Stand der Förderung von Familien, der Sicherung einer nachhaltigen Bevölkerungspolitik sowie der Förderung des Wiedereinstiegs in den Beruf
Für die Aussprache zur Großen Anfrage wurde die Redezeitstruktur D mit einer Gesamtdebattendauer von 45 Minuten gewählt. Die Rednerreihenfolge ist wie folgt: CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, DIE LINKE. Die Redezeiten sind bekannt.
Zunächst erteile ich auf der Grundlage des § 43 Abs. 6 der Geschäftsordnung des Landtages einem Mitglied der Fraktion DIE LINKE das Wort. - Bitte sehr, Frau Hohmann, Sie können mit Ihrem Redebeitrag beginnen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am 10. November 2005 verabschiedete der Landtag das Gesetz zur Förderung von Fami
lien, Sicherung einer nachhaltigen Bevölkerungspolitik sowie Förderung des Wiedereinstiegs in den Beruf.
Gestatten Sie mir, zu Beginn meiner Rede einen kurzen Blick in das Jahr 2005 zu werfen. Damals regierten CDU und FDP, und beide Fraktionen betonten gleichermaßen, wie wertvoll und wichtig dieses Gesetz sei.
Erlauben Sie mir, an dieser Stelle einige Zitate vorzutragen, die ich in den Protokollen von damals gefunden habe. Herr Kley, FDP, damaliger Minister für Gesundheit und Soziales, sagte - ich zitiere -:
„Wir in Sachsen-Anhalt können stolz darauf sein, dass wir nach dem Kinderförderungsgesetz auch bei Familien den Standard setzen. Das sollen uns andere erst einmal nachmachen. Wir sind früher aufgestanden.“
„Unabhängig davon ist es uns aber wichtig, die bewusstseinsverändernde Wirkung, welche mit diesem Gesetz verbunden ist, hervorzuheben. Deshalb will ich das Familienförderungsgesetz als Einstiegsgesetz betrachten.“
„Die stehen alle unter dem Haushaltsvorbehalt. Was dort stattfindet, kann nur stattfinden, wenn sie es auch im Haushalt beschließen. Also ist es nicht sicherer als vorher.“
Zu guter Letzt noch eine Äußerung der Abgeordneten Frau Bull. Von den GRÜNEN habe ich leider nichts gefunden; sie waren damals nicht im Parlament. Frau Bull sagte - ich zitiere -:
„Was Ihnen jetzt vorliegt, meine Damen und Herren, - dabei werden wir ohne Streit nicht auskommen; das ist nun mal so - ist ein Familienfördergesetz, das sich vor allem dadurch auszeichnet, dass gähnende Leere herrscht.“
So viel zum Exkurs in die Vergangenheit. Mit unserer Großen Anfrage wollten wir nach nunmehr fast zehn Jahren feststellen, was aus dem damals so viel gelobten Gesetz geworden ist. Insgesamt - das kann ich jetzt schon sagen - wird unser Fazit nicht besonders positiv ausfallen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich einige Schwerpunkte herausgreifen, die mir wichtig erscheinen. Zum einen wäre da die zentrale Frage, ob das Gesetz seinen Zweck, wie er in § 1 nachzu
lesen ist, überhaupt erreicht hat. Man muss also fragen: Welchen Beitrag hat das Familienförderungsgesetz dazu geleistet, die Abwanderung von jungen Menschen und Familien zu vermeiden und deren Zuzug nach Sachsen-Anhalt zu bewirken? Die Antwort fällt ernüchternd aus: keinen messbaren Beitrag.
Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes übersteigt die Anzahl der Fortzüge die Anzahl der Zuzüge der Menschen im Alter bis 35 Jahre, also derjenigen Menschen, die sich im besten Familiengründungsalter befinden. Das Wanderungssaldo schrumpft zwar über die Jahre, aber der negative Trend ist deutlich erkennbar. Ich denke also, man sollte vorsichtig sein, solche Ziele in einem Gesetz zu formulieren.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schon damals hatte meine Fraktion kritisiert, dass das Gesetz eine ganze Reihe an deklaratorischen Regelungen und Doppelnennungen enthält, die im Grunde Nullnummern sind, weil sie keinerlei wirklichen Regelungscharakter besitzen.
