Protokoll der Sitzung vom 30.01.2015

In Abwandlung eines Zitates eines bekannten Politikers möchte ich meinen Beitrag mit dem folgenden Aufruf schließen: Mehr Regionalisierung wagen! - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Danke schön, Kollege Stadelmann. - Für die Landesregierung spricht nun Minister Herr Bullerjahn.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich finde es schön von Herrn Stadelmann, dass er uns, kurz bevor geht, noch sein solches Ding auf den Tisch packt. Ich bin ihm sehr dankbar, dass er ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass ganz viel Arbeit auf die Ausschüsse zukommt. Ich möchte für das Protokoll sagen: nicht auf den Finanzausschuss! Ich sage auch gleich, warum.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

Insofern werden sich einige an seine schöne, nette Einbringungsrede erinnern - und weg war er. Er wird dann milde auf uns herabschauen und auf das, was wir uns hier im Jahr 2015 gegenseitig abtrotzen.

Ich bin bei ihm - wir wissen es alle und ich habe es gestern bereits erzählt -: Die Fonds sind beschlossen. Ich bin meinen beiden Fondsverwaltungen dafür dankbar, dass es - das wissen auch alle, die sich damit beschäftigen - möglich ist, diesen Regionalisierungsansatz jetzt zu vertiefen. Denn Brüssel ist davon nicht so überzeugt. Es war wichtig durchzusetzen, dass das nicht untersagt wird. Jetzt ist es wichtig, dass vor allem die Fachressorts mit den jeweiligen Fachausschüssen ausloten, inwieweit das gewollt ist.

Ich habe es gestern schon angesprochen; möglicherweise doppelt sich das jetzt etwas. Die nächsten Monate werden ganz spannend. Wir wissen zum Beispiel aus dem Sozialministerium: Beim ESF soll mehr regionalisiert werden. Das liegt in der Verantwortung des Kollegen Bischoff. Ich weiß, dass es weitere Überlegungen gibt, auch im Wirtschaftsministerium und in anderen Ressorts. Das müssen Sie ausloten, bevor die Richtlinien geschrieben werden.

Dabei geht es nicht um irgendwelches Spielgeld, das man einfach nur jemandem überreicht in der Hoffnung, dass es dann ruhig ist. Sondern es ist eine Förderstrategie für die nächsten Jahre. Wir haben lediglich bei der Halbzeitevaluierung die Chance, das noch einmal aufzurufen. Insofern danke ich für den Antrag. Was jetzt nicht gemacht

wird, brauchen wir im nächsten Jahr nicht zu hinterfragen.

In der LHO und bei den Verwaltungsvorschriften brauchen wir nichts zu ändern. Wir haben das geprüft. Spenden können zum Teil schon eingesetzt werden, aber eben nicht generell. Ich habe mit einem Ohr gehört, dass es in anderen Bundesländern anders wäre. Bei uns besteht die Auffassung, dass dies wegen des Prinzips der Subsidiarität nicht generell möglich ist. Aber ich werde das gern noch einmal, auch mithilfe des Protokolls, nachprüfen.

Insofern sage ich: Ja, wir reden miteinander, aber bitte vor allem in den Fachausschüssen. Wenn es Ideen und Nachfragen zum Verfahren selbst gibt, ist vor allem der Finanzausschuss gefragt. Aber wir sollten dann auch zum Ende kommen. Wir haben bereits ein Jahr verloren, in dem keine Mittel aus der neuen Förderperiode abfließen konnten. Wir haben es dann nicht mehr mit n+2, sondern mit n+3 zu tun. Irgendwann müssen wir diese Mittel auch auf die Schiene setzen können; denn viele warten auf diese Mittel. - Schönen Dank für den Antrag. Ich denke, die Arbeit muss im Ausschuss passieren.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

Danke schön, Herr Minister. - Wir fahren mit der Aussprache zu dem Antrag fort. Als Erster spricht der Abgeordnete Herr Dr. Köck für die Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den gestrigen Debattenbeiträgen zu CLLD und Leader sehen Sie mich einigermaßen verwirrt. Was soll denn der heutige Antrag, wenn doch alles paletti ist?

