Protokoll der Sitzung vom 29.01.2015

Der Ausschuss einigte sich schließlich darauf, wie von den Koalitionsfraktionen vorgeschlagen zu verfahren. Mit 7 : 0 : 5 Stimmen wurde beschlossen, auf die Erarbeitung einer Beschlussempfehlung an den Landtag zu verzichten, unter der Maßgabe, dass in der nächsten Plenarsitzung ein Antrag auf Änderung der Federführung zu dem Antrag in der Drs. 6/2100 gestellt wird. Die Fraktionen der CDU und der SPD signalisierten, dass in der darauffolgenden Landtagssitzung ein entsprechender Antrag von acht Abgeordneten gestellt werde.

Die Tagesordnung für die 36. Sitzungsperiode am 18. und 19. September 2014 enthielt entgegen der Vereinbarung im Ausschuss jedoch keinen solchen Antrag. In einer Erklärung außerhalb der Tagesordnung kritisierte die Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit und Soziales Frau Zoschke in der Plenarsitzung am 18. September 2014, dass damit eine Entscheidung in der Sache weiter verzögert werde.

In der Folge hat die Vorsitzende den Antrag in der Drs. 6/2100 erneut auf die Tagesordnung des Ausschusses für Arbeit und Soziales gesetzt. In der 45. Sitzung am 8. Oktober 2014 sollte es eine Klärung des weiteren Verfahrens im Ausschuss geben.

Zu Beginn dieser Ausschusssitzung beantragte die Fraktion der SPD, diesen Beratungspunkt von der Tagesordnung abzusetzen, da in der nächstfolgenden Landtagssitzung ein Antrag auf Änderung der Federführung gestellt werden werde. Der Antrag mehrerer Abgeordneter sei nur deshalb nicht auf die Tagesordnung der vergangenen Landtagssitzung gesetzt worden, weil dies aufgrund der Kürze der Zeit nicht mehr mit den Geschäftsordnungen der Fraktionen der CDU und der SPD vereinbar gewesen sei.

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales beschloss sodann, den Antrag in der Drs. 6/2100 von der Tagesordnung für die 45. Sitzung abzusetzen.

Dem Landtag lag in der 75. Sitzung am 16. Oktober 2014 nunmehr ein entsprechender Antrag aller Fraktionen in der Drs. 6/3455 neu vor, sodass die Änderung der federführenden Zuständigkeit beschlossen und diese vom Ausschuss für Arbeit und Soziales auf den Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung übertragen werden konnte.

(Zustimmung von Frau Zoschke, DIE LINKE)

In der Folge befasste sich der Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung in der 45. Sitzung am 28. November 2014 erstmals mit dem Antrag in der Drs. 6/2100. Die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN regte an, Punkt 5 des Antrages, Zuständigkeit der Landtagsausschüsse für das Aktionsprogramm, zu streichen und unter Punkt 6 eine Anpassung des Zeitplanes vorzunehmen.

Zur Anpassung des Zeitplans bat das Ministerium für Justiz und Gleichstellung darum, insbesondere im Hinblick auf die fortgeschrittene Zeit bzw. das nahe Ende der Legislaturperiode und um etwas mehr Flexibilität bei der Erstellung des Aktionsplans zu erhalten, auf einen terminierten Zwischenbericht zu verzichten. Für den Fall, dass bei der Erstellung des Aktionsplans Probleme gesehen werden sollten, wurde eine Berichterstattung im Ausschuss zugesichert.

Allen Anregungen folgend beschloss der Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung einstimmig, Punkt 5 des Antrages zu streichen und Punkt 6 des Antrages - nunmehr Punkt 5 - mit dem Ihnen in der Beschlussempfehlung vorliegenden Wortlaut neu zu fassen und den Antrag in der so geänderten Fassung als vorläufige Beschlussempfehlung an den Ausschuss für Arbeit und Soziales auf den Weg zu bringen.

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales befasste sich in der 49. Sitzung am 14. Januar 2015 - nunmehr als mitberatender Ausschuss - erneut mit dem Antrag und schloss sich einstimmig der vorläufigen Beschlussempfehlung an.

In der 46. Sitzung am 16. Januar 2015 befasste sich der Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung abschließend mit dem Antrag in der Drs. 6/2100. Im Verlauf der Beratung stellte die Fraktion DIE LINKE einen Änderungsantrag. Danach sollte unter Punkt 5 des Antrages eine Fristsetzung für den unter Punkt 3 vorgesehenen Faktencheck aufgenommen werden. Seitens des Ministeriums für Justiz und Gleichstellung sowie der regierungstragenden Fraktionen wurde eine Notwendigkeit hierfür jedoch nicht gesehen; der Änderungsantrag wurde deshalb von der Antragstellerin zurückgezogen.

