Ich will ein Beispiel nennen. Ziel des Bundes ist es, dass bis zum Jahr 2020 der Anteil der erneuerbaren Energie am Bruttoendenergieverbrauch bei 18 % liegen soll. In Sachsen-Anhalt lag der Anteil der erneuerbaren Energie am Bruttoendenergieverbrauch bereits vor zwei Jahren bei 21 %.
Sachsen-Anhalt zählt auch bei der Reduzierung der CO2-Emissionen zu den nationalen Spitzenreitern. Die energiebedingten CO2-Emissionen bezogen auf den Primärenergieverbrauch sind in Sachsen-Anhalt zwischen 1990 und 2012 um 45 % gesunken. Daran hatte die Braunkohleindustrie einen wesentlichen Anteil. So sind im Braunkohlesektor die energiebedingten CO2-Emissionen im gleichen Zeitraum um 75 % zurückgegangen.
Diese Entwicklung lässt sich auf ganz Ostdeutschland übertragen. So haben sich seit 1990 die energiebedingten CO2-Emissionen der ostdeutschen Bundesländer nahezu halbiert. Damit hat Ostdeutschland überproportional viel zur gesamtdeutschen Klimabilanz beigetragen.
Dies zeigt übrigens auch, dass die Prämissen des Bundeswirtschaftsministeriums falsch sind. Das Bundeswirtschaftsministerium geht nämlich von der falschen Annahme aus, dass die Braunkohle kaum etwas zur Minderung der CO2-Emissionen in Deutschland beigetragen hat. Um diese falsche Behauptung zu untermauern, legt das Bundeswirtschaftsministerium nur Zahlen vor, die die Entwicklung der CO2-Emissionen seit dem Jahr 2000 darstellen. Deshalb habe ich zu Beginn meiner Rede darauf hingewiesen, dass die Basiszahl 1990 ist. Das heißt, die Jahre zwischen 1990 und 2000 werden einfach ausgeblendet, obwohl das Jahr 1990 das Referenzjahr für die nationalen Klimaschutzziele ist.
Ich will einmal ein Beispiel nennen, warum ein solches Vorgehen unlauter ist. Es verdeckt die Realitäten. Das wäre etwa so, als wenn man beim Champions-League-Spiel Bayern München gegen FC Porto in dieser Woche so getan hätte, als wenn es die erste Halbzeit nicht gegeben hätte.
Dann kommt man zu ganz anderen Ergebnissen und es würden andere Leute im Halbfinale stehen, weil die zweite Halbzeit 1 : 1 ausgegangen ist.
Unsere Vorreiterrolle beim Ausbau der erneuerbaren Energien und beim Klimaschutz hat eine erhebliche Kehrseite. Beides käme uns wirtschaftlich teuer zu stehen. Sachsen-Anhalt hat bundesweit mit die höchsten Netzentgelte. Die Ursache hierfür ist auch der hohe Ausbaustand dezentraler erneuerbarer Energie; Frau Budde hat gerade darauf hingewiesen. Die hohen Netzentgelte sind für Sachsen-Anhalt ein echter Standortnachteil. Eine Reform der Netzentgeltsystematik und eine faire
Lastenverteilung bei der Finanzierung des Netzausbaus scheiterten jedoch bereits an den westdeutschen Bundesländern, unter anderem auch Bayern.
Bereits zum Anfang des letzten Jahres haben wir dem Bundeswirtschaftsminister Herr Gabriel erste Vorschläge für eine Reform der Netzentgeltsystematik unterbreitet. Ziel muss es nach unserer Auffassung sein, dass die Finanzierung des Netzausbaus mit einer fairen Lastenverteilung einhergeht.
Die erheblichen CO2-Reduktionen sind vor allem eine Folge des dramatischen Strukturwandels in der ostdeutschen Industrie Anfang und Mitte der 1990er-Jahre. In dessen Folge gingen mehr als hunderttausend Arbeitsplätze in den Braunkohlerevieren Lausitz und Mitteldeutschland verloren. Die betroffenen Regionen leiden bis heute darunter.
Es nützt auch nichts, wenn ein Kollege aus Westdeutschland sagt, das wäre sozusagen ein Windfall Profit und der Umstand, dass die industriellen Kerne zusammengebrochen seien, habe mit den Klimaschutzzielen nichts zu tun. Darum geht es gar nicht. Es ist einfach so, dass der CO2-Ausstoß deutlich zurückgegangen ist, aus welchen Gründen auch immer. Das muss natürlich angerechnet werden.
