Protokoll der Sitzung vom 27.02.2015

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Zuruf von Herrn Weigelt, CDU)

Festzustellen ist auch - das gehört der Wahrheit zuliebe dazu; das will ich ehrlicherweise auch sagen, weil uns das am Herzen liegt -: Der Ganztagsanspruch ist nicht schuld an der Kita-Gebührenerhöhung.

In meiner Heimatstadt Dessau haben wir regelmäßig alle zwei Jahre die Kita-Gebühren angepasst. Wir können das tun, weil wir sehr viele stadteigene Kitas haben. Wir haben darin Einblick. Wir haben auch als Jugendhilfeausschuss immer darauf geachtet. Insofern haben wir es jetzt nötig, in Größenordnungen tätig zu werden.

In der Tat haben wir viele Gemeinden in diesem Land, die nach zehn oder 15 Jahren zum ersten Mal schauen: Wer ist denn überhaupt in unserer Kita tätig? - Ach, das sind ja eigene Arbeitskräfte, das müssen wir jetzt bei den freien Trägern mit hineinrechnen, oder was auch immer. Der Ganztagsanspruch ist also nicht schuld, sondern die Tatsache, dass wir zum ersten Mal ehrliche KitaBeiträge haben.

Ich möchte noch einen Aspekt einführen, der in der Debatte bisher kaum eine Rolle gespielt hat,

aber er gehört zu einem vollständigen Bild dazu, wenn wir über hohe Kita-Gebühren reden. Das sind versteckte Elterngebühren, sogenannte Sondergebühren.

Bei mir zumindest schlagen zunehmend Eltern auf, die beispielsweise fragen: Ist es rechtens, dass ich noch eine Konzeptpauschale zu zahlen habe oder Geld zahlen muss, weil das Umfeld der Kita neu gestaltet wird und dergleichen? - Das ist gesetzlich nicht vorgesehen, aber das Gesetz schließt das leider auch nicht aus. Insofern ist das ein Prozedere, das nach meiner These von den Jugendämtern eher still geduldet wird. Diese Sondergebühren werden erhoben und dann ist das erledigt; das muss dann nicht in die Verhandlungen zu den Leistungsvereinbarungen eingeführt werden.

Da auch hierzu kein vollständiges Bild zur Situation im Land vorhanden ist, habe ich eine Kleine Anfrage eingereicht, um einen Überblick zu erhalten, wie hoch die Sondergebühren sind.

Wenn man beispielsweise in das Land Berlin schaut, stellt man fest, dass es dort vom Gesetz ganz klar ausgeschlossen wird, Sondergebühren zu erheben. Ich glaube, eine solche klare Haltung brauchen wir, wenn das mit den Kita-Gebühren in unserem Land so weitergeht, auch in SachsenAnhalt.

(Zustimmung von Frau Frederking, GRÜNE)

Wir müssen feststellen: Insbesondere in strukturschwachen Regionen wird die Haushaltskonsolidierung der Kommunen auf dem Rücken der Eltern ausgetragen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Diese Situation verschärft sich drastisch durch das neue FAG und wird mancherorts durch Sonderbeiträge zusätzlich verschärft.

Was können wir als Land tun? - Die erste Möglichkeit - das habe ich vorhin mit meiner Frage schon eingeworfen -, die soziale Staffelung, haben wir damals beantragt. Zu der Deckelung beim Kindergeld hatten wir diskutiert, haben das dann aber aus verschiedensten Gründen nicht beantragt. Ich glaube jedoch, dass eine soziale Staffelung zwingend geboten ist.

Ehrlich gesagt, bin ich da ganz bei der CDU. Mich regt das auch auf.

(Zustimmung von Herrn Scheurell, CDU)

Es gibt Eltern, die können ihre Beiträge komplett freistellen lassen. Das ist überhaupt keine Frage. Sie können sich von der Gebührenpflicht befreien lassen. Aber diejenigen - damit bleibe ich bei dem schon überstrapazierten Beispiel der alleinerziehenden Bäckersfrau -, die knapp über diesem Satz liegen, müssen genau dasselbe zahlen wie ein Ehepaar, dessen Einkommen sich aus einem Arzt

gehalt und einem Professorengehalt speist. Ich finde, das ist ungerecht.

