Protokoll der Sitzung vom 16.10.2014

ken und Museen das kulturelle und rechtlichadministrative Gedächtnis eines Staates oder einer Kommune.

Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass so manchem Archivar oder mancher Archivarin bei dem Gedanken das Herz blutet, dass zukünftig vielleicht nur noch digital archiviert wird. Dies gilt sicherlich auch für Bibliothekare, die eben nicht nur E-Books anbieten wollen. Aber das wird, so hoffe ich, so schnell nicht passieren. Ich glaube, es gibt noch genug papierne Zeitzeugen.

Archive und Asservatenkammern sind dazu da, Unterlagen zu erhalten und zu verwahren, nicht Unterlagen aber zu vernichten. Deshalb gehe ich davon aus, dass das, was im Archiv der Staatsanwaltschaft Magdeburg passiert ist, die unrühmliche Ausnahme bleibt, wohl wissend, welche verheerenden Folgen dies haben wird.

Wir haben uns heute vor Ort die Asservatenstelle angesehen und mussten feststellen, dass dort erhebliche Mängel vorhanden sind, und zwar in der Form, dass zu wenig Personal und zu wenig Platz vorhanden sind. Die Folge davon ist dieses Vorkommnis gewesen. Sicherlich müssen wir an beidem etwas ändern. Ehrlich gesagt, wundert es mich, dass nicht schon früher etwas passiert ist. Das wird die Ausnahme bleiben.

Wir werden der Überweisung des Gesetzentwurfes zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Inneres und Sport und zur Mitberatung an den Ausschuss für Recht und Verfassung zustimmen. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke, Frau Tiedge. - Für die SPD-Fraktion spricht nun Herr Erben. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, das sage ich zum ersten Mal von diesem Pult aus: Herr Kollege Striegel, herzlichen Dank. Sie haben uns diese Debatte erst ermöglicht, die uns auf eine durchaus vorhandene Regelungslücke in unserem Archivrecht hingewiesen hat. Diese Regelungslücke ist auch der Grund für den vorliegenden Gesetzentwurf.

Zugleich marschieren wir aber immer weiter in die digitale Welt, und allein deswegen ist es erforderlich, dass das Archivrecht und alles, was damit verbunden ist, auf diesem Weg Schritt hält.

Wer sich die Mühe gemacht hat, sich den Gesetzentwurf inklusive der Begründung anzuschauen - es ist ein technisch durchaus kompliziertes Regelungswerk, das uns vorliegt -, der wird mir sicherlich darin Recht geben, dass es ein handwerklich

sehr ausgefeilter Gesetzentwurf ist, der uns vorgelegt worden ist.

Daran kann man erkennen, dass sich der Verfasser dabei Mühe gegeben hat und nicht nur seine Pflicht erfüllt hat. Herr Minister, vielleicht richten Sie Ihren Mitarbeitern einen entsprechenden Dank aus. Ich glaube, der vorgelegte Gesetzentwurf ist sehr ordentlich.

(Zustimmung von Frau Budde, SPD, von Frau Niestädt, SPD, und von Frau Weiß, CDU)

Inhaltlich würden wir als SPD-Fraktion den Gesetzentwurf gleichzeitig als gelungen bezeichnen wollen; denn er stellt ein Gleichgewicht zwischen dem Datenschutz und dem Geheimnisschutz, um den es hierbei auch geht, her. Natürlich geht es auch um die Wahrung der Interessen der Archivare und des Archivs als Gedächtnis des Landes. Wir beantragen deswegen eine Überweisung zur federführenden Beratung an den Innenausschuss. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Erben. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht nun der mehrfach gelobte Abgeordnete Herr Striegel. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Erben, das passiert mir tatsächlich nicht so häufig, aber es ist eine nette Erfahrung. Danke schön.

(Herr Erben, SPD: Bitte!)