Zu nennen wäre da zum Beispiel § 2, der ein reiner Querverweis auf das Kinderförderungsgesetz ist und den man sich deshalb hätte sparen können, oder auch die Aussage der Landesregierung, dass mit § 10 die finanziellen Grundlagen der Stiftung „Familie in Not“ gesichert würden. Dies ist ebenso unzutreffend wie unnötig. Erstens existiert die Stiftung seit dem Jahr 2001; zweitens wurde das Familienförderungsgesetz im Jahr 2005 verabschiedet; drittens steht das gesamte Gesetz gemäß § 1 Abs. 3 unter dem Haushaltsvorbehalt und viertens - das hatte ich vorhin gesagt - kann man Gesetze jederzeit ändern. Die Reihe dieser im Grunde überflüssigen Regelungen ließe sich fortsetzen.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zu § 3 - Familienfreundlichkeitsprüfung - des Familienförderungsgesetzes erhielten wir jede Menge Tabellen dazu, was in den einzelnen Ressorts alles geprüft wurde. Dies ist sehr löblich. Aber eine zentrale Statistik darüber lag nicht vor, obwohl diese am 9. Juni 2009 vom Kabinett beschlossen wurde. Durch das damalige Ministerium für Gesundheit und Soziales sollte einmal jährlich eine statistische Auswertung zur Familienfreundlichkeit erfolgen. Am 20. Dezember 2011, also zwei Jahre später, wurde dieser Beschluss aufgehoben. Somit bleiben logische Schlussfolgerungen aus.
Der Wettbewerb „Familienfreundliche Kommune“ und die Auditierungen zur Familienfreundlichkeit sollten Anreize für Kommunen und Unternehmen dafür schaffen, ein familienfreundliches Umfeld herzustellen. Was ist daraus geworden? - Während der letzten neun Jahre gelang die Auditierung im Bereich der Familienfreundlichkeit bei 45 Unternehmen, Institutionen und Hochschulen. Das Audit erreichte damit mehr als 30 000 Personen.
Das ist also eine positive Bilanz. Für uns stellt sich jedoch die Frage, warum sich nur das Ministerium für Arbeit und Soziales auditieren ließ. Familienpolitik ist unserer Ansicht nach ein Querschnittsthema und gehört in allen Landesverwaltungen auf die Agenda.
Hierbei könnten die Ministerien mit gutem Beispiel vorangehen. Und wer heute Morgen aufmerksam die Regierungserklärung der Ministerin gehört hat, der weiß, wie sie die Familienpolitik künftig vorantreiben möchte.
Weniger erfolgreich verlief der Wettbewerb um die familienfreundlichste Kommune. Das Land Sachsen-Anhalt hat den Wettbewerb „Kinder- und familienfreundliche Kommune“ in den Jahren 2006 und 2009 durchgeführt. Einen dritten Wettbewerb gab es dann nicht mehr, da nach Aussage der Landesregierung Aufwand und Nutzen in keinem ausgewogenen Verhältnis mehr standen. Im Februar 2012 wurde § 4 Abs. 2 des Haushaltsbegleitgesetzes aufgehoben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes wurde der Familienratgeber in einer Stückzahl von 68 020 Exemplaren ausgegeben. In den Jahren 2013 und 2014 erschien er nicht mehr. Eine aktualisierte Auflage wird es voraussichtlich im dritten Quartal 2015 geben. Also, Herr Minister, gute Werbung und Öffentlichkeitsarbeit sehen meiner Meinung nach anders aus.
Auch die Einrichtung zentraler Stellen in den Landkreisen, kreisfreien Städten, Gemeinden, Städten und Verbandsgemeinden zur Information für Familien hat sich als ungenügend herausgestellt. Von 14 Landkreisen und kreisfreien Städten verfügen vier über eine entsprechende Auskunftsstelle. Demzufolge kann auch die Zahl der Auskunftsbegehren in den Bereichen gemäß § 5 Abs. 2 Nrn. 1 bis 4 des Familienförderungsgesetzes nur unzureichend ermittelt werden. Gerade einmal zwei Landkreise konnten Auskunft geben. Diese enttäuschende Situation ist dem Regelungscharakter der Vorschrift geschuldet. Es handelt sich hierbei um eine Kann-Vorschrift.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Positiv hervorzuheben ist die Vergabe finanzieller Hilfen zur Bildung selbstgenutzten Wohneigentums. Insgesamt sind in der Zeit von 2005 bis 2014 Zuschüsse und Darlehen in Höhe von insgesamt ca. 92 Millionen € vergeben worden. Dies ist eine beträchtliche Summe und das würdigen wir ausdrücklich.