(Zustimmung von Herrn Borgwardt, CDU, und von Herrn Kurze, CDU)

Wenn man das ebenfalls so sieht, dann hätte man damals unserem Vorschlag im Hinblick auf eine soziale Staffelung zustimmen können. Dann zahlen die einen weniger, die anderen dafür mehr und im Endeffekt kommt man auf das gleiche Gebührenvolumen. Das ist im Übrigen etwas, das in Deutschland durchaus eingeführt ist. Wir haben das in der Krankenversicherung, wir habe das in anderen Solidarprinzipen: Diejenigen, die mehr Einkommen haben, zahlen mehr, diejenigen, die weniger Einkommen haben, zahlen weniger.

Ich glaube, über diesen Fall sollten und müssen wir in diesem Hohen Hause noch einmal reden.

(Frau Grimm-Benne, SPD: Das können wir ja machen! - Unruhe)

Soziale Gerechtigkeit sieht aus unserer Sicht anders aus. Aus der Kita-Statistik 2013 geht hervor, dass damals 114 Einrichtungen im Land eine solche soziale Staffelung hatten.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Das ist also nicht gänzlich unbekannt.

Das, was der Landeselternbeirat vorgeschlagen hat, die 50 % abzusenken, halte ich in der Tat für eine Diskussionsgrundlage. Darüber müssen wir reden. Das würde nicht einmal bedeuten, dass die Kommunen Mehrausgaben hätten; denn viele Kommunen zahlen schon jetzt mehr. Insofern würde es nur eine Rechtssicherheit bedeuten, würde dem einen Riegel vorschieben, was im Moment passiert. Insofern ist die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN durchaus bereit, über eine Absenkung zu reden.

Die aktuelle Debatte im Land allein ändert noch nichts an den Fakten, über die wir diskutiert haben. Das Solidarprinzip einzuführen mit einer sozialen Staffelung, soziale Sonderbeiträge zu verbieten - das muss man ganz klar sagen - und die Absenkung des Höchstbeitrages - all das sind Dinge, die könnte man, wenn man wollte, bei gutem Willen innerhalb von zwei Landtagssitzungen sehr schnell umsetzen.

Ich behalte es mir vor, einen eigenen parlamentarischen Aufschlag anzukündigen. Ich glaube, wir können nicht mehr warten, bis eine neue Landesregierung andere Prioritäten setzt. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Kollegin Lüddemann, es gibt Nachfragen. Möchten Sie diese beantworten? - Ja. Zunächst Herr Abgeordneter Hövelmann und dann Frau Dr. Pähle.

Herr Präsident! Frau Kollegin Lüddemann, wenn ich Sie richtig verstanden habe, haben Sie in Ihrem Redebeitrag gesagt, in Ihrer Sprechstunde gebe es Anfragen von Gemeinden, die sich in der Haushaltskonsolidierung befänden, dazu, wie sie mit der Entwicklung der Kinderbetreuungskosten umgehen sollten.

Nun sind wir beide in einem gemeinsamen Wahlkreis unterwegs. Dort haben wir die Gemeinden Dessau-Roßlau, Oranienbaum-Wörlitz und Coswig (Anhalt). Können Sie mir sagen, welche Gemeinden Sie meinen? Würden Sie mit mir gemeinsam auf diese Gemeinden zugehen und mithelfen, damit wir die Problematik gemeinsam gelöst bekommen?

Ich hatte befürchtet, dass das zu unklar war. Im Gegensatz zu Ihrer Fraktion hat unsere Fraktion weniger Abgeordnete; ich habe also durchaus mehr zu bespielen als nur das Gebiet, in dem Sie und ich jetzt gemeinsam unterwegs sind. Ich mache zusätzlich zu der regionalen Zuständigkeit auch eine fachliche Sprechstunde; das heißt, ich bin die einzige Abgeordnete unserer Fraktion, die sich schwerpunktmäßig mit dem Themengebiet Kita-Gebühren und Kita überhaupt beschäftigt.

Diese Anfrage kam nicht direkt aus unserem Zuständigkeitsbereich. Ich habe vorhin auf die Stadt Dessau-Roßlau hingewiesen, die sehr vorbildlich in der Gestaltung der Kita-Gebühren ist. Ich finde, das ist etwas, das man durchaus erwähnen kann. Diese Anfrage kam tatsächlich aus dem Mansfelder Raum.

