Insoweit sehen wir uns mit dieser Bündelung zunächst einmal auf einem guten Weg für ein praxisnahes, handhabbares Gesetz für alle Betroffenen, das heißt, nicht nur für die Kolleginnen und Kollegen in den Einrichtungen, sondern auch für die Gefangenen, was die dort niedergelegten Rechte und Pflichten betrifft.
Ich habe bereits darauf hingewiesen: Zur Umsetzung der Länderzuständigkeit für den Strafvollzug hat es Länderarbeitsgruppen gegeben. Dem nunmehr vorgelegten Gesetzentwurf für den Erwachsenenstrafvollzug liegt ein Musterentwurf zugrunde, den Sachsen-Anhalt gemeinsam mit den Ländern Berlin, Bremen, Brandenburg, MecklenburgVorpommern, Rheinland-Pfalz, dem Saarland, Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen erarbeitet hat.
Ich möchte an der Stelle - das ist nicht neu; wir haben auch hier zu den einzelnen Punkten, teilweise jedenfalls, im Ausschuss schon debattiert - auf einige Punkte eingehen, bei denen SachsenAnhalt im Hinblick auf den vorgelegten Gesetzentwurf von dem Musterentwurf abweicht.
Das ist zunächst einmal ein ganz zentraler Punkt: Wir wollen in Sachsen-Anhalt im Strafvollzug auch in Zukunft die Arbeitspflicht aufrechterhalten. Der Musterentwurf verzichtet darauf. Wir sehen in der Pflicht zur Arbeit in den Justizvollzugsanstalten einen ganz wichtigen Beitrag zur Resozialisierung.
Wir haben den Anspruch, dass der Vollzug in den einzelnen Justizvollzugsanstalten, soweit es geht, den tatsächlichen Verhältnissen draußen angeglichen wird, um die Voraussetzungen für ein straffreies Leben zu schaffen. Hierzu ist Arbeit ganz zentral, weil eine Berufstätigkeit - in der Regel jedenfalls - die Grundlage für die Sicherung des eigenen Lebensunterhalts ist. Deshalb soll nach unseren Vorstellungen - uns haben die Praktiker auch bestätigt, dass das tatsächlich auch für die innere Sicherheit im Strafvollzug ganz wichtig ist - die Arbeitspflicht aufrechterhalten werden.
Zu weiteren Eckpunkten. Wir verankern den Schutz der Allgemeinheit und die Resozialisierung als gleichrangige Vollzugsaufgaben, und wir richten den Vollzug von Anfang an darauf aus, dass die Gefangenen nach der Haftentlassung, also nach der Entlassung in die Freiheit, in der Lage sind, sich in die Gesellschaft einzugliedern, dass sie keine weiteren Straftaten begehen. So tragen wir letzten Endes auch zum Opferschutz bei; denn wenn es keine neuerlichen Straftaten gibt, sind davon auch keine Bürgerinnen und Bürger betroffen.
Wir setzen, was die inhaltliche Ausgestaltung des Strafvollzugs betrifft - ich glaube, das haben wir sehr detailliert auch in unserem Rahmenvollzugskonzept, das wir dem Ausschuss zur Verfügung gestellt haben, dargestellt -, in Zukunft auf noch mehr Behandlung und noch mehr Therapie. Es gibt eine Vielzahl von Untersuchungen, die gerade in jüngster Zeit noch einmal bestätigt haben, dass jemand, der straffällig wird, in der Regel über persönliche Defizite verfügt. Genau hier wollen wir ansetzen.
Wir wollen eine stärkere Mitwirkungsbereitschaft der Gefangenen erreichen, nicht zuletzt durch Anreize, an Therapien und Behandlungen teilzunehmen, damit sie tatsächlich an diesen Defiziten arbeiten. Auf der anderen Seite sollen aber auch die Stärken gestärkt werden, sodass sie tatsächlich lernen, bestimmte Dinge in Zukunft anders zu machen. Gerade Gewaltstraftäter sollen lernen, dass Konflikte nicht aggressiv, sondern auf andere Weise gelöst werden.
Deshalb spielt hierbei ein Diagnoseverfahren eine ganz große Rolle. Es muss zunächst einmal zu Beginn des Strafvollzugs festgestellt werden, welche Defizite bestehen und wie und durch welche standardisierten bzw. auch individuellen Behandlungs- oder Therapieverfahren das abgestellt werden kann.
