Protokoll der Sitzung vom 13.11.2014

Aus meiner Sicht brauchen wir qualifizierte Gleichstellungspläne, die eben nicht nur Frauenförderpläne sind, sondern die vernetzt werden mit der Personal- und Organisationsentwicklung in allen Behörden. Wir müssen die Stellung der Gleichstellungsbeauftragten stärken. Hierbei stellt sich die Frage, inwieweit im Hinblick auf die Verletzung von Mitwirkungs- und Beteiligungsrechten auch Klagerechte gesetzlich geregelt werden sollten.

Und - damit spreche ich jetzt ausdrücklich auch für die kommunalen Gleichstellungsbeauftragten - wir brauchen für die Arbeit konkrete Standards; denn in der Praxis stellen wir fest, dass wir kaum noch wirkliche Gleichstellungsbeauftragte haben. Die Gleichstellungsbeauftragten sind gleichzeitig für die Behindertenpolitik sowie für Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit und diverse andere Dinge zuständig.

(Zustimmung bei der SPD und von der Re- gierungsbank)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das war ein kurzer Abriss. Ich wollte Ihnen vermitteln, dass wir in den letzten vier Jahren - das meine ich ganz ehrlich - wirklich neuen Schwung in die Debatten gebracht haben, in denen es darum ging, wie wir zu mehr Gleichstellung in Sachsen-Anhalt kommen. Wir haben nicht nur Konzepte entwickelt, wir

haben nicht nur diskutiert, sondern wir haben bereits konkrete Maßnahmen umgesetzt. Lassen Sie uns auch in Zukunft gemeinsam die Geschlechtergerechtigkeit in Sachsen-Anhalt voranbringen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von der Regierungsbank)

Danke schön, Frau Ministerin. Es gibt eine Nachfrage des Kollegen Lange.

Vielen Dank, Herr Präsident! Frau Ministerin, Sie haben zu Recht auch die Hochschulen erwähnt. Das Parlament hat gerade auch über die gläserne Decke in den Hochschulen gesprochen und debattiert. Verschiedene Fraktionen haben Vorschläge dazu gemacht, wie man dort vorgehen kann. Ich nenne das Stichwort Kaskadenmodell.

Meine Frage an Sie lautet: Sind Sie als Ministerin in die Aufstellung bzw. in die Verhandlungen über die Zielvereinbarungen einbezogen? Wissen Sie, ob es in den Zielvereinbarungen zum Thema Gleichstellung eine Verhandlungsposition des

Landes gegenüber den Hochschulen gibt?

Über die Zielvereinbarungen wird natürlich im Kabinett beraten. Dazu stehe ich auch im Gespräch mit meinem Kollegen Herrn Möllring. Wir haben genau die Dinge, die Sie eben angeführt haben, auch in das Landesprogramm eingeführt. Insoweit hatten wir auch im Hinblick auf die Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten der Hochschulen eine sehr enge Vernetzung mit den Diskussionen, die bereits in den Hochschulen laufen.

Wissen Sie denn, ob dazu ein Part in die Zielvereinbarungen aufgenommen werden wird?

Darüber diskutieren wir noch.

Danke schön. - Weitere Nachfragen gibt es nicht.

Dann treten wir in Tagesordnungspunkt 1 b ein:

Aussprache zur Regierungserklärung

Wir haben uns auf die Redezeitstruktur „E“ mit einer Gesamtdebattendauer von 90 Minuten verständigt. Die Debattenbeiträge der Fraktionen er

folgen in folgender Reihenfolge: DIE LINKE, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD. Zuerst spricht für die Fraktion DIE LINKE Frau Abgeordnete Quade.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin Kolb, ich möchte Ihnen ausdrücklich dafür danken, dass Sie dem Thema Gleichstellung mit der heutigen Regierungserklärung sowohl mit Blick auf die konkrete Situation in Sachsen-Anhalt als auch mit Blick auf ganz grundsätzliche Überlegungen und Problemstellungen Raum verschafft haben.

