Protokoll der Sitzung vom 26.02.2015

(Zustimmung bei der LINKEN)

Kommunalpolitikerinnen, Bürgerinnen vor Ort und Bedienstete reagierten auf die Ankündigung der Landesregierung mit Kritik und Enttäuschung. Meine Fraktion versteht die Sorgen der Dessauer, dass die beabsichtigte Maßnahme wiederum ein Mosaikstein hinsichtlich der Abwertung des Standortes Dessau-Roßlau als Oberzentrum ist.

(Zustimmung bei der LINKEN und von Herrn Kolze, CDU)

Denn Dessau-Roßlau ist neben Magdeburg und Halle ein Oberzentrum und beansprucht für sich, dies auch zu bleiben. In den Schließungsabsichten sieht man ein verheerendes Signal an das Oberzentrum. Jeder Ab- oder Rückbau einer Struktur in dieser Stadt bringe das Oberzentrum DessauRoßlau in Gefahr. Es ist letztlich die öffentliche Daseinsvorsorge, die aufgrund von Schließungen in eine erhebliche Schieflage geraten kann. Es sind auch Arbeitsplätze, die in dieser Region dadurch verlorengehen.

Doch, meine Damen und Herren, auch wir dürfen die Augen nicht davor verschließen, dass zurückgehende Einwohnerinnenzahlen und die gegenwärtige demografische Entwicklung Auswirkungen auf alle Lebensbereiche haben.

Wenn unsere Bevölkerung schrumpft und zugleich älter wird, wundert es nicht wirklich, dass auch Gefangenenzahlen und damit auch die Zahl der erforderlichen Haftplätze zurückgehen. Ich denke und hoffe zumindest, dass niemand hier im Saal dies grundsätzlich bedauert.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Unser Auftrag als Parlament ist es „dank“ der Föderalismuskommission nun, beste Bedingungen und Voraussetzungen für Gefangene und Bedienstete zu schaffen, um den Resozialisierungsgedanken des Strafvollzugsgesetzes tatsächlich erfüllen zu können. Eine dafür notwendige konkrete deutliche Nachbesserung des Personalentwicklungskonzeptes durch die Koalition im Bereich des allgemeinen Vollzugsdienstes ist mir zu keinem Zeitpunkt erinnerlich.

(Herr Borgwardt, CDU: Hast du meine Rede gehört?)

Zwar waren immer einmal kritische Stimmen in den Koalitionsfraktionen vernehmbar, diese aber eher leise und vor allem ohne Nachdruck und erst recht ohne Folgen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Mir ist kein Änderungsantrag bezüglich des Neueinstellungskorridors in den Beratungen über den Doppelhaushalt 2015/2016 in diesem Bereich erinnerlich.

Ja, wir haben ein Personalproblem im Strafvollzug in Sachsen-Anhalt. Das lösen wir aus meiner Sicht

jedoch nicht allein durch die Schließung von Anstalten. Und ja, der Erhalt der JVA Dessau unter gleichen personellen Vorzeichen würde zu Lasten der Vollzugsbediensteten im gesamten Land gehen.

Doch ich möchte an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen, dass auch meine Fraktion im personellen Bereich des Strafvollzuges bisher nicht parlamentarisch aktiv geworden ist. Grund hierfür ist eine andere politische Prioritätensetzung, insbesondere zugunsten der Neueinstellungen bei Lehrerinnen und Polizistinnen. Denn auch wir sind keine finanziellen und personellen Wunschträumer.

Daher ist klar festzustellen, dass dieses Parlament, also wir alle, sehenden Auges in die vorliegende Situation hineingesteuert sind. Nun ist es unsere Pflicht, nicht zulasten von Gefangenen und Bediensteten in den Justizvollzugsanstalten dringend erforderliche Entscheidungen hinauszuzögern, sondern diese schnellstmöglich und ausgewogen zu treffen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Die von der Koalition in den letzten Jahren und Monaten öffentlich geführte Debatte war dabei wenig hilfreich. Im Gegenteil: Sie hat Hoffnungen geweckt, wo es keine Hoffnung gibt. Sie hat Illusionen hervorgerufen, die jetzt wie Seifenblasen zerplatzen.