(Beifall bei der LINKEN)

Weshalb wird von den beiden regierungstragenden Fraktionen das Thema der eigenständigen Regionalentwicklung im ländlichen Raum erneut auf die Tagesordnung des Landtages gesetzt? Ich begreife nicht, weshalb am 16. Januar 2015 in der Sitzung des Ausschusses für Landesentwicklung und Verkehr die beiden diesbezüglichen Beschlüsse des Landtages für erledigt erklärt wurden und ein inhaltlich nahezu identischer Antrag wenige Tage später das Licht der Welt erblickte.

Was soll dieser Antrag zu einem Zeitpunkt, zu dem er sich - wenn ich Sie, Minister Bullerjahn, richtig interpretiere - erledigt hat, da die EU den Programmentwürfen Sachsen-Anhalts für die Strukturfonds bereits zugestimmt hat?

(Zustimmung von Herrn Herbst, GRÜNE)

Meine Damen und Herren! Fraktionsübergreifend hatte sich der Landtag nicht nur bereits für die Ausweitung der Regionalisierungsmethode und für eine Ausschöpfung der Möglichkeiten eines fondsübergreifenden Ansatzes ausgesprochen, sondern expressis verbis auch für eine pauschale Zuweisung der Mittel für den Zweck der eigenständige Regionalentwicklung in den ländlichen Räumen Sachsen-Anhalts.

Doch den Begriff Regionalbudget sucht man im vorliegenden Antrag vergebens. Da hilft es auch nicht, wenn Kollege Stadelmann, wenn er von einer Regionalisierung spricht, Regionalbudgets meint.

Die kommunalen Spitzenverbände als WiSo-Partner waren in ihrer Stellungnahme zu den Programmentwürfen bei dieser Frage eindeutiger. Sie plädierten für Regionalbudgets in hinreichendem Umfang. Antwort der zuständigen Verwaltungsbehörde: Die Bereitstellung von Regionalbudgets wird nicht vorgesehen.

Was bleibt, ist eine verbürokratisierte Förderung im ländlichen Raum. Die Programme Leader+, CLLD oder Dorferneuerung verbindet eines: Sie verlangen immer ein neues Konzept. Das nennt sich dann ILE, ILEK oder IGEK. Der Inhalt ist vergleichbar, nur die Abgrenzung der Konzeptionsgebiete variiert. Aber diese Konzepte sind informell, also nicht bindend.

Bindend sind der Regionalplan, der Landesentwicklungsplan und der Landeshaushalt. Während die Leader-Arbeitsgruppen wegen der bürokratischen Hürden von außen gemanagt werden müssen, stirbt ihnen die Infrastruktur zur Daseinsvorsorge unter dem Hintern weg oder wird auf Geheiß des Landes geschlossen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor frisches Geld ausgegeben werden soll, müssen die bisherigen Projekte zur Förderung des ländlichen Raumes und zur Gestaltung des demografischen Wandels auf den Prüfstand gestellt werden. Das, was sich als Pilotprojekt bewährt hat, ist es wert, verallgemeinert zu werden. Darum müssen der Gesetzgeber und die Landesregierung tätig werden, um Vorhaben zu ermöglichen. Darüber muss gesprochen werden.

Oder soll es uns so ergehen wie in Niedersachsen? - Dort erhielt die rollende Arztpraxis noch einen Demografiepreis und wurde am 31. Dezember 2014 eingestellt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mir einige der im Internet verfügbaren Projektlisten der Leader-Arbeitsgruppen angesehen. Eine einzige Arztpraxis war dort aufgeführt. Das Kita-Mobil in Beetzendorf ist das einzige Projekt, mit dem vor allem Frauen im ländlichen Raum eine Mobilitätshilfe zugute kommt. Vergebens sucht man Projekte wie

Bürgerbusse und Carsharing auf dem Lande. Bis auf den rollenden Zahnarzt in Osterwieck sind keine rollenden Arztpraxen aufgeführt. Auch Projekte von geförderten fahrbaren Untersätzen oder von speziellen Aufbauten für Bäcker, Fleischer oder Tante-Emma-Läden auf Rädern sind nicht zu finden.