Meine Damen und Herren! Mit der Selbstaufdeckung des Nationalsozialistischen Untergrunds, NSU, und den daraufhin erfolgten Schredderaktionen in verschiedenen Verfassungsschutzbehörden

(Minister Herr Stahlknecht: Nicht bei uns!)

ist das Thema Aktenaufbewahrung, Andienung von Verfassungsschutzakten an die Archive und deren Archivierung bundesweit - aber eben auch in Sachsen-Anhalt, Herr Minister - in den Fokus gerückt.

Für Sachsen-Anhalt musste das Parlament feststellen, dass dem Landesarchiv jahrelang kein einziges zur Vernichtung vorgesehenes Blatt Papier und keine zur Löschung vorgesehene Datei angedient wurden.

Dies hätte nach unserer Auffassung - wir waren uns einig, dass wir uns darin uneinig sind - passieren müssen, weil die Verfassungsschutzbehörde wie alle Behörden des Landes einer Andienungspflicht unterlag.

Ich stelle hier für meine Fraktion noch einmal fest: Die Verfassungsschutzbehörde hat in der Vergangenheit die Andienung von Akten unterlassen. Deshalb konnten mögliche archivwürdige Aktenbestände nicht vom Landesarchiv übernommen werden.

Ich bin aber dankbar dafür, dass wir mit der Landesregierung und mit allen Fraktionen im Innenausschuss nach langer Debatte darüber Einvernehmen erzielen konnten, dass die Pflicht zur Andienung von Akten durch alle Behörden inklusive des Verfassungsschutzes gesetzgeberisch klargestellt werden sollte.

Der nun nach langer Verzögerung endlich vorgelegte Gesetzentwurf leistet dies. Er stellt ausdrücklich fest, was auch heute schon gilt: Verfassungsschutzakten, das heißt auch Akten zu V-Personen, sind dem Landesarchiv anzudienen, damit dieses über die Archivwürdigkeit befinden kann.

Mit dieser Regelung sichern wir, dass auch die Tätigkeit des Verfassungsschutzes und der Polizeibehörden zum Gegenstand historischer Forschung werden kann. Wichtig ist auch - Kollege Erben hat darauf hingewiesen -, dass das Archivgesetz an die fortschreitende Digitalisierung angepasst wird.

Archivare befürchten schon heute, dass aufgrund fehlender gesetzlicher Regelungen und vor allem aufgrund fehlender technischer Möglichkeiten ein Zeitraum von zehn bis 15 Jahren des Verwaltungshandelns nicht sachgerecht in den Archiven abgebildet werden kann, weil beispielsweise Mailkommunikationen, anders als verschickte Briefe, nicht immer angedient werden. Selbiges gilt für sich dynamisch verändernde Datenbankinhalte, die zunehmend das Handeln von Behörden mitbestimmen.

Diesbezüglich werden wir im Rahmen einer Anhörung im Innenausschuss den Dialog mit den Praktikerrinnen und Praktikern suchen, um zu schauen, ob der vorliegende Gesetzentwurf schon alle notwendigen Schritte unternimmt, um auch das sachsen-anhaltische Archivwesen gesetzgeberisch fit für das 21. Jahrhundert zu machen.

Ich danke Ihnen und bitte wie meine Vorredner um die Überweisung des Gesetzentwurfes in den Innenausschuss.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Striegel. - Zum Abschluss der Debatte wird Herr Kolze von der CDUFraktion sprechen. Bitte schön, Herr Kolze.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Archive sind ein wichtiger Bestandteil

des kollektiven Gedächtnisses unseres Landes. Sie ermöglichen ein Zurückgreifen auf die verschiedensten Unterlagen, welche die Geschichte unseres Landes geprägt und beeinflusst haben.

Diese Unterlagen spielen nicht nur für die historische Forschung eine wichtige Rolle, sondern sie sind auch für Fragen der eigenen Identität sowie für aktuelle rechtliche Fragen von fundamentaler Bedeutung. Zu nennen ist in diesem Zusammenhang zum Beispiel die Entschädigung von Personen für in der DDR oder im Dritten Reich erlittenes Unrecht.

