Protokoll der Sitzung vom 14.11.2014

Aus unserer Perspektive sind weder Angst noch Sensationshascherei und schon gar nicht der laute Ruf nach einer Verschärfung ordnungspolitischer Hebel sinnvoll. Die Erfahrung lehrt uns, wie begrenzt und teils sogar kontraproduktiv die Wirkung der repressiven Maßnahmen in der Drogenpolitik ist.

Diese Erkenntnis stärkt zugleich das Plädoyer zum Ausbau von Prävention und Therapie. Daher halten wir den Alternativantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für deutlich zielführender.

Die ambulanten Suchtberatungsstellen und Therapieeinrichtungen in diesem Land legen uns Zahlen über sehr drastische Steigerungen des CrystalMeth-Konsums vor. Das spiegelt sich ja auch in der Antwort auf unsere Große Anfrage wider, die

wir im Januar 2015 ausführlicher besprechen werden.

Das Klinikum Magdeburg kommt dabei zu folgender Schlussfolgerung: Die meisten Patienten kommen nicht von allein, sondern werden in einem sehr schlimmen Zustand eingeliefert. Die Erkrankungen sind vielschichtig. Der Behandlungs- und Therapiebedarf ist enorm hoch. Das führt zu einer Steigerung der Kosten in den Bereichen Personal, Diagnosen, Medikamente, Zahnarztbehandlungen, die gedeckt werden müssen. Darüber hinaus weist es eindringlich auf den Bedarf an Fortbildungen hin, die derzeit lediglich in unzureichendem Maße angeboten werden.

Unisono sagen alle in diesen Prozess Involvierten: Crystal Meth ist kein medizinisches oder soziales Problem. Es ist ein gesamtgesellschaftliches Problem. Es muss auch so angegangen werden.

Worauf muss die Politik ihr Handeln ausrichten? - Prävention muss ein dauerhafter, kontinuierlicher Prozess sein. Er ist personell und sächlich zu untersetzen. Die Zusammenarbeit der verschiedenen Professionen vor Ort muss ermöglicht und mit Suchtpräventionskräften vor Ort unterstützt werden. Die Regelversorgung aufgrund von frühen und lange wirkenden Gesundheitsschäden muss dauerhaft gesichert sein. Es bedarf einer breiten Sensibilisierung der Öffentlichkeit, um Symptome zu erkennen und Hilfeleistungen zu ermöglichen.

Wir brauchen insbesondere Hilfe für junge Mütter und junge Familien. Die Verfügbarkeit von Drogen muss eingeschränkt und es müssen Schutzräume für Konsumenten geschaffen werden, um Folgeerkrankungen zu reduzieren. - Dies sind nur einige Aspekte, die vor allem aus dem Bereich der Praxis kommen.

Diesem Ansinnen kommt der Alternativantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN etwas näher. Daher können wir diesem zustimmen.

Etwas schade ist indes, dass hierin die Idee des Fachgespräches aus dem Antrag der Regierungsfraktionen nicht aufgegriffen wurde. Allerdings hielten wir es auch für unzureichend, dieses, wie dort festgestellt, ausschließlich mit der Landesstelle für Suchtfragen durchzuführen. In dieses wären auch andere Akteure einzubinden: die Polizei, Bereiche der sozialen Arbeit bis hin zur Schule.

In der Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD werden wir uns der Stimme enthalten. Das Problem sehen wir hierin unzureichend in Angriff genommen. Ablehnungsgründe enthält der Antrag indes nicht.

Ich freue mich auf eine tiefere Erörterung der Thematik im Januar 2015 und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Krause.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Begründungstext im Antrag der Koalitionsfraktionen der CDU und der SPD zeigt uns die potenzielle Gefahr durch Crystal Meth eindeutig auf.

