Protokoll der Sitzung vom 05.06.2015

(Zurufe von Herrn Schröder, CDU, und von Herrn Borgwardt, CDU)

Beides sind Äußerungen, die übrigens auch klarstellen, dass selbst die Einrichtung der Arbeitsgruppe nichts als Verzögerungstaktik ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Schon jetzt ist ja klar - der Ministerpräsident hat es gesagt -, was die Arbeitsgruppe feststellen wird. Schon jetzt, sofort, können und müssen Schritte eingeleitet werden, die versprochene Teilangleichung anzugehen.

Was wird denn nach der Einrichtung der Arbeitsgruppe passieren? - Ganz genau: nichts!

(Herr Rotter, CDU: Das wissen die Leute auch! Oder was? - Herr Gallert, DIE LINKE: Deshalb wird sie doch eingerichtet!)

Zumindest nicht mehr in der aktuellen Legislaturperiode. Die endet nämlich bereits im Jahr 2017, wie wir wissen. Das bedeutet, kurz bevor die Arbeitsgruppe ihre Arbeit aufnimmt, ist alles schon wieder im Wahlkampfmodus und wir werden uns die nächsten leeren Versprechungen anhören dürfen.

(Zuruf von Herrn Rotter, CDU)

Der „Fokus“ hat mal rechnen lassen, und zwar das Deutsche Institut für Altersvorsorge, wie lange der Aufholprozess bei den Renten noch dauern wird, wenn nichts getan wird. Nominal werden die Renten schon im Jahr 2040 angeglichen sein, real bereits im Jahr 2050.

Dann - ich verweise auf die Äußerungen des Ministerpräsidenten Woidke - werden die Unterschiede zwischen Ost und West nicht nur länger bestanden haben als die Mauer, sondern sogar eineinhalb Mal so lange, wie die DDR überhaupt existiert hat. Dann werden vor allem wohl auch die letzten DDR-Rentnerinnen nicht mehr unter den Lebenden weilen. Wobei: Es werden Jahr für Jahr neue produziert. Selbst im Wendejahr und danach Geborene werden auf ihrem Rentenbescheid wieder daran erinnert werden, dass sie im Osten geboren worden sind, dass sie dort aufgewachsen sind und dort auch noch gearbeitet haben.

Also: Weshalb sagt der Bundesfinanzminister einen solchen Satz? - Weil er die Ostrentnerinnen

schon einmal darauf hinweisen will, dass sie die versprochene Angleichung ein weiteres Mal vergessen können.

Seine Begründung ist übrigens höchst fragwürdig. Die Löhne im Osten sind niedriger? - Genau. Genau deshalb wurde den Rentnerinnen dieser Zwischenschritt versprochen. Eben deshalb diskutieren wir das hier überhaupt.

Die Lebenshaltungskosten im Osten sind niedriger? Mal abgesehen davon, dass diese Behauptung so pauschal wohl kaum haltbar sein dürfte, sind die Lebenshaltungskosten in der gesamten Bundesrepublik unterschiedlich, zum Beispiel zwischen Großstädten und kleinen Dörfern, zwischen Nord und Süd, - das hat übrigens auch der Ministerpräsident festgestellt -, und das hat bei der Festlegung der Rentenwerte in der Geschichte der Bundesrepublik niemals je eine Rolle gespielt.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir wollen mit unserem Antrag erreichen, meine Damen und Herren von der Koalition, dass sich der Landtag von Sachsen-Anhalt zu diesem Thema eindeutig positioniert. Sie sollen sich positionieren. Wir wollen, dass sich der Landtag von Sachsen-Anhalt hinter die von ihm vertretenen Rentnerinnen und Rentner stellt und von der Bundesregierung die Einhaltung ihres eigenen Koalitionsvertrages einfordert. Es ist schlimm genug, dass man das tun muss. Wir wollen, dass der Landtag von Sachsen Anhalt den Bundesfinanzminister für seine Äußerungen kritisiert und ihn auffordert, nach Lösungen und nicht nach Ausreden zu suchen.

(Zuruf von Frau Feußner, CDU)

Der Landtag von Sachsen-Anhalt muss und soll das heute tun. Alles andere würden wir zumindest wieder als Ausweichmanöver interpretieren. Dieser Antrag muss in keinem Ausschuss beraten werden; er gehört hier und heute abgestimmt. - Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Dirlich. - Für die Landesregierung spricht jetzt Minister Bischoff. Bitte schön, Herr Minister.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bereits im November - - Eine Vorbemerkung wollte ich noch machen: So viel Lob von der Opposition an den Ministerpräsidenten hätte diesen, wenn er hier gesessen hätte, vielleicht gewundert.