Allerdings - erlauben Sie mir an dieser Stelle diese Bemerkung - irritiert mich immer wieder das ambivalente Verhalten der Kommunen bzw. der Menschen in den einzelnen Kommunen, wenn es um die Schließung, den Neubau oder die Erweiterung einer JVA geht. Soll eine JVA geschlossen werden, gibt es Proteste dagegen. Soll eine JVA neu gebaut oder erweitert werden, gibt es Protest.

(Frau Budde, SPD: Dagegen!)

- Dagegen. Danke, Frau Budde. - So unterschiedlich sind die Betrachtungen, die Positionen, je nachdem, auf welcher Seite man steht.

(Zuruf von Herrn Bommersbach, CDU)

Meine Damen und Herren! Ich erinnere daran, insbesondere in Bezug auf die Frage von Herrn Bommersbach: Was war denn der Grund dafür, dass eine Jugendanstalt in Raßnitz auf dem freien Felde errichtet wurde? Was war denn der Grund dafür, dass die Anstalt in Burg auf freiem Feld mit sehr weiten Anfahrtswegen entstanden ist? - Es waren genau die Gründe, die ich vorher benannt habe, dass wir nämlich keine Kommune gefunden haben, die bereitwillig Juchhu geschrien hat, als wir gesagt haben, in ihrem Zentrum wollen wir ein Gefängnis bauen.

(Zustimmung von Frau Budde, SPD)

Ich sagte bereits, dass für meine Fraktion der Standort Dessau-Roßlau von wesentlicher Bedeutung ist. Daher kann ich schon jetzt ankündigen, dass das endgültige Abstimmungsverhalten meiner Fraktion bei der zweiten Lesung und damit bei der abschließenden Behandlung des Gesetzentwurfes noch nicht endgültig feststeht.

Wir werden in den Ausschussberatungen sehr wohl das Pro und das Contra abwägen, natürlich auch auf der Grundlage der Anhörung. Für uns wird es sicherlich auch nicht unerheblich für unsere Entscheidung sein, welche Nachnutzungsoptionen für die JVA Dessau im Raum stehen.

Aus fachlicher Sicht können natürlich auch Argumente gegen die Schließung aufgezeigt werden. Auch mir ist die Reise des Ausschusses für Recht, Verfassung und Gleichstellung nach Norwegen bzw. Halden mehr als in guter Erinnerung. Dort besichtigten wir ein beeindruckendes Gefängnis im Grünen mit besten Bedingungen für die Gefangenen und ihre Resozialisierung, aber auch für die Bediensteten. Es gibt dort geniale Einkommen für die Bediensteten.

Aber uns, meine Damen und Herren, ist ein klares Stoppschild gesetzt. Wir haben keine Vorkommen an Öl und insofern sind wir haushalterisch weit entfernt von den Bedingungen, die in Norwegen vorzufinden sind.

Wenn wir ganz ehrlich sind, dann müssen wir einsehen, dass uns nicht nur die Zustimmung der Bevölkerung fehlt, sondern auch die des Landtages, einen Strafvollzug ähnlich wie in Norwegen auch hier zu realisieren. Das können wir natürlich negieren, aber ich präferiere eher, dies zur Kenntnis zu nehmen, darüber aufzuklären und das entsprechend nach außen zu tragen.

Meines Erachtens werden wir heute nicht das letzte Mal über die JVA Dessau reden. Damit meine ich nicht die zweite Lesung des Gesetzentwurfs. Wir schieben damit nur ein Problem in die Ferne. Wir werden spätestens zu Beginn der neuen Wahlperiode wieder über Dessau reden, unabhängig davon, welchen Kompromiss Sie innerhalb der Koalition finden werden.

Lassen Sie mich noch einen letzten Satz zum Entschließungsantrag sagen. Das kann ich relativ kurz machen. Meine Fraktion wird bei der zweiten Lesung diesen Entschließungsantrag ablehnen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Nach all den Ausschussberatungen, die wir dazu geführt haben, nach den Besuchen vor Ort, in den Gefängnissen, und nach den vielen Kleinen Anfragen, insbesondere von der CDU-Fraktion, weniger von der Fraktion der GRÜNEN, kann ich sagen - darin unterstütze ich Sie tatsächlich, Frau Ministerin -, haben wir zu einem Reformvorhaben noch nie so viele Zahlen auf dem Tisch gehabt und wurden noch nie

so viele Alternativberechnungen angestellt. Ich glaube, in jeder Fraktion bestand sogar die Möglichkeit, direkt mit der Arbeitsebene des Justizministeriums in Kontakt zu treten. Daher halte ich Ihre Kritik für vorgeschoben, damit Sie keine klare Position in der Sache treffen müssen.