Methamphetamin, auch als Crystal Meth bekannt, ist ein synthetischer Stoff, der sehr billig hergestellt wird und auch vertrieben werden kann. Er kann geraucht, geschnupft, gegessen oder gespritzt werden. Das Suchtpotenzial ist um ein Vielfaches höher als bei Heroin oder Kokain. Es wirkt stark aufputschend. Lässt die Wirkung nach, treten sehr starke Symptome mit völliger körperlicher und physischer Erschöpfung auf. Der Drang nach dem nächsten Kick ist dementsprechend hoch.

Crystal Meth ist auch deshalb eine schnell abhängig machende Droge. Es wird mittlerweile von Fällen berichtet, in denen Konsumenten schon nach einmaligem Konsum abhängig wurden.

Langfristige Folgen sind Schädigungen der Nervenzellen, schwere Psychosen, Zahnausfall und körperlicher Verfall einschließlich Organversagen, was schließlich zum Tod führt.

Crystal Meth gehört neben anderen Amphetaminen und Haschisch zu den am meisten konsumierten illegalen Drogen in Sachsen-Anhalt. Der Handel mit dieser Droge nimmt neben den Bundesländern Bayern, Sachsen und Thüringen in unserem Bundesland immer größere Ausmaße an und breitet sich in Richtung Norden aus.

Der Konsum von Heroin, Kokain und LSD ist nach Auswertung der Polizeilichen Kriminalstatistik zurückgegangen. Demgegenüber stieg der Konsum von Crystal Meth in dem Zeitraum von 2011 bis 2013 um 279 % an.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Genau hierzu bitten wir die Landesregierung, das Parlament über beabsichtigte Maßnahmen zur Prävention und zur Bekämpfung des Handels und des Konsums von Crystal Meth zu unterrichten. Des Weiteren interessiert uns natürlich auch der Umfang der Zusammenarbeit mit anderen Polizeibehörden und mit dem Zoll im Bund und in anderen betroffenen Ländern und Bundesländern.

Zum Beispiel hat das sächsische Innenministerium in Zusammenarbeit mit dem dortigen Sozial-, dem Kultus-, dem Justiz- und dem Wirtschaftsministerium und dem Kabinett einen Zehn-Punkte-Plan für die Bekämpfung von Crystal Meth vorgelegt. Darin geht es um einen ressortübergreifenden ganzheit

lichen Ansatz, um Crystal Meth einzudämmen und präventiv zu agieren. Die Bekämpfung von Crystal Meth sei ein Schwerpunkt in der Arbeit der Sächsischen Staatsregierung, heißt es weiter.

Der Zehn-Punkte-Plan Sachsens gegen Drogen basiere auf drei Säulen: Prävention durch Information, Beratung und Zusammenwirken von Behandlung und Repression. Die Maßnahmen fügen sich in die Gesamtstrategie zur Suchtprävention ein und sorgen dafür, dass Akteure und Träger vor Ort Prävention und Aufklärung als gemeinsame Aufgabe wahrnehmen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch der letzte Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung bestätigt den Anstieg. Laut dem aktuellen Drogen-und Suchtbericht ist die Anzahl der Fälle stark angestiegen und die Tendenz zeigt weiter stark nach oben.

Zum Abschluss meiner Rede möchte ich den sächsischen Innenminister Markus Ulbig zitieren:

„Bei Crystal geht es auch darum, den Verfolgungsdruck auf Produzenten und Dealer hoch zu halten. Nur gemeinsam und abgestimmt mit unseren tschechischen und polnischen Nachbarn können wir Erfolge gegen das Teufelszeug erreichen“.

Dem ist nichts hinzuzufügen.

