Protokoll der Sitzung vom 29.01.2015

Vielen Dank, Herr Kollege Borgwardt. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht jetzt der Abgeordnete Herr Herbst. Bitte, Herr Kollege.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein Rechtsanwaltsversorgungswerk ist weder eine Versicherung noch ist es Teil der gesetzlichen Rentenversicherung, auch wenn manche die Rentenversicherung so weit aufweiten wollen. Es ist vielmehr eine eigene Einrichtung aller Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte eines Bundeslandes.

Sein Ziel ist es, die berufliche Qualität seiner Mitglieder zu erhalten und sie mit ihren Familien im Alter und bei Berufsunfähigkeit abzusichern. Dass das Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Sachsen-Anhalt im Jahr 2007 seine Arbeit aufgenommen hat, ist somit ein wichtiger Bestandteil der Vertretung und der Absicherung dieses Berufsstandes in unserem Bundesland.

Ich denke, es kann nur in unser aller Interesse sein, dass Anwältinnen und Anwälte in SachsenAnhalt gut abgesichert sind und somit ihre Unabhängigkeit unterstützt wird. Das Versorgungswerk wird von den Anwältinnen selbst verwaltet und kommt ohne staatliche Zuschüsse oder Zuschüsse Dritter aus. Der Staat übt lediglich die notwendige Aufsicht aus.

Die in dem Gesetzentwurf vorgesehenen Änderungen tragen dieser Tatsache genauso Rechnung wie den gesellschaftlichen Realitäten und der Entwicklung des Berufsstandes der Anwältinnen in Sachsen-Anhalt.

Weil das Versorgungswerk die Unabhängigkeit wahrt und gut funktioniert, ist anzustreben, dass alle Anwältinnen und Anwälte darin vertreten sind, es auch bleiben und eine ausreichende Anzahl von ihnen auch an den Möglichkeiten der Selbstverwaltung teilnimmt. Dafür, meine Damen und Herren, brauchen wir ein attraktives Versorgungswerk. Nur ein Versorgungswerk, dessen Finanzierung auch langfristig gesichert ist, kann ein solches attraktives Versorgungswerk sein.

Der Wegfall der Befreiungsmöglichkeit von der Pflichtmitgliedschaft trägt dem Umstand Rechnung,

dass das Versorgungswerk nunmehr seit zehn Jahren existiert und die Anwaltschaft sich mit den Bedingungen vertraut machen konnte. Eine private Absicherung sollte nur noch als zusätzliche Absicherung und nicht mehr als Ersatz möglich sein. Analog zur deutschen Rentenversicherung ist eine Pflichtmitgliedschaft eine Systemvoraussetzung zum Funktionieren dieser Einrichtung. Würde der Beitritt zur Rentenversicherung im Belieben der Beitragszahlerinnen stehen, dann wären die Renten wohl in kürzester Zeit nicht mehr zu bezahlen.

Auch die weiteren vorgeschlagenen Änderungen finden grundsätzlich die Zustimmung meiner Fraktion und stoßen auch bei der Anwaltschaft und deren Vertretungen auf Wohlwollen.

Über die Details, meine Damen und Herren, können wir in den Ausschussberatungen diskutieren. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Herbst. - Für die SPD-Fraktion spricht nun Herr Dr. Brachmann. Bitte, Herr Kollege.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Geschichte des Rechtsanwaltsversorgungswerkes in Sachsen-Anhalt ist eine längere und auch eine besondere. Das hat etwas mit der Zusammensetzung der Rechtsanwaltschaft zu tun, die sich über die vielen Jahre hinweg auch verändert hat.

Ein berufsständisches Versorgungswerk kann nur funktionieren, wenn die Mitglieder - das ist in den vorhergehenden Redebeiträgen auch gesagt worden - Pflichtmitglieder sind. Genau das war der Punkt, mit dem sich die Rechtsanwaltschaft in Sachsen-Anhalt sehr schwer getan hat.

Der Landtag von Sachsen-Anhalt - der eine oder andere wird sich daran vielleicht noch erinnern können - hat bereits im Dezember 1993 ein Gesetz zur Errichtung eines Rechtsanwaltsversorgungswerkes verabschiedet, das sich im Ergebnis allerdings als ein Gesetz zur Verhinderung des Rechtsanwaltsversorgungswerkes erwies. Dieses Gesetz sah nämlich vor, dass eine Zustimmung von zwei Dritteln aller Mitglieder der Rechtsanwaltschaft, also der potenziellen Mitglieder des Versorgungswerkes, notwendig ist, damit dieses Versorgungswerk überhaupt gegründet werden kann.

