Protokoll der Sitzung vom 01.07.2015

Die große Frage für den Finanzminister lautet: Wie wird das alles finanziert? - Ich hoffe, das interessiert Sie auch, Frau Budde, und auch andere. Sie wissen aus der Steuerschätzung: Für das laufende Jahr sind Mehreinnahmen in Höhe von 20 Millionen € und für das Jahr 2016 von 7 Millionen € prognostiziert worden. Ich rechne mit noch höheren Steuereinnahmen, aber angesichts der Diskussion über Griechenland und die Wirtschaftsentwicklung bin ich etwas vorsichtiger.

Die Zahlen in der Mipla sind erst einmal unterstellt worden. Zudem stellt der Bund zusätzliche Mittel zur Verfügung; das habe ich bereits erwähnt. Wir haben einige Umschichtungen in den Einzelplänen vorgenommen, bei denen kleinere Mehrbedarfe anerkannt worden sind.

Trotz aller Bemühungen - das sage ich ganz offen - war es nicht möglich, gerade im Jahr 2016 unter Beibehaltung der Tilgung - es war mir wichtig, dass wir dieses Ziel nicht aufgeben - die Höhe der Steuerschwankungsreserve aufrechtzuerhalten. Dafür ist eine solche Rücklage, ein Sparschwein - so will ich es einmal nennen -, auch gedacht.

Wenn jemand einen Vorschlag hat, wie diese Ausgaben finanziert werden können, ohne auf die Steuerschwankungsreserve zurückzugreifen, dann bin ich der Erste, der sich diesem Gespräch stellt, aber es muss auch ein Vorschlag sein, der praktisch umzusetzen ist. Ich habe schon gehört, dass man diese Ausgaben schultern sollte, ohne die Rücklagen anzugreifen.

Ich bin schon froh, dass die Rücklage in dem System überhaupt akzeptiert wird und Geld vorhanden ist, wenn die Steuereinnahmen geringer sind oder nichtplanbare Ausgaben - dies ist in diesem Jahr der Fall - anstehen. Wir werden schauen, ob es im Vollzug gelingt, nicht zu viele Mittel aus der Steuerschwankungsreserve zu entnehmen. Ich denke, das ist vernünftig. Wir müssen am Ende dieses Jahres und zu Beginn des nächsten Jahres schauen, was im Laufe des Vollzuges auf uns zukommt.

Diese nicht ganz einfache und auch mit Blick auf das Volumen nicht zu unterschätzende Gesamtfinanzierung wird ohne neue Schulden und dennoch mit Tilgungsleistungen realisiert. Es war mir wichtig, dass wir diese Strategie der Regierungsfraktionen fortführen.

Ich möchte einen Punkt nennen, der Sie vielleicht verwundert. Wir haben den Garantierahmen des

Landes um 550 Millionen € erweitert. Künftig dürfen Leihgeber, die dem Land oder öffentlich-rechtlichen Stiftungen für Kunst- und sonstige Ausstellungen wertvolle Gegenstände überlassen, Sicherheiten für den Schadensfall verlangen. Mit dieser Regelung sind weder neue Schulden noch zusätzliche Ausgaben verbunden.

Einen weiteren technischen Hinweis möchte ich am Rande erwähnen. Die Inhalte des Nachtragshaushaltes können Sie nicht nur gedruckt bekommen, sondern auch elektronisch, nämlich im Informationssystem ISA unter dem Modul AIS. Das ist sozusagen Werbung in eigener Sache. Das erleichtert das Lesen. Dann ist es nicht mehr erforderlich, das Exemplar mit sich zu führen. Dort ist die aktuelle Fassung einsehbar.

Zum Schluss möchte ich mich schon jetzt bei Ihnen bedanken, weil ich mitbekommen habe, dass Sie die Termine für die Ausschusssitzungen so legen, dass es aus heutiger Sicht möglich ist, im September die zweite Lesung durchzuführen. Damit besteht dann die Möglichkeit, den Kommunen das Geld, beispielsweise für das Programm Stark V, dann wirklich auszuzahlen. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Danke schön für die Einbringung des Entwurfs eines Nachtragshaushaltsplans, Herr Finanzminister. - Wir treten nun in die Aussprache ein. Es ist eine Debatte mit einer Gesamtredezeit von 90 Minuten nach der Struktur E vereinbart worden. Es wurde die folgende Reihenfolge der Fraktionen vereinbart: DIE LINKE, CDU, GRÜNE und SPD. Für die Fraktion DIE LINKE spricht nun der Abgeordnete Herr Knöchel.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Haushaltsplanentwurf soll der vor sechs Monaten beschlossene Doppelhaushaltsplan für die Jahre 2015 und 2016 um 59 Millionen € im Jahr 2015 und 114 Millionen € im Jahr 2016 korrigiert werden. Sie nennen ihn Nachtragshaushalt, in Wirklichkeit aber ist es ein Nachholhaushalt. Kein Thema mit Ausnahme der zusätzlichen Bundesmittel ist neu, all das hätten Sie schon mit dem Doppelhaushalt beschließen können, wenn Sie den Anträgen unserer Fraktion gefolgt wären.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Schwerpunkt des Nachtrags ist die Neuregelung der Finanzierung nach dem Aufnahmegesetz, mit denen die Kommunen in die Lage versetzt werden, die ihnen vom Land übertragenen Aufgaben zu erfüllen.