Den Alternativantrag der GRÜNEN lehnen wir ab. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und bitte Sie um Ihre Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei der CDU)

Danke, Kollege Krause. - Für die Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Abgeordnete Frau Lüddemann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Sie entnehmen es unserem Alternativantrag: Wir halten den Antrag der Regierungskoalition für gänzlich sinnfrei, weil er überhaupt nicht weit genug geht.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Der Minister hat es an der Stelle, glaube ich, ein bisschen falsch verstanden. Natürlich muss man über das Thema reden. Man muss über das Thema diskutieren, aber eben nicht über die Zahlen, die seit Langem vorliegen, sondern über das, was man dezidiert in der Zukunft tun will, über die Maßnahmen, die einzuleiten sind.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Es ist schade, dass Sie mit der Überschrift Ihres Antrages eine ganz andere Erwartung wecken;

denn mit Ihrem Antrag wird Crystal-Meth-Konsum in keiner Weise bekämpft. Sie stellen Fragen, die durch die Antworten auf meine Kleine Anfrage und die Große Anfrage zum Thema „Harte Drogen in Sachsen-Anhalt“ der Fraktion DIE LINKE längst beantwortet worden sind.

(Herr Höhn, DIE LINKE: Genau!)

Darüber müssen wir auch nicht in einem Fachgespräch ohne einen dezidierten Antrag reden, der weitergehende Forderungen aufmacht. Denn Sie wissen besser als ich, die noch nicht so lange dem Hohen Hause angehört, dass der Sozialausschuss nicht eigenständig antragsberechtigt ist, dass also aus einem solchen Fachgespräch nichts weiter erwachsen würde. Nach dem Bericht im Fachausschuss würde der Antrag für erledigt erklärt werden. Alle aus der Koalition könnten dann sagen, wir haben doll was gegen Crystal Meth getan.

(Frau Niestädt, SPD: Das ist doch Quatsch!)

Sie selbst haben jetzt hier ausgeführt, dass die Handlungsnotwendigkeit sehr viel dringender ist. Ich muss die Zahlen nicht wiederholen. Gestern - ich glaube, das macht es am eindrücklichsten - gab es einen Rekordfund des Grundstoffes im Umfang von 2,3 t im Wert von 184 Millionen €.

Minister Bischoff hat bereits dargestellt, dass das vom BKA als eine völlig neue Qualität eingeschätzt worden ist. Es ist das erste Mal, dass solche Mengen in Deutschland eigenständig hergestellt bzw. als Grundstoff bereitgestellt wurden. Ich glaube, das zeigt, wie dringend das Problem behandelt werden muss.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Das nur in Bezug auf Daten zu tun, die alle schon vorliegen, ist ein Schlag in den Nacken derjenigen, die sich wirklich tagtäglich gegen die Droge einsetzen. Ich kann das sagen, weil ich vor 14 Tagen meinen Praxistag, den ich alle halbe Jahre mache, in einer Beratungsstelle verbracht habe. Wenn Sie sich einmal die Personen ansehen, die unter Crystal-Meth-Konsum leiden, dann, glaube ich, stellen Sie hier andere Anträge.

Die Antworten auf die Kleine Anfrage zum Thema „Crystal (Methamphetamin) in Sachsen-Anhalt“ meiner Wenigkeit und auf die Große Anfrage zum Thema „Harte Drogen in Sachsen-Anhalt“ geben alle nötigen Informationen. Man kann die zur Kenntnis nehmen. Man hätte sie längst zur Kenntnis nehmen können und hätte jetzt weiter nach vorn gehen können.

Ich will jetzt nicht noch einmal alle Zahlen vorlesen; Frau Dr. Späthe hat Einiges ausgeführt. Aber: Wenn man sich zum Beispiel ansieht, dass im Jahr 2004 92 Fälle in den Suchtberatungsstellen und im Jahr 2012 - das ist auch schon wieder zwei Jahre her - 688 Fälle aufgelaufen sind, und das

hochrechnet, ich glaube, dann liegt jeglicher Handlungsdruck auf der Hand.

Man findet das auch in der Antwort auf die Große Anfrage. Darin steht geschrieben - ich zitiere -:

„Sorge bereitet der offensichtliche Anstieg der Ermittlungsverfahren, die wegen des Konsums von Crystal eingeleitet worden sind.“

Weiterführend steht darin - Zitat -: