(Zustimmung von Herrn Wunschinski, CDU, von Frau von Angern, DIE LINKE, und von Frau Lüddemann, GRÜNE)
Wir wissen auch, dass Reformvorhaben, die gegen den Willen der Beschäftigten und Bediensteten gemacht werden - das gilt im Übrigen nicht nur für den Justizvollzug -, zu einem Problem werden können. Ich kann nur wärmstens empfehlen, die Betroffenen auf dieser Reise mitzunehmen.
Dann will ich doch noch etwas zu dem Entschließungsantrag und zur JVA-Strukturreform sagen. Der Kern dieses Entschließungsantrages ist es, einen kleineren Neubau in Halle zu realisieren und dafür Dessau zu erhalten.
- Ja, oder erst einmal eine Berechnung dahin gehend anzustellen. - Wer sich erinnert - Sie haben das Zitat aus dem Koalitionsvertrag vorgetragen -: Zu Beginn der Legislaturperiode war ich mit meiner
Ministerin, was die ersten Vorstellungen zur JVAStrukturreform anbelangt, nicht unbedingt ein Herz und eine Seele, weil in der Tat - ich weiß natürlich, woher es auch kam - Vorstellungen entwickelt worden sind, in Halle eine Haftanstalt mit 900 Haftplätzen zu bauen und im Gegenzug alle Altanstalten zu schließen, und das bis zum Jahr 2018. Das war nicht das, was im Koalitionsvertrag stand. Darin war von „Schließung weiterer“, nicht aller Altanstalten die Rede. Deshalb ist es im Landtag, in meiner Fraktion damals zu keiner Beschlussfassung gekommen. Es gab damals einen Dissens zwischen dem, was die Landesregierung beschlossen hatte, und der Stimmungslage hier im Landtag.
Ich habe damals einen anderen Vorschlag eingebracht, der dann - ich sage einmal - in konstruktivem Miteinander in das Regierungshandeln eingeflossen ist. Ich zitiere daraus:
„Erstens. Der Justizvollzug in Sachsen-Anhalt ist bis 2025 nur noch an drei Standorten, Halle, Burg und Raßnitz, zu konzentrieren.
Zweitens. Unter Zugrundelegung des prognostizierten Haftplatzbedarfes ist in Halle am Standort der JVA ‚Frohe Zukunft’ ein Ergänzungsbau von ca. 240 Haftplätzen zu errichten, sodass an diesem Standort unter Einbeziehung der bereits vorhandenen Haftplätze dauerhaft eine Einrichtung mit bis zu 600 Haftplätzen entsteht. Nach dessen Fertigstellung wird die JVA Halle, Am Kirchtor, geschlossen.
Drittens. Die JVA Dessau-Roßlau und die JVA Volkstedt werden geschlossen, sobald sie aufgrund des prognostizierten Rückgangs der Gefangenenzahlen ersatzlos wegfallen können.
Viertens. Im Rahmen der Neuorganisation des Justizvollzugs ist angesichts der bereits jetzt erheblichen und weiter zunehmenden Unterbelegung der JVA Raßnitz eine Vollauslastung dieser Anstalt anzustreben.“
„Fünftens. Vorher oder zumindest einhergehend mit diesen strukturellen Veränderungen sind auf der Grundlage des bereits vorliegenden Musterentwurfs für ein Landesstrafvollzugsgesetz die Vollzugsgestaltung und -inhalte stärker am Ziel der Resozialisierung auszurichten und die sachlichen und personellen Voraussetzungen für deren Umsetzung zu schaffen.“
Von dem ursprünglichen Ansinnen, Dessau und Volkstedt zu schließen, weil dafür in Halle erweitert wird, wurde Abstand genommen.
Die Frage, wie wir den Justizvollzug inhaltlich gestalten, wird uns in der nächsten Debatte beschäftigen. Der Gesetzentwurf dazu liegt vor.
Worum es heute geht - ich wiederhole mich -, ist eine Anpassung innerhalb einer bestehenden Struktur - um nicht mehr und nicht weniger. Insoweit tragen wir den Regierungsentwurf mit, und den Entschließungsantrag werden wir ablehnen. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Danke schön, Herr Kollege Dr. Brachmann. - Damit schließen wir die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt ab und treten in das Abstimmungsverfahren ein. Ich lasse zunächst über die Überweisung des Gesetzentwurfes abstimmen. Es ist die Überweisung des Gesetzentwurfes an den Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung beantragt worden. Ich weise auf § 28 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung hin. Danach ist wegen der Haushaltsrelevanz auch die Mitberatung des Finanzausschusses erforderlich.
Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Gegenstimmen? - Zwei Gegenstimmen. Stimmenthaltungen? - Keine. Bei zwei Gegenstimmen wurde der Gesetzentwurf an den Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung zur federführenden Beratung und an den Ausschuss für Finanzen zur Mitberatung überwiesen.
Wir stimmen jetzt über den Entschließungsantrag in der Drs. 6/3843 ab. Wer dem Entschließungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich - -
Dann lasse ich zunächst darüber abstimmen. Als Erstes stimmen wir darüber ab, ob der Entschließungsantrag mit an den Ausschuss überwiesen wird.
Wir waren bisher davon ausgegangen, dass der Entschließungsantrag sozusagen eine nicht selbständige Vorlage ist und als nicht selbständige Vorlage mit dem Gesetzentwurf im Ausschuss landet. Das schien uns das Verfahren nach der Ge
schäftsordnung zu sein. Ansonsten würde ich jetzt eine kurze Auszeit beantragen, damit wir das geschäftsordnungsrechtlich klären lassen, wenn es nicht so ist.