Eine weitere Benachteiligung der ostdeutschen Bundesländer und damit auch Sachsen-Anhalts ist deshalb nicht hinzunehmen. Einen parallelen Ausstieg aus Kernenergie und Kohle können wir nicht mitmachen. Einen nationalen Klimabeitrag zulasten der einheimischen Braunkohleindustrie lehnen wir deshalb ohne Wenn und Aber ab.
Ich will es noch einmal deutlich sagen, meine Damen und Herren: Für Sachsen-Anhalt würde der Vorschlag des Bundeswirtschaftsministeriums in einem ersten Schritt die Stilllegung der zwei Kohlekraftwerke in Deuben und Wählitz bedeuten, die dann nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben wären. Dazu käme das Kraftwerk Buschhaus, das inzwischen auch von der Mibrag betrieben wird.
Der Tagebau Profen könnte dann nicht mehr wirtschaftlich arbeiten und müsste den Betrieb einstellen. Infolge der Einstellung des Betriebs im Tagebau Profen würde dann die Stilllegung des Kohlekraftwerks Zschopau drohen mit der Folgewirkung, dass dann nicht nur kein Strom erzeugt wird, sondern auch keine Prozesswärme mittels Dampf für die Chemieindustrie mehr zur Verfügung stehen würde.
Das Gleiche gilt für die beiden anderen Kraftwerke, an denen im Burgenlandkreis ein Anteil von, ich glaube, 10 % der häuslichen Wärmeversorgung hängt. Ich habe auch Herrn Gabriel gesagt, er möge dann bitte 10 % der Einwohner des Burgenlandkreises erklären, weshalb sie morgens kalt
- Ja, das mag sein. Wenn ich nicht dabei bin, soll es mir egal sein. Aber ich kann ja nicht das, was ich gern habe, nämlich morgens warm zu duschen, anderen verwehren.
- Genau. - Diese betriebswirtschaftliche Wechselwirkung zwischen der Stilllegung von Braunkohlekraftwerken und den Tagebauen verkennt das Bundeswirtschaftsministerium. Insgesamt geht es um mehr als 2 000 direkt betroffene Arbeitsplätze allein im Süden Sachsen-Anhalts. Dabei sind die mittelbaren Arbeitsplätze von Dienstleistern, Handwerksbetrieben usw. nicht mit eingerechnet. Dies habe ich auch in der gemeinsamen Besprechung des Bundeswirtschaftsministers mit den Wirtschaftsministern der Länder am 27. März dieses Jahres in Berlin sowie in einem Schreiben an ihn deutlich gemacht.
Aus all diesen Gründen stehen wir auf der Seite der Mibrag und natürlich auch auf der Seite der bei der Mibrag Beschäftigten. In Berlin werden wir nur Vorschlägen zustimmen, die sicherstellen, dass die Braunkohle weiterhin wirtschaftlich gefördert und verstromt werden kann. Damit kann die Braunkohle ihren Beitrag zum erfolgreichen Abschluss des regionalwirtschaftlichen Strukturwandels im Süden unseres Landes leisten. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Herr Minister Möllring, eine kurze Frage. Sie haben sehr viel über CO2-Emissionen geredet und die Entwicklung der CO2-Emissionen über die Jahre seit 1990. Für mich ist es auch sehr aufschlussreich, nicht nur in die Vergangenheit zu schauen, sondern einmal den aktuellen Stand zu betrachten, und zwar nicht den aktuellen Stand der CO2Emissionen in absoluten Zahlen, sondern relativ pro Kopf. Dabei stellen wir eben fest, dass Sachsen-Anhalt im Bundesvergleich mit an der Spitze liegt und mit die höchsten CO2-Emissionen pro Kopf hat. Wie bewerten Sie diesen Fakt?
(Herr Rosmeisl, CDU: Dann müssen wir die Kernkraftwerke wieder einschalten! - Herrn Weihrich, GRÜNE, spricht mit Herrn Ros- meisl, CDU)
Also, man muss ja immer von den Zielen ausgehen, die man sich gesetzt hat. - Sie haben eine Frage gestellt und jetzt unterhalten Sie sich mit einem Kollegen. Ich weiß nicht, ob Sie nur allen anderen meine Antwort zukommen lassen wollten oder ob Sie sich selbst dafür interessieren.
Ich habe hier nur referiert, welche Klimaschutzziele es gibt. Dafür gibt es das Referenzjahr 1990 und das Zieljahr 2020. Dann muss man eben sehen, was von 1990 bis heute passiert ist. Das kann man nicht einfach ausblenden und Grafiken von 2000 bis jetzt erstellen, wie es das Bundeswirtschaftsministerium gemacht hat. Herr Gabriel war selbst überrascht, als ich ihn darauf hingewiesen habe.
