstaatlichen Erfordernissen genügen. Ich denke aber auch, dass es nicht schadet, wenn wir uns im Innenausschuss vom Ministerium die Praxis der polizeilichen Ingewahrsamnahme nach dem Jahr 2005 und den hierfür geltenden Rechtsrahmen noch einmal dezidiert vorstellen lassen. Vielleicht erübrigt sich dann Ihr Antrag.

(Zustimmung von Minister Herrn Stahl- knecht)

Zu der von Ihnen geforderten Entschädigung für die Hinterbliebenen von Oury Jalloh nur so viel: Ich denke nicht, dass dieses Hohe Haus der Ort ist, an dem hierüber entschieden werden sollte. Hierfür gibt es den Rechtsweg und Gerichte, die zum Glück von der politischen Willensbildung dieses Hohen Hauses unabhängig sind.

Ich bitte Sie abschließend um Ihre Zustimmung zur Überweisung des Antrags in den Ausschuss für Inneres und Sport für die weitere Beratung. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Wunschinski. Herr Kollege, der Kollege Striegel würde Sie gern etwas fragen.

Bitte schön.

Bitte schön, Herr Striegel.

Herr Kollege Wunschinski, eine Frage: Wie beurteilen Sie die Ausführungen von Herrn Naatz, die sachsen-anhaltische Polizei habe sich im Kontext des Todes von Oury Jalloh nichts vorzuwerfen?

(Minister Herr Stahlknecht: Nachlesen erst einmal!)

Herr Striegel, ich kannte die Aussage bis vorhin nicht. Ich werde sie nachlesen und dann werden wir uns im Ausschuss damit noch einmal auseinandersetzen. - Danke.

(Zustimmung von Herrn Schröder, CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Jetzt spricht für die Fraktion DIE LINKE noch einmal Frau Quade. Bitte, Frau Abgeordnete.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie haben noch einmal eindrücklich die Maßnahmen, die nach den Vorkommnissen und Fällen getroffen worden sind, geschildert; ich habe das nicht in Abrede gestellt. Sie haben noch einmal geschildert, dass diese ganz zeitnah nach den Vorfällen getroffen wurden, wozu ich in aller Deutlichkeit sagen muss: Alles andere wäre auch ein Skandal.

(Zustimmung von Frau von Angern, DIE LIN- KE)

Der Minister hat dankenswerterweise noch einmal detailliert aufgelistet, welche konkreten Änderungen im polizeilichen Alltag seit 2005 stattgefunden haben; das elektronische Gewahrsamsbuch ist ein Punkt.

Das bringt mich dazu zu sagen: Dann kann es gar nicht so schwierig sein, unseren Antrag zu erfüllen. Wenn der Abgleich ganz leicht möglich ist und jeder Fehler sofort auffällt, dann ist es doch gar kein Ding.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Das stimmt!)

Das ist der Hauptpunkt; wobei ich gar nicht weiß, was hierbei das Problem ist, ob wir uns tatsächlich missverstanden haben oder ob es ein gewolltes Missverständnis ist.

Sie sagen, Sie gehen davon aus, dass ausreichend sensibilisiert wurde. Davon wäre angesichts der zahlreichen Änderungen - der Gewahrsamsordnung beispielsweise und auch des SOG; das hat der Kollege Erben angesprochen - schlichtweg auszugehen.

An dieser Stelle haben wir tatsächlich einen Dissens. Nein, davon kann ich einfach nicht aus

gehen. Denn eigentlich - das war das, was der Kollege Bommersbach vorhin in seiner Frage an mich sagte - dürfte es das nicht mehr geben. Das stimmt. Der Punkt ist aber: Eigentlich hätte es das auch vorher nicht geben dürfen.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung von Herrn Striegel, GRÜNE)

Genau das ist der Punkt, das „eigentlich“.

Ich will noch einmal deutlich sagen: Wenn es möglich ist, dass in Sachsen-Anhalt sechs Wochen, nachdem ein Mensch in Gewahrsam gestorben ist, ein weiterer Mensch in Gewahrsam sterben kann, dann stützt das nicht die These, dass die Sensibilisierung automatisch stattfindet. Wie kann das denn sein? - Es kann eben nicht sein.