Die Landesenergieagentur hat parallel dazu vier Energieregionen kreiert. Eine Abstimmung mit den jeweiligen Leader-Arbeitsgruppen ist jedoch nicht erfolgt. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wirklich gerade die letzte EU-Förderperiode angelaufen ist, dann müssen die Euronen, verdammt noch einmal, in solche Projekte fließen, die innovativ sind und die die aktiven Menschen vor Ort in ihrem Tun bestärken.

Den Leader-Arbeitsgruppen und den Gemeindevertretungen muss endlich mehr Vertrauen auch beim Umgang mit frei verfügbaren Mitteln entgegengebracht werden - mehr Vertrauen statt ein Haufen Bürokratie. Deshalb plädiert meine Fraktion für Regionalbudgets, die ihren Namen auch verdienen. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke schön, Kollege Dr. Köck. - Für die Fraktion der SPD spricht nun der Abgeordnete Herr Barth.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Schritt für Schritt nähern wir uns dem Ziel. Wir alle wissen, es ist sehr, sehr mühsam, in den Köpfen aller Beamten in den Ministerien durchzusetzen, was es heißt, ein Regionalbudget in die Region zu geben. Zu diesem Zweck haben wir heute wieder diesen Antrag gestellt. Wir wollen die Häuser dabei unterstützen, diesen Weg zu gehen.

Herr Dr. Köck - wenn ich gleich auf Ihre Rede eingehen darf -, ich habe bei Ihnen manchmal den Eindruck - das ist nicht böse gemeint -, dass Sie das Regionalbudget mit der Leader-Konzeption verwechseln. Wir sprechen an diese Stelle von unterschiedlichen Themen. Die Konzepte gehen zwar in dieselbe Richtung, aber es gibt Unterschiede.

Der Antrag war aus unserer Sicht notwendig, um die Dinge zu beschleunigen. Ich bin Herrn Stadelmann sehr dankbar dafür, dass er den Antrag so erläutert hat. Ich bin ihm dankbar dafür, dass er uns in den letzten Jahren und auch dieses Mal begleitet hat, sodass wir diese Dinge auf den Weg bringen können. Ich bin auch ein bisschen traurig, dass er zukünftig kein Mitstreiter mehr ist. Aber ich hoffe, dass ich in der CDU trotzdem noch Verbündete finde, die dafür eintreten.

Ich bin ein bisschen vorgeschädigt durch meinen beruflichen Werdegang. Ich habe vier Jahre lang als Regionalmanager gearbeitet. In dieser Zeit durfte das Bundesprogramm zum Regionalbudget umgesetzt werden. Vor diesem Hintergrund kämpfe ich nach wie vor dafür, diesen fondsübergreifenden Ansatz der Förderung auf den Weg zu bringen.

Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, es geht um die Mobilisierung von Humankapital und darum, Eigenkapital aus der Region zu verifizieren. Es geht um die Mitbestimmung der lokalen Akteure bei der Auswahl und der Umsetzung der Projekte. Das kann man nicht oft genug sagen.

Wir reden viel über Regionalisierung. Wenn wir jetzt etwas machen wollen, dann ist es zumindest ein Schritt, dass man über dieses Regionalbudget eine Regionalisierung an den Stellen vornimmt, an denen es geht und an denen es machbar ist. Das ist sicherlich schwierig und die Ministerien tun sich schwer damit. Ich habe auch Verständnis dafür, dass bedauert wird, dass der eine oder andere Minister dann nicht mehr das Band durchschneiden darf. Auch zu diesen Dingen muss in den Ministerien erst die Einsicht wachsen. Aber im Sinne der Sache sollten sich die Häuser diesen Dingen fortschrittlich gegenüberstellen.