Nach erfolgter Aussprache verabschiedete der Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung einstimmig die vorliegende Beschlussempfehlung an den Landtag. Meine sehr verehrten

Damen und Herren! Im Ergebnis der Beratung zu dem Antrag der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in den Ausschüssen für Recht, Verfassung und Gleichstellung sowie für Arbeit und Soziales wurde die Ihnen in der Drs. 6/3762 vorliegende Beschlussempfehlung erarbeitet. Ich danke allen Mitwirkenden. Im Namen des Ausschusses für Recht, Verfassung und Gleichstellung bitte ich um Ihre Zustimmung zu dieser Beschlussempfehlung. - Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Es wurde vereinbart, hierzu keine Debatte zu führen. Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses in der Drs. 6/3762. Wer der Empfehlung des Fachausschusses folgt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das scheint das ganze Haus zu sein. Wer stimmt dagegen? - Niemand. Wer enthält sich der Stimme? - Niemand. Damit ist die Beschlussempfehlung einstimmig angenommen worden und der Tagesordnungspunkt 10 ist abgearbeitet worden. - Vielen Dank.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 11 auf:

Zweite Beratung

Berücksichtigung der Grundsatzentscheidung des Beschlusses des Bundesverfassungs

gerichts vom 5. März 2013 - (1BvR 2457/08) zur Festsetzung der Beitragserhebung auf das derzeitige Kommunalabgabengesetz des Landes Sachsen-Anhalt

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 6/1999

Beschlussempfehlung Ausschuss für Inneres und Sport - Drs. 6/3764

Die erste Beratung fand in der 44. Sitzung des Landtages am 26. April 2013 statt. Berichterstatter ist der Abgeordnete Herr Dr. Brachmann. Bitte sehr.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag wurde in der Sitzung des Landtages am 26. April 2013 an den Ausschuss für Inneres und Sport überwiesen. Er zielte darauf, die Landesregierung aufzufordern, im Ausschuss darzustellen, inwieweit die Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts auf die derzeitige Verwaltungspraxis nach dem Kommunalabgabengesetz des Landes Sachsen-Anhalt bei der Beitragsfestsetzung und -verjährung Wirkung entfal

ten kann. Außerdem soll dargelegt werden, inwieweit der Beschluss bei der Anwendung des Rechtsangleichungsgebots zu berücksichtigen ist.

Die Landesregierung soll insbesondere auf Fragen zum Zeitpunkt der Umsetzung des Grundsatzbeschlusses sowie auf die Auswirkungen auf die in Sachsen-Anhalt geltende Praxis eingehen. - So weit zu dem, welches Anliegen mit dem Antrag verfolgt worden ist.

Das tat die Landesregierung dann in der 35. Sitzung des Ausschusses für Inneres und Sport am 27. Juni 2013. Der Innenminister legte dar, dass im Kommunalabgabengesetz des Landes Sachsen-Anhalt keine zeitliche Obergrenze für eine Inanspruchnahme der Beitragsschuldner vorgesehen sei und auch er im Lichte der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Handlungsbedarf sehe.

Vor diesem Hintergrund kündigte die Landesregierung einen Gesetzentwurf zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes an, in dem unter anderem geregelt werden sollte, welcher Zeitraum zwischen dem Eintritt des Vorteils und dem spätesten Zeitpunkt der Beitragserhebung liegen dürfe.

Dieser Gesetzentwurf - Sie werden sich daran erinnern; denn es ist noch nicht sehr lange her - wurde am 18. September 2014 in den Landtag eingebracht und in die Ausschüsse überwiesen.

Bei der Beratung in den Ausschüssen ist der Antrag, der heute Gegenstand der Erörterung ist, gewissermaßen im Huckepackverfahren immer mit aufgerufen worden. Die Änderung zum Kommunalabgabengesetz beschloss der Landtag in der 79. Sitzung am 10. Dezember 2014. Der Antrag der LINKEN war zu diesem Zeitpunkt nicht Gegenstand der Abstimmung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Ausschuss für Inneres und Sport befasste sich in der Sitzung am 15. Januar 2015 daraufhin erneut mit dem Antrag und verabschiedete die Ihnen in der Drs. 6/3764 vorliegende Beschlussempfehlung.

