Protokoll der Sitzung vom 01.07.2015

oder ob ich versuche, den Platz zu interpretieren, und überlege, was die anderen Länder tun. Es ist richtig: So wie Sie haben deutschlandweit Finanzminister immer wieder auf diese Statistik geguckt und gesagt: Je weniger Personal ich habe, umso besser bin ich. Andere Landesregierungen sind mittlerweile klüger und stellen Leute ein

(Beifall bei der LINKEN)

und finden sich nicht mehr toll, wenn sie auf dem ersten Platz sind, wenn es darum geht, wer das wenigste Personal hat.

(Herr Borgwardt, CDU: Thüringen! - Weitere Zurufe von der CDU und von der SPD)

- Ich glaube nicht, dass sie die Interpretation der Statistik des Herrn Finanzministers teilen.

(Herr Borgwardt, CDU: Nein, es geht um die Schlussworte, um das Einstellen!)

Aber Sie gehen ja auf uns zu. Wie bei den Beratungen zum letzten Haushaltsplan von unserer Fraktion gefordert, schaffen Sie Einstellungsmöglichkeiten für 50 Polizisten. Das hätten Sie schon im Dezember haben können. Das ist eine kluge Erkenntnis, doch sie kommt leider zu spät; denn auch bei der Polizei sind die strukturellen Schäden schon eingetreten.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Neueinstellung von 100 Lehrern aus Personalverstärkungsmitteln entspricht ebenfalls unseren Intentionen. Gleichwohl haben Sie in diesem Bereich durch jahrelanges Nichtstun Schaden an der Unterrichtsversorgung eintreten lassen. Wir bleiben dabei, es sind 14 300 Lehrer vor den Klassen erforderlich.

(Frau Niestädt, SPD: Sie waren doch auch in dem Parlament, oder?)

- Sie, liebe Frau Niestädt, rechnen immer aus, wie viele Lehrer es irgendwie auch noch in Altersteilzeit oder in sonst irgendetwas gibt.

(Frau Niestädt, SPD: Ich rechne das gar nicht aus!)

- Für uns, liebe Frau Niestädt, ist wichtig: Wie viele Lehrer stehen vor den Klassen? Wie viel Unterricht fällt aus?

(Beifall bei der LINKEN)

In dem Moment hilft uns eine Statistik relativ wenig. Es geht um die Bildung unserer Kinder und da sollten wir uns mehr Gedanken machen als Durchschnittsbetrachtungen.

(Zuruf von der CDU - Frau Bull, DIE LINKE: Ihr wisst doch, was Phase ist!)

Um den Unterricht dauerhaft absichern zu können, halten wir 14 300 Lehrer für nötig. Also reichen die Neueinstellungskorridore plus die 100 zusätzlichen Neueinstellungen nicht aus. Das gibt der Kultusminister in der heutigen „MZ“ auch zu. Sie nähern sich der Opposition. Nutzen wir also die Haushaltsberatungen. Den Minister würde ich bitten, uns endlich einen Überblick darüber zu geben, wie viele Lehrer vor den Schülern ankommen. Vielleicht können Sie die Ferien nutzen und die Lehrer einmal zählen.

Das Reformationsjubiläum - darauf weist unsere Fraktion schon lange hin - droht zu Festspielen in Stein zu verkommen, da die Mehrkosten bei den Bauwerken den Deckel von 75 Millionen € schon langsam erreichen. Mehrkosten in Höhe von 9,45 Millionen € bringen Sie mit dem Entwurf eines Nachtragshaushaltsplans ein. Ich erinnere daran, dass im Jahr 2013 noch Mittel in Höhe von 59 Millionen € für Bildungs- und Begleitprojekte geplant waren. Jetzt sind es nur noch 44 Millionen €. Dafür steigen die Nachträge am Bau. Bitte legen Sie die Karten jetzt auf den Tisch, damit die Besucher im Jahr 2017 das Land der Reformation erleben und sich nicht nur Bauwerke ansehen können.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Nachtragshaushaltsplan weist Mehrausgaben in Höhe von 59 Millionen € im Jahr 2015 und von 114 Millionen € im Jahr 2016 aus. Finanziert werden soll dies durch Steuermehreinnahmen, höhere Zuweisungen des Bundes, die Bildung von globalen Minderausgaben - hört, hört; übrigens in den Einzelplänen - und eine Entnahme aus der Steuerschwankungsreserve in Höhe von 50 Millionen € im Jahr 2016. Die Position meiner Fraktion zur Steuerschwankungsreserve ist bekannt. Ich möchte Sie nicht wiederholen.