Eine aktuelle Meta-Studie zeigt: Therapie wirkt tatsächlich. Sie senkt das Rückfallrisiko bei therapierten Sexualstraftätern beispielsweise um 26 %. Deshalb setzen wir im Hinblick auf die zukünftige Entwicklung des Strafvollzugs mit dem vorgelegten Gesetzentwurf auf mehr Behandlung, mehr Therapie und auf ein wirksames Übergangsmanagement.
Bei einem weiteren wichtigen Qualitätsmerkmal - das ist eben in der zu TOP 7 bereits geführten Debatte dargestellt worden - geht es um die Frage der Einzelunterbringung, die gesetzlich verankert wird. Wir sind durch die Rechtsprechung des EGMR und des Bundesverfassungsgerichts heute schon dazu verpflichtet.
Eigentlich bedarf es keiner Übergangsfrist bis 2024, um das umzusetzen. Diese Frist ist auf Bitte des Finanzministeriums im Mitzeichnungsverfahren in den Gesetzentwurf eingefügt worden, einfach um mögliche Schadenersatzansprüche zu verhindern. Wir können im Ausschuss gerne darüber diskutieren, inwieweit es einer solchen Sicherung tatsächlich bedarf.
angebot und der Pflicht des Staates, die Allgemeinheit vor Straftaten zu schützen, tragen wir auch durch eine gründliche Prüfung vollzugsöffnender Maßnahmen und die notwendige Differenzierung des Vollzugs zwischen, aber auch innerhalb der einzelnen Anstalten Rechnung. All das
Eine Abweichung vom Musterentwurf haben wir bereits im Vorfeld diskutiert. Im Gesetzentwurf ist entgegen der Musterregelung verankert, dass ein Hafturlaub für diejenigen, die Kapitaldelikte verübt haben, erst nach zehn Jahren und nicht, wie der Musterentwurf es vorsieht, bereits nach fünf Jahren möglich ist. Dazu haben wir auch Leute aus der Praxis befragt. Ich glaube, sowohl für die Anstalten als auch für den Schutz der Bürgerinnen und Bürger ist das die richtige Lösung.
Ein wesentliches Ziel des Strafvollzugs bleibt es - ich habe es bereits gesagt -, die Gefangenen zukünftig zu befähigen, in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen. Der Gesetzentwurf enthält hierzu besondere Regelungen auch zur Nachsorge, also nach der Haftentlassung. Wir haben sehr gute Erfahrungen mit den Jugendlichen gemacht.
Da haben wir MOVES. Wir haben also ein spezielles Projekt, ein Übergangsmanagement, das zeigt, dass die Rückfälligkeit durch eine intensive Betreuung auch über das Haftende hinaus tatsächlich zurückgeht. Genau das brauchen wir für den Strafvollzug, weil gerade die ersten sechs Monate nach der Haftentlassung entscheidend dafür sind, ob es jemand schafft oder ob er rückfällig wird.
Es gibt weitere spezielle Vorschriften, beispielsweise zur Sozialtherapie, die weiterentwickelt werden soll und die auf solche Gefangenen konzentriert wird, von denen ohne Behandlung die Begehung weiterer Straftaten zu befürchten ist. Ich habe bereits auf die Studie verwiesen, aus der hervorgeht, dass durch eine intensive Behandlung auch bei Gewalt- und Sexualstraftätern tatsächlich eine Senkung der Rückfallwahrscheinlichkeit möglich ist.
Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Die Sicherheit unserer Bevölkerung und die Resozialisierung der Gefangenen ist für uns eine gleichermaßen wichtige, eine selbstverständliche Aufgabe. Mit dem neuen Justizvollzugsgesetzbuch stellen wir hierfür notwendige klare, übersichtliche gesetzliche Regelungen zur Verfügung. Wir stellen uns damit einer großen rechts-, aber auch gesellschaftspolitischen Herausforderung, welche die Umsetzung des verfassungsrechtlichen Resozialisierungsauftrags und die Gewährleistung des Schutzes der Bürgerinnen und Bürger für uns bedeutet.