Das heißt für mich, dass wir genau das tun müssen, was wir mit unserem Antrag gefordert haben: schauen, ob die getroffenen richtigen, notwendigen Maßnahmen tatsächlich im Alltag wirksam sind. Wie gesagt - der Minister hat es ausgeführt -, angesichts der auch technischen Neuerungen kann das dann so schwierig nicht mehr sein.

Sie sagen, Sie wollen das in den Innausschuss überweisen. Meinetwegen können wir das gern tun. Ich freue mich auf die Debatte, und ich freue mich darauf, dabei tatsächlich konstruktiv einen Schritt weiterzukommen.

(Zustimmung von Herrn Gallert, DIE LINKE)

Ich hoffe - in unser aller Sinne -, dass es tatsächlich eine kleine Aufgabe ist, die wir zu erledigen haben. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Quade. - Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Drs 6/3406. Es wurde am Ende von allen für eine Überweisung plädiert.

Wer dafür ist, dass dieser Antrag in den Ausschuss für Inneres und Sport überwiesen wird, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Vertreter aller Fraktionen. Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Damit ist der Antrag einstimmig in den Ausschuss überwiesen worden. Der Tagesordnungspunkt 5 ist beendet.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 6 auf:

Beratung

Perspektiven des Handwerks in Sachsen-Anhalt: Wirtschaft stärken, Fachkräfte sichern, Energiewende gestalten

Antrag Fraktionen CDU und SPD - Drs. 6/3428

Änderungsantrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 6/3439

Einbringer ist der Kollege Mormann. Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! „Das Handwerk - die Wirtschaftsmacht von nebenan“ - so titelte eine Kampagne der Handwerkskammern im letzten Jahr. In der Tat: Bei fast 29 000 Betrieben in Sachsen-Anhalt, 141 000 Beschäftigten und 7 700 Auszubildenden mit einem breiten Dienstleistungsspektrum stellt das Handwerk mit seinen kleinen und mittelständischen Betrieben eine tragende Säule der sachsen-anhaltischen Wirtschaft dar.

Bei allen gesellschaftlichen Herausforderungen - wie dem demografischen Wandel und der Energiewende - ist das Handwerk ein unverzichtbarer und starker Partner. Auch in der Wirtschaftskrise in den Jahren 2008, 2009 und 2010 war das Handwerk ein stabilisierender Faktor und hat auch dann ausgebildet, als andere die Zahl ihrer Ausbildungsplätze reduzieren oder sogar die Ausbildung einstellen mussten. Damals war das Handwerk da, damals konnte man sich auf das Handwerk verlassen.

Meine Damen und Herren! Wir hatten in der vorletzten Woche mit dem Ausschuss für Wissenschaft und Wirtschaft die Möglichkeit, mit der Handwerkskammer Magdeburg - Herr Kollege Keindorf war als Präsident der Handwerkskammer Halle auch mit dabei; ich sehe ihn derzeit nicht - ins Gespräch zu kommen.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Das liegt am The- ma!)

Es war ein interessanter Gedankenaustausch. Die Probleme, die uns dort mitgegeben wurden, machen deutlich, dass es dafür nicht nur eines permanenten und gegenseitigen Dialogs bedarf, sondern handfester Lösungen.

Meine Damen und Herren! Das Handwerk steht vor entscheidenden Herausforderungen. Es werden dringend Fachkräfte benötigt. Jungen Menschen muss das Handwerk näher gebracht werden. Vor einigen Jahren galt es noch, junge Menschen in Ausbildung zu bringen. Das hat sich gravierend gewandelt.

Heute sind viele Ausbildungsplätze unbesetzt. Dem Handwerk in Sachsen-Anhalt sind in den vergangenen zehn Jahren 60 % der Azubis abhanden gekommen. Gab es im Jahr 2003 noch 19 688 Auszubildende, waren es im letzten Jahr nur noch 7 781.

Wie schaffen wir es, die jungen Menschen wieder an das Handwerk heranzuführen? Wie schaffen wir es, den jungen Menschen mehr Praxisorientierung beizubringen und somit Interesse für das Handwerk zu wecken? - Dazu gehört es, dass im Rahmen der Berufsorientierung verstärkt die beruflichen Potenziale des Handwerks eine Rolle spielen. Eine Karriere im Handwerk ist ein erstrebenswertes Ziel. Das muss deutlich gemacht werden.