(Zuruf: Dann können wir doch zusammen hingehen, Frau Lüddemann!)

- Das können wir gern tun.

Es gibt eine Nachfrage von Frau Dr. Pähle.

Frau Kollegin Lüddemann, ich habe Fragen zum Thema sozial gestaffelte Elternbeiträge. Können Sie mir die Fundstelle im Gesetz nennen, wo steht, dass Gemeinden das nicht einführen dürfen? Denn eigentlich ermöglicht das Gesetz genau dieses, genauso wie die stundenweise Erhebung von Elternbeiträgen und die Entscheidung der Eltern, ob sie fünf Stunden, sechs Stunden, sieben Stunden, acht Stunden, neun Stunden oder zehn Stunden brauchen, für die Anpassung der Elternbeiträge. - Das ist meine erste Frage.

Meine zweite Frage: Wäre es nicht auch die Aufgabe der Elternvertretungen in den Kitas, wenn es denn so ein Problem gibt, genau dieses bei der

Gemeinde einzufordern und darauf zu bestehen, dass diejenigen, die möglicherweise mehr leisten und mehr tragen können, jene entlasten, die weniger leisten können, ausgenommen diejenigen, bei denen die Gemeinden ohnehin für die Erstattung der Elternbeiträge eintritt?

Also erstens: Können Sie mir die Fundstelle nennen, wo das ausgeschlossen wird? Zweitens: Sehen Sie hierbei nicht auch die Elternvertretungen in der Pflicht, dafür einzutreten, dass das vor Ort sozial gerecht gestaltet wird?

(Zustimmung bei der SPD und von Frau Brakebusch, CDU)

Kollegin Pähle, Sie wissen es selbst - deswegen haben Sie die Frage gestellt -: Natürlich gibt es diese Fundstelle nicht. Aber das ist analog zu den sogenannten Sonderbeiträgen. Das, was nicht ausgeschlossen ist, wird gemacht, das was nicht explizit vorgegeben ist, wird eben nicht gemacht. Ich glaube, wir haben hierbei als Landesgesetzgeber eine Rahmen gebende Funktion und müssen vor - -

(Herr Barthel, CDU: Darum gibt es die kom- munale Selbstverwaltung!)

- Es ging darum, dass ich jetzt gefragt wurde. Wenn Sie etwas dazu beitragen wollen, können Sie sich nachher gern melden.

(Zurufe)

Ich glaube, hierbei müssen wir als Landesgesetzgeber einen Rahmen vorgeben. Ich finde, wenn wir uns alle darüber beschweren und uns darüber austauschen, dass eine Ungerechtigkeit vorliegt, dann haben wir als Landesgesetzgeber die Aufgabe, diese Möglichkeit explizit zu beschreiben.

Wir sehen es doch auch bei den Staffelungen. Es gibt ganz wenige Gemeinden, die wirklich stundengenaue Abrechnungen vorsehen, obwohl das explizit gewollt ist, obwohl darüber in allen Bereichen immer wieder diskutiert wurde. Deswegen ist es nötig.

Die Kuratorien auf unsere Seite zu bekommen und dafür werben zu lassen, ist sicherlich ein Punkt, zu dem wir noch ins Gespräch kommen müssen. Nach den Erfahrungen, die ich gemacht habe, ist dort eine hohe Bereitschaft vorhanden, das zu unterstützen. Aber dass man da noch mehr tun kann, dass die Kuratorien sich an der Stelle vielleicht noch stärker einbringen könnten, da bin ich ganz bei Ihnen.

Schönen Dank, Kollegin Lüddemann. Es gibt noch eine Nachfrage - möchten Sie diese beantworten? - Herr Abgeordneter Barthel, bitte.

Herr Präsident! Frau Kollegin Lüddemann, ist Ihnen das Prinzip der Subsidiarität und der kommunalen Selbstverwaltung bekannt? Wenn nicht gerade ein solches Problem wie die Festsetzung einer sozialen Staffelung bei den Kita-Gebühren im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung durch die Räte entschieden werden soll, dann frage ich Sie: Welche Dinge sind denn überhaupt noch im Rahmen kommunaler Selbstverwaltung festzustellen?