Aber man muss sich mit Ihrer Position, Herr Finanzminister und meine Damen und Herren von der Koalition, auseinandersetzen. Konsolidieren, Investieren, Vorsorgen - das haben Sie hier in diesem Haus gebetsmühlenartig immer wieder verkündet. Konsolidieren, Investieren, Vorsorgen - das haben Sie in den vergangenen vier Jahren nie getan. Sie wollten den Haushalt konsolidieren, um ihn zukunftsfest zu machen.

Vergleicht man die Haushaltsstruktur aus dem Jahr 2011 mit der von heute, kann man feststellen, dass sich vor allen Dingen eines geändert hat: Sie hatten Steuermehreinnahmen. Sie wollten konsolidieren, also den Haushalt zukunftsfest machen. Tatsächlich aber haben Sie vor allem von der guten Einnahmelage, von der alle Gebietskörperschaft in diesem Zeitraum profitiert haben, ebenfalls profitiert.

Ja, Sie haben auch gekürzt, zum Beispiel bei den Kommunen, mit der Folge, dass bei diesen die Kassenkredite angestiegen sind. Sie haben also nicht gespart, sondern Sie haben Schulden verlagert und die Kommunen daran gehindert, die notwendigen Investitionen zu tätigen. Ja, Sie haben beim Personal gespart - Sie haben unterhalb des Bedarfes eingestellt und die Funktionsfähigkeit der Landesverwaltung dadurch infrage gestellt. Wenn Konsolidierung wirklich heißt, den Haushalt für kommende Generationen zukunftsfest zu machen, dann haben Sie dieses Ziel eindeutig verfehlt.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie räumen das auch partiell ein, wie in diesem Nachtragshaushaltsplan zu erkennen ist. Ja, Sie haben mit Ihren Kürzungen das infrage gestellt, was die Zukunft des Landes ausmacht: die Hochschulen und die Kultur. So musste man zwischenzeitlich denken: In Ihrer konsolidierten Zukunft ist Sachsen-Anhalt trist und doof. Ja, Sie haben mit der Kürzung des Blindengeldes den Schwachen und den Armen für Ihre wie auch immer geartete Zukunft in die Tasche gegriffen.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie wollten investieren. Die Investitionsquote ist trotz der Hochwassermittel rückläufig. Betrachtet man den Mittelabfluss im Haushaltsjahr 2014 ohne Hochwassermittel, so stellt man fest, dass Mittel in Höhe von 150 Millionen € nicht abgeflossen sind. Wir haben gerade die Hälfte des Jahres 2015 erreicht - der Trend setzt sich fort: Per 30. Juni sind gerade einmal 15 % der veranschlagten Mittel abgeflossen.

Und Sie wollten mit einer Steuerschwankungsreserve dafür sorgen, dass künftige Steuerschwankungen sich nicht mehr unmittelbar auf den jeweiligen Haushalt auswirken müssen - das ist fast zitiert. Es sollte sozusagen Vorsorge für schlechte Zeiten sein. Ein schöner Notgroschen, wie meine Kollegin Niestädt zu sagen pflegte.

(Frau Niestädt, SPD: Stimmt wohl nicht?)

Ich möchte die Position meiner Fraktion hierzu nicht wiederholen. Wir denken, die Bildung von Rücklagen macht erst dann Sinn, wenn die Aufgaben des Landes im Haushalt abbildbar sind. Wir haben Rücklagen in der Vergangenheit immer abgelehnt, weil ihre Bildung mit Kürzungen oder einer

höheren kommunalen Neuverschuldung erkauft wurde.