Wir haben sowohl in der Debatte zum FAG als auch in der zum Haushalt bereits darauf hingewiesen, dass diese Kostenerstattung besser in einem Einzelgesetz geregelt werden sollte. Das Gesetz sollte dann eigenverantwortlich bei Einzelplan 03 ausgeführt und finanziert werden. Unserer Forderung nach einer Umsetzung in den Einzelplan 03 sind Sie nun nachgekommen.

Grundsätzlich ist es richtig, dass die Erstattung der Kosten der Landkreise und kreisfreien Städte für die Unterbringung von Flüchtlingen und Asylsuchenden auf gesetzlicher Grundlage passiert. Demnach ist auch ein entsprechender Nachtragshaushalt zu befürworten. Für DIE LINKE ist jedoch wichtig, dass es dabei nicht nur um die Verteilung von Geld geht, sondern dass mit der Regelung der Kostenübernahme gegenüber den Landkreisen und kreisfreien Städten auch konkrete und verbindliche Standards und Qualitätsmerkmale für die Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen und Asylsuchenden verbunden werden.

Dies bedeutet im Einzelnen die klare zeitliche Begrenzung der Verweildauer von Flüchtlingen und Asylsuchenden in den Gemeinschaftsunterkünften, die ausreichende und umfassende Betreuung von Flüchtlingen und Asylsuchenden durch qualifiziertes Personal, die grundsätzliche Orientierung auf kleinere Gemeinschaftsunterkünfte, die Gewährleistung von Standards, die dem Recht auf Privatsphäre von Flüchtlingen und Asylsuchenden entsprechen, sowie die Einhaltung hygienischer und baulicher Standards in den Unterkünften.

(Beifall bei der LINKEN)

All das vermissen wir in diesem Nachtragshaushalt. Stattdessen schlagen Sie eine Pauschale von 8 600 € je Flüchtling vor. Auf dem Flüchtlingsgipfel des Ministerpräsidenten im Januar 2015 haben Sie noch mit den Landkreisen Kosten in Höhe von durchschnittlich 9 237,70 € ermittelt, also auf den Cent genau. Das heißt, Ihre Pauschale ist von Anfang an unterfinanziert.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Fraktion hält im Übrigen nichts von Pauschalen, wir denken, Gleiches sollte gleich und Besonderes besonders behandelt werden. So müssen direkte, einheitlich durch Bundesgesetz geregelte Leistungen den Kommunen im Verhältnis 1 : 1 erstattet werden. Für die Gesundheitsversorgung muss es eine Spitzabrechnung geben. Wir fordern eine Behandlungskarte für Flüchtlinge.

(Beifall bei der LINKEN)

Die jetzige Praxis der Gesundheitsscheine muss beendet werden. Das sagen übrigens auch alle Sozialamtsleiter in diesem Land.

Letztlich muss bei der Erstattung der Unterbringungskosten die Art der Unterbringung berücksich

tigt werden. Es sollte schon ein Unterschied sein, ob eine Gemeinschaftsunterkunft oder die Unterbringung in einer Wohnung gewählt wird. An dieser Stelle setzt die Kritik an der Pauschale an. Wir alle wissen, dass es bei den Mietkosten Unterschiede zwischen Weißenfels, Magdeburg und Salzwedel gibt. Das drückt sich in Ihrer Pauschale nicht aus.

Warum aber sollte bei der Unterbringung von Flüchtlingen etwas anderes gelten als die Regeln des Mietmarktes? Sie setzen mit der Pauschale einen falschen Anreiz: Sie fördern damit, dass mit der Not von Menschen Geschäfte gemacht werden können.

(Beifall bei der LINKEN)

Ja, sicher, 1 Million € soll für die Wohnraumförderung aus den Entflechtungsmittel bereitgestellt werden. Diesen Ansatz wollen wir in den Haushaltsberatungen besonders hinterfragen. Aus unserer Sicht unzureichend sind die Mittel für die Integration von Flüchtlingen. Hiermit werden wir uns in den Haushaltsberatungen intensiv zu befassen haben.

Was Sie mit den 320 000 € in zwei Jahren für 20 Willkommens-Kitas wollen, das müssen Sie uns im Laufe der Haushaltsberatung noch erklären. Die Summe deutet auf Symbolpolitik hin.

Die Mittel für den Einzelplan 03 stammen zum einen aus den erhöhten Bundeszuweisungen und zum anderen aus dem kommunalen Finanzausgleichsgesetz. Mittel in Höhe von 25 Millionen € werden aus der Auftragskostenpauschale und in Höhe von 23 Millionen € aus dem neu geschaffenen § 4a entnommen.

