Statt Sippenhaft für alle wird dem rechtsstaatlichen Prinzip individueller Verantwortung Rechnung getragen. Das stärkt all die vielen Polizistinnen und Polizisten, die täglich einen schwierigen Dienst versehen und dabei nach Recht und Gesetz handeln.
Es erhöht das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in ihre Polizei und es ermöglicht es, diejenigen Beamten, die sich nicht an Recht und Gesetz halten, in einem rechtsstaatlichen Verfahren zur Verantwortung zu ziehen;
denn die Polizei ist kein Schlägertrupp, auch wenn sie Gewalt einsetzt. Sie ist notfalls zur Gewaltanwendung befugt, weil und insofern sie sich an Recht und Gesetz hält. Darum genießt sie hohes Ansehen in der Bevölkerung. Das soll auch so bleiben.
Hochverehrte Kolleginnen und Kollegen, unterstützen Sie unseren Gesetzentwurf für mehr Transparenz, Verantwortung und Rechtsstaatlichkeit bei der Polizei. - Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege. - Wir hören nun zu der Einbringung des Antrages der Fraktion DIE LINKE Frau Kollegin Tiedge.
Meine Damen und Herren! In der Bundesrepublik Deutschland gibt es bis heute keine generelle und verbindliche Kennzeichnungspflicht für Polizistinnen und Polizisten. Eine breite Diskussion über die Identifizierbarkeit der Polizeibeamtinnen und -beamten wird aber gegenwärtig in fast allen Bundesländern geführt.
Bevor ich in die Details der Problematik einsteige, möchte ich ausdrücklich auf Folgendes hinweisen, um den mir nachfolgenden Rednern der Koalitionsfraktionen die Möglichkeit einzuräumen, eventuelle Behauptungen bzw. Sätze bereits im Vorfeld aus ihren Redemanuskripten zu streichen.
Denn wie Ihrerseits in der Öffentlichkeit immer wieder versucht wird, der Linken zu unterstellen, wir würden die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten unseres Landes unter einen Generalverdacht stellen und wir würden zwischen den Bürgerinnen und Bürgern ohne Uniform und denen mit Uniform Misstrauen säen wollen, vermute ich ganz stark, dass wir auch heute wieder diesen an uns gerichteten Vorwurf hören werden.
Das ist jedoch, gelinde gesagt, Nonsens; denn das Gegenteil ist der Fall. Es geht nicht um Misstrauen, sondern vielmehr um Vertrauen in eine rechtsstaatlich handelnde Polizei.
Wir verfolgen das Ziel der Einführung einer allgemeinen Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte und -beamtinnen gerade deshalb, damit Vorwürfe eben nicht in einem Generalverdacht gegenüber der Polizei gipfeln; denn es sind nicht die Polizistinnen und Polizisten im Allgemeinen, die ihre Befugnisse überschreiten oder vielleicht sogar Straftaten begehen; es ist immer ganz konkret eine Beamtin oder ein Beamter.
Auch wenn wir wissen, dass sich die überwiegende Mehrheit unserer Polizeibeamten und -beamtinnen an Recht und Gesetz hält, ihre polizeiliche Aufgaben korrekt, verantwortungsbewusst und mit großem Engagement erfüllt, gibt es gleichwohl eine geringe Anzahl von Vorfällen von polizeilichen Übergriffen, bei denen es berechtigt zu Kritik und Beanstandungen seitens der Bürgerinnen und Bürger am Vorgehen von Polizei- und Ordnungskräften gekommen ist.
Nun soll mir einmal jemand erklären, warum der Beamte oder die Beamtin dann nicht zur Verantwortung gezogen werden soll. Dafür, dass das in der Vergangenheit oftmals sehr schwierig oder sogar unmöglich war, gibt es eine Reihe von Beispielen.
Wenn eine Identifizierung jener kleinen Minderheit von Polizisten, die Straftaten an Bürgerinnen und Bürgern begangen haben, möglich ist, können entsprechende Vorwürfe auch individuell erhoben werden und treffen nicht pauschal die Polizei als anonyme Verkörperung der Staatsmacht.