So sehr wir in einigen Fragen auch d’accord gehen, zum Beispiel hinsichtlich des prinzipiellen Handlungsbedarfs und der Frage, welche Themen mehr Aufmerksamkeit verlangen, ist meine Einschätzung doch - das wird Sie nicht verwundern - etwas anders und fällt etwas kritischer aus als die Ihre.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie verwiesen mehrmals darauf, dass das Thema Gleichstellung auf der politischen Agenda der Landesregierung einen hohen Stellenwert habe, und haben es als zentrales Politikfeld dieser Landesregierung benannt.

Ich möchte deshalb mit einem Blick auf das Agieren der Landesregierung insgesamt beginnen und schaue zuerst nicht nur wegen der chronologischen Sinnhaftigkeit auf den Start in die Legislaturperiode. Gerade einmal sechs der 41 Mitglieder der größten Fraktion dieses Hohen Hauses waren Frauen. Es sind jetzt sieben von 42; das ist kein wesentlicher Unterschied. Interne Konflikte bei der Aufstellung der Fraktion und bei der Besetzung von Funktionen wurden vom jetzigen Innenminister, sofern Frauen beteiligt waren, als „Eierstockgehabe“ abqualifiziert.

(Zurufe von der CDU)

Die betroffenen Frauen - das ist bezeichnend - sahen offenbar keinen anderen Weg, als diesen Vorgang öffentlich zu machen. Der Ministerpräsident, der nach Ihren Worten das Thema Gleichstellung als seinen persönlichen Schwerpunkt begreift, schwieg. Er schwieg. Genau dieses Schweigen war es, das die Frage, wie diese Landesregierung eigentlich mit Frauen und gleichstellungspolitischen Themen umgehen würde, sofort in einem mehr als ungünstigen Licht erscheinen ließ.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Ministerin, ich habe wenige Zweifel daran, dass auch Ihnen als Gleichstellungsministerin diese Episode wenig gefallen haben dürfte. Aber an der Regierungserklärung einer Gleichstellungsmi

nisterin muss sich eben die gesamte Regierung messen lassen.

Bei der Besetzung des Kabinetts wurden gerade einmal zwei Frauen als Ministerinnen benannt. Heute ist noch eine im Amt. Die Entlassung von Frau Ministerin Wolff erscheint deshalb - nicht nur, aber eben auch mit Blick darauf, dass es eine Frau war, die, weil sie widersprochen hatte, mit einem Telefonanruf aus dem Amt entlassen wurde - in einem fragwürdigen Licht.

(Beifall bei der LINKEN - Oh! und Lachen bei der CDU - Frau Weiß, CDU: Das war ja wohl nix! - Herr Borgwardt, CDU: Legen- denbildung! - Zuruf von Herrn Schröder, CDU)

Deutlich positiv bewerten wir dagegen die Entscheidung, die Gleichstellung im Justizministerium anzusiedeln, die Verfassungsministerin folgerichtig zur Gleichstellungsministerin zu machen und auch den Rechtsausschuss zum Gleichstellungsausschuss zu erweitern; denn Gleichstellung ist eben kein Gedöns, sondern ein Verfassungsauftrag.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber Sie schafften auch das Amt der Landesgleichstellungsbeauftragten ab. Nun kenne ich die Argumentation gut, die darauf hinausläuft: Wie könnte man die Frage der Gleichstellung höher ansiedeln als bei der Ministerin selbst? Das trifft natürlich auf den ersten Blick zu. Aber gerade mit Blick auf das Schicksal der anderen Ministerin zeigt sich, dass in dem Gefangensein in der Kabinettsdisziplin ein entscheidender Nachteil liegt.

Deshalb ist es auch so, dass die entscheidenden Verbesserungen in der Haushaltsaufstellung, die Sie zu Recht als wichtig und notwendig dargestellt haben, von den Fraktionen und von den Mitgliedern des Rechtsausschusses ausgehandelt und erzielt wurden.