Aber beim Wort nehmen möchte ich Sie schon, Herr Minister. Wohin schwanken denn die Steuern, sodass die Auflösung erforderlich ist? - Ein Blick in Ihren Haushalt verrät: Sie schwanken nach oben, brutto um 24,5 Millionen € im Jahr 2015 und um 24,5 Millionen € im Jahr 2016. Was ist los, Herr Minister?

(Zuruf von Minister Herrn Bullerjahn)

Welche Notzeiten sind ausgebrochen, liebe Kollegin Niestädt, dass Sie an den Notgroschen heranmüssen? - Das ist - zugegeben - eine rhetorische Frage. Aber ich will Sie Ihnen beantworten: Die Not, vor der diese Koalition im kommenden Jahr steht, heißt Landtagswahl.

(Beifall bei der LINKEN)

Diese Not scheint bei Ihnen hektische Betriebsamkeit auszulösen.

(Zuruf von Frau Niestädt, SPD)

In Ermangelung eigener Erkenntnisse haben Sie zumindest einen Teil der Forderungen unserer Fraktion aufgegriffen, die Sie neulich noch ablehnten. Sie spielen Feuerwehr bei den Lehrern und Polizisten,

(Unruhe)

um den Schwelbrand, den Sie mit Ihrem sogenannten Personalentwicklungskonzept gelegt haben, zu löschen. Aber das schaffen Sie damit noch lange nicht.

Sie denken, die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land seien vergesslich. Sie versuchen das Gleiche wie im Jahr 2010: Vor der Wahl haben Sie Neueinstellungen versprochen, um sie nach der Wahl umso drastischer zu kürzen und zu kassieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Ja, die Not haben Sie mit diesem Nachtragshaushalt erkannt. Dass es selbst verschuldetes Elend ist, wissen Sie. So bleibt zu hoffen, dass es der letzte Haushalt dieser Regierung ist, zu dem ich sprechen muss. - Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Als Nächster spricht für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Herr Schröder.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Ich gebe es gern zu, einen Nachtragshaushalt macht man nicht gern. Aber es kann nun ein

mal Situationen geben, auf die wir reagieren müssen. Der Finanzminister hat es gesagt: Der humanitäre Flüchtlingsschutz, zu dem wir uns alle bekennen, ist ein solcher Grund. Deswegen haben wir diesen Nachtragshaushaltsentwurf der Landesregierung nun im parlamentarischen Verfahren.

Mit dem heute vorliegenden Entwurf eines Nachtragshaushaltsplans bewahrt diese Landesregierung Kontinuität in ihrer Finanzpolitik. Es bleibt bei dem gewohnten Dreiklang von Investieren, Konsolidieren und Vorsorgen.

Mir fiel ein Zitat des Ministerpräsidenten aus einer Publikation ein, das ich gern einmal heranziehen würde, weil es ganz gut zu dem Gesamtkurs in der Finanzpolitik dieses Landes passt. Der Ministerpräsident hat einmal gesagt: Gesunde Haushalte sind ein hervorragendes Argument für mehr Selbstbewusstsein. - Richtig.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieses Selbstbewusstsein können wir auch mit diesem vorliegenden Entwurf eines Nachtragshaushaltsplans durchaus haben. Nicht erst seit der griechischen Staatsschuldenkrise wissen wir, dass man Politik gegen die Grundrechenarten auf Dauer nicht durchhält. Konsolidierte Landesfinanzen sind kein Selbstzweck, sondern sie ermöglichen uns erst die Gestaltungsspielräume, die wir benötigen. So können wir mit diesem Entwurf eines Nachtragshaushaltsplans auf aktuelle Probleme reagieren, den Kommunen mehr Geld als mit dem geltenden Doppelhaushalt geben und dennoch alte Schulden abtragen.

Ich habe in den vergangenen Haushaltsreden und auch heute wieder vom Kollegen Knöchel den Vorwurf gehört, die Politik sei so sehr auf die Zukunft ausgerichtet und vergesse dabei die Gegenwart. Es gehe sozusagen mehr um Zahlen als um Menschen.