Die Abgeordnete Frau Lüddemann wird den Antrag einbringen. Frau Kollegin, Sie haben das Wort. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Lange war es still geworden in der Debatte um die Öffnung der Ehe in Deutschland. Es hat erst eines starken Zeichens von außen bedurft. Die überwältigende Mehrheitsbekundung der Iren in einem Referendum hat das Thema in Europa und in Deutschland wieder in eine breite Öffentlichkeit geholt; denn ausgerechnet das katholischste Land der EU hat uns vorgemacht, dass wir Deutschen gar nicht so fortschrittlich sind, wie wir uns das oft gerne einbilden oder wie wir es sein möchten.
Spätestens seit die selbst ernannte Führungsmacht der freien Welt nicht untergegangen ist, obwohl dort höchstrichterlich die Ehe für alle erlaubt ist, sollte uns allen klar sein: Deutschland hinkt dem Rest der Welt hinterher.
In anderen EU-Ländern - ich haben es mehrfach in diesem Hohen Hause erwähnen müssen - können gleichgeschlechtliche Paare die Ehe bereits eingehen. Die Niederlande waren im Jahr 2001 der Vorreiter mit der sogenannten Homoehe. Kurz darauf folgten Belgien und Spanien. Danach folgten Norwegen, Schweden, Portugal, Dänemark, Frankreich, Luxemburg, Finnland und Großbritannien mit der Ausnahme Nordirland.
Wo stehen wir in Deutschland? - Mit dem Lebenspartnerschaftsgesetz hat die grüne Bundestagsfraktion im Jahr 2001 das Fundament zur rechtlichen Gleichstellung von Lesben und Schwulen in Deutschland gelegt. Die Öffnung der Ehe war damals leider politisch nicht durchsetzbar. Sowohl der Koalitionspartner SPD als auch große Teile der Opposition stemmten sich mit unterschiedlichen Begründungen gegen die grüne Forderung, die Diskriminierung von lesbischen und schwulen Paaren komplett zu beenden.
Seitdem - das muss man sich einmal vorstellen - hat das Bundesverfassungsgericht sechsmal die bestehende Ungleichheit beanstandet und damit unsere Auffassung bestätigt: Gleiche Liebe verdient nicht nur gleichen Respekt. Gleiche Liebe verdient Gleichbehandlung auf allen Ebenen und in allen Bereichen,
und zwar nicht irgendwann, nicht in zehn Jahren, nicht in fünf Jahren, sondern jetzt und sofort und komplett.
Schauen wir uns an, was die jetzige Bundesregierung macht. Sie lässt durch ihren Sprecher Steffen Seibert ausrichten, Lebenspartnerschaften nicht zu diskriminieren, das ist das klare Ziel der Bundesregierung. Eine Gleichsetzung mit der Ehe ist es nicht. - Ja Himmel, da frage ich mich doch wirklich, die Ehe nicht für gleichgeschlechtliche Paare zu öffnen, das ist Diskriminierung.
Ich halte es hierbei wie David Cameron, der sagt, ich trete als Konservativer für die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare ein, weil es hierbei um Werte geht wie Verantwortung und füreinander einstehen.
Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass Demokratie gleiche Rechte braucht. Demokratie lebt davon, dass der Grundsatz „Gleiche Rechte, gleiche Pflichten“ durchgehalten wird und für alle gilt. Er ist zentral für eine funktionierende Demokratie. Er wird an anderer Stelle auch von den Konservativen in der CDU immer wieder gern herangezogen, aber eben immer nur dann, wenn es gerade passt.
Für gleiche Rechte reicht es eben nicht aus, einige Wörter in Gesetzestexten auszutauschen. Der vom Bundeskabinett beschlossene Entwurf eines Gesetzes zur Bereinigung des Rechts der Lebenspartner, der in 23 Gesetzen und Verordnungen die eingetragene Lebenspartnerschaft von Homosexuellen stärker an das Institut der Ehe angleichen will, geht uns Bündnisgrünen nicht weit genug. Und er geht der übergroßen Mehrheit der deutschen Bevölkerung nicht weit genug.
Das Lebenspartnerschaftsgesetz war ohne Frage eine wichtiger Schritt, aber rechtspolitisch eben nur eine Übergangstechnologie. Es war eine Übergangstechnologie auf dem Weg hin zur völligen Gleichstellung von lesbischen und schwulen Paaren in Deutschland. Es reicht im Jahr 2015 in keiner Weise mehr aus, neben das Wort „Ehegatte“ das Wort „Lebenspartner“ zu setzen. Wir müssen den langen Weg zur rechtlichen Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Paaren endlich zu Ende gehen, nicht in Tippel-Tippel-Schritten, sondern in einem Satz.
Es ärgert mich schon, wenn sich die SPD mit dem Verweis auf Bündnistreue wegduckt, wenn es um die Öffnung der Ehe geht - die SPD, die im Wahlkampf 2013 vollmundig mit dem Slogan angetreten ist: 100 % Gleichstellung nur mit uns.
- Danke, Kollegin Budde. Auf den Hinweis auf Schwarz-Grün habe ich gewartet. Das ist durchaus bitter. Aber dazu komme ich am Ende noch.
(Herr Felke, SPD: Das ist etwas ganz ande- res! - Herr Erben, SPD: Na klar! - Weitere Zurufe von der SPD)
Ich komme nachher am Ende noch dazu, zu sagen, dass ich finde, dass solche Abstimmungen - da bin ich ganz bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes - freigegeben werden sollten, weil sie tatsächlich Gewissensentscheidungen sind.