Es gab im Februar einen interessanten Artikel in der „Süddeutschen Zeitung“ unter der Überschrift: „Therapie hinter Gittern“. Hier wird ein Psychotherapeut zitiert. Er sagt:
zugseinrichtungen therapeutische Angebote machen, indem Psychiater und Psychologen, Sozialarbeiter, aber auch die JVA-Bediensteten an der prosozialen Entwicklung der Straftäter mitwirken.“
Das ist schon heute Realität in Sachsen-Anhalt. Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf wollen wir in Zukunft diesem Anspruch noch besser gerecht werden. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Minister, wir haben ja vorher schon darüber gesprochen, dass Sie das Ganze kurzfristig umsetzen wollen. Es scheitert alles am PEK. Die Frage ist: Sie sagten vorhin, es kommen ungefähr 80 Bedienstete aus Dessau, die Sie brauchen, um den Vollzug zu gewährleisten. Wie wollen Sie denn dieses neue Gesetz personell umsetzen? Haben Sie da schon eine Zahl, wie viel zusätzliche Angestellte wir dafür benötigen? - Das ist einfach eine Zahl, die mich jetzt einmal interessiert, damit ich mich auf die erste Sitzung vorbereiten kann. Ich glaube, mit dem jetzigen Personal ist das, was Sie uns jetzt hier alles als Vision vorgegeben haben, nicht umsetzbar. Die Zahl würde mich jetzt wirklich einmal interessieren.
Wir haben in dem Ihnen vorliegenden Konzept über die weitere Strukturentwicklung bereits dargestellt, dass wir durch die Konzentration der Standorte, insbesondere in diesem therapeutischen Bereich, Personal freisetzen, das wir dann an den Standorten, die zukünftig Bestand haben sollen, nutzen wollen, um diese Angebote umzusetzen.
Wir sind aber heute schon dabei, das umzusetzen. Wir haben in den letzten Jahren - ich erinnere eine intensive Debatte dazu auch im Rechtsausschuss - für alle Strafgefangenen mit einer angeordneten und mit einer vorbehaltenen Sicherungsverwahrung die Therapien verbessert. Da haben wir zusätzliches Personal zur Verfügung gestellt. Wir haben im letzten Jahr zwei Psychologen zusätzlich eingestellt, um die sozialtherapeutische Abteilung innerhalb der JVA Burg zu verstärken.
Das heißt, das ist ein Prozess, in dem wir uns jetzt schon befinden. Nach Inkrafttreten des Gesetzes werden wir in einem gestuften Prozess darstellen können, wie wir das weiterentwickeln.
Danke schön. - Weitere Nachfragen gibt es nicht. Dann treten wir in die Aussprache ein. Als Erste spricht für die Fraktion DIE LINKE Frau Abgeordnete von Angern.
Sehr geehrter Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Die Justizministerin sagte in einer Presseerklärung vom 27. Januar 2015 - sie wiederholte es heute -:
Ich denke, das ist grundsätzlich korrekt. Doch bei der Ausgestaltung des Strafvollzugs muss letztendlich unbedingt den Inhalten der Vorrang eingeräumt werden. Wir müssen also klar bestimmen und untersetzen, was einen Strafvollzug aus unserer Sicht landespolitisch ausmacht. Wir müssen benennen, welche Ziele wir mit dem Strafvollzug erreichen wollen, und das mit Blick auf die Strafgefangenen, aber auch mit Blick auf die Bediensteten im Strafvollzug. Wir müssen also sagen, welche Bedingungen für einen modernen Strafvollzug geschaffen werden müssen. Diese Fragen sollte dieser Gesetzentwurf beantworten.
Erst auf dieser Grundlage, nach dieser Verständigung und Einigung kann, darf und sollte man über Strukturen und den erforderlichen Personalkörper reden. Aber das ist leider monatelang, ja, jahrelang in diesem Land seitens der Landesregierung nicht passiert. Es ging zunächst immer nur um Umstrukturierungsmaßnahmen bzw. Schließungsabsichten im Bereich der JVA. Die Debatte zum Strafvollzugsgesetz - Sie erinnern sich - wurde mehrfach angekündigt, aber dann auch wieder mehrfach verschoben.
Selbst heute im Plenum haben wir zunächst über die Schließung der JVA Dessau diskutiert und diskutieren jetzt erst anschließend über die möglichen gesetzlichen Grundlagen für einen modernen Strafvollzug. Das ist das falsche Signal, meine Damen und Herren Abgeordnete.