Um diese Überlieferungen auch an die aktuellen Gegebenheiten und technischen Möglichkeiten anzupassen, sind gesetzliche Änderungen notwendig. Gerade die Umstellung auf elektronische Daten und E-Mail-Verkehr stellen das über Jahrhunderte entwickelte Archivwesen vor große Herausforderungen.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf sollen die in den letzten Jahren aufgekommenen Fragen über die Zukunft des Archivrechts beantwortet werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kommen wir nun zu den Regelungsinhalten. Zwar ist die Archivierung elektronischer Daten bereits jetzt rechtlich möglich, doch mit der eingeführten Stichtagsregelung können auch kontinuierlich weitergeführte Daten mittels einer regelmäßig angefertigten Kopie für die Nachwelt erhalten bleiben. Diese Daten, wie etwa fortlaufend geführte Register, würden anderenfalls durch die kontinuierliche Überschreibung mit neuen Daten verloren gehen. Die technischen Möglichkeiten der Speicherung elektronischer Daten bieten uns neue Spielräume.

Im Gesetzentwurf werden zudem auch datenschutzrechtliche Bestimmungen geregelt. Hierbei sollen vor allem personenbezogene Daten geschützt werden. Wir bewegen uns dabei in einer schwierigen Grauzone. Nicht alles, was archiviert werden kann, darf tatsächlich auch rechtlich archiviert werden. So sind zum Beispiel persönliche Daten, die etwa im Zuge von Sicherheitsüberprüfungen entstanden sind oder die disziplinarische Vorgänge betreffen, von einer Archivierung ausgeschlossen.

Wenn personenbezogene Daten dennoch archiviert wurden, dann besteht durch die Festsetzung von Schutzfristen und Benutzungsbeschränkungen ein ausreichender gesetzlicher Schutz.

Des Weiteren haben wir nun die langfristige Aufbewahrung und Archivierung der Akten von Polizei und Verfassungsschutz geregelt. Es wird sichergestellt, dass geschlossene Akten, die aufgrund ihrer Verjährung gelöscht oder vernichtet werden müssten, zuvor dem Landesarchiv als Archivalien angeboten werden. Wir schließen hiermit eine wichtige Regelungslücke.

Außer den bereits genannten Änderungen werden auch die Bestimmungen über die Zugänglichkeit der aufbewahrten Archivalien an das Informationszugangsrecht des Bundes angepasst. Ich denke, auch dies stellt eine begrüßenswerte Neuerung dar, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen.

Abschließend bitte ich Sie um die Überweisung des Gesetzentwurfes an den Innenausschuss und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Kolze. - Wir treten nun in das Abstimmungsverfahren zur Drs. 6/3482 ein. Ich glaube, es ist allen klar, dass wir den Gesetzentwurf überweisen werden. Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Inneres und Sport und zur Mitberatung an den Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung zu überweisen. Weitere Überweisungswünsche habe ich nicht vernommen. Ich sehe auch jetzt keine Wortmeldung.

Wer der Überweisung des Gesetzentwurfes zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Inneres und Sport und zur Mitberatung an den Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind alle Fraktionen. Ist jemand dagegen? - Enthält sich jemand der Stimme? - Nein. - Damit ist der Gesetzentwurf an die genannten Ausschüsse überwiesen worden. Wir haben den Tagesordnungspunkt 10 abgearbeitet.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 9 auf:

Erste Beratung

Entwurf eines Gesetzes über die Landesregulierungsbehörde des Landes Sachsen-Anhalt

Gesetzentwurf Landesregierung - Drs. 6/3467

Der Gesetzentwurf wird von dem Minister für Wissenschaft und Wirtschaft Herrn Möllring eingebracht. Bitte schön, Herr Minister.