Der Antrag selbst stellt einen Prüfauftrag dar. Man muss schauen, was umsetzbar ist. Es wird sicherlich nicht alles umsetzbar sein, aber ich bin zuversichtlich, dass wir gemeinsam auf einem guten Weg sind. Vor diesem Hintergrund ist unser Antrag zielführend. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag. - Danke schön.

Danke schön, Kollege Barth. - Als Nächster spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Abgeordnete Herr Herbst.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde den von den Koalitionsfraktionen vorgelegten Antrag richtig und falsch zugleich. Richtig ist er deswegen, weil es wirklich darauf ankommt, die lokalen Akteure, vor allem die Gemeinden vor Ort, beim Thema Regionalisierung einzubinden. Deren Erfahrungen sollten bei der Umsetzung der Programme abgeschöpft werden, um eine wirkliche regionale Entwicklungsstrategie zu entwerfen. Dies haben wir GRÜNEN immer unterstützt. Auch die Anträge, die dazu im Landtag in der Vergangenheit gestellt wurden, haben wir unterstützt und ihnen zugestimmt.

Nur so kann man Vertrauen zurückgewinnen und auch stärken in die EU-Fonds, in das, was sie schaffen, und in das, was sie uns in Sachsen-An

halt gebracht haben, nämlich Mittel in Milliardenhöhe, um zusätzliche Investitionen zu realisieren. Dieses Vertrauen kann man nur gewinnen, indem man die Leute beteiligt.

Aber, meine Damen und Herren, falsch ist der Antrag deswegen, weil er inkonsistent ist, weil Sie nicht wissen, wohin Sie wollen, und weil Sie den Schritt zur Demokratisierung, den Sie, Herr Stadelmann, damit bezwecken, nämlich das Parlament zu beteiligen, zu spät machen. Diesen Schritt hätten Sie bereits im Jahr 2012 machen können, als wir nämlich an dieser Stelle beantragt haben, die Programmierung und die Neuaufstellung der EU-Fonds für das Land von vornherein in einem demokratischen Beteiligungsprozess zu gestalten, hier im Parlament, aber auch nach draußen gehend, unter Beteiligung der Kommunen und der Akteure vor Ort.

(Zustimmung bei der LINKEN - Zuruf von Herrn Czeke, DIE LINKE)

Das haben Sie nicht getan, meine Damen und Herren. Sie haben das damals abgelehnt. Deswegen kommt das, was Sie jetzt fordern, spät und ist auch ein wenig unglaubwürdig.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN)

Inkonsistent ist der Antrag auch deswegen, weil Sie auf der einen Seite fordern, sämtliche Handlungsfelder der Fonds der Europäischen Union für die neue Periode durch die Landesregierung auf Möglichkeiten der Regionalisierungsansätze überprüfen zu lassen. Das ist ein riesiges, weites Feld, das Sie damit aufmachen, bei dem Sie überhaupt nicht spezifizieren. Und im zweiten Teil des Antrages machen Sie dann doch Ihre Spezialthemen auf, benennen einige Dinge, wo Sie die Regionalisierungsansätze haben möchten, als spezifische Ziele; Sie begründen aber nicht, warum.

Das, meine Damen und Herren, muss doch aber am Anfang stehen. Wir müssen am Anfang definieren: Was ist uns in den Kommunen wichtig? Wo brauchen wir die EU-Mittel spezifiziert mit einem regionalen Ansatz? - Erst wenn ich das herausgefunden habe, kann ich doch fordern, was es wirklich sein muss.

Das, meine Damen und Herren, - ich sage es noch einmal - ist eine Arbeit, die wir hier bereits vor anderthalb Jahren oder spätestens vor einem Jahr im Parlament gemeinsam hätten leisten müssen.

Herr Stadelmann, es reicht auch nicht, wenn Sie Ihren Kolleginnen und Kollegen dafür danken, dass sie sich so schön an dem Prozess beteiligt hätten. Vielleicht haben Sie die Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion beteiligt; das mag ich Ihnen gerne glauben. Aber uns haben Sie daran nicht beteiligt.