Das ist aber noch nicht die ganze Wahrheit. Nachdem der Ansatz bereits für das Jahr 2015 gegenüber dem Jahr 2014 um 80 Millionen € gekürzt wurde, werden den Kommunen im Jahr 2016 noch einmal 28 Millionen € weniger als im Jahr 2015 zur Verfügung stehen. Das heißt, nach den im vergangenen Jahr erfolgten Kürzungen wollen Sie den Ansatz in diesem Jahr noch einmal um 6 Millionen € bei den Kommunen kürzen. Die Darstellung dessen ist im Nachtragshaushaltsplan so detailliert, dass ich erwartet hätte, dass mit dem Entwurf eines Nachtragshaushaltsplans auch ein Entwurf zur Änderung des FAG vorgelegt wird.

Sie veranschlagen die Mittel des Bundes für finanzschwache Kommunen und stocken den Eigenanteil, den die Kommunen bzw. das Land zu erbringen haben, mit Landesmitteln entsprechend auf. Wir begrüßen es grundsätzlich, dass diese Mittel hier im Land wirken können.

(Beifall bei der LINKEN)

Spannend ist die Frage der Verteilungskriterien. Es geht um die Frage: Was ist eine finanzschwa

che Kommune? - Da haben Sie zuallererst eine Liste herausgegeben; diese ist in der Welt und wird nicht wieder aus der Welt zu schaffen sein. Wir haben zur Kenntnis genommen, dass die kommunale Gruppe, die die höchsten Kassenkredite je Einwohner aufzuweisen hat, nämlich die kreisfreien Städte, hier nicht als finanzschwach gilt. - Gut, das haben wir zur Kenntnis genommen.

Sie haben gesagt, allein die Steuerkraft sei das Indiz für Finanzschwäche. Wenn wir uns aber die Karte des Landes Sachsen-Anhalt genau betrachten, dann müssen wir sagen: Nicht allein die Steuerkraft ist es; die Strukturschwäche von Kommunen drückt sich nicht nur in den Steuereinnahmen aus, sondern eben auch in den Kassenkrediten. Denn die armen Kommunen haben meistens höhere Kosten, um die Armut zu bekämpfen.

(Beifall bei der LINKEN)

Darin drückt sich eben die Finanzschwäche aus. Das ignorieren Sie hier vollständig.

Sie haben angekündigt, Stark II zu verlängern. Das tun Sie jetzt gerade. Das halten wir für sinnvoll. Das ist ein sinnvolles Programm. Die Frage ist: Was heißt verlängern? - Sie wollen es fortsetzen. Wir können beobachten, dass in den Zeiten, in denen die kommunalen Steuereinnahmen einigermaßen vernünftig gewachsen sind - das hatten wir in den letzten Jahren -, das strukturelle Defizit in den Haushalten sinkt. Trotzdem steigen die Kassenkredite. Warum? - Weil eben außerhalb der ordentlichen Erträge und ordentlichen Ausgaben die Tilgungsleistungen steigen. Das heißt, hier hat Stark II direkte Auswirkungen auch auf die Kassenkreditaufnahme. Ganz ehrlich: Wenn Sie ein Entschuldungsprogramm für Kommunen haben wollen, dann macht es doch keinen Sinn, wenn Sie sozusagen langfristige Schulden auf kurzfristige umschulden.

(Frau Niestädt, SPD: Das ist doch aber ein Unfug!)

- Es ist die Kassenstatistik, die ich hier bemühe. Diese wird noch von einer Behörde dieser Landesregierung herausgegeben, Herr Minister. Ich weiß, die Landesregierung ist der Auffassung, man muss nur die richtigen Zahlen nehmen, dann ist die Welt in Ordnung.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber Zahlen sind meistens unbestechlich. Schauen Sie sich die kommunalen Statistiken doch einfach einmal genau an.

(Minister Herr Bullerjahn: Machen Sie einen anderen Vorschlag!)

- Wir haben Vorschläge gemacht.

Sie haben festgestellt, bei der Personalausstattung sei das Land nach wie vor auf dem letzten Platz.

(Herr Borgwardt, CDU, lacht - Minister Herr Bullerjahn: Das habe nicht ich festgestellt, das war Berlin!)

- Berlin hat festgestellt - - Nein, Sie haben gesagt, wir sind auf dem letzten Platz, weit entfernt vom Durchschnitt der 18. - Hierbei kommt es nun wirklich darauf an, wie ich eine Statistik lese, ob ich mir eine Reihung angucke,

(Minister Herr Bullerjahn: Nein, vorsichtig!)

oder ob ich versuche, den Platz zu interpretieren, und überlege, was die anderen Länder tun. Es ist richtig: So wie Sie haben deutschlandweit Finanzminister immer wieder auf diese Statistik geguckt und gesagt: Je weniger Personal ich habe, umso besser bin ich. Andere Landesregierungen sind mittlerweile klüger und stellen Leute ein