Der Vorschlag, den Antrag für erledigt zu erklären, weil die Änderung zum Kommunalabgabengesetz, wie bereits erwähnt, im Dezember 2014 beschlossen wurde, wurde nicht zur Abstimmung gestellt, weil die den Antrag einbringende Fraktion dem nicht zugestimmt hat. Sie vertrat die Auffassung, im Gesetzgebungsverfahren seien wichtige Kriterien nicht berücksichtigt worden bzw. wäre eine andere Handlungsweise im Gesetzgebungsverfahren möglich gewesen.

Herr Grünert, ich gehe davon aus, dass Sie hierauf in Ihrem Redebeitrag eingehen werden.

Daraufhin beschloss der Ausschuss mit 8 : 4 : 1 Stimmen, den Antrag der Fraktion DIE LINKE in der Drs. 6/1999 abzulehnen.

Ich bitte Sie um Zustimmung zu dieser Beschlussempfehlung. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD)

Danke sehr, Kollege Dr. Brachmann, für die Berichterstattung. - Die Landesregierung hat auf einen Redebeitrag verzichtet. Für die Fraktion DIE LINKE spricht der Abgeordnete Herr Grünert. Bitte sehr.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Brachmann, ich würde sehr gern darauf eingehen, allerdings ist dies in drei Minuten schier unmöglich.

(Herr Dr. Brachmann, SPD: Das ist nicht meine Schuld!)

- Es ist okay. - Der Leitsatz des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichtes vom 5. März 2013 lautet - ich zitiere -:

„Das Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als der Rechtssicherheit dienendes Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit verlangt Regelungen, die sicherstellen, dass Abgaben zum Vorteilsausgleich nicht zeitlich unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Dem Gesetzgeber obliegt es, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann.“

Damit ergab sich auch für das Land SachsenAnhalt grundsätzlich die Pflicht, zu prüfen, ob und wie der vom Bundesverfassungsgericht dargestellte Zusammenhang des in Artikel 2 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 20 Abs. 3 des Grundgesetzes verankerten verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Rechtssicherheit in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit vollumfänglich gewährleistet wird.

Mit der am 10. Dezember 2014 beschlossenen Änderung kommunalabgabenrechtlicher Vorschriften ist dieser Grundsatz aus der Sicht meiner Fraktion nicht erfüllt. Bereits im Beratungsverfahren wurde auf eine alternative Möglichkeit der Begrenzung des Verjährungszeitraums von vier bis maximal zehn Jahre nach der Abgabenordnung unter Bezug auf die Ausführungen von Herrn Rottenwallner hingewiesen. Diese sind in der „Kommunalen Steuer-Zeitschrift“ Nr. 10 aus dem Jahr 2014 nachzulesen. Dies geschah entgegen der Auffassung von Professor Driehaus, die in der gleichen Zeit

schrift abgedruckt ist, die sich auf eine mögliche 30-jährige Ausschlussfrist nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz bezogen hat.

Diese wurde ohne eine inhaltliche Prüfung verworfen. Die verfassungsrechtlichen Bedenken und der Grundsatz der Abgabenordnung wurden an der Stelle schlichtweg ignoriert. Ihre Regelungen sind insofern kommunal- und aufgabenträgerfreundlich - jawohl -, aber bürgerfreundlich und angemessen sind sie aus der Sicht meiner Fraktion nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Die nunmehr geübte Praxis, mittels Task-Force schnell noch Satzungsrecht zu schaffen und bis 31. Dezember 2015 alle bisher unterlassenen und nicht gezogenen Beitragsbescheide zu erlassen, verdeutlicht die eigentliche Zielrichtung.

Die Bürger sollen Beiträge in Höhe von mehr als 110 Millionen € zahlen. Das ist die Summe, die den Kommunen in den Jahren 2015 und 2016 jährlich über das FAG weggenommen wird.

Im Falle der Stadt Oranienbaum-Wörlitz sind bereits 35 Klagen anhängig. Das Landesverwaltungsgericht hat am 28. Januar 2015 auf einen Vergleich hingewiesen, da der Präsident des Verwaltungsgerichtes Meyer-Bockenkamp mit Blick auf die Auslegung des Gesetzes erhebliche Bedenken hat.

Im Falle eines Unterliegens der Stadt hätte sie einen Schaden von mehr als 600 000 €. Ungeachtet dessen hat das Landesverwaltungsamt die Stadt angewiesen, weitere Bescheide zu erlassen, deren Gesamtvolumen weitere 600 000 € beträgt, ohne dass Rechtsklarheit besteht. Das ist aus unserer Sicht nicht hinnehmbar. Das ist aus unserer Sicht Raubrittertum á la 2015.

(Beifall bei der LINKEN)