Zu dieser Zweidrittelmehrheit kam es nie. In der Folge führte dies dazu, dass im Jahr 2005 ein neues Gesetz, das diese Hürden nicht mehr vorsah, im Landtag verabschiedet wurde. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sich auch einiges bewegt. In

sofern hat Sachsen-Anhalt als eines der letzten neuen Bundesländer ein solches Rechtsanwaltsversorgungswerk errichtet.

Der jetzt vorliegende Gesetzentwurf zeigt, dass wir nach mehr als 20 Jahren gewissermaßen in der Normalität angekommen sind. Anpassungen sind notwendig, um die Arbeit des Versorgungswerkes in die Zukunft zu führen. Die Details hat die Frau Ministerin ausgeführt; ich muss das nicht wiederholen.

Der Anregung meines Kollegen Borgwardt, ein Fachgespräch im Ausschuss durchzuführen, da die Betroffenen bereits im Vorfeld einbezogen wurden, kann ich folgen. Mir ist außerdem signalisiert worden, dass die Betroffenen den Gesetzentwurf mittragen. An der einen oder anderen Stelle mag es noch Nachfragebedarf geben. Dem können wir im Ausschuss gern nachkommen. Insofern beantrage ich ebenfalls die Überweisung des Gesetzentwurfes in den Ausschuss. - Vielen Dank.

(Zustimmung von Frau Hampel, SPD)

Vielen Dank, Kollege Dr. Brachmann. - Damit ist die Debatte beendet. Wir kommen zum Abstimmungsverfahren.

Es wurde beantragt, den Gesetzentwurf in den Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung zu überweisen. Wer stimmt dem zu? - Das sind alle Fraktionen. Stimmt jemand dagegen? - Nein. Enthält sich jemand der Stimme? - Auch nicht. Damit ist der Gesetzentwurf in der Drs. 6/3770 in den Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung überwiesen worden. Der Tagesordnungspunkt 9 ist somit erledigt.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 10 auf:

Zweite Beratung

Implementierung und Umsetzung des Gesamtgesellschaftlichen Aktionsplans für Akzeptanz von Lesben und Schwulen, Bisexuellen, Trans- und Intersexuellen (LSBTI) und gegen Homo- und Transphobie in Sachsen-Anhalt

Antrag Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - Drs. 6/2100

Beschlussempfehlung Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung - Drs. 6/3762

Die erste Beratung fand in der 46. Sitzung des Landtages am 21. Juni 2013 statt. Die Berichterstatterin ist Frau von Angern. Bitte schön, Frau Abgeordnete.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Der Antrag der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wurde in der 46. Sitzung des Landtages am 21. Juni 2013 zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Arbeit und Soziales überwiesen. Mit der Mitberatung wurde der Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung betraut.

Die Intention des Antrages war es, die Landesregierung aufzufordern, ein auf alle Fachpolitiken des Landes bezogenes Rahmen gebendes Aktionsprogramm für Sachsen-Anhalt zu erarbeiten. Als Grundlage dafür soll der vom Lesben- und Schwulenpolitischen Runden Tisch Sachsen-Anhalt erarbeitete gesamtpolitische Aktionsplan für Akzeptanz von Lesben und Schwulen, Trans- und Intersexuellen - kurz: LSBTI - und gegen Homo- und Transphobie in Sachsen-Anhalt, der mit hohem ehrenamtlichen Engagement erarbeitet wurde, herangezogen werden.

Das Rahmen gebende Aktionsprogramm des Landes soll die Grundlage für eigenständige Aktionsprogramme in den Gemeinden, Städten und Landkreisen bilden.

Es geht, kurz zusammengefasst, um die Akzeptanz aller Lebensweisen, wozu es eines engagierten Wirkens aller Teile der Gesellschaft bedarf. Mit dem Landesaktionsplan soll ein wichtiges Zeichen dafür gesetzt werden.