Ferner können Polizisten anhand von Zeugenaussagen nicht nur belastet, sondern auch entlastet werden.
Doch wie wollen Sie jemanden erkennen, der in voller Dienstausrüstung vor Ihnen steht, mit Helm und allem, was dazu gehört? Wie wollen Sie jemanden identifizieren, der durch das Tragen von uniformierter Schutzkleidung, bei polizeilichen Einsätzen teilweise mit Gesichtsmasken, in einer anonymen Einheit bzw. Gruppe untergeht?
Konkrete personelle Zuordnungen, die Identifizierung einzelner Personen sind hierbei kaum möglich. Da bleibt gerade einmal die Beschreibung der Größe oder des Geschlechtes der Person.
Das bedeutet letztlich aber auch, dass bei entsprechenden Vorkommnissen eine ganze Polizeieinheit in der Öffentlichkeit unter Generalverdacht gestellt wird. Das kann doch wohl nicht gewollt sein.
Eines der tragenden Prinzipien des demokratischen Rechtsstaates ist und bleibt die Kontrollierbarkeit staatlicher Macht. Dieser Kontrolle muss sich auch die Polizei stellen. Letztlich geht es uns bei der Kennzeichnungspflicht darum, rechtsstaatliche Standards herzustellen.
Eine Kennzeichnung von Polizeibeamtinnen und -beamten trägt auch dem Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit Rechnung, wie er im Europäischen Kodex der Polizeiethik niedergelegt ist. Herr Striegel zitierte den Kommentar bereits. Ich wiederhole ihn gern; denn manchmal hilft auch eine Wiederholung. In dem dazugehörigen Kommentar des Ministerrates heißt es - ich zitiere -:
„Ohne die Möglichkeit, einen Polizisten oder eine Polizistin persönlich zu identifizieren, wird der Begriff der persönlichen Verantwortung aus der Perspektive der Öffentlichkeit sinnentleert.“
Eine bürgernahe und bürgerfreundliche Polizei sollte den Bürgerinnen und Bürgern offen, kommunikativ und transparent gegenübertreten. Ein deutliches Zeichen dafür wäre somit, mittels allgemeiner Kennzeichnungspflicht aus dem Schatten
der polizeilichen Anonymität herauszutreten. Das würde unzweifelhaft zu einer nachhaltigen Vertrauensbildung zwischen den Bürgerinnen und Bürgern sowie der Polizei unseres Landes beitragen.
Die Bürgerinnen und Bürger des Landes SachsenAnhalt erwarten zu Recht, dass die Polizei auf der Grundlage der geltenden Gesetze handelt und die Verhältnismäßigkeit beim Einsatz ihrer Mittel wahrt. Diesem Anspruch wird die Mehrheit der Polizeibeamtinnen und -beamten mit großer Selbstverständlichkeit in vollem Umfang gerecht. Dafür gebührt ihnen an dieser Stelle unser ausdrücklicher Dank.
In der teilweise sehr hitzigen, emotional geladenen und zum Teil auch unsachlichen Diskussion - ich komme später nochmals darauf zurück - hinsichtlich unseres angekündigten Antrages zur Kennzeichnungspflicht hatte sich auch ein Polizeibeamter in einem Leserbrief geäußert. Er schrieb dort Folgendes - ich zitiere -:
„Ich bin nun seit mehr als 30 Jahren Polizist, war in Einsatzverbänden und habe geschlossene Einsätze in der gesamten Bundesrepublik Deutschland erlebt; und ich hatte oftmals Angst, zum Teil Todesangst, habe mich verletzt, habe verletzte und schwer verletzte Kollegen versorgt und in Sicherheit gebracht.“
Ja, diese Situationen und Vorfälle gibt es. Das ist für die Polizeibeamtinnen und -beamten mehr als schlimm. Das wird von uns auf das Entschiedenste verurteilt. Aber es muss ebenfalls mit aller Deutlichkeit gesagt werden, dass auch Demonstrantinnen und Demonstranten sowie Teilnehmerinnen und Teilnehmer von Kundgebungen oder Fußballspielen ähnlichen Situationen und Gefühlen, wie gerade beschrieben, ausgesetzt sind, wenn sie sich Polizisten gegenübersehen, die ihre Befugnisse überschreiten und gewalttätig werden.