Anders sieht es wiederum bei der kommunalen Wohneigentumsförderung nach § 7 aus. Diese bieten nur Wernigerode, Burg und bis zum letzten Jahr auch Eilsleben an. Ansonsten verfügt keine weitere Kommune über entsprechende Förderpro
Erstaunt waren wir über die Antworten auf unsere Fragen 19 und 20. Es existiert weder eine praxisorientierte Handreichung noch ein Beratungsdienst des Landes für die Gestaltung eines familienfreundlichen Lebensumfeldes in den Kommunen. Im Gesetz ist beides gefordert, eine Umsetzung erfolgte nicht. Entweder die Landesregierung holt dieses Versäumnis nach oder sie setzt sich dafür ein, § 6 Abs. 2 komplett zu streichen.
Enttäuschend sind auch die Antworten in Bezug auf den Familienpass des Landes. Schauen wir uns die Zahlen, die die Landesregierung vorgelegt hat, an. Wurden im Jahr 2006 noch 2 000 Familienpässe ausgegeben, so sind es im Jahr 2014 nur noch 376 Anträge. Damals wie auch heute sind wir der Auffassung, dass es besser ist, Familienpässe auf regionaler und kommunaler Ebene zu fördern. Viele Landkreise machen davon auch Gebrauch.
Zu dem Abschnitt „Förderung von Familienbildungsangeboten, Familienerholung mit Bildungsangeboten sowie von Familienberatungsstellen“ werde ich mich kurz fassen. Wir haben darüber schon häufiger im Ausschuss gesprochen. Auch hierbei handelt es sich lediglich um Nennungen von bereits vor der Verabschiedung des Familienförderungsgesetzes existierenden Förderprogrammen, die letztlich auch unter dem Haushaltsvorbehalt stehen. Gleiches konnten wir in den letzten Jahren auch in Bezug auf die Familienzentren feststellen.
§ 15 Abs. 2 sieht die Förderung von Familienangeboten an Kindertagesstätten vor. Leider fand nach der Aussage der Landesregierung nur in den Jahren 2009 und 2010 ein Projekt, nämlich das Projekt „Sprachförderung von Familien mit Migrationshintergrund in Kinder-Eltern-Zentren“, statt. Das halten wir für viel zu wenig.
Zum Schluss möchte ich noch etwas zu der Übertragung von Aufgaben nach dem Unterhaltsvorschussgesetz sagen. Auch die Neuregelung in § 19 des Gesetzes hat nicht dazu geführt, dass die Kommunen in Größenordnungen zusätzliche Mittel für Familienprojekte zur Verfügung gestellt haben. Somit hat sich das positive Anliegen ebenfalls nicht erfüllt. Die Landesregierung hat mit dem Haushaltsbegleitgesetz des Jahres 2012 die Regelungen in § 19 Abs.1 rückgängig gemacht.
Zusammenfassend können wir also einschätzen, dass mit dem Familienförderungsgesetz kaum weitere Akzente für mehr Familienfreundlichkeit gesetzt wurden. Es sollte im Jahr 2005 einen ersten Aufschlag mit dem Gesetz als Einstiegsgesetz geben. Damals sind eine kontinuierliche Fortschreibung und eine bewusstseinsverändernde Wirkung angekündigt worden.
Was ist daraus geworden? - Es wurde nicht kontinuierlich fortgeschrieben. Daran ändert auch die letzte Novelle zum Beratungsstellengesetz nichts, zumal diese Änderungen nun auch noch gesetzlich unter dem Haushaltsvorbehalt stehen. Noch haben sich keine bewusstseinsverändernde Wirkungen, was auch immer das heißen mag, eingestellt.
Was wir aber konstatieren können, sind die trotz des Gesetzes in den letzten Jahren vorgenommenen Kürzungen bzw. Kürzungsversuche in genau den Bereichen, auf die sich das Gesetz mehrheitlich bezieht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Aus unserer Sicht gehört das Familienförderungsgesetz entrümpelt. Es enthält zu viel unnützen Ballast und zu wenige verbindliche Regelungen. Familienpolitische Maßnahmen, so hat es die Studie „Zukunftschancen junger Frauen und Familien in Sachsen-Anhalt“ gezeigt, sind nur wirkungsvoll, wenn sie sich auf das konkrete sozialräumliche Umfeld beziehen, nämlich auf das Wohnumfeld und auf das Arbeitsumfeld der Menschen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Hohmann, man wird gleich hellhörig, wenn ein Zitat angekündigt wird, das vor