Wenn das Jahr 1990 das Referenzjahr ist, dann kann ich nicht im Jahr 2000 anfangen. Als Beispiel habe ich ihm gegenüber angeführt, dass dies genauso wäre, als würde man in eine Bank gehen und der Anlagenberater legt Referenzzahlen erst ab einem bestimmten Zeitpunkt vor, weil sich die Anlage dann positiv entwickelt hat. Der gesamte Zeitraum wird dabei allerdings nicht betrachtet.
Ich bin der Meinung: Man muss alle Zahlen nennen. Das habe ich getan, weil ich meine, das ist fair. Wenn ich mir für die Jahre von 1990 bis 2020 ein Ziel gesetzt habe, dann kann ich die ersten 15 Jahre nicht einfach ausblenden und sagen, in dieser Zeit hätten sich keine Erfolge gezeigt. Dies wäre dann so, also würde man bei dem Fußballspiel Bayern Münchens die erste Halbzeit nicht werten.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Budde, ich möchte genau wie Sie mit einem Blick in die Geschichte beginnen. Mitteldeutschland hat sich zu Beginn des letzten Jahrhunderts zu einem leistungsfähigen Industriegebiet entwickelt. Dabei nahm insbesondere die Chemie eine dominierende Rolle ein. Ich denke hierbei an Leuna, Buna und Bitterfeld.
Wissenschaftler und Praktiker entwickelten neue Technologien, die zum Teil heute noch in Benutzung sind, die Ammoniaksynthese oder auch die Kohlechemie, also beispielsweise die Kohlehydrierung.
Grundlage dafür war auch, dass mit der Braunkohle ein günstiger Energielieferant und ein Rohstoff vorhanden waren. In dieser Industrie entstanden hochwertige und geachtete Arbeitsplätze.
Obwohl auch damals nicht nur positive Folgen dieser Industrie zu spüren waren - Umsiedlungen, Umweltprobleme und gesundheitliche Beeinträchtigungen wurden auch damals sehr wohl wahrgenommen -, blieb doch der Stolz auf das, was diese Region leistete.
Dies ist bis heute in dieser Region lebendig und es trägt vielleicht zur Erklärung bei, warum sich der Strukturwandel so schwierig gestalten lässt. Dies ist vor allem dem Umstand geschuldet, dass er im Jahr 1990 eben nicht freiwillig erlebt wurde und deshalb heute noch von vielen als persönliche Bedrohung empfunden wird.
Mit den Stilllegungen der Braunkohle- und Chemieindustrie in den Jahren um 1990 - das ist heute bereits mehrfach betont worden - hat die Region mehr als alle anderen einen Beitrag zur Senkung der CO2-Emissionen in der Bundesrepublik geleistet. Dies darf man in den Diskussionen um den Klimaschutz und die Energiewende nie außer Acht lassen.
Trotzdem müssen auch bei uns die Anstrengungen zum Klimaschutz fortgesetzt werden; denn mit einem pro Kopf CO2-Ausstoß von etwa 12 t pro Jahr ist Sachsen-Anhalt noch weit von dem Ziel entfernt, die globale Erwärmung möglichst auf 2° C zu begrenzen.
Im Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 der Bundesregierung hat sie Ende 2014 verschiedene Handlungsfelder angeführt und entsprechend dafür einzusparende CO2-Emissionen festgelegt. Daraus resultierte auch das Diskussionspapier aus dem Wirtschaftsministerium, das hier zum Aufreger wurde.
Dies will eine zusätzliche Abgabe für CO2-Emissionen von älteren Kraftwerken mit besonders hohen spezifischen Emissionen. Diese Kraftwerke sollen in eigener betriebswirtschaftlicher Entscheidung und abhängig von der Marktsituation ihre Betriebsstunden einschränken und so zu einer Senkung der CO2-Emission beitragen. Das wäre im Prinzip eine Form der spezifischen nationalen Erhöhung des CO2-Emissionspreises. Wir wissen alle, dass dieser zurzeit im Keller ist.
Die Forderung nach einer sofortigen Plattmache der Braunkohleindustrie habe ich diesem Vorschlag nicht entnommen.
Dieser Vorschlag führte sofort zu einer massiven Ablehnung. Alle Kritiker betonen die Notwendigkeit der Energiewende und des Klimaschutzes, aber nicht hier, nicht jetzt und nicht so. Andere Vorschläge habe ich von Ihnen nicht gehört.
Dieses Papier ist als ein Diskussionspapier eingeführt worden. Inzwischen gibt es dazu Gesprächsrunden und wohl auch neue Vorschläge. Ende April sollen sich die Wirtschaftsminister wohl noch einmal mit diesem Thema beschäftigen.