(Herr Kolze, CDU: Wie oft findet das statt, was Sie gerade beschrieben haben? - Herr Sturm, CDU: Gott o Gott!)
Dann müssen die betroffenen Bürgerinnen und Bürger in die Lage versetzt werden und zu Recht die Möglichkeit haben, den betreffenden Beamten oder die betreffende Beamtin zu identifizieren, damit dieser bzw. diese wie jeder andere Bürger bzw. jede andere Bürgerin in diesem Land zur Rechenschaft gezogen werden kann. Ich frage Sie: Was ist daran moralisch verwerflich?
Meine Damen und Herren! In einem Bericht des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages wird festgestellt, dass in fast allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union die Kennzeichnungspflicht bereits durchgesetzt ist, nur Deutschland und Öster
Das genannte Gutachten belegt ebenfalls, dass es eben nicht zu den immer wieder heraufbeschworenen, massenhaften ungerechtfertigten Angriffen auf Polizeibeamtinnen und -beamte gekommen ist. Ebenso gab es keine persönlichen Übergriffe auf Polizeibeamte und -beamtinnen aufgrund der Kennzeichnung. Und - das möchte ich betonen - das ist auch gut so!
Wenn das in den anderen europäischen Ländern so ist, warum soll das dann ausgerechnet in Deutschland anders sein?
In Brandenburg hat die Fraktion der CDU die Initiative ergriffen und einen entsprechenden Gesetzentwurf zur Einführung einer polizeilichen Kennzeichnungspflicht eingebracht. In der Begründung wird unter anderem ausgeführt, dass eine namentliche Kennzeichnung das Vertrauen in die Polizei durch Transparenz und Bürgernähe stärken kann. Sie dient der Sicherstellung der Rechtsschutzgarantie für die Bürger und gewährleistet eine schnelle Aufklärung von Fällen von Polizeigewalt.
Wie sich doch die Argumente gleichen, wenn man sich in der Opposition befindet. In Regierungsverantwortung scheinen diese Argumente nicht zu greifen, warum auch immer. Aber vielleicht bekommen wir in der heutigen Debatte von der CDU eine Erklärung dafür.
Meine Damen und Herren! Nun ist gerade auch in Sachsen-Anhalt die Diskussion zur Einführung einer Kennzeichnungspflicht für Polizistinnen und Polizisten teilweise von großer Unsachlichkeit geprägt gewesen.
DIE LINKE ist daran interessiert, eine breite inhaltliche Diskussion über die Vor- und Nachteile dieser Kennzeichnung zu diskutieren. Aber dann bitte ausschließlich auf einer fachlich fundierten, sachlichen Grundlage. Diese gewünschte sachliche Debatte wurde jedoch bedauerlicherweise insbesondere durch die Aussagen des Ministerpräsidenten unseres Landes in der Öffentlichkeit verlassen.
Dazu sage ich heute und hier nochmals mit aller Deutlichkeit: Herr Ministerpräsident, DIE LINKE nimmt Ihnen die nachträgliche Erklärung und Begründung für ihre ablehnende Haltung zur polizeilichen Kennzeichnung in keiner Weise ab. Wir sind davon überzeugt, dass Sie genau das gemeint haben, was alle so verstanden haben, nämlich den Vergleich mit der Kennzeichnung von Menschen während der Nazidiktatur. Das halten wir für einen ungeheuerlichen Vorgang.
Aber auch Ihre nachgereichte Erklärung ist völlig unakzeptabel. Dabei geht es uns nicht um Ihre Erfahrungen, die Sie als christlich geprägter Schüler oder Jugendlicher gemacht haben;