Der federführende Ausschuss für Arbeit und Soziales hat sich erstmals in der 30. Sitzung am 4. September 2013 mit dem Antrag befasst. Es fand zunächst eine Beratung zum Umgang mit dem Antrag statt, in deren Ergebnis eine inhaltliche Befassung vertagt wurde, bis die Zuständigkeit zwischen den Ressorts, insbesondere zwischen dem Justiz- und Gleichstellungsministerium und dem Sozialministerium, geklärt sind.

In der 34. Sitzung am 6. November 2013 wurde der Ausschuss für Arbeit und Soziales vom Sozialministerium über den Stand der Klärung der Zuständigkeiten informiert. Danach habe sich das Ministerium für Justiz und Gleichstellung bereiterklärt, die Zuständigkeit für die in Rede stehenden Personengruppen in seinem Geschäftsbereich anzusiedeln. Die verwaltungsmäßige Umsetzung war aber zum damaligen Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen; eine Entscheidung wurde für Januar 2014 in Aussicht gestellt. Der Ausschuss für Arbeit und Soziales vereinbarte daraufhin, sich mit dem Thema erneut zu Beginn des Jahres 2014 zu befassen.

In der 37. Sitzung am 19. Februar 2014 wurde der Ausschuss über die Festlegung der Landesregie

rung informiert, dass das Sozialministerium für alle Personengruppen, sowohl für die Lesben und Schwulen als auch für die Bisexuellen, die Trans- und Intersexuellen, zuständig sei. Der Ausschuss vereinbarte daraufhin in dieser Sitzung, zu dem Antrag in der Drs. 6/2100 eine Anhörung unter Beteiligung des mitberatenden Ausschusses für Recht, Verfassung und Gleichstellung durchzuführen. Des Weiteren sollten die Ausschüsse für Inneres und Sport sowie für Bildung und Kultur beteiligt werden.

Diese Anhörung fand in der 40. Sitzung des federführenden Ausschusses am 23. April 2014 statt. Dazu wurden neben den genannten Ausschüssen und den entsprechenden Ressorts der Landesregierung verschiedene Verbände, Vereine und Einrichtungen eingeladen, die mit der in Rede stehenden Problematik in Sachsen-Anhalt befasst sind.

Es handelte sich unter anderem um den Lesben- und Schwulenpolitischen Runden Tisch Sachsen-Anhalt, den Lesben- und Schwulenverband Deutschland in Sachsen-Anhalt, das Kompetenzzentrum geschlechtergerechte Kinder- und Jugendhilfe und den Dornrosa e. V Halle. Darüber hinaus wurde vom Land Rheinland-Pfalz das Ministerium für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen eingeladen sowie aus Berlin der Leiter des Projektes „Maneo - das schwule Anti-GewaltProjekt in Berlin“.

Alle Beiträge der Anhörungsgäste zeigten auf, dass ein Aktionsprogramm, wie in dem Antrag in der Drs. 6/2100 gefordert, im Land gewünscht wird bzw. notwendig ist. Das Kompetenzzentrum für geschlechtergerechte Kinder- und Jugendhilfe sah darin gleichzeitig auch die Grundlage für die Schaffung einer Plattform für die Vielfalt der Geschlechter. Es hielt aber eine Erweiterung des Plans des Runden Tisches um einige Ziele für sinnvoll.

Der Lesben- und Schwulenverband Deutschland schlug eine ergänzende Aufnahme speziell zur präventiven Verhinderung homophober Straftaten vor.

Der Vertreter des Begegnungs- und Beratungszentrums Lebensart e. V. in Halle sprach sich dafür aus, mit finanziellen Mitteln untersetzte Angebote zum Thema Intersexualität zu schaffen, die eine Beratung insbesondere zur Transidentität implizieren. Schwerpunkt der Beratungsgespräche sei das Thema der Transidentität. Aus der Sicht von Lebensart e. V. müsse zudem das Transsexuellengesetz geändert werden.

Die Vertreterin des Lesben- und Schwulenpolitischen Runden Tisches stellte kritisch fest, dass das Land nach mehr als einem Jahr nach Vorlage des Aktionsplanes des Runden Tisches im März 2013 über eine Entscheidung der ministeriellen Zu

ständigkeit und über die Behandlung in den Ausschüssen nicht hinausgekommen sei. Für die weitere Arbeit der Vereine und Projekte am Aktionsplan, die bisher ehrenamtlich erfolgt sei, sei es erforderlich, mehr finanzielle Mittel oder personelle Ressourcen bereitzustellen, so der Runde Tisch.

