Protokoll der Sitzung vom 10.12.2014

Messen wir Sie einmal an Ihren eigenen Versprechungen, was Sie alles für dieses Land erreichen wollten, und daran, welche Möglichkeiten Ihnen eingeräumt worden sind - nicht unbedingt durch Handeln in diesem Land, sondern durch die allgemeine Wirtschaftslage.

Sie hatten im Jahr 2011 Steuereinnahmen von noch 5,1 Milliarden €. Jetzt planen Sie 5,8 Milliarden €. Im Jahr 2016 nähern wir uns den 6 Milliarden €. Das sind 900 Millionen € neue Spielräume, die Sie haben.

Zinsentwicklung - Sie sprachen es vorhin selbst an -: neue Spielräume, 200 bis 300 Millionen €.

Sie bekommen zusätzliches Geld des Bundes beim BAföG. Sie bekommen Geld für die Grundsicherung im Alter. Sie bekommen ab nächstem Jahr Geld - darauf werden wir nachher noch einmal zurückkommen - auch für die KdU.

Was haben Sie daraus gemacht? - Ich erinnere mich noch an die großen Ankündigungen hier in diesem Haus, was alles geschehen sollte. Es sollte

eine Polizeireform geben. Die ist medial ganz groß angekündigt worden. Kornkreise und was weiß ich, was alles passieren sollte. Auf jeden Fall sollte sich bei der Polizei etwas bewegen. Man wollte auf das Problem irgendwie eingehen.

Sogar unser Innenminister, dessen Ideen ich grundsätzlich nicht gut finde, hatte in diesem Fall etwas ins Gespräch gebracht, das klug war. Er hatte gesagt: Wenn wir 6 000 Vollzugsbeamte auf der Straße halten wollen, dann müssen wir in der Verwaltung etwas tun. - Er hat vorgeschlagen - nur ganz kurz -, ein Landespolizeiamt zu bilden, statt drei Polizeidirektionen vorzuhalten. Was ist daraus geworden? - Koalitions-Klein-Klein, zerredet, weg.

Hochschulen sind der Ort, an dem sich geistige Potenziale eines Landes sammeln. Hochschulen sind der Ort, an dem sich im Land etwas entwickelt. Da kommt die Landesregierung seit vorigem Jahr des Wegs und kürzt.

Übrigens: Sie haben vorhin gesagt: Im Haushalt haben wir nur das, was vereinbart ist, nachvollzogen. - Die Vereinbarung geht aber schon auf einen anderen Haushalt von Ihnen zurück. Man kann sich jetzt streiten, was zuerst da war.

(Herr Borgwardt, CDU: Das Huhn!)

Ich behaupte, zuerst waren Ihre Kürzungen da. Ich glaube, dieser Punkt wird Ihnen nicht so leicht vergeben. Ich habe es erst letzten Dienstag in Halle wieder gesehen: Die Studentinnen und Studenten nehmen das nicht hin. Dabei geht es um ihre Zukunft, die sie in unserem Land haben wollen. Für die haben wir als Parlament eine Verantwortung.

(Beifall bei der LINKEN)

Dann höre ich, dass da zurückgenommen wird. Die Vorsitzende der SPD-Fraktion pfeift den Wirtschaftsminister zurück.

(Herr Miesterfeldt, CDU: Was?)

- Ja, das las ich. Aber ich las nicht, dass die erfolgten Kürzungen zurückgenommen werden sollen. Ohne dies hilft all das Pfeifen aber nichts; denn dann ist es nur ein Pfeifen im Wald.

(Beifall bei der LINKEN)

Ein großes Projekt der Landesregierung. Man muss schon eine tolle Landesregierung sein, um den Kulturabbau, den wir im vergangenen Jahr erlebt haben, als Projekt zu bezeichnen. Aber Sie haben es getan mit all den Folgen.

Ein großes Projekt sind Sie angegangen. Sie haben es vorhin angesprochen. Dabei sind wir gar nicht so weit auseinander. Fast eine Viertel Milliarde Euro für Kinderbetreuung. Das KiFöG war richtig. Den Ganztagsanspruch einzuführen, war richtig. Den Personalschlüssel zu verändern, war richtig. Jetzt gucken wir aber einmal ins Land. Wie redet man denn über dieses KiFöG? - Sie haben

es geschafft, selbst etwas Vernünftiges so zu machen, dass die Leute mit dem Kopf schütteln.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Dann gab es noch die Justizreform. Dabei ging es um Gefängnisse, die zu schließen waren, und zwar in Halberstadt, in Naumburg, in Magdeburg. Immer gab es die entsprechenden Proteste dazu. Man könnte es als völlig normal bezeichnen, dass es diese Proteste gab. Aber niemand dieser Protestierenden, zumindest wenn er aus den Kreisen der Koalition kam, hat gesagt:

(Herr Borgwardt, CDU: Die sitzen ja nicht!)

Wenn wir kleine Gefängnisse wollen, weil sie für die Resozialisierung gut sind, dann brauchen wir auch das notwendige Personal und dann kommen wir mit dem vorhandenen Personal nicht klar. Das heißt, eine Reform, die man nicht gut finden muss, wurde torpediert, aber über den Grund des Problems, weswegen diese Reform durchgeführt wird, reden Sie nicht.

Etwas Schönes ereignete sich im Sommer: Abgeordnete aller Fraktionen aus der schönen Stadt Dessau-Roßlau setzen sich ein und ketteten sich an ihr Gefängnis. Das fand ich gut.