Im Rahmen einer Sitzung des Ausschusses für Recht, Verfassung und Gleichstellung am 4. Juli 2014 hat das Ministerium für Justiz und Gleichstellung erstmalig die Eckpunkte für ein künftiges Landesstrafvollzugsgesetz in Sachsen-Anhalt vor
gestellt und hierfür von allen Fraktionen Lob erhalten. Auslöser für ein solches Gesetzesvorhaben war, dass mit der Föderalismusreform im Jahr 2006 die Zuständigkeit für den Strafvollzug vom Bund auf die Länder übergegangen ist. SachsenAnhalt schaffte in der Folge Gesetze für verschiedene Vollzugsarten. Im Bereich des Strafvollzugs galt und gilt bisher noch das alte Bundesstrafvollzugsgesetz fort.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte es nicht versäumen, darauf hinzuweisen: Es befindet sich noch ein Gesetzentwurf meiner Fraktion zur Ausgestaltung des Jugendarrests in der parlamentarischen Pipeline mit dem Anspruch, verfassungsrechtlich dringend erforderliche gesetzliche Regelungen zum Jugendarrest - deutlich vom Strafvollzug unterscheidend - herbeizuführen, da Jugendarrest eben keine Strafe ist.
Der vorliegende Gesetzentwurf weicht vom bisherigen Musterentwurf der Bundesländer an einigen Stellen deutlich ab. Die Frau Ministerin sagte es schon. Ich möchte an dieser Stelle insbesondere zwei Punkte benennen, bei denen es deutliche Differenzen zu den anderen Bundesländern gibt, vorausgesetzt, diese Regelungen werden wir in der zweiten Lesung beschließen.
Der Strafgefangene in Sachsen-Anhalt wird grundsätzlich im geschlossenen Vollzug untergebracht, um die Eignung für den offenen Vollzug sachgerecht prüfen zu können. Außerdem hält Sachsen-Anhalt an der Arbeitspflicht für erwachsene Strafgefangene und Jugendliche im Justizvollzug fest.
Letzterem Vorhaben stehen jedoch zum einen fehlende bzw. nicht ausreichend zur Verfügung stehende Arbeitsplätze bzw. Arbeitsmöglichkeiten für die Strafgefangenen in Sachsen-Anhalt entgegen. Zum anderen steht dem entgegen - das ist aus meiner Sicht weitaus problematischer einzuschätzen -, dass die Arbeitstätigkeit von Strafgefangenen nicht im gleichen Maße sozialrechtlich geschützt ist wie Arbeit außerhalb der Haft.
Nach derzeitiger Gesetzeslage sind alle pflichtarbeitenden Gefangenen explizit in die Unfall- und Arbeitslosenversicherung, grundsätzlich aber nicht in die gesetzliche Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung einbezogen. Damit entstehen oft erhebliche Versicherungslücken für die Strafgefangenen. Armut im Alter ist also vorprogrammiert.
Freiwilligkeit ist ein Grundmerkmal einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung. Dem widerspricht nun einmal der Arbeitszwang bzw. die Arbeitspflicht der Strafgefangenen in Sachsen-Anhalt.
Das bisher Gesagte trifft mit einer Ausnahme auf alle Strafgefangenen zu. Diese Ausnahme sind die sogenannten echten Freigänger, die sich in
einem freien Beschäftigungsverhältnis außerhalb der Strafanstalt befinden und damit natürlich auch der vollen Versicherungspflicht unterliegen. Das betrifft allerdings - das muss man der Ehrlichkeit halber sagen - nur einen sehr geringen Teil der Strafgefangenen in Sachsen-Anhalt. Bundesweit stehen wir dabei schon seit längerer Zeit eher schlecht da.
Hierbei sind also aus unserer Sicht Lösungsansätze gefragt. Dieses aufgeworfene Problem müssen wir dringend im weiteren Verlauf des parlamentarischen Gesetzgebungsverfahrens weiter beraten und diskutieren. Es bedarf unserer Ansicht nach letztendlich einer Pflichtversicherung aller bisher nicht versicherten pflichtarbeitenden Gefangenen in der gesetzlichen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung.
Eine konsequente Lösung wäre natürlich darin zu sehen, die Arbeitspflicht abzuschaffen und ein Recht auf Arbeit festzuschreiben, die dann sozialversicherungspflichtig wäre. Lassen Sie uns darüber in den Ausschüssen diskutieren.
Neun Jahre nach der Föderalismusreform wird nun erstmalig auf Landesebene in Sachsen-Anhalt der Strafvollzug für Erwachsene geregelt werden. Hierbei bündelt man die Regelungen für den Vollzug der Freiheitsstrafe, der Jugendstrafe und der Untersuchungshaft in einem eigenen Justizvollzugsgesetzbuch.