Das Soziokulturelle Frauenzentrum der Fraueninitiative Magdeburg e. V. sah Handlungsbedarf insbesondere im Bereich der Schule. Die Umsetzung des in Rede stehenden Themas sei schwierig. Zum einen fehle oftmals die Offenheit für entsprechende Projekte an den Schulen, zum anderen sei in vielen Fortbildungen der Lehrkräfte die Befassung mit diesem Thema freiwillig, was zur Folge habe, dass sich nicht alle Lehrerinnen und Lehrer dieser Problematik widmeten.

Auch aus der Sicht des Christopher Street Day Magdeburg e. V. komme das Thema alternative Lebens- und Liebesformen im schulischen Bereich bisher zu kurz. Aber auch allgemein in der Gesellschaft, erklärte er, sei eine große Angst vor Bedrohung, Ausgrenzung oder Mobbing am Arbeitsplatz festzustellen. Der CSD e. V. bekräftigte das Erfordernis des politischen Willens und der aktiven Handlungsbereitschaft aller Ressorts durch Aufklärung, Information und Konfrontation der Menschen mit diesem Thema. Dies ist im Übrigen der Tenor aller Angehörten gewesen.

Der Verein Dornrosa e. V. Halle ging in seinem Statement auch auf die nicht ausreichende finanzielle Untersetzung seiner Beratungs- und Öffentlichkeitsarbeit ein. Diese werde bisher fast ausschließlich ehrenamtlich oder mit einer nur geringen Vergütung durchgeführt, was eine qualifizierte und zielorientierte Arbeit erschwere. Eine ausreichende Förderung von Projekten und von Antidiskriminierungsarbeit im Bereich LSBTI im Bereich Schule, Bildung und Kultur erachtet der Verein deshalb für wichtig.

Bestandteil der Anhörung waren schließlich auch die Berichte des Leiters des Projektes „Maneo - das schwule Anti-Gewalt-Projekt in Berlin“ und des Vertreters aus dem Ministerium für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen des Landes Rheinland-Pfalz. Letzterer stellte dem Ausschuss die wesentlichen Aspekte des dortigen Landesaktionsplans „Rheinland-Pfalz unterm Regenbogen - Akzeptanz für queere Lebensweisen“ vor.

Einige der Anhörungsgäste äußerten sich auch hinsichtlich der ministeriellen Zuständigkeit für die Implementierung des Aktionsplanes. Die meisten, wie zum Beispiel der Lesben- und Schwulenpolitische Runde Tisch und der Landesfrauenrat, hielten eine Verortung beim Ministerium für Justiz und Gleichstellung für wertvoll. Das Kompetenzzentrum geschlechtergerechte Kinder- und Jugendhilfe könnte sich dagegen die Federführung auch beim Kultusministerium vorstellen.

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat in der 44. Sitzung am 10. September 2014 erneut über den Antrag beraten. Es wurde von der Landesregierung mitgeteilt, dass die Belange von LSBTI nun im Bereich der Gleichstellung, also beim Ministerium für Justiz und Gleichstellung, angesiedelt werden sollen und dass man dabei sei, den Übergang der Zuständigkeit vorzubereiten.

Der Ausschuss beriet daraufhin über den weiteren Umgang mit dem Antrag. Die Oppositionsfraktionen plädierten dafür, ungeachtet dessen, dass sich die Zuständigkeit bei der Landesregierung ändern wird, zu dem Antrag eine Beschlussempfehlung an den Landtag zu erarbeiten. Dagegen sprachen sich die Koalitionsfraktionen dafür aus, der geänderten Geschäftsverteilung der Landesregierung zu folgen und dem Plenum einen Antrag auf Änderung der Federführung vorzulegen.

Der Ausschuss einigte sich schließlich darauf, wie von den Koalitionsfraktionen vorgeschlagen zu verfahren. Mit 7 : 0 : 5 Stimmen wurde beschlossen, auf die Erarbeitung einer Beschlussempfehlung an den Landtag zu verzichten, unter der Maßgabe, dass in der nächsten Plenarsitzung ein Antrag auf Änderung der Federführung zu dem Antrag in der Drs. 6/2100 gestellt wird. Die Fraktionen der CDU und der SPD signalisierten, dass in der darauffolgenden Landtagssitzung ein entsprechender Antrag von acht Abgeordneten gestellt werde.