(Zuruf von Herrn Borgwardt, CDU)

Am schönsten fand ich das Argument, dass man das Gefängnis in Dessau nicht schließen könne, weil es ein strukturprägendes Element ist. Meine Damen, meine Herren! In was für einem Land leben wir, in dem in einem Oberzentrum ein Gefängnis ein strukturprägendes Element ist

(Zurufe von Herrn Kolze, CDU, und von der LINKEN)

und in dem Abgeordnete dieses Hauses dieses unwidersprochen sagen können? Das wirft ein Bild auf den Zustand in diesem Land. Das wirft ein Bild darauf, in welcher latenten Unsicherheit wir uns in vielen Bereichen befinden. Warum fürchtet denn eine Stadt wie Dessau, dass das ein Problem für sie wird? Weil die Kommune in den letzten Jahren die Erfahrung gemacht hat, dass es weniger wird. Wenn es beim Land besser wird, wird es bei den Kommunen irgendwie weniger.

Nehmen wir das FAG. Oder nehmen wir es nicht. Nehmen wir den Finanzminister mit seinem Dreiklang aus - ich habe es mir aufgeschrieben -: Rücklagen bilden, Schulden abbauen, Vorsorge, hohe Investitionen. Schuldenabbau und FAG. 65 Millionen € sollen im kommenden Jahr getilgt werden; 100 Millionen € in dem darauffolgenden Jahr. Nun schauen wir uns den Haushalt an und überlegen, woher diese Tilgung kommt. Wo sind denn die Ressourcen, die freigeschossen wurden, um diese Tilgung zu ermöglichen? Wo ist denn der durchgreifende Strukturwandel in diesem Haushalt, der das möglich gemacht hat?

Ich habe es vorhin gesagt: Spielräume von 200 Millionen € bis 300 Millionen € bei den Zinsen. Die finden wir in der Tilgung nicht wieder.

(Minister Herr Bullerjahn: Der Soli läuft aus; das wissen Sie!)

Sie hatten auch einmal ausgerechnet, dass unser Haushalt bei 8 Milliarden € liegt. Wir sind bei 10 Milliarden €.

(Zustimmung bei der LINKEN - Zuruf von Herrn Leimbach, CDU)

Finden wir die Spielräume, die sich aus den Steuermehreinnahmen ergeben, in der Tilgung? - Nein. Sie haben für die Kommunen eine Entlastung bekommen bei der Grundsicherung im Alter. Diese betrug 31 Millionen €, die Sie bei den Kommunen auch abgezogen haben.

(Zuruf von Herrn Borgwardt, CDU)

Sie werden im nächsten Jahr weitere 31 Millionen € bekommen aufgrund der Übernahme der KdU. Sie führen in diesem Zusammenhang die Eingliederungshilfe an, auf die ich noch zu sprechen komme. Sie sagen, die Eingliederungshilfe macht 60 Millionen € aus.

Das heißt, Sie haben die zusätzlichen Mittel des Bundes verwendet, um die Tilgung zu finanzieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Wo sind denn bitte die Veränderungen, das Vorsorgen in Ihrem Haushalt, die das ermöglichen? Ja, und dann kam die Steuerschätzung, und schon war die ganze Vorsorge weg.

(Minister Herr Bullerjahn: Ist sie nicht!)

Dann gehen wir natürlich an die Schwankungsreserve, an die 20 Millionen €, heran. Das, was wir jetzt weniger an Steuereinnahmen haben - lieber Herr Finanzminister, das habe ich Ihnen schon gesagt -, ist eine ganz normale Konjunkturdelle. Wir sind noch immer bei Wachstumszahlen, die bei entwickelten Industrienationen eindeutig das Prädikat Konjunktur tragen. Trotzdem gerät durch diese Steuerschätzung der Haushalt so in Unordnung, dass Sie Ihre Vorsorgeelemente opfern müssen. Ich teile diese Vorsorgeelemente nicht nur, sondern ich nehme sie ernst und schaue mir das an.

(Herr Borgwardt, CDU: Eine Dampfmaschine!)

Sie haben die Bundesmittel eingestrichen. - Ja, klar, das sind die Schwierigkeiten, die wir im Land haben. Das sind die wenigen strukturellen Veränderungen in unserem Land.

Was macht eine Regierung, wenn sie nichts vorweisen kann? - Sie wirbt für sich. So haben wir zumindest einen Aufwuchs im Werbeetat dieses Landes zu verzeichnen. Sie finden im Einzelplan 02 - Staatskanzlei - einen Aufwuchs um

1,1 Millionen € für die Jahre 2015 und 2016. Das Land wirbt für sich. Davor gab es einen solchen Titel nicht. Das Land muss für sich werben. Was bleibt ihm anderes übrig? 1,1 Millionen €.

(Frau Niestädt, SPD: Ironie ist da nicht an- gesagt!)

- Liebe Frau Niestädt, das ist keine Ironie; das ist eine Feststellung. Der Etat ist um 1,1 Millionen € gestiegen, weil die Regierung das Bedürfnis hat, für sich zu werben.

(Herr Miesterfeldt, SPD: Für das Land! Herr Borgwardt, CDU: Für das Land!)

- Wir werden genau beobachten, Herr Borgwardt, wer für wen wirbt und was in den Anzeigen steht.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Ich hoffe, dass es nicht wieder so gräulich daher kommt wie die Frühaufsteher-Kampagne und das, was ihr folgte.