Protokoll der Sitzung vom 26.02.2015

Ich weiß, dass jetzt das Argument kommen wird, es fehle am Personal. Daher frage ich Sie: Geben Sie mir darin Recht, wenn ich sage, dass wir heute nicht über die Schließung der JVA Dessau-Roßlau reden müssten, wenn Sie gemeinsam mit Ihren Amtskollegen Herrn Minister Dorgerloh und Herrn Minister Stahlknecht interveniert hätten und darum gebeten hätten, dass das PEK auch im Justizbereich aufgestockt wird?

(Zustimmung bei der CDU)

Herr Wunschinski, zunächst zu den Zahlen: Wir haben alles, was wir haben, vorgelegt, ich meine, auch in dem Prozess über die letzten Jahre hinweg. Wir werden gern noch einmal prüfen, ob es bei uns im Haus noch Papiere gibt, die Ihnen nicht vorliegen. Wir haben seit dem Jahr 2010 sehr umfassende Konzepte erarbeitet, um zukunftsfähige Strukturen zu beschreiben.

Und ja, auch wenn wir in Zukunft in jedem Haftraum in Dessau-Roßlau nur noch einen Gefangenen unterbringen würden, würden wir uns für die Schließung entscheiden, weil das nicht unseren Vorstellungen von einem modernen Behandlungsvollzug entspricht.

(Zustimmung bei der SPD)

Herr Wunschinski hat eine Nachfrage.

In den nächsten zehn Jahren ist also eine Doppel- und Dreifachbelegung hafttechnisch besser als eine Einzelbelegung? Das ist die erste Nachfrage.

Die zweite Nachfrage. Sie sprechen immer davon, die Kosten im Auge zu behalten. Ist es dann sinnvoll, eine Haftanstalt, die das Zweieinhalbfache der Kosten verursacht, die für die JVA Dessau-Roßlau anfallen, - sprich: den Roten Ochsen, der mit laufenden Kosten von 1,8 Millionen € pro Jahr zu Buche schlägt - weiterzubetreiben und eine Haftanstalt, die deutlich weniger Kosten verursacht, zu schließen? Ist das aus Ihrer Sicht gerechtfertigt? - Ich will einfach nur verstehen, was Sie im Augenblick unter einem ordentlichen Vollzug verstehen.

Gerade die Haftanstalt in Halle, der sogenannte Rote Ochse, verfügt über Einzelhaftplätze. Deshalb steht schon aus den von Ihnen vorgetragenen Gründen dort die Schließung im Moment nicht zur Debatte. Wir haben in Halle einen Gesamtkomplex, eine Justizvollzugsanstalt mit zwei Standorten, in denen sehr unterschiedliche Vollzugsarten vollzogen werden. Deshalb kann man diesen Standort nicht ohne weiteres mit dem Standort Dessau-Roßlau vergleichen.

Wir schließen Dessau gerade deshalb, weil es dort die meisten Mehrfachhafträume gibt.

(Zustimmung von Frau Budde, SPD)

Als Nächster hat der Abgeordnete Herr Hoffmann das Wort.

Frau Ministerin, ich möchte feststellen, dass zu den Sicherungsstangen, die den Justizstandort betreffen, weder im Gesetzentwurf noch in den verschiedenen Papieren, die zu beschließen wären - zumindest habe ich nichts gefunden -, etwas steht.

Sie haben auf den Rückgang der Gefangenenzahlen abgestellt. Mich würde interessieren, wie viele Personen in Sachsen-Anhalt im Moment auf ihren Haftantritt warten.

Es tut mir leid; die aktuelle Zahl habe ich nicht im Kopf. Die würde ich Ihnen nachreichen.

Das wäre aber interessant.

Als Nächster stellt der Abgeordnete Herr Hövelmann seine Frage.

Frau Ministerin, Sie haben in Ihrem Redebeitrag davon gesprochen, dass bei der Schließung des Standorts Dessau-Roßlau Kosten in Höhe von 400 000 € nicht mehr anfallen werden. Sind bei dieser Einsparsumme schon die von Ihnen vorgesehenen in Dessau verbleibenden Teile berücksichtigt oder entsteht diese Einsparsumme ohne die verbleibenden Teile?

In diesem Betrag ist bereits der Verbleib des offenen Vollzugs an dem Standort berücksichtigt. Ursprünglich hatten wir für eine vollständige Schließung einen Einsparbetrag von 800 000 € errechnet. Der reduziert sich jetzt durch den Verbleib des offenen Vollzugs und der anderen Zentraleinrichtungen auf 400 000 €.