(Herr Dr. Thiel, DIE LINKE: Wir nehmen ihn ernst! - Herr Grünert, DIE LINKE: Ab und zu!)

Das hat er beim letzten Mal beim Zuwanderungsgesetz ja auch schon bekommen. Erstaunlich.

Ich will nur sagen: Ich kenne keinen, jedenfalls hier im Haus, der eine andere Position hat als die, dass die Renten bis zum Jahr 2020 angeglichen werden sollen. Inwieweit das erreichbar ist - das war ja der Vorbehalt, der in Koalitionsvereinbarung steht - wäre zumindest noch einmal zu überprüfen.

Bereits im Herbst 2013 haben die Arbeits- und Sozialminister hier in Magdeburg den Bund aufgefordert, einen Gesetzentwurf zu erarbeiten, der die vollständige Angleichung des aktuellen Rentenwerts Ost an den aktuellen Rentenwert West in Stufen bis zum 1. Januar 2020 zum Ziel hat.

Ich kann mich auch daran erinnern, wie wir zumindest in der Partei, in der ich zu Hause bin, darum gerungen haben, dass das in die Koalitionsvereinbarung ganz fest hineingeschrieben wird, weil wir auch wissen, da sind wir manchmal im Osten zwar einer Meinung, aber ob die West-Länder mitspielen, das steht noch in einem anderen Papier; deshalb kommt der Länderkammer schon eine relativ große Bedeutung zu.

Ich brauche jetzt vielleicht nicht zu zitieren, wo im Koalitionsvertrag steht, dass in einem Rentenüberleitungsabschlussgesetz, also zum Ende des Solidarpakts, 30 Jahre nach der Wiederherstellung der Einheit Deutschlands, festgeschrieben wird:

„Wenn die Lohn- und Gehaltsangleichung weiter fortgeschritten sein wird, erfolgt in einem letzten Schritt die vollständige Angleichung der Rentenwerte. Dazu wird zum 1. Juli 2016 geprüft, inwieweit sich der Angleichungsprozess bereits vollzogen hat, und auf dieser Grundlage entschieden, ob mit Wirkung ab dem Jahr 2017 eine Teilangleichung notwendig ist.“

So weit erst mal der Text aus der Koalitionsvereinbarung. - Sie haben richtig zitiert: Herr Ministerpräsident Dr. Haseloff hat in der 930. Sitzung des Bundesrates am 6. Februar 2015 erklärt - auch ich war anwesend; er hat dort gesprochen -, dass bereits zum heutigen Zeitpunkt zu erkennen ist, dass der vorgegebene Automatismus für die Angleichung der Rentenwerte im Rentenrecht durch Angleichung der Löhne als Voraussetzung nicht zu erwarten ist. Es war und ist ja auch abzusehen, dass das schwierig sein wird.

Nach den zum 1. Juli 2015, also in den nächsten Wochen, stattfindenden Rentenanpassungen beträgt der Rentenwert Ost 92,6 % des aktuellen Rentenwertes West. Aber richtig: Bei einer weiterhin nur geringfügigen Einkommensangleichung wird auch die sich an der Einkommensentwicklung orientierende Rentenangleichung in den nächsten Jahren nicht zum Abschluss kommen; das ist der eigentliche Grund. Zu dem anderen kann man

sagen: Mit einer Jahr für Jahr stärkeren Erhöhung im Osten als im Westen könnte man die knapp 7,3 % vielleicht erreichen.

Der Bundesrat hat daher in seiner damaligen Sitzung auf Initiative von Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen Anhalt hin beschlossen, die Bundesregierung aufzufordern, vor dem Hintergrund der Komplexität dieser Aufgabe eine Bund-LänderArbeitsgruppe bereits jetzt einzusetzen.

Der Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik hat in seiner Sitzung am 28. Mai 2015 neben der Zustimmung zur Rentenwertbestimmungsverordnung 2015 dem Bundesrat auch empfohlen, eine Entschließung zu fassen, nach der mit den Vorbereitungen zur Vereinheitlichung der Rentenwerte nicht erst im Jahr 2016, sondern umgehend begonnen werden soll. Der Bundesrat möge daher die Bundesregierung in Umsetzung seines Beschlusses vom 6. Februar 2015 auffordern, zeitnah die Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Erarbeitung von Lösungsvorschlägen einzusetzen und unverzüglich mit den Arbeiten zu beginnen.