(Zustimmung bei der LINKEN - Herr Herbst, GRÜNE: So ein Blödsinn! Sie machen doch keine klare Position in der Sache! Das ist wirklich abenteuerlich!)

Ganz zum Schluss möchte ich noch sagen: Mich irritiert, ehrlich gesagt, die Heftigkeit der Debatte in den letzten Monaten. Ich möchte, Herr Kollege Borgwardt, an die letzte Wahlperiode erinnern, in der die Schließung der Justizvollzugsanstalten Stendal und Halberstadt aus dem Parlament heraus sehr geräuschlos, zumindest parlamentarisch, vollzogen worden ist. Das gibt mir zumindest die Hoffnung, dass auch jetzt im Zusammenhang mit der Schließungen von Justizvollzugsstandorten

(Herr Bommersbach, CDU: Das ist aber scheinheilig!)

- nein, daran ist nichts scheinheilig, Herr Bommersbach - eine sachliche Diskussion möglich ist. - Ich danke dem Präsidenten, dass er mir fast eine Minute mehr Redezeit gegeben hat.

Danke schön, Frau Kollegin von Angern. So 30 bis 50 Sekunden gewähren wir fast jedem. - Als Nächster spricht für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Dr. Brachmann.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich hatte ich heute nicht vor, über die JVAStrukturreform zu reden. Ich habe aber geahnt, dass es mir aufgrund der Debatte nicht erspart bleibt, und der Entschließungsantrag zwingt mich regelrecht dazu.

Worum geht es heute? - Es geht nicht darum, dass wir uns darüber verständigen, wie die Vollzugslandschaft in zehn Jahren aussieht. Es geht darum, die derzeitige Struktur an die sich stellenden Handlungserfordernisse anzupassen. Frau Ministerin hat es dargelegt. Wir haben einen Rückgang der Gefangenenzahlen zu verzeichnen. Wir haben 400 Haftplätze zu viel.

(Herr Wunschinski, CDU: Mit einer Drei- und Vierfachbelegung!)

Darauf muss man reagieren, wie wir es früher gemacht haben, völlig unabhängig von irgendwelchen Überlegungen, was die Strukturen im Justizvollzug insgesamt anbelangt. Es ist zur Sprache gekommen: Halberstadt, Stendal, Naumburg und

Magdeburg - das waren notwendige Anpassungen, weil sich die Zahl der Häftlinge verringert hat.

Insoweit besteht Handlungsbedarf - dazu werde ich beim nächsten Thema noch ausführlicher etwas sagen -, weil wir in der Tat eine enge Personaldecke im Justizvollzug haben.

(Herr Knöchel, DIE LINKE: Warum denn?)

Sie zwingt uns dazu zu reagieren. Ich sage es aber noch einmal: Die Frage, ob wir in Halle bauen und in welcher Größenordnung, hängt nicht mit dem Anpassungsbedarf innerhalb der jetzigen Struktur zusammen.

(Herr Bommersbach, CDU: Wovon denn?)

Man kann sich sicher darüber unterhalten, ob wir Dessau, Volkstedt oder den „Roten Ochsen“ schließen. Die Debatte kann man führen. Das Ministerium hat sich - ich nenne es einmal so - aufgrund harter Standortfaktoren für Dessau entschieden - das ist in der Begründung zu dem Gesetzentwurf nachzulesen -: Mehrfachbelegung, Innenstadtlage - das sind solche Kriterien.

(Herr Wunschinski, CDU: Das hat Halle nicht? Das hat der Rote Ochse nicht?)

- Das habe ich damit doch nicht gesagt. - Es steht nicht im Gesetzentwurf, das möchte ich hier aber ausdrücklich feststellen: Die JVA Dessau ist eine gut funktionierende Justizvollzugsanstalt hier im Land. Von den Bediensteten ist dort eine gute Arbeit geleistet worden. Sie haben regional funktionierende Netzwerke aufgebaut. Insoweit ist das, was dort inhaltlich geleistet worden ist, durchaus nachahmenswert.

(Zustimmung von Herrn Wunschinski, CDU, von Frau von Angern, DIE LINKE, und von Frau Lüddemann, GRÜNE)