Die Kolleginnen Ministerpräsidentinnen von NRW und Rheinland-Pfalz von der SPD haben deutlich ihre Zustimmung zur Ehe signalisiert.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es mag erschrecken, aber Lesben und Schwule sind überall. Sie sind unsere Freunde, unsere Verwandten und unsere Kollegen. Sie sind gleichberechtigte Bürgerinnen und Bürger. Das muss das Recht auf Eheschließung einschließen. Wenn die Ehe so gut ist, dann sollte sie für alle möglich sein.
ist beschämend, weil es keine tatsächlich validen Argumente gibt. Es wird vorgetragen, es gäbe einen Unterschied zwischen Lebenspartnerschaft und Ehe, der sich in Traditionen sowie in kulturellen und religiösen Grundlagen unseres Landes begründe. Tatsächlich, auch in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften gehen Menschen in Liebe und Treue miteinander durchs Leben. Das ist etwas Gutes, sehr Schönes, sehr Wertvolles und, wie ich finde, Schützenswertes. Das Erscheinungsbild der Ehe wandelt sich. Die Inhalte bleiben gleich.
Ein weiteres Argument der Gegner ist, dass die gleichgeschlechtliche Ehe eine Bedrohung der vom Grundgesetz geschützten Ehe darstelle. Ich habe lange überlegt, wie man das am besten beantworten kann. Da ist mir erstaunlicherweise die „Berliner Zeitung“ in die Hände gefallen, die nicht gerade als Speerspitze des Linksjournalismus bekannt ist. Die haben die Frage in großen Lettern beantwortet. Das ändert sich für heterosexuelle Paare, wenn homosexuelle Paare die Ehe schließen dürfen.
Sie brauchen auch von hinten keine Brille. Sie sehen nämlich ein weißes Blatt und in der Mittel steht: nichts. Besser kann diese Frage, wie ich finde, nicht beantworten.
Schließlich wird mit dem Kindeswohl argumentiert. Homosexuelle Paare könnten, wenn die Ehe für alle erlaubt ist, unkompliziert Kinder adoptieren. Das hätte schlimme Folgen. Welche schlimmen Folgen sollen das, bitte schön, sein?
Ich will jetzt nicht auf die Tränendrüse drücken. Aber ich habe leider in meinem vorherigen Job sehr viele Fälle erleben müssen, bei denen Kinder wegen Kindeswohlgefährdung aus ihren Herkunftsfamilien herausgeholt werden mussten, aus guten, traditionellen deutschen Familien mit Vater und Mutter.
Wenn man das zusammenfasst, dann stellt man fest, dass sich der Widerstand gegen die gleichgeschlechtliche Ehe sachlich nicht begründen lässt.
Deswegen, Kolleginnen und Kollegen, wird er auf Dauer auch haltlos bleiben. Wer Dinge tut und Entscheidungen trifft, die sich einzig mit der Tradition begründen lassen, wie die Kollegin Mortler von der CDU das so schön auf den Punkt bringt - sie sagte, das war schon immer so und deswegen ist es auch gut so und muss so bleiben -, und wer nur geschichtlich argumentiert, der wird sehr schnell selbst zu einem Teil der Geschichte.
Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass wir uns tatsächlich über jedes Paar freuen sollten, liebe Kolleginnen, das füreinander Verantwortung übernimmt und füreinander einstehen will. Das ist doch eigentlich ziemlich konservativ. Da bin ich ganz bei Cameron oder, wie ich es mit eigener Wortwahl sagen würde, wertekonservativ wie wir GRÜNE.
Tatsächlich sollten wir uns auch ausnahmslos über jedes Paar erfreut sein, das gemeinsam für ein Kind sorgen möchte. Eine glückliche Kindheit und die gesunde Entwicklung eines Kindes hängen nicht von der sexuellen Orientierung der Eltern ab, sondern von Qualität und Festigkeit der Partnerschaft, von Liebe, Engagement und Zuwendung.
Keiner hat das Recht, anderen Vorschriften hinsichtlich ihrer Lebensführung zu machen und über ihre Fähigkeit zu Partnerschaft und Erziehung zu urteilen. Wir müssen aufhören, kleinteilige Nachbesserungen in einzelnen Rechtsfolgen der Le
benspartnerschaft vorzunehmen. Wir brauchen keine Sonderrechte, sondern eine komplette Gleichstellung jetzt.
Und - das ist das Interessante an der Debatte - es gibt, wie man in den letzten Wochen wahrnehmen konnte, nun auch einige CDU-Politiker, die sich hier eines anderen besinnen. So hat zum Beispiel die schleswig-holsteinische Landtagsfraktion der CDU ihr Ja zur Öffnung der Ehe bekundet. Nadine Schön hat sich für eine Öffnung der Ehe ausgesprochen; ihres Zeichens Vizefraktionsvorsitzende im Bundestag. Auch Dagmar Wöhrl, eine Ausschussvorsitzende im Bundestag, und viele andere mehr haben sich dafür ausgesprochen. Offenbar gibt es auch in der CDU ein leises Verständnis für gesellschaftliche Realitäten, zumindest außerhalb dieses Bundeslandes.
In der Bevölkerung ist diese Realität längst angekommen. Eine breite Mehrheit der Menschen ist für eine vollständige Gleichstellung lesbischer und schwuler Paare durch die Öffnung der Ehe. Das zeigen breite Diskussionen in Online-Foren, in Zeitungsspalten und bei Veranstaltungen. Das zeigen 42 % der Befragten in einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstitut YouGov, die sich voll und ganz für die Gleichberechtigung in dieser Frage aussprachen. Zusätzliche 32 % waren eher dafür. Insgesamt nenne ich die Mehrheit überwältigend. Das sollte einer Volkspartei zu denken geben.