Mir liegt es völlig fern, diesen Vorgang an sich zu geißeln. Im Gegenteil: Haushaltsfragen sind vom Parlament zu beantworten und zu entscheiden. Das ist die ureigenste Verantwortung des Parlaments. Aber auffällig ist dann schon, dass dieser Weg im Kabinett eben nicht gegangen wurde.

(Beifall bei der LINKEN)

Für meine Fraktion stellt sich durchaus die Frage - und das nicht nur mit Blick auf den Bereich Gleichstellung und Frauen -, ob der Weg, Landesbeauftragte beim Landtag anzusiedeln, nicht der sinnvollere und ergebnisträchtigere wäre. Das hat die Schwierigkeit, dass der direkte Zugriff auf die Landesregierung damit nicht mehr in dem bisherigen Maße gegeben ist. Darüber wäre zu reden, keine Frage. Aber das Amt einer nicht weisungsgebundenen und eben nicht in der Kabinettsdiszi

plin und -arithmetik gefangenen Beauftragten, zum Beispiel einer Gleichstellungsbeauftragten, könnte durch diese Unabhängigkeit deutlich gestärkt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Ich möchte in einem zweiten Schritt die Frage der inhaltlichen Zielstellung der Landesregierung und ihre tatsächliche Umsetzung beleuchten. Frau Ministerin, Sie haben die Vereinbarung im Koalitionsvertrag umfangreich dargestellt. Das möchte ich nicht wiederholen.

Ich möchte Ihnen aber in einem entscheidenden Punkt widersprechen. Sie haben die gläserne Decke, an die Frauen stoßen, wenn sie in Führungspositionen streben, richtig beschrieben. Sie haben ebenso richtig festgestellt, dass eine Quote, die einen Frauenanteil in unterschiedlichen Bereichen sicherstellt, nicht nur notwendig ist, sondern auch sanktionsbewehrt sein muss. Allein, die Zielstellung einer Frauenquote von 40 % in den Führungspositionen der Landesverwaltung und in den Hochschulen als ambitioniert zu bezeichnen, erschließt sich mir nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Ambitioniert ist das in einer Hinsicht,

(Zuruf von Frau Bull, DIE LINKE)

nämlich im Hinblick auf das, was die von dieser Regierung geführten Ministerien zu leisten bereit sind, um in der Gleichstellung tatsächlich einen Schritt voranzukommen. Mit Blick auf das Ziel der Gleichstellung bleibt sie schlichtweg um 10 % hinter dem zurück, was notwendig wäre.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Gleichstellung erreicht man nicht durch die Repräsentanzsicherung einer Mehrheit, die als Minderheit behandelt wird. Gleichstellung erreicht man durch Gleichstellung.

(Beifall bei der LINKEN)

Doch noch nicht einmal diese 40 % sind irgendwie in greifbarer Nähe. Wenn ich mir den Werdegang des wirklich kleinteiligen und bei Weitem nicht revolutionären Antrags zur Durchführung eines Pilotprojektes zur Erprobung anonymisierter Bewerbungsverfahren anschaue, dann habe ich wenig Anlass zu Optimismus.

Was in anderen Bundesländern teilweise in Eigeninitiative der Kommunen und der städtischen Verwaltungen nicht nur beschlossen, sondern einfach getan wird, ist - so die Auskunft nach einer Prüfung durch die einzelnen Häuser - in keinem Ministerium dieser Landesregierung möglich. Im Vergleich zur Erfüllung der Quote wäre das nun wirklich eine Kleinigkeit und zugleich ein sehr interessanter Weg, um Gleichstellung in einem weit umfassenderen Sinne als nur mit Blick auf Frauen Wirklich

keit werden zu lassen. Aber noch nicht einmal das ist möglich. Und das ist bezeichnend.