Es gibt eine weitere Frage vom Abgeordneten Herrn Bommersbach.

Frau Ministerin, Sie haben gerade ausgeführt, dass die Schließung zu einer Verbesserung der Gesamtproblematik führen werde. Wie schätzen Sie den Umstand ein, dass dann weitere Fahrtstrecken auf die Angehörigen zukommen werden? Dadurch würde für den einen oder anderen Gefangenen die Möglichkeit, Besuch zu erhalten, eingeschränkt werden.

(Frau von Angern, DIE LINKE: Wie ist das beim Frauenvollzug?)

Es gibt viele Angehörige, die dann quer durch das Land fahren müssen, was gerade bei sozialschwachen Menschen zu erheblichen Problemen führen kann. Das Problem besteht schon jetzt.

(Frau Budde, SPD: Aber wären sie nicht straffällig, wären sie doch zu Hause!)

- Frau Budde, ich meine, Straffälligkeit zieht sich durch alle gesellschaftlichen Schichten. Ich denke, man sollte diejenigen, die ohnehin schwach sind, nicht noch schlechter stellen, indem man sie weitere Strecken fahren lässt.

(Frau Budde, SPD: Das ist bei allen gleich, auch bei anderen Einrichtungen! Das gilt auch für Frauenhäuser und andere Dinge!)

Ich schlage vor, dass die Ministerin jetzt antwortet.

Darf ich jetzt antworten?

Ja, gern.

Frau von Angern hatte mit ihrem Zwischenruf schon auf die Situation der Frauen hingewiesen, die wir in Brandenburg unterbringen. Für deren Angehörige sind die Fahrtwege noch viel weiter.

Wir haben bisher das Mögliche getan, um für die Betroffenen die Wege so kurz wie möglich zu halten. Zum Beispiel besteht in einigen Fällen die Möglichkeit, die Gefangenen zu Besuchszwecken in den offenen Vollzug zu überstellen. Da wir am Standort Dessau einen offenen Vollzug erhalten wollen, wären in Zukunft über eine solche Regelung auch Besuche vor Ort möglich. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD)

Danke schön, Frau Ministerin. Weitere Nachfragen sehe ich nicht.

(Herr Bommersbach, CDU: Ich verzichte auf eine weitere Frage!)

Dann treten wir ein in die Debatte. Als Erster spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Abgeordnete Herr Herbst.

Wir können Gäste im Haus begrüßen. Wir heißen auf der Besuchertribüne Seniorinnen und Senioren aus der Region Quedlinburg willkommen. Herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im ganzen Hause)

Sie können gerade die Aussprache zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Justizvollzugsanstalten mitverfolgen.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute soll das Parlament, sollen wir den Weg freimachen für die Schließung der Justizvollzugsanstalt Dessau-Roßlau. Frau Ministerin, Sie gehen heute mit einem Gesetzentwurf ins Parlament, der zwar extrem kurz ist, dessen Erarbeitung aber umso länger gedauert hat.

Diese Justizvollzugsreform ist das wichtigste Vorhaben des Ministeriums für Justiz und Gleichstellung in dieser Legislaturperiode - zumindest neh

me ich das an. Es geht darum, den Justizvollzug neu zu ordnen, damit wir der Entwicklung der Gefangenenzahlen langfristig gerecht werden und die bestmöglichen Bedingungen schaffen, den gleichwertigen Vollzugszielen Sicherheit der Bevölkerung und Resozialisierung besser als bisher gerecht zu werden. Es geht um nicht weniger als darum, den Justizvollzug in Sachsen-Anhalt fit zu machen für das 21. Jahrhundert.

Der Koalitionsvertrag, auf den so gern verwiesen wird - sicherlich auch zu Recht, meine Damen und Herren und Frau Ministerin -, hätte Ihnen dabei relativ freie Hand gelassen; denn die Formulierungen, die auf Seite 51 stehen, sind relativ weit gefasst. Ich darf zitieren:

„Die Koalitionspartner vereinbaren, die Justizvollzugstrukturen im Land Sachsen-Anhalt weiter zu optimieren und zu konzentrieren.“

Gut.

„Hierzu soll bei Aufgabe derzeitig bestehender Anstalten“

- wie viele, steht dort nicht; und dort steht auch nicht: bei Aufgabe aller bestehenden Anstalten -

(Herr Rothe, SPD: Plural!)

- ja, Plural, klar, aber wie viele das sind, steht da nicht -

„ein weiterer vorhandener Standort ausgebaut werden.“

Das kann Halle sein.

„Zur Umsetzung wird bis zum Ende des Jahres 2011“