Das, was Sie jetzt angenommen haben, diese automatische Mitüberweisung würde für Änderungsanträge tatsächlich zutreffen. Entschließungsanträge stehen selbständig und frei. Sie können mit überwiesen werden, müssen aber nicht. Dafür bedarf es einer Mehrheit im Hause.
(Herr Striegel, GRÜNE: Dann bitte ich um eine kurze Auszeit, damit wir uns kurz ver- ständigen können!)
Ein Blick in § 28 der Geschäftsordnung verrät das ganz schnell. - Wollen sich die PGF kurz verständigen?
(Herr Borgwardt, CDU: Ich habe nichts ge- gen fünf Minuten Auszeit! Wir brauchen uns aber nicht zu verständigen! Das ist so! - Herr Striegel, GRÜNE: Dann können wir darüber abstimmen!)
- Dann machen wir es so und stimmen darüber ab. Wer dafür ist, dass der Entschließungsantrag an den Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung überwiesen wird, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das ist eine Abgeordnete. Wer stimmt dagegen? - Das sind sehr viele Abgeordnete, und wahrscheinlich gibt es einige Enthaltungen. Damit ist die Überweisung des Entschließungsantrags abgelehnt worden.
Jetzt müssen wir über den Entschließungsantrag selbst abstimmen. Wer dem Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Drs. 6/3843 zustimmen möchte, den bitte ich um das Kartenzeichen. Das sind die Antragstellerin und drei weitere Stimmen aus anderen Fraktionen. - Wer stimmt dagegen? - Die große Mehrheit stimmt dagegen. Stimmenthaltungen? - Bei einigen Stimmenthaltungen bei mehreren Fraktionen hat der Entschließungsantrag nicht die erforderliche Mehrheit erhalten. Der Tagesordnungspunkt 7 ist damit erledigt.
Ich erteile für die Einbringung der Ministerin für Justiz und Gleichstellung Frau Professor Dr. Kolb das Wort.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Sicherheit und Schutz vor Kriminalität sind zentrale Anliegen unserer Bürgerinnen und Bürger. Hierbei spielt natürlich auch der Strafvollzug eine ganz besondere Rolle. Allerdings sind die Ansichten darüber, wie der Strafvollzug dieses Anliegen am besten erfüllt, durchaus unterschiedlich.
Ich höre in Gesprächsrunden mit Bürgerinnen und Bürgern immer wieder, Wegsperren ist eine beliebte Lösung, wenn es um Straftäter geht. Wir alle in diesem Hohen Haus wissen, Wegsperren allein ist zugleich die schlechteste Lösung.
Mit der Föderalismusreform, die heute auch schon angesprochen worden ist, ist die Gesetzgebungskompetenz für den Strafvollzug auf die Länder übergegangen. Das ist jetzt so. Wir sind als Länder, als Justizminister, mit dieser Entscheidung damals nicht glücklich gewesen. Im Ergebnis hat es aber eine Abstimmung im Hinblick auf Musterentwürfe gegeben, die - das kann man heute, glaube ich, feststellen - nicht dazu geführt hat, dass wir in den einzelnen Ländern unterschiedliche Standards haben.
Wir haben Gesetze für den Vollzug der Jugendstrafe, für den Vollzug der Untersuchungshaft und ein Mobilfunk-Verhinderungsgesetz verabschiedet. Der letzte Schritt, den wir noch tun müssen, um der Föderalismusreform zu entsprechen, ist die Verabschiedung eines Gesetzes für den Erwachsenenstrafvollzug. Hierfür gilt im Moment noch das alte Bundes-Strafvollzugsgesetz.
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf der Landesregierung sollen zukünftig alle Belange rund um den Justizvollzug in Sachsen-Anhalt geregelt werden. Er wird uns in die Lage versetzen, in noch besserer Qualität einen Beitrag zum Rechtsfrieden und zur inneren Sicherheit in unserem Land zu leisten.
Mit dem Gesetzentwurf bündeln wir die Regelungen für den Vollzug der Freiheitsstrafe, der Jugendstrafe und der Untersuchungshaft in einem modernen, anspruchsvollen und, wie wir finden, transparenten Justizvollzugsgesetzbuch.
Dieses Gesetzbuch soll auch Regelungen für Strafgefangene mit angeordneter und vorbehaltener Sicherungsverwahrung und für Jugendstrafgefangene mit vorbehaltener Sicherungsverwahrung enthalten. Auch die Regelungen zur Mobilfunkverhinderung und zum Datenschutz sind in diesem Gesetzentwurf mit verankert.
Das hat den Vorteil, dass wir Doppelungen vermeiden und dass die Gemeinsamkeiten des Strafvollzuges in Sachsen-Anhalt ebenso herausgestellt werden wie die Unterschiede. Aus unserer Sicht
macht das die umfangreichen Regelungen für den Strafvollzug tatsächlich auch handhabbarer. Die im Rahmen der Kabinettsbefassung durchgeführte Verbandsanhörung hat uns das auch bestätigt.
Insoweit sehen wir uns mit dieser Bündelung zunächst einmal auf einem guten Weg für ein praxisnahes, handhabbares Gesetz für alle Betroffenen, das heißt, nicht nur für die Kolleginnen und Kollegen in den Einrichtungen, sondern auch für die Gefangenen, was die dort niedergelegten Rechte und Pflichten betrifft.