Obwohl aus dem Bundeskanzleramt bereits signalisiert worden ist, dass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales an den Vorgaben des Zeitplans im Koalitionsausschuss festhalten wird und derzeit nicht beabsichtigt, das Thema der Rentenangleichung zu dem jetzigen Zeitpunkt anzugehen, wird sich die Landesregierung Sachsen-Anhalt auch in der Sitzung des Bundesrates am 12. Juni, also in der nächsten Woche, für die sofortige Aufnahme der Arbeit zur Rentenangleichung einsetzen. Das ist sozusagen mein Beitrag hier.

Vielleicht eine Randbemerkung zu dem, wozu Sie sagen, das müsste jetzt hier beschlossen werden: Das macht ja der Landtag. Da will ich keine Empfehlung abgeben.

In den Punkt 2 will ich nicht einsteigen, weil es zu kompliziert wird, wie man eine Rentenangleichung jetzt schon ermöglichen kann. Sie alle und ich kriegen mit, dass das ein gar nicht so einfacher Prozess ist. Mittlerweile gibt es ja auch Diskussionen in dem Sinne, dass auch Lohnangleichungen in bestimmten Regionen notwendig sind. Im Westen Deutschlands sind die Löhne auch noch weiter auseinander. Also, das Problem zu lösen, gleichzeitig im Westen Gerechtigkeit walten zu lassen und die Erhöhung, die wir hier haben, die unterschiedliche Höherbewertung der Entgelte Ost beizubehalten, bis das andere geregelt ist, ist auch nicht ganz so einfach.

Ich kenne die genialen Vorschläge noch nicht, wie man das möglichst schnell machen kann. Aber ich halte es für richtig, dass die Arbeitsgruppe jetzt tagen wird; denn Berechnungen und Möglichkeiten liegen schon auf dem Tisch. Man muss das vielleicht noch einmal neu berechnen, neu bewerten.

Ich hoffe, dass der Bundesrat das tut. Es ist aber ein schwieriges Unterfangen, unter allen Ländern diesem Antrag zu einer Mehrheit zu verhelfen. Das ist im Rentenrecht sowieso, auch bei anderen Berufsgruppen, relativ schwierig. Für die Landesregierung steht jedenfalls außer Zweifel, dass wir dort zustimmen und weiter Druck machen werden.

Vielen Dank. Herr Minister. - Für die CDU-Fraktion spricht jetzt der Kollege Rotter. Er eröffnet damit die Fünfminutendebatte. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Angleichung der Renten in Ost und West ja, aber nicht um jeden Preis.

(Zustimmung bei der CDU - Zuruf von Frau Dirlich, DIE LINKE)

Es scheint so, als hätte die Linkspartei für sich ein besonderes Aktionsfeld im Vorfeld des anstehenden Landtagswahlkampfs ausgemacht.

(Oh! bei der LINKEN)

Frau Kollege Dirlich, Ihre Rede vorhin war dafür ja wohl ein ganz beredtes Beispiel; besser konnte man es ja wohl in der Richtung nicht dokumentieren. Sie haben die Angleichung der Renten in den neuen Bundesländern an das Westniveau für sich entdeckt. Das scheint ganz im Sinne aller Menschen in den ostdeutschen Bundesländern zu sein. Ist das aber tatsächlich so?

(Zuruf von der LINKEN: Klar!)

Ich bin der Überzeugung, dass das geltende Rentenrecht für die Rentner und für die Beitragszahler in den neuen Bundesländern nach wie vor vorteilhaft ist.

(Zustimmung bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Es war vor nunmehr über zwei Jahrzehnten eine gesamtdeutsche Solidarleistung, die ostdeutschen Rentner und Arbeitnehmer in die deutsche Rentenversicherung einzubeziehen. Das ist bekanntlich unter Bundeskanzler Helmut Kohl geschehen. Es war ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Vollendung der deutschen Einheit. Ich darf daran erinnern, dass mit dem Ende der DDR auch das Rentensystem dieses Staates verschwunden ist. Das dort geltende Rentensystem unterschied sich grundsätzlich von dem in der Bundesrepublik.

Die Rente war statisch und nicht dynamisch, orientierte sich an dem aktuellen Verdienstniveau. Eigentlich war die Rente nicht mehr als eine feste Alterssicherung auf niedrigem Niveau, zum Teil

sogar auf niedrigstem. Sie war dem Gefüge der staatlich festgelegten Lebenshaltungskosten angepasst. All das ist Geschichte. Und ich sage: Das ist gut so